Kitabı oku: «Hamburgische Dramaturgie», sayfa 31
Neunzigstes Stueck Den 11. Maerz 1768
Wie sie darauf ziele, sagt Aristoteles, dieses habe ich schon laengst an der Komoedie deutlich gezeigt: [Greek: Hepi men oun taes komodias aedae touto daelon gegonen sustaesantes gar ton mython dia ton eikoton, outo ta tychonta onomata epititheasi, chai ouch osper oi iambopoioi peri ton kath' ekaston poiousin]. Ich muss auch hiervon die Uebersetzungen des Dacier und Curtius anfuehren. Dacier sagt: C'est ce qui est deja rendu sensible dans la comedie, car les poetes comiques, apres avoir dresse leur sujet sur la vraisemblance, imposent apres cela a leurs personnages tels noms qu'il leur plait, et n'imitent pas les poetes satyriques, qui ne s'attachent qu'aux choses particulieres. Und Curtius: "In dem Lustspiele ist dieses schon lange sichtbar gewesen. Denn wenn die Komoedienschreiber den Plan der Fabel nach der Wahrscheinlichkeit entworfen haben, legen sie den Personen willkuerliche Namen bei und setzen sich nicht, wie die jambischen Dichter, einen besondern Vorwurf zum Ziele." Was findet man in diesen Uebersetzungen von dem, was Aristoteles hier vornehmlich sagen will? Beide lassen ihn weiter nichts sagen, als dass die komischen Dichter es nicht machten wie die jambischen, (das ist, satirischen Dichter) und sich an das Einzelne hielten, sondern auf das Allgemeine mit ihren Personen gingen, denen sie willkuerliche Namen, tels noms qu'il leur plait, beilegten. Gesetzt nun auch, dass [Greek: ta tychonta onomata] dergleichen Namen bedeuten koennten: wo haben denn beide Uebersetzer das "[Greek: outo]" gelassen? Schien ihnen denn dieses "[Greek: outo]" gar nichts zu sagen? Und doch sagt es hier alles: denn diesem "[Greek: outo]" zufolge legten die komischen Dichter ihren Personen nicht allein willkuerliche Namen bei, sondern sie legten ihnen diese willkuerliche Namen "so", [Greek: outo], bei. Und wie "so"? So, dass sie mit diesen Namen selbst auf das Allgemeine zielten: [Greek: ou stochazetai ae poiaesis onomata epitithemenae]. Und wie geschah das? Davon finde man mir ein Wort in den Anmerkungen des Dacier und Curtius!
Ohne weitere Umschweife: es geschah so, wie ich nun sagen will. Die Komoedie gab ihren Personen Namen, welche, vermoege ihrer grammatischen Ableitung und Zusammensetzung oder auch sonstigen Bedeutung die Beschaffenheit dieser Personen ausdrueckten: mit einem Worte, sie gab ihnen redende Namen; Namen, die man nur hoeren durfte, um sogleich zu wissen, von welcher Art die sein wuerden, die sie fuehren. Ich will eine Stelle des Donatus hierueber anziehen. Nomina personarum, sagt er bei Gelegenheit der ersten Zeile in dem ersten Aufzuge der "Brueder", in comoediis duntaxat, habere debent rationem et etymologiam. Etenim absurdum est, comicum aperte argumentum confingere: vel nomen personae incongruum dare vel officium quod sit a nomine diversum.140 Hinc servus fidelis Parmeno: infidelis vel Syrus vel Geta: miles Thraso vel Polemon: juvenis Pamphilus: matrona Myrrhina, et puer ab odore Storax: vel a ludo et a gesticulatione Circus: et item similia. In quibus summum poetae vitium est, si quid e contrario repugnans contrarium diversumque protulerit, nisi per [Greek: antiorasin] nomen imposuerit joculariter, ut Misargyrides in Plauto dicitur trapezita. Wer sich durch noch mehr Beispiele hiervon ueberzeugen will, der darf nur die Namen bei dem Plautus und Terenz untersuchen. Da ihre Stuecke alle aus dem Griechischen genommen sind: so sind auch die Namen ihrer Personen griechischen Ursprungs und haben, der Etymologie nach, immer eine Beziehung auf den Stand, auf die Denkungsart oder auf sonst etwas, was diese Personen mit mehrern gemein haben koennen; wenn wir schon solche Etymologie nicht immer klar und sicher angeben koennen.
