Kitabı oku: «Lehrbuch der Psychotraumatologie», sayfa 12

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Erlebniszustand 1, sportlich, asketisch, jovial, forciert männlich, pseudo-selbstsicher, kameradschaftlich, lässig, übertrieben unbekümmert, zupackend usf.

Dieser Erlebniszustand kommt dem Idealzustand des kompensatorischen Schemas relativ nahe. Er ist jedoch wie durch eine Barriere vom Idealzustand 6 abgetrennt, in Abbildung 5 dargestellt als Grenzstreifen, der die Zustände 6 und 1 voneinander trennt und in sich das traumatische Diskrepanzerlebnis symbolisiert. Die erlebte Diskrepanz kommt in der übertrieben forcierten Männlichkeit und Souveränität zum Ausdruck, die Herr P. im Erlebniszustand 1 nach außen hin demonstriert, wobei eine genauere Analyse zeigt, dass er gegen unterschwellige Selbstzweifel ankämpfen muss, die wiederum aus der traumatischen Erfahrung stammen.

Verstärken sich diese Selbstzweifel, so gerät Herr P. in den Erlebniszustand 2a, selbstanklagend, führungsuchend, in dem er sich zumeist befindet, wenn er mit Autoritätsfiguren zu tun hat, wie beispielsweise im Beruf oder in privaten Beziehungen, wenn er seine Partnerinnen über kurz oder lang in die Autoritätsrolle hineinmanövriert.

Die Passage 2 nach 4 tritt ein, wenn Herr P. die Beziehung als zu einengend erlebt. Er protestiert dann entweder vorwurfsvoll anklagend oder aber passiv trotzig gegen diese Bevormundung so lange und so heftig, dass es nach einiger Zeit zum Beziehungsabbruch kommt.


Erklärung: Die Abbildung zeigt die Kontrolloperationen innerhalb der wichtigsten Er-lebniszustände sowie in den Passagen von einem Zustand zum nächsten.

Abbildung 7: Erlebnisverarbeitungsprozesse bei Herrn P.

In Erlebniszustand 5, der auf die Trennung folgt, schildert er seine Gefühls- und Stimmungslage als „vollkommen gleichgültig“ – nach einem anfänglichen Triumphgefühl. Die Kontrolloperation besteht hier in einer Gefühlsblockade. Erlebt Herr P. jetzt unterstützende soziale Beziehungen, so kann er in die relativ ausgeglichene Stimmung von Erlebniszustand 1 zurückkehren.

Fehlt sozialer Kontakt und ist er auf sich selbst zurückgeworfen, so verfällt er in einen Zustand mit depressiver Grundstimmung, in dem er sich gelähmt zurückzieht, entscheidungs- und handlungsunfähig ist und sich ständig selbst anklagt (Erlebniszustand 3). Dieser „state of mind“ wird beherrscht von Selbstvorwürfen und -anklagen im Wechsel mit suchtartigem Essen von Süßigkeiten – eine Wiederholung sowohl der engen negativen Bindungserfahrung wie der ständigen Kritik und traumatischen „Desillusionierung“ seiner Wünsche nach Eigenständigkeit, diesmal allerdings auf der „Bühne eines inneren Dialogs“.

Von 3 kann sich Herr P. nach 2a zurückbewegen, wenn Autoritätspersonen vorhanden sind, die ihn von außen her stützen oder wenn sich eine neue Beziehungsmöglichkeit anbietet, die aber – über kurz oder lang – neuerlich die Passage 2-4-5 durchlaufen wird.

Für eine detaillierte Analyse der Erlebniszustände in Verbindung mit dem lebensgeschichtlichen Hintergrund des Patienten vgl. die Darstellung von Analyseverlauf und therapeutischer Transformation der Erlebniszustände im Laufe der psychoanalytischen Behandlung (Fischer 1996, 194 ff.).

Abbildung 7 entspricht einer graphischen Vorlage von Horowitz (1979), angewandt auf den Fall von Herrn P. (Fischer 1996, 194). Es handelt sich um eine Rekonstruktion der Kontrolloperationen, welche in methodischer Hinsicht kognitive Psychologie und Psychodynamik miteinander verbindet. Die Kombination von Psychodynamik und kognitiver Psychologie hat sich nicht nur bei der Einzelfallstudie von Herrn P. bewährt, sondern bildet ganz allgemein die Grundlage für die Rekonstruktion traumatischer Prozessverläufe.

