Kitabı oku: «Miss Sara Sampson», sayfa 4

Yazı tipi:

Sara. Ach!—Rede weiter, Waitwell, rede weiter!

Waitwell. Ich weiß wohl, es gibt eine Art von Leuten, die nichts ungerner als Vergebung annehmen, und zwar, weil sie keine zu erzeigen gelernt haben. Es sind stolze, unbiegsame Leute, die durchaus nicht gestehen wollen, daß sie unrecht getan. Aber von der Art, Miß, sind Sie nicht. Sie haben das liebreichste und zärtlichste Herz, das die beste Ihres Geschlechts nur haben kann. Ihren Fehler bekennen Sie auch. Woran liegt es denn nun also noch?—Doch verzeihen Sie mir nur, Miß, ich bin ein alter Plauderer und hätte es gleich merken sollen, daß Ihr Weigern nur eine rühmliche Besorgnis, nur eine tugendhafte Schüchternheit sei. Leute, die eine große Wohltat gleich ohne Bedenken annehmen können, sind der Wohltat selten würdig. Die sie am meisten verdienen, haben auch immer das meiste Mißtrauen gegen sich selbst. Doch muß das Mißtrauen nicht über sein Ziel getrieben werden.

Sara. Lieber alter Vater, ich glaube, du hast mich überredet.

Waitwell. Ach Gott! wenn ich so glücklich gewesen bin, so muß mir ein guter Geist haben reden helfen. Aber nein, Miß, meine Reden haben dabei nichts getan, als daß sie Ihnen Zeit gelassen, selbst nachzudenken und sich von einer so fröhlichen Bestürzung zu erholen.– Nicht wahr, nun werden Sie den Brief lesen? Oh! lesen Sie ihn doch gleich!

Sara. Ich will es tun, Waitwell.—Welche Bisse, welche Schmerzen werde ich fühlen!

Waitwell. Schmerzen, Miß, aber angenehme Schmerzen.

Sara. Sei still! (Sie fängt an, für sich zu lesen.)

Waitwell (beiseite). Oh! wenn er sie selbst sehen sollte!

Sara (nachdem sie einige Augenblicke gelesen). Ach, Waitwell, was für ein Vater! Er nennt meine Flucht eine Abwesenheit. Wieviel sträflicher wird sie durch dieses gelinde Wort! (Sie lieset weiter und unterbricht sich wieder.) Höre doch! er schmeichelt sich, ich würde ihn noch lieben. Er schmeichelt sich! (Lieset und unterbricht sich.) Er bittet mich—Er bittet mich? Ein Vater seine Tochter? seine strafbare Tochter? Und was bittet er mich denn?—(Lieset für sich.) Er bittet mich, seine übereilte Strenge zu vergessen und ihn mit meiner Entfernung nicht länger zu strafen. Übereilte Strenge!—Zu strafen!—(Lieset wieder und unterbricht sich.) Noch mehr! Nun dankt er mir gar, und dankt mir, daß ich ihm Gelegenheit gegeben, den ganzen Umfang der väterlichen Liebe kennenzulernen. Unselige Gelegenheit! Wenn er doch nur auch sagte, daß sie ihm zugleich den ganzen Umfang des kindlichen Ungehorsams habe kennenlernen! (Sie lieset wieder.) Nein, er sagt es nicht! Er gedenkt meines Verbrechens nicht mit einem Buchstaben. (Sie fährt weiter fort, für sich zu lesen.) Er will kommen und seine Kinder selbst zurückholen. Seine Kinder, Waitwell! Das geht über alles!—Hab ich auch recht gelesen? (Sie lieset wieder für sich.)—Ich möchte vergehen! Er sagt, derjenige verdiene nur allzuwohl sein Sohn zu sein, ohne welchen er keine Tochter haben könne. —Oh! hätte er sie nie gehabt, diese unglückliche Tochter!—Geh, Waitwell, laß mich allein! Er verlangt eine Antwort, und ich will sie sogleich machen. Frag in einer Stunde wieder nach. Ich danke dir unterdessen für deine Mühe. Du bist ein rechtschaffner Mann. Es sind wenig Diener die Freunde ihrer Herren!

Waitwell. Beschämen Sie mich nicht, Miß. Wenn alle Herren Sir Williams wären, so müßten die Diener Unmenschen sein, wenn sie nicht ihr Leben für sie lassen wollten. (Geht ab.)