Ich will mich bei einer so bekannten Sache nicht verweilen: aber wundern muss ich mich, wie die Ausleger des Aristoteles sich ihrer gleichwohl da nicht erinnern koennen, wo Aristoteles so unwidersprechlich auf sie verweiset. Denn was kann nunmehr wahrer, was kann klaerer sein, als was der Philosoph von der Ruecksicht sagt, welche die Poesie bei Erteilung der Namen auf das Allgemeine nimmt? Was kann unleugbarer sein, als dass [Greek: epi men taes komodias aedae touto daelon gegonen], dass sich diese Ruecksicht bei der Komoedie besonders laengst offenbar gezeigt habe? Von ihrem ersten Ursprunge an, das ist, sobald sie die jambischen Dichter von dem Besondern zu dem Allgemeinen erhoben, sobald aus der beleidigenden Satire die unterrichtende Komoedie entstand: suchte man jenes Allgemeine durch die Namen selbst anzudeuten. Der grosssprecherische feige Soldat hiess nicht wie dieser oder jener Anfuehrer aus diesem oder jenem Stamme: er hiess Pyrgopolinices, Hauptmann Mauerbrecher. Der elende Schmarutzer, der diesem um das Maul ging, hiess nicht, wie ein gewisser armer Schlucker in der Stadt: er hiess Artotrogus, Brockenschroeter. Der Juengling, welcher durch seinen Aufwand, besonders auf Pferde, den Vater in Schulden setzte, hiess nicht, wie der Sohn dieses oder jenes edeln Buergers: er hiess Phidippides, Junker Sparross.
Man koennte einwenden, dass dergleichen bedeutende Namen wohl nur eine Erfindung der neuern griechischen Komoedie sein duerften, deren Dichtern es ernstlich verboten war, sich wahrer Namen zu bedienen; dass aber Aristoteles diese neuere Komoedie nicht gekannt habe und folglich bei seinen Regeln keine Ruecksicht auf sie nehmen koennen. Das letztere behauptet Hurd;141 aber es ist ebenso falsch, als falsch es ist, dass die aeltere griechische Komoedie sich nur wahrer Namen bedient habe. Selbst in denjenigen Stuecken, deren vornehmste, einzige Absicht es war, eine gewisse bekannte Person laecherlich und verhasst zu machen, waren, ausser dem wahren Namen dieser Person, die uebrigen fast alle erdichtet, und mit Beziehung auf ihren Stand und Charakter erdichtet.
Einundneunzigstes Stueck Den 15. Maerz 1768
Ja die wahren Namen selbst, kann man sagen, gingen nicht selten mehr auf das Allgemeine, als auf das Einzelne. Unter dem Namen Sokrates wollte Aristophanes nicht den einzeln Sokrates, sondern alle Sophisten, die sich mit Erziehung junger Leute bemengten, laecherlich und verdaechtig machen. Der gefaehrliche Sophist ueberhaupt war sein Gegenstand, und er nannte diesen nur Sokrates, weil Sokrates als ein solcher verschrien war. Daher eine Menge Zuege, die auf den Sokrates gar nicht passten; so dass Sokrates in dem Theater getrost aufstehen und sich der Vergleichung preisgeben konnte! Aber wie sehr verkennt man das Wesen der Komoedie, wenn man diese nicht treffende Zuege fuer nichts als mutwillige Verleumdungen erklaert und sie durchaus dafuer nicht erkennen will, was sie doch sind, fuer Erweiterungen des einzeln Charakters, fuer Erhebungen des Persoenlichen zum Allgemeinen!