Dabei geben die Kategorien A bis G am linken Rand des Diagramms ein kategoriales Raster ab, mit dessen Hilfe wir die dynamische Balance zwischen Traumaschema und traumakompensatorischem Schema im traumatischen Prozess untersuchen können.

Kategorie A umfasst Ereignisse, Handlungen und aktive Erinnerungen. Hier besteht die Gefahr, dass entweder Erinnerungen an das Trauma auftreten können oder aber Handlungen ausgeführt werden, die mit Konsequenzen aus der traumatischen Erfahrung kollidieren, die der Patient im kompensatorischen Schema gezogen hat. Herr P. darf sich unbewusst von seiner Mutter nicht trennen. Die Arbeit für das Studium, die er gerne bewältigen möchte, unterliegt anscheinend diesem Tabu auf aktivem Handeln, sofern es zu Selbständigkeit und innerer Ablösung von der Mutter führt – ein höchst wahrscheinlicher Nebeneffekt eines erfolgreichen Examens.

Von daher kollidiert das Bestreben, für sein Studium zu arbeiten und es abzuschließen mit Elementen der Kategorie B Vorstellungen, Phantasien und Plänen, insbesondere dem Wunsch, passiv verwöhnt zu werden und von der Mutter abhängig zu bleiben. Diese passive Haltung allerdings kollidiert wiederum mit der Vorschrift des kompensatorischen Schemas nach Unabhängigkeit und Selbständigkeit. Ein solches Gegeneinander von Kognitionen in Kategorie B und D führt zu jener Lähmung, die den Erlebniszustand 3) selbstquälerisch zurückgezogen kennzeichnen.

Kategorie G beschreibt nun das ursprüngliche Beziehungsschema, das bei Herrn P. inzwischen in den inneren Dialog verlagert wurde: Ein Teil des Selbst klagt jenen anderen Teil an, der sich selbstversorgend süchtig verhält. So verbringt Herr P. viele Stunden des Tages Zeitung lesend und Süßigkeiten essend in einem Sessel und klagt sich gleichzeitig an wegen seiner „Faulheit“.

Da der Zustand auf Dauer unerträglich werden kann, wird eine Kontrolloperation (Kategorie E) notwendig, die Suche nach Hilfe und damit der Übergang in den Erlebniszustand 2a), selbstanklagend, führungsuchend. Auch die Suche nach Hilfe (Kategorie A) gerät in den Zwiespalt zwischen passivem Bindungswunsch und dem kompensatorischen Imperativ nach Selbständigkeit. Sie gerät in Konflikt mit der Einstellung „Männer handeln selbständig“. Aus diesem Zwiespalt entsteht die emotionale Reaktion von Angst und Scham wegen der Abhängigkeitswünsche, was wiederum eine Kontrolloperation (Kategorie E) auslösen kann, die einen Zustandswechsel herbeiführt von 2a nach 4. Die kognitive Kontrolloperation ist hier aufgeführt mit „vermeide Abhängigkeitswünsche wahrzunehmen, achte darauf, wie der Partner dich abhängig macht (dir Vorschriften macht)“. Hier, im Übergang von 2 nach 4 kommt es zu einer charakteristischen Umkehr der Positionen im Beziehungsschema. War zunächst in 2 das Selbst als Problemfall definiert, der Andere als Kritiker oder Helfer, so kehrt sich diese Beziehungskonstellation um: Herr P. wird nunmehr zum Kritiker und Ankläger, der den Angeklagten der Despotie, Einengung und Bevormundung bezichtigen kann.

So hat der Erlebniszustand 4 wiederum folgenden inneren Aufbau: Das Statement „achte auf Bevormundungen“ ist der Ausgangsstimulus (Kategorie A) dieser inneren Verhaltenskette. Die „Beobachtung“ permanenter Bevormundung fällt jetzt auf fruchtbaren Boden: ‘Bestätigt̓ in seiner negativen Vorerwartung gerät er in „gerechten Zorn“, eine Haltung, die wiederum mit der Einstellung, sich beherrschen und mäßigen zu müssen, also mit der Vermeidung allzu heftiger Wutausbrüche, kollidiert und einen Stimmungszustand von vorwurfsvoller Gereiztheit und ständig unterdrückter Wut erzeugt, wie er für die Stimmungslage anklagend trotzig charakteristisch ist. Auch hier wird über kurz oder lang eine Kontrolloperation erforderlich, die sich umschreiben lässt mit: „nur Trennung befreit“. Sie leitet über zum Erlebniszustand 5 mit anfänglichem Triumphgefühl und einer recht komplex motivierten Kontrolleinstellung, die dazu führt, dass das anfängliche Triumphgefühl nicht wirklich genossen werden kann, dass vielmehr eine Gefühlsmodulation stattfinden muss, die den Patienten gleichgültig und innerlich leer hinterlässt in der charakteristischen Stimmung von Erlebniszustand 5 (vollkommen gleichgültig).