Hier liesse sich von dem Gebrauche der wahren Namen in der griechischen Komoedie ueberhaupt verschiednes sagen, was von den Gelehrten so genau noch nicht auseinandergesetzt worden, als es wohl verdiente. Es liesse sich anmerken, dass dieser Gebrauch keinesweges in der aeltern griechischen Komoedie allgemein gewesen,142 dass sich nur der und jener Dichter gelegentlich desselben erkuehnet,143 dass er folglich nicht als ein unterscheidendes Merkmal dieser Epoche der Komoedie zu betrachten. 144 Es liesse sich zeigen, dass, als er endlich durch ausdrueckliche Gesetze untersagt war, doch noch immer gewisse Personen von dem Schutze dieser Gesetze entweder namentlich ausgeschlossen waren, oder doch stillschweigend fuer ausgeschlossen gehalten wurden. In den Stuecken des Menanders selbst wurden noch Leute genug bei ihren wahren Namen genannt und laecherlich gemacht.145 Doch ich muss mich nicht aus einer Ausschweifung in die andere verlieren.
Ich will nur noch die Anwendung auf die wahren Namen der Tragoedie machen. So wie der Aristophanische Sokrates nicht den einzeln Mann dieses Namens vorstellte, noch vorstellen sollte; so wie dieses personifierte Ideal einer eiteln und gefaehrlichen Schulweisheit nur darum den Namen Sokrates bekam, weil Sokrates als ein solcher Taeuscher und Verfuehrer zum Teil bekannt war, zum Teil noch bekannter werden sollte; so wie bloss der Begriff von Stand und Charakter, den man mit dem Namen Sokrates verband und noch naeher verbinden sollte, den Dichter in der Wahl des Namens bestimmte: so ist auch bloss der Begriff des Charakters, den wir mit den Namen Regulus, Cato, Brutus zu verbinden gewohnt sind, die Ursache, warum der tragische Dichter seinen Personen diese Namen erteilet. Er fuehrt einen Regulus, einen Brutus auf, nicht um uns mit den wirklichen Begegnissen dieser Maenner bekanntzumachen, nicht um das Gedaechtnis derselben zu erneuern: sondern um uns mit solchen Begegnissen zu unterhalten, die Maennern von ihrem Charakter ueberhaupt begegnen koennen und muessen. Nun ist zwar wahr, dass wir diesen ihren Charakter aus ihren wirklichen Begegnissen abstrahieret haben: es folgt aber daraus nicht, dass uns auch ihr Charakter wieder auf ihre Begegnisse zurueckfuehren muesse; er kann uns nicht selten weit kuerzer, weit natuerlicher auf ganz andere bringen, mit welchen jene wirkliche weiter nichts gemein haben, als dass sie mit ihnen aus einer Quelle, aber auf unzuverfolgenden Umwegen und ueber Erdstriche hergeflossen sind, welche ihre Lauterheit verdorben haben. In diesem Falle wird der Poet jene erfundene den wirklichen schlechterdings vorziehen, aber den Personen noch immer die wahren Namen lassen. Und zwar aus einer doppelten Ursache: einmal, weil wir schon gewohnt sind, bei diesen Namen einen Charakter zu denken, wie er ihn in seiner Allgemeinheit zeiget; zweitens, weil wirklichen Namen auch wirkliche Begebenheiten anzuhaengen scheinen und alles, was einmal geschehen, glaubwuerdiger ist, als was nicht geschehen. Die erste dieser Ursachen fliesst aus der Verbindung der Aristotelischen Begriffe ueberhaupt; sie liegt zum Grunde, und Aristoteles hatte nicht noetig, sich umstaendlicher bei ihr zu verweilen; wohl aber bei der zweiten, als einer von anderwaerts noch dazukommenden Ursache. Doch diese liegt itzt ausser meinem Wege, und die Ausleger insgesamt haben sie weniger missverstanden als jene.