Die wichtigsten ihrer Erlebniszustände und Stimmungslagen schildern Patienten mit traumatogener Strukturveränderung häufig schon in den Erstgesprächen. Es bedarf allerdings einiger Übung, um mittels „Konfigurationsanalyse“ und „Dialektischem Veränderungsmodell“ eine präzise Analyse der persönlichkeitstypischen Stimmungslagen und Kontrolloperationen auf dem Hintergrund der Lebensgeschichte und der traumatischen Erfahrungen durchführen zu können.

2.4.3 Kontrolloperationen und Strukturveränderung im traumatischen Prozess

Wir haben in Abschnitt 2.4.1 Begriffe entwickelt wie „Traumaschema“, „traumakompensatorisches Schema“ usf., mit denen sich die Dynamik des traumatischen Prozesses untersuchen lässt. Diese dynamischen Operationen führen mit der Zeit zu Strukturveränderungen, mit denen wir uns in diesem Abschnitt befassen werden. Auch sie ergeben sich aus dem Ziel, mit der traumatischen Erfahrung zu leben und sich dem innerlich unbewältigten und anscheinend „unheilbaren“ traumatischen Erfahrungskomplex anzupassen.

Wir hatten im vorigen Abschnitt am Fallbeispiel von Herrn P. zwischen Kontrolloperationen innerhalb einzelner Erlebniszustände unterschieden und solchen, die die Passage von einem Erlebniszustand in den anderen steuern. Mit letzteren wollen wir uns hier näher befassen, da sie in besonderem Maße zu einer Veränderung der Persönlichkeitsstruktur und -integration beitragen können.

Innerhalb der einzelnen Erlebniszustände tritt ein jeweils spezifischer Konflikt zwischen kompensatorischem Schema und traumatischer Erfahrung auf. Dieser löst eine emotionale Reaktion aus, die mit der Stimmungslage des Erlebniszustands identisch ist. Die Kontrolloperationen, die von einer in die andere Stimmungslage hinüberführen, befreien scheinbar von diesem belastenden Konflikterlebnis, indem sie einen plötzlichen „Szenenwechsel“ und damit auch eine veränderte Stimmungslage mit sich bringen.

Ein Beispiel bei Herrn P. ist der Übergang vom Zustand 2a „gelehriger Abhängigkeit“ in den „Protestzustand“ 4. Ein solcher „Szenenwechsel“ kann so radikal sein, dass ein äußerer Beobachter den Eindruck gewinnt, er habe es mit einer anderen Persönlichkeit zu tun. Aber auch vielen Patienten wie z. B. Herrn P. ist im neuen Zustand (z. B. im Protestzustand 4) der vorausgehende Zustand 2a kaum mehr erinnerlich. Dies führt zu einer Inkohärenz der Persönlichkeitsorganisation, zu einer Strukturveränderung des zentralen organisierenden → Ich-Selbst-Systems, wie sie zum Beispiel als charakteristisch für die Borderline-Störung angesehen wird. In diesen Fällen ist kein einheitliches, zustandsübergreifendes Selbstkonzept mehr vorhanden, von dem aus die zustandsspezifischen Erlebnis- und Verhaltensmuster als widersprüchlich beurteilt werden könnten. Im Extrem können untereinander strikt dissoziierte Erlebniszustände auftreten, die sich zu Teilpersönlichkeiten verselbständigen. Diese Organisationsform entspricht dann einer ggf. „multiplen Persönlichkeit“ in der diagnostischen Terminologie des DSM III, seit DSM IV als „dissoziative Identitätsstörung“ bezeichnet.