Nun also auf die Behauptung des Diderot zurueckzukommen. Wenn ich die Lehre des Aristoteles richtig erklaert zu haben glauben darf: so darf ich auch glauben, durch meine Erklaerung bewiesen zu haben, dass die Sache selbst unmoeglich anders sein kann, als sie Aristoteles lehret. Die Charaktere der Tragoedie muessen ebenso allgemein sein, als die Charaktere der Komoedie. Der Unterschied, den Diderot behauptet, ist falsch: oder Diderot muss unter der Allgemeinheit eines Charakters ganz etwas anders verstehen, als Aristoteles darunter verstand.
Zweiundneunzigstes Stueck Den 18. Maerz 1768
Und warum koennte das letztere nicht sein? Finde ich doch noch einen andern, nicht minder trefflichen Kunstrichter, der sich fast ebenso ausdrueckt als Diderot, fast ebenso geradezu dem Aristoteles zu widersprechen scheint, und gleichwohl im Grunde so wenig widerspricht, dass ich ihn vielmehr unter allen Kunstrichtern fuer denjenigen erkennen muss, der noch das meiste Licht ueber diese Materie verbreitet hat.
Es ist dieses der englische Kommentator der Horazischen Dichtkunst, Hurd; ein Schriftsteller aus derjenigen Klasse, die durch Uebersetzungen bei uns immer am spaetesten bekannt werden. Ich moechte ihn aber hier nicht gern anpreisen, um diese seine Bekanntmachung zu beschleunigen. Wenn der Deutsche, der ihr gewachsen waere, sich noch nicht gefunden hat: so duerften vielleicht auch der Leser unter uns noch nicht viele sein, denen daran gelegen waere. Der fleissige Mann, voll guten Willens, uebereile sich also lieber damit nicht und sehe, was ich von einem noch unuebersetzten guten Buche hier sage, ja fuer keinen Wink an, den ich seiner allezeit fertigen Feder geben wollen.
Hurd hat seinem Kommentar eine Abhandlung "Ueber die verschiednen Gebiete des Drama" beigefuegt. Denn er glaubte bemerkt zu haben, dass bisher nur die allgemeinen Gesetze dieser Dichtungsart in Erwaegung gezogen worden, ohne die Grenzen der verschiednen Gattungen derselben festzusetzen. Gleichwohl muesse auch dieses geschehen, um von dem eigenen Verdienste einer jeden Gattung insbesondere ein billiges Urteil zu faellen. Nachdem er also die Absicht des Drama ueberhaupt, und der drei Gattungen desselben, die er vor sich findet, der Tragoedie, der Komoedie und des Possenspiels, insbesondere festgesetzt: so folgert er, aus jener allgemeinen und aus diesen besondern Absichten, sowohl diejenigen Eigenschaften, welche sie unter sich gemein haben, als diejenigen, in welchen sie voneinander unterschieden sein muessen.
Unter die letztern rechnet er, in Ansehung der Komoedie und Tragoedie, auch diese, dass der Tragoedie eine wahre, der Komoedie hingegen eine erdichtete Begebenheit zutraeglicher sei. Hierauf faehrt er fort: The same genius in the two dramas is observable, in their draught of characters. Comedy makes all its characters general; tragedy, particular. The Avare of Moliere is not so properly the picture of a covetous man, as of covetousness itself. Racine's Nero on the other hand, is not a picture of cruelty, but of a cruel man. d.I.: "In dem naemlichen Geiste schildern die zwei Gattungen des Drama auch ihre Charaktere. Die Komoedie macht alle ihre Charaktere general; die Tragoedie partikulaer. Der Geizige des Moliere ist nicht so eigentlich das Gemaelde eines geizigen Mannes, als des Geizes selbst. Racines Nero hingegen ist nicht das Gemaelde der Grausamkeit, sondern nur eines grausamen Mannes."