Man kann die unterschiedlichen Erlebniszustände oder Stimmungslagen einer schwer traumatisierten Persönlichkeit mit einer Drehbühne vergleichen (→ Drehbühnenmodell). Wer therapeutisch mit dissoziierten Persönlichkeiten arbeitet, fühlt sich bisweilen wie in einer Theateraufführung, in der – möglichst bei Dunkelheit – die Bühne gedreht wird. Wenn die Beleuchtung wieder eingeschaltet wird, erblickt die Zuschauerin eine völlig veränderte Szenerie. Ein anderes Bühnenbild ist aufgebaut, manchmal haben auch die Schauspielerinnen gewechselt. Wir reiben uns verwundert die Augen und brauchen längere Zeit, uns an das Licht und die völlig veränderte Lage zu gewöhnen.

Die Drehung der Bühne erfolgt durch einen nach außen hin unsichtbaren Mechanismus und ist vom Regisseur geplant und angeordnet. Sie entspricht jener Kontrolloperation, welche die Passage von einem Erlebniszustand in den anderen steuert.

Natürlich ist der Patient selbst der Regisseur, der die Drehung „anordnet“. Zudem ist er der Autor von jenem Drehbuch oder „Script“, das einen Kulissenwechsel in diesem Augenblick vorsieht. Er ist sich dieser Autorschaft allerdings kaum bewusst. Denn der Szenenwechsel erfolgt zumeist angstgetrieben und „automatisch“ aus der Notwendigkeit heraus, die Wiederkehr der traumatischen Erfahrung zu vermeiden und den Imperativ des kompensatorischen Schemas zu erfüllen.

Wir wollen uns diese Verhältnisse weiterhin an der → idiographischen Studie von Herrn P. verdeutlichen. Erlebniszustand 2 „erinnert“ auf die Dauer an die unerträgliche Beengung, Demütigung und Kränkung des traumatisierten Beziehungsschemas (Traumaschemas). In Zustand 4 dagegen hat er die gefährliche Nähe nicht nur vermieden, sondern hat zudem den anderen, seinen Beziehungspartner und früheren Kritiker in die schwache, abgewertete und hilflos abhängige Position versetzt. Diese Rollenumkehr erfüllt den Imperativ des kompensatorischen Schemas in idealer Weise und entlastet von der traumatischen Erfahrung, allerdings nicht auf Dauer.

So stellt sich die Frage: warum hat ein solches Durchspielen des Traumascripts durch verschiedene Szenen des Dramas, über unterschiedliche Drehungen der Bühne hinweg, keine dauerhaft entlastende, also therapeutische oder korrektive Wirkung? Herr P. hatte ja in seinem Leben schon sehr häufig eine vorübergehende Entlastung durch provozierte Trennungen erlebt. Diese „Inszenierungen“ hatten jedoch seine Verfassung nicht verbessert, sondern schrittweise noch verschlechtert. Erst während der zweijährigen psychoanalytischen Behandlung kommt es zu einer dauerhaft positiven Veränderung, nachdem die unterschiedlichen Facetten des traumatisierten Beziehungsschemas und das traumakompensatorische Script in der psychoanalytischen → Übertragungsbeziehung inszeniert und bearbeitet worden waren.

Hier stoßen wir auf einige faszinierende Forschungsfragen zur Strukturbildung im traumatischen Prozess. Freud hatte in seiner Theorie der „Verdrängung“ angenommen, dass unbewusste Abwehrprozesse einsetzen, sobald Erinnerungen auftreten, die auch nur im geringsten die traumatische Erfahrung heraufbeschwören. Die zunächst traumatisch-überflutende Angst kann jetzt in „Signalangst“ verwandelt werden, die unbewusste Abwehrprozesse in Gang setzt. Das Ich, die zentrale Organisationsinstanz, welche die Abwehr betätigt, ist nach Freud im „Abwehrvorgang gespalten“ in einen ebenfalls unbewussten Anteil, welcher die Abwehr ausführt und die → Abwehrmechanismen des Ich betätigt und einen zweiten Teil, der die Resultate der Abwehr bewusst registriert. Der unbewusste Teil entspricht in unserem Bild von der Drehbühne dem Regisseur, der dafür sorgt, dass die Bühne verstellt wird sowie dem Autor, der das Bühnenstück (das „Traumadrama“) entworfen hat. Die Traumaabwehr erfolgt unbewusst und dennoch intentional.