Hurd scheinet so zu schliessen: wenn die Tragoedie eine wahre Begebenheit erfodert, so muessen auch ihre Charaktere wahr, das ist, so beschaffen sein, wie sie wirklich in den Individuis existieren; wenn hingegen die Komoedie sich mit erdichteten Begebenheiten begnuegen kann, wenn ihr wahrscheinliche Begebenheiten, in welchen sich die Charaktere nach allem ihrem Umfange zeigen koennen, lieber sind, als wahre, die ihnen einen so weiten Spielraum nicht erlauben, so duerfen und muessen auch ihre Charaktere selbst allgemeiner sein, als sie in der Natur existieren; angesehen dem Allgemeinen selbst in unserer Einbildungskraft eine Art von Existenz zukoemmt, die sich gegen die wirkliche Existenz des Einzeln eben wie das Wahrscheinliche zu dem Wahren verhaelt.
Ich will itzt nicht untersuchen, ob diese Art zu schliessen nicht ein blosser Zirkel ist: ich will die Schlussfolge bloss annehmen, so wie sie da liegt und wie sie der Lehre des Aristoteles schnurstracks zu widersprechen scheint. Doch, wie gesagt, sie scheint es bloss, welches aus der weitern Erklaerung des Hurd erhellet.
"Es wird aber", faehrt er fort, "hier dienlich sein, einer doppelten Verstossung vorzubauen, welche der eben angefuehrte Grundsatz zu beguenstigen scheinen koennte.
Die erste betrifft die Tragoedie, von der ich gesagt habe, dass sie partikulaere Charaktere zeige. Ich meine, ihre Charaktere sind partikulaerer, als die Charaktere der Komoedie. Das ist: die Absicht der Tragoedie verlangt es nicht und erlaubt es nicht, dass der Dichter von den charakteristischen Umstaenden, durch welche sich die Sitten schildern, so viele zusammenzieht, als die Komoedie. Denn in jener wird von dem Charakter nicht mehr gezeigt, als soviel der Verlauf der Handlung unumgaenglich erfodert. In dieser hingegen werden alle Zuege, durch die er sich zu unterscheiden pflegt, mit Fleiss aufgesucht und angebracht.
Es ist fast wie mit dem Portraetmalen. Wenn ein grosser Meister ein einzelnes Gesicht abmalen soll, so gibt er ihm alle die Lineamente, die er in ihm findet, und macht es Gesichtern von der naemlichen Art nur so weit aehnlich, als es ohne Verletzung des allergeringsten eigentuemlichen Zuges geschehen kann. Soll ebenderselbe Kuenstler hingegen einen Kopf ueberhaupt malen, so wird er alle die gewoehnlichen Mienen und Zuege zusammen anzubringen suchen, von denen er in der gesamten Gattung bemerkt hat, dass sie die Idee am kraeftigsten ausdruecken, die er sich itzt in Gedanken gemacht hat und in seinem Gemaelde darstellen will.
Ebenso unterscheiden sich die Schildereien der beiden Gattungen des Drama: woraus denn erhellet, dass, wenn ich den tragischen Charakter partikular nenne, ich bloss sagen will, dass er die Art, zu welcher er gehoeret, weniger vorstellig macht als der komische; nicht aber, dass das, was man von dem Charakter zu zeigen fuer gut befindet, es mag nun so wenig sein, als es will, nicht nach dem Allgemeinen entworfen sein sollte, als wovon ich das Gegenteil anderwaerts behauptet und umstaendlich erlaeutert habe.146
Was zweitens die Komoedie anbelangt, so habe ich gesagt, dass sie generale Charaktere geben muesse, und habe zum Beispiele den Geizigen des Moliere angefuehrt, der mehr der Idee des Geizes, als eines wirklichen geizigen Mannes entspricht. Doch auch hier muss man meine Worte nicht in aller ihrer Strenge nehmen. Moliere duenkt mich in diesem Beispiele selbst fehlerhaft; ob es schon sonst, mit der erforderlichen Erklaerung, nicht ganz unschicklich sein wird, meine Meinung begreiflich zu machen.