Wakefield (1992) hat gezeigt, dass die Struktur der Freudschen Begriffsbildung Lösungen bereithält, die für manche aktuellen Probleme der „kognitiven Psychologie“ vorbildlich sein können, so zum Beispiel für die Frage nach der bewussten Repräsentation von Schemata und ihrer außerbewussten Informationsverarbeitung.

So dürfte ganz analog zu Freuds Überlegung das → traumakompensatorische Schema vor allem „unbewusst“ operieren. Denn würde es mit bewusster Aufmerksamkeit eingesetzt, so würden wir gleichzeitig auch auf seinen Gegenspieler, das Traumaschema aufmerksam werden, und das eigentliche Ziel der kompensatorischen Abwehr wäre verfehlt. Wir scheinen also fähig, unsere Aufmerksamkeit außerbewusst, aber dennoch sehr gezielt lenken zu können. Die immer genauere Erforschung solcher Bewegungen unserer Aufmerksamkeit könnte die Kluft überbrücken, die zwischen dem psychoanalytischen Konzept des „Unbewussten“ und dem der „unbewussten“ oder „außerbewussten Informationsverarbeitung“ in der kognitiven Psychologie besteht (vgl. etwa Shevrin 1992, 324).

Auch das Modell des → Situationskreises mit seinem Zusammenspiel von „Merken“ und „Wirken“ kann hier hilfreich sein. Es sieht mehrere metakognitive Stufen des „Merkens“ vor. Ich kann etwas bemerken, aber gleichwohl nicht bemerken, dass ich es bemerke. Diese höheren selbstreflexiven Stufen der Wahrnehmung strukturieren unser entwickeltes Selbstkonzept. Ist dieses über verschiedene Stufen und Metastufen hinweg in sich konsistent, so bemerke ich meine Wahrnehmung, mein Merken und Wirken und kann dieses mit meinem übergreifenden Selbstkonzept und jeweiligen Situations- und Selbstverständnis in Zusammenhang bringen.

In einem solchen „vertikal“ gegliederten Modell der Selbstwahrnehmung besteht die Möglichkeit einer Trennung der Ebenen. Traumaschema und kompensatorisches Schema können von den „höheren“ Stufen der Selbstwahrnehmung abgeschnitten sein, sie können jedoch trotzdem auf einer „niederen“ sozialkognitiven Organisationsstufe aktiv bleiben. Der „Situationskreis“ verwandelt sich dann partiell in einen → „Funktionskreis“ zurück, der allerdings nicht die Vollkommenheit reflexgesteuerter Verhaltensabläufe hat, sondern eine defizitäre Variante eben des Situationskreises darstellt.

Der Psychoanalytiker und Kognitionsforscher George S. Klein hat die Wirkungsweise solcher vom (höher organisierten) Selbstbezug abgespaltener Schemata beschrieben. Sie unterliegen jenen Wiederholungstendenzen der rekognitiven und reproduktiven Assimilation, die nach Piaget auch im Normalfall die sensorische und motorische Aktivität eines Schemas steuern. Die Selbstkorrektur – Akkommodation in Piagets Terminologie – eines abgespaltenen Beziehungsschemas bleibt jedoch so lange ausgeschlossen, wie das Subjekt die eigene Beteiligung am Handlungszusammenhang negiert. Erst die Aufhebung dieser Verneinung würde die Selbstkorrektur des Schemas und somit eine neue Konstellation von Selbst- und Welterfahrung ermöglichen. Klein formuliert das sehr prägnant: „Die Realität zu akzeptieren bedeutet, sie selbst-rückbezüglich (self-related) zu machen“ (1976, 296, Übersetzung von uns). Ist die Akkommodationsmöglichkeit des Schemas zugleich mit dem Selbstbezug zwar abgeschnitten, so bezieht das unbewusste interpersonelle Schema doch weiterhin Umweltkonstellationen ein auf der Basis einer Ähnlichkeit mit der traumatischen Situation. Diese Assimilation (Angleichung) ohne selbstkorrektive Berücksichtigung von Unterschieden verwandelt „Ähnlichkeit“ in „Wahrnehmungsidentität“ (Freud).

Klein bezeichnet Schemata, die der Verdrängung unterliegen und vom Selbstbezug (auf den höheren Ebenen der Metakognition) abgespalten sind auch als → fraktionierte Schemata. Die Funktionsweise der fraktionierten Schemata ist nach diesem Forscher durch folgende drei Merkmale gekennzeichnet:

Das Schema funktioniert als ein Code, d. h., äußere Umstände und Ereignisse werden entziffert und begrifflich gefasst in Termini ihrer Ähnlichkeit zu dem Schema (Rekognitive Assimilation).