Da die komische Buehne die Absicht hat, Charaktere zu schildern, so meine ich, kann diese Absicht am vollkommensten erreicht werden, wenn sie diese Charaktere so allgemein macht, als moeglich. Denn indem auf diese Weise die in dem Stuecke aufgefuehrte Person gleichsam der Repraesentant aller Charaktere dieser Art wird, so kann unsere Lust an der Wahrheit der Vorstellung so viel Nahrung darin finden, als nur moeglich. Es muss aber sodann diese Allgemeinheit sich nicht bis auf unsern Begriff von den moeglichen Wirkungen des Charakters, im Abstracto betrachtet, erstrecken, sondern nur bis auf die wirkliche Aeusserung seiner Kraefte, so wie sie von der Erfahrung gerechtfertiget werden und im gemeinen Leben stattfinden koennen. Hierin haben Moliere, und vor ihm Plautus, gefehlt; statt der Abbildung eines geizigen Mannes, haben sie uns eine grillenhafte widrige Schilderung der Leidenschaft des Geizes gegeben. Ich nenne es eine grillenhafte Schilderung, weil sie kein Urbild in der Natur hat. Ich nenne es eine widrige Schilderung; denn da es die Schilderung einer einfachen unvermischten Leidenschaft ist, so fehlen ihr alle die Lichter und Schatten, deren richtige Verbindung allein ihr Kraft und Leben erteilen koennte. Diese Lichter und Schatten sind die Vermischung verschiedener Leidenschaften, welche mit der vornehmsten oder herrschenden Leidenschaft zusammen den menschlichen Charakter ausmachen; und diese Vermischung muss sich in jedem dramatischen Gemaelde von Sitten finden, weil es zugestanden ist, dass das Drama vornehmlich das wirkliche Leben abbilden soll. Doch aber muss die Zeichnung der herrschenden Leidenschaft so allgemein entworfen sein, als es ihr Streit mit den andern in der Natur nur immer zulassen will, damit der vorzustellende Charakter sich desto kraeftiger ausdruecke."
Dreiundneunzigstes Stueck Den 22. Maerz 1768
"Alles dieses laesst sich abermals aus der Malerei sehr wohl erlaeutern. In charakteristischen Portraeten, wie wir diejenigen nennen koennen, welche eine Abbildung der Sitten geben sollen, wird der Artist, wenn er ein Mann von wirklicher Faehigkeit ist, nicht auf die Moeglichkeit einer abstrakten Idee losarbeiten. Alles was er sich vornimmt zu zeigen, wird dieses sein, dass irgendeine Eigenschaft die herrschende ist; diese drueckt er stark, und durch solche Zeichen aus, als sich in den Wirkungen der herrschenden Leidenschaft am sichtbarsten aeussern. Und wenn er dieses getan hat, so duerfen wir, nach der gemeinen Art zu reden, oder, wenn man will, als ein Kompliment gegen seine Kunst, gar wohl von einem solchen Portraete sagen, dass es uns nicht sowohl den Menschen, als die Leidenschaft zeige; gerade so wie die Alten von der beruehmten Bildsaeule des Apollodorus vom Silanion angemerkt haben, dass sie nicht sowohl den zornigen Apollodorus, als die Leidenschaft des Zornes vorstelle.147 Dieses aber muss bloss so verstanden werden, dass er die hauptsaechlichen Zuege der vorgebildeten Leidenschaft gut ausgedrueckt habe. Denn im uebrigen behandelt er seinen Vorwurf ebenso, wie er jeden andern behandeln wuerde: das ist, er vergisst die mitverbundenen Eigenschaften nicht und nimmt das allgemeine Ebenmass und Verhaeltnis, welches man an einer menschlichen Figur erwartet, in acht. Und das heisst denn die Natur schildern, welche uns kein Beispiel von einem Menschen gibt, der ganz und gar in eine einzige Leidenschaft verwandelt waere. Keine Metamorphosis koennte seltsamer und unglaublicher sein. Gleichwohl sind Portraete, in diesem tadelhaften Geschmacke verfertiget, die Bewunderung gemeiner Gaffer, die, wenn sie in einer Sammlung das Gemaelde, z.E. eines Geizigen (denn ein gewoehnlicheres gibt es wohl in dieser Gattung nicht), erblicken und nach dieser Idee jede Muskel, jeden Zug angestrenget, verzerret und ueberladen finden, sicherlich nicht ermangeln, ihre Billigung und Bewunderung darueber zu aeussern.—Nach diesem Begriffe der Vortrefflichkeit wuerde Le Bruns Buch von den Leidenschaften eine Folge der besten und richtigsten moralischen Portraete enthalten: und die Charaktere des Theophrasts muessten, in Absicht auf das Drama, den Charakteren des Terenz weit vorzuziehen sein.