Das → fraktionierte Schema funktioniert als eine Struktur zum Abtasten und Durchsuchen der Umwelt (scanning and searching structure). In dieser letzteren Funktion suchen die wunscherfüllenden Teile des Schemas Reiznahrung (stimulus nutriment) im Sinne der reproduktiven Assimilation nach dem Prinzip, dass alle inneren Spannungen eine angemessene motorische Abfuhr suchen. Da es mit dem Selbstschema nicht mehr verbunden ist, sucht das fraktionierte Schema ständige „Unterstützung“ oder einen wahrgenommenen Ursprung in der Außenwelt, so etwa, wenn Herr P. seine Partnerinnen beschuldigt, ihn zu bevormunden und beherrschen zu wollen.

Das fraktionierte Schema funktioniert als ein verstecktes Substitut, d. h. ein Symbol, worin die Handlungen sich nicht auf ein ausdrückliches Zeichen beziehen, sondern auf die Reproduktion des Prototyps des Schemas. Symbolischer Ausdruck ist das einzige Mittel, um das Schema in Verhalten zu übersetzen, das nicht jene Hemmung hervorruft, die durch bewusstes Verstehen einsetzen würde. So wird die gesamte Komplexität eines Beziehungsschemas „ausagiert“, aber nicht verstanden und die kognitive Repräsentation, die es bekommt wird auf dem Niveau phantastischer Ersatzbildung entwickelt, als „getarnte, symbolische Identität“ (Klein 1976, 297, Übers. von uns).

Das fraktionierte (Beziehungs-) Schema hat also seine kognitive Repräsentanz verloren. Es erhält nicht die volle Aufmerksamkeitszuwendung des Subjekts. Wie jedes kognitive und affektive Schema jedoch reproduziert es sich im Kontakt mit seiner Umwelt über reproduzierende Assimilation und eine Identifikation, die jetzt allerdings Ähnlichkeit durch Gleichheit ersetzt. Dies ist z. B. der Fall, wenn Herr P. die Bevormundung durch seine Freundinnen in einer Weise bekämpft, wie er es bei der Mutter nicht vermocht hatte. Die Freundinnen sind hier nicht ähnlich wie die Mutter, sondern wenn dieser Erlebniszustand und das zugehörige Beziehungsschema aktiv sind, ist die Freundin mit der Mutter identisch. Das Traumaschema ist entdifferenziert. Es wirkt wie ein „schwarzes Loch“, das alle Information in sich hineinreißt.

Der Verlust des Subjektbezugs macht die traumatisch verzerrten fraktionierten Schemata zugleich akkommodationsresistent. So kann das Selbst aus der abgespaltenen Erfahrung und ihrer Re-Inszenierung im Traumaschema nicht lernen, dies genau in dem Maße, wie ihm die eigene Beteiligung an der Reproduktion des Schemas unbewusst bleibt.

Während im traumatischen Prozess die ursprüngliche traumatische Erfahrung durch die verschiedenen Erlebniszustände hindurch in den Szenen und Bildern der Drehbühne dargestellt wird, bleibt die Ich-Selbst-Instanz, in Wirklichkeit Organisator der Szenenfolge und Autor des Scripts, vor sich und anderen in dieser Tätigkeit verborgen.

George Klein spricht hier von passiver Wiederholung, da das traumatisierte Subjekt als Regisseur seiner Wiederholungen zwar aktiv ist, sich dieser Aktivität aber nicht bewusst ist. Der Regisseur negiert seine Regieführung, und so fallen die Hilfen fort, welche eine bewusste Überarbeitung der traumatischen Erfahrung und das bewusste Lernen bieten können. Da die Abspaltung der fraktionierten Beziehungsschemata das „Lernen aus Erfahrung“ (Bion 1962) verhindert, muss zunächst diese Abspaltung revidiert werden. Dann kann die Arbeit an dem eigentlichen Traumaschema unter verbesserten Bedingungen wieder aufgenommen werden, also der Versuch, die traumatische Situation doch noch zu einem relativen Abschluss zu bringen.

Diesen Vorgang stellt Klein als aktive Wiederholung der passiven oder dem → Wiederholungszwang bei Freud gegenüber. Wiederholung kann zuvor nicht therapeutisch wirken, da sie zumindest partiell Notfallreaktionen auf die nach wie vor unbewältigte traumatische Erfahrung darstellt. Elemente dieser traumatischen Erfahrung, überarbeitet vom kompensatorischen Schema, werden zwar in den einzelnen Erlebniszuständen inszeniert. Das System der Erlebniszustände im Ganzen ist jedoch darauf angelegt, ein Zusammentreffen der verschiedenen Momente der traumatischen Erfahrung gerade zu vermeiden. Diese werden vielmehr nach dem → Drehbühnenmodell über die einzelnen Szenen hinweg verteilt. Dieses horizontale Prinzip des „Zerlegens“ der traumatischen Gesamterfahrung in einzelne, gegeneinander möglichst separat gehaltene Szenen und „Abteile der Drehbühne“ ist eines der Kontrollprinzipien, die es den Betroffenen ermöglichen, sich an die traumatische Erfahrung anzupassen, mit ihr zu leben, sie unter Kontrolle zu halten und sie auch bis zu einem gewissen Grade „abzureagieren“: im Sinne der passiven, nicht der aktiven Wiederholung.

Im traumatischen Prozess können wir zwischen vertikalen und horizontalen Kontrollprinzipien und Kontrolloperationen unterscheiden (Tab. 10). Deren Zusammenspiel bringt die Strukturveränderung und interne Organisation hervor, jene Anpassung an das Trauma, das es den Betroffenen gestattet, mit der unverarbeiteten traumatischen Erfahrung zu leben.

Die „vertikale“ → Dissoziation der Beziehungsschemata, insbesondere der Selbstkomponente im Beziehungsschema hat Freud mit der Verdrängungslehre herausgearbeitet. Das Gegeneinander von traumatischer Angst und kompensatorischer Abwehr nimmt einen automatischen Charakter an, bei dem der Selbstbezug des Handelns verloren geht. Das Selbst kann sich nicht länger als Urheber seiner Kontrollhandlungen verstehen. Diese verlaufen angstgesteuert und unbewusst im selben Maße, wie die traumatische Erfahrung nicht mehr erinnert werden kann. Denn ein bewusster, aufmerksamkeitsgelenkter Einsatz von Verdrängung als „intentionalem Vergessen“ würde ihr Ziel ad absurdum führen. Vertikale Abwehrprozesse werden immer dann an die abgewehrte, vermiedene traumatische Erfahrung erinnern, wenn sie bewusst gegen die Erinnerung eingesetzt werden.

Auch die horizontalen Kontrolloperationen sind vom bewussten Selbstbezug des Subjektes abgespalten. Sie zielen darauf ab, die Erfahrungsmuster der traumatischen Situation in einzelne, für sich jeweils erträglich dosierte Segmente zu zerlegen. Anstelle der vertikalen Dissoziation des Subjekts kommt es so zu einer horizontalen. Dies ist jene Folge traumatischer Erfahrungen, die geschichtlich als erster Piérre Janet herausgearbeitet hat und die wir heute bei unterschiedlichen Langzeitfolgen wiederfinden, insbesondere bei den dissoziativen Störungen.

Tabelle 10: Übersicht über Kontrolloperationen


Kontrolloperationen
Vertikal Horizontal
•Negation des Selbstbezugs („Verdrängung“) •Negation der Szenenfolge
•Fraktioniertes Schema •Fraktioniertes Script
•Kein Merken von Merken und Wirken •States of mind (Erlebniszustände)

Dissoziation der Identität. Horizontale und vertikale Dissoziation des Ich-Selbst-Systems entsprechen unterschiedlichen Kontrolloperationen im traumatischen Prozess. Terminologisch bezeichnen wir ein → Schema, das von vertikaler Dissoziierung betroffen ist als → fraktioniertes (Beziehungs-)Schema. Das Ergebnis horizontaler Dissoziierung sind die unterschiedlichen Stimmungslagen oder Erlebniszustände. Sie knüpfen einerseits an den überfluteten Erlebniszustand der traumatischen Situation an und beruhen andererseits in kontrolltheoretischer Hinsicht auf der Fraktionierung eines Scripts. Wir können die Erlebniszustände daher auch als Scriptfragmente bezeichnen. Der Kontrollmechanismus der Fraktionierung entspricht einer Drehung der Bühne.