Ueber das erstere dieser Urteile wuerde jeder Virtuose in den bildenden Kuensten unstreitig lachen. Das letztere aber, fuerchte ich, duerften wohl nicht alle so seltsam finden; wenigstens nach der Praxis verschiedener unserer besten komischen Schriftsteller und nach dem Beifalle zu urteilen, welchen dergleichen Stuecke gemeiniglich gefunden haben. Es liessen sich leicht fast aus allen charakteristischen Komoedien Beispiele anfuehren. Wer aber die Ungereimtheit, dramatische Sitten nach abstrakten Ideen auszufuehren, in ihrem voelligen Lichte sehen will, der darf nur Ben Jonsons 'Jedermann aus seinem Humor'148 vor sich nehmen; welches ein charakteristisches Stueck sein soll, in der Tat aber nichts als eine unnatuerliche und, wie es die Maler nennen wuerden, harte Schilderung einer Gruppe von fuer sich bestehenden Leidenschaften ist, wovon man das Urbild in dem wirklichen Leben nirgends findet. Dennoch hat diese Komoedie immer ihre Bewunderer gehabt; und besonders muss Randolph von ihrer Einrichtung sehr bezaubert gewesen sein, weil er sie in seinem 'Spiegel der Muse' ausdruecklich nachgeahmet zu haben scheint.
Auch hierin, muessen wir anmerken, ist Shakespeare, so wie in allen andern noch wesentlichern Schoenheiten des Drama, ein vollkommenes Muster. Wer seine Komoedien in dieser Absicht aufmerksam durchlesen will, wird finden, dass seine auch noch so kraeftig gezeichneten Charaktere, den groessten Teil ihrer Rollen durch, sich vollkommen wie alle andere ausdruecken und ihre wesentlichen und herrschenden Eigenschaften nur gelegentlich, so wie die Umstaende eine ungezwungene Aeusserung veranlassen, an den Tag legen. Diese besondere Vortrefflichkeit seiner Komoedien entstand daher, dass er die Natur getreulich kopierte und sein reges und feuriges Genie auf alles aufmerksam war, was ihm in dem Verlaufe der Szenen Dienliches aufstossen konnte: dahingegen Nachahmung und geringere Faehigkeiten kleine Skribenten verleiten, sich um die Fertigkeit zu beeifern, diesen einen Zweck keinen Augenblick aus dem Gesichte zu lassen und mit der aengstlichen Sorgfalt ihre Lieblingscharaktere in bestaendigem Spiele und ununterbrochner Taetigkeit zu erhalten. Man koennte ueber diese ungeschickte Anstrengung ihres Witzes sagen, dass sie mit den Personen ihres Stuecks nicht anders umgehen, als gewisse spasshafte Leute mit ihren Bekannten, denen sie mit ihren Hoeflichkeiten so zusetzen, dass sie ihren Anteil an der allgemeinen Unterhaltung gar nicht nehmen koennen, sondern nur immer, zum Vergnuegen der Gesellschaft, Spruenge und Maennerchen machen muessen."
As when some one peculiar quality
Doth so possess a Man, that it doth draw
All his affects, his spirits, and his powers,
In their constructions, all to run one way.
This may be truly said to be a humour.
But that a rook by wearing a py'd feather,
The cable hatband, or the three-pil'd ruff,
A yard of shoe-tye, or the Switzer's knot
On bis French garters, should affect a humour!
O, it is more than most rediculous.