Diese Kontrolloperation dient dem Zweck, die einzelnen Szenen des Scripts gegeneinander zu isolieren und insbesondere die traumanahen Scriptfragmente durch kompensatorische zu überdecken. So kann Herr P. im Erlebniszustand 4 das Scriptfragment 2, seine Kooperation mit und Abhängigkeit von Autoritäten vergessen oder verleugnen. Unbewusst, der Selbstwahrnehmung entzogen, ist hier nicht seine Rolle als „gnadenloser Kritiker“ dem ehemals überlegenen, ihn „bevormundenden“ Partner gegenüber. Vom Bewusstsein abgespalten ist vor allem der Zusammenhang mit dem gesamten Drehbuch: der Umstand, dass die fragmentierte Szene Bestandteil eines umfassenden Scripts ist und Folge einer bestimmten Regieanweisung.

Innerhalb eines „Scriptfragmentes“ oder „Erlebniszustands“ haben wir es wiederum mit unterschiedlich figurierten Beziehungsschemata zu tun. Im Scriptfragment von Erlebniszustand 4 ist das fraktionierte Beziehungsschema entweder selektiv „rekognitiv“ tätig, d. h., sämtliche Anzeichen für dominantes Verhalten der Partnerin werden selektiv als „Bevormundung“ interpretiert, oder es wird – ergänzend zu dieser Operation – die Partnerin aktiv in die dominante Beziehungsposition gedrängt.

Die Beziehungsschemata unterliegen einer zustandsspezifischen selektiven Verzerrung und sind in unterschiedlichem Ausmaß und qualitativ unterschiedlicher Konstellation vom metakognitiven Selbstbezug abgespalten. Zwar bemerkt die Persönlichkeit bei horizontal fraktionierten Schemata die Folgen ihres Verhaltens. Abgespalten oder unterbrochen ist jedoch die metakognitive Funktion eines „Merkens“ des eigenen „Wirkens“. Im Falle der selektiven Wahrnehmungsverarbeitung, einer fraktionierten rekognitiven Assimilation der Beziehungssituation, ist das Merken des Merkens gestört, bei der aktiven Manipulation des Beziehungspartners hingegen das Merken des Wirkens.

Wir kommen durch diese Unterscheidung zu einer phänomenologischen Beschreibung dessen, was unter dem topischen Gesichtspunkt der psychoanalytischen → Metapsychologie etwas pauschal als „unbewusst“ bezeichnet wird. Eine Faustregel für diese kognitionspsychologische Rekonstruktion der unbewussten Informationsverabeitung im traumatischen Prozess könnte etwa lauten: das „Unbewusste“ ist das, was ich weiß, wovon ich aber nicht weiß, dass ich es weiß oder, im Hinblick auf die effektorische Sphäre des Situationskreises: das „Unbewusste“ entspricht jenen Handlungen, von denen ich weiß, ohne zur Kenntnis zu nehmen, dass ich von ihnen weiß.

Die Analyse des traumatischen Prozesses erfordert ein eingehendes qualitatives Studium der Persönlichkeitsorganisation und Erlebnisverarbeitung traumatisierter Persönlichkeiten. Die am Beispiel von Herrn P. aufgezeigten Erlebniszustände können natürlich interindividuell sehr unterschiedlich sein. Auch ihr formaler Zusammenhang untereinander kann stark variieren entsprechend dem Bedürfnis nach Fraktionierung des Traumascripts.

In manchen Fällen, insbesondere bei Extremtraumatisierung und einer schon vorhandenen Persönlichkeitsneigung zur Dissoziation kann die horizontale Fragmentierungstendenz so ausgeprägt sein, dass sogar die persönliche Identität der Fragmentierung unterliegt. Das traumakompensatorische Schema wirkt im Sinne einer Aufspaltung der räumlichen und zeitlichen Kontinuität des Selbsterlebens. Für die Kontrolle der traumatischen Erfahrung ist es hier von existenzieller Bedeutung, dass die kompensatorisch entwickelte Selbstvorstellung (A) vom Selbst der traumatischen Situation (B) buchstäblich nichts mehr weiß oder wissen will. Bei dieser radikalen Fraktionierung, die wir bei multiplen Persönlichkeiten finden, möglicherweise aber auch in den Fragmentierungszuständen der Schizophrenie, handelt es sich um Extremvarianten jener Scriptfragmentierung, die wir im Durchschnittsbereich traumatischer Prozesse beobachten können.

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