Vierter Auftritt

Sara (sie setzet sich zum Schreiben nieder). Wenn man mir es vor Jahr und Tag gesagt hätte, daß ich auf einen solchen Brief würde antworten müssen! Und unter solchen Umständen!—Ja, die Feder hab ich in der Hand.—Weiß ich aber auch schon, was ich schreiben soll? Was ich denke; was ich empfinde.—Und was denkt man denn, wenn sich in einem Augenblicke tausend Gedanken durchkreuzen? Und was empfindet man denn, wenn das Herz vor lauter Empfinden in einer tiefen Betäubung liegt?– Ich muß doch schreiben—Ich führe ja die Feder nicht das erstemal. Nachdem sie mir schon so manche kleine Dienste der Höflichkeit und Freundschaft abstatten helfen, sollte mir ihre Hilfe wohl bei dem wichtigsten Dienste entstehen?—(Sie denkt ein wenig nach und schreibt darauf einige Zeilen.) Das soll der Anfang sein? Ein sehr frostiger Anfang. Und werde ich denn bei seiner Liebe anfangen wollen? Ich muß bei meinem Verbrechen anfangen. (Sie streicht aus und schreibt anders.) Daß ich mich ja nicht zu obenhin davon ausdrücke!—Das Schämen kann überall an seiner rechten Stelle sein, nur bei dem Bekenntnisse unserer Fehler nicht. Ich darf mich nicht fürchten, in Übertreibungen zu geraten, wenn ich auch schon die gräßlichsten Züge anwende.—Ach! warum muß ich nun gestört werden?

Fünfter Auftritt

Marwood. Mellefont. Sara.

Mellefont. Liebste Miß, ich habe die Ehre, Ihnen Lady Solmes vorzustellen, welche eine von denen Personen in meiner Familie ist, welchen ich mich am meisten verpflichtet erkenne.

Marwood. Ich muß um Vergebung bitten, Miß, daß ich so frei bin, mich mit meinen eignen Augen von dem Glücke eines Vetters zu überführen, dem ich das vollkommenste Frauenzimmer wünschen würde, wenn mich nicht gleich der erste Anblick überzeugt hätte, daß er es in Ihnen bereits gefunden habe.

Sara. Sie erzeigen mir allzuviel Ehre, Lady. Eine Schmeichelei wie diese würde mich zu allen Zeiten beschämt haben; itzt aber sollte ich sie fast für einen versteckten Vorwurf annehmen, wenn ich Lady Solmes nicht für viel zu großmütig hielte, ihre Überlegenheit an Tugend und Klugheit eine Unglückliche fühlen zu lassen.

Marwood (kalt). Ich würde untröstlich sein, Miß, wenn Sie mir andre als die freundschaftlichsten Gesinnungen zutrauten.—(Beiseite.) Sie ist schön!

Mellefont. Und wäre es denn auch möglich, Lady, gegen soviel Schönheit, gegen soviel Bescheidenheit gleichgültig zu bleiben? Man sagt zwar, daß einem reizenden Frauenzimmer selten von einem andern Gerechtigkeit erwiesen werde: allein dieses ist auf der einen Seite nur von denen, die auf ihre Vorzüge allzu eitel sind, und auf der andern nur von solchen zu verstehen, welche sich selbst keiner Vorzüge bewußt sind. Wie weit sind Sie beide von diesem Falle entfernt!—(Zur Marwood, welche in Gedanken steht.) Ist es nicht wahr, Lady, daß meine Liebe nichts weniger als parteiisch gewesen ist? Ist es nicht wahr, daß ich Ihnen zum Lobe meiner Miß viel, aber noch lange nicht so viel gesagt habe, als Sie selbst finden?—Aber warum so in Gedanken?– (Sachte zu ihr.) Sie vergessen, wer Sie sein wollen.

Marwood. Darf ich es sagen?—Die Bewunderung Ihrer liebsten Miß führte mich auf die Betrachtung ihres Schicksals. Es ging mir nahe, daß sie die Früchte ihrer Liebe nicht in ihrem Vaterlande genießen soll. Ich erinnerte mich, daß sie einen Vater und, wie man mir gesagt hat, einen sehr zärtlichen Vater verlassen müßte, um die Ihrige sein zu können; und ich konnte mich nicht enthalten, ihre Aussöhnung mit ihm zu wünschen.

Sara. Ach! Lady, wie sehr bin ich Ihnen für diesen Wunsch verbunden. Er verdient es, daß ich meine ganze Freude mit Ihnen teile. Sie können es noch nicht wissen, Mellefont, daß er erfüllt wurde, ehe Lady die Liebe für uns hatte, ihn zu tun.

Mellefont. Wie verstehen Sie dieses, Miß?

Marwood (beiseite). Was will das sagen?

Sara. Eben itzt habe ich einen Brief von meinem Vater erhalten.

Waitwell brachte mir ihn. Ach, Mellefont, welch ein Brief!

Mellefont. Geschwind reißen Sie mich aus meiner Ungewißheit. Was hab ich zu fürchten? Was habe ich zu hoffen? Ist er noch der Vater, den wir flohen? Und wenn er es noch ist, wird Sara die Tochter sein, die mich zärtlich genug liebt, um ihn noch weiter zu fliehen? Ach! hätte ich Ihnen gefolgt, liebste Miß, so wären wir jetzt durch ein Band verknüpft, das man aus eigensinnigen Absichten zu trennen wohl unterlassen müßte. In diesem Augenblick empfinde ich alles das Unglück, das unser entdeckter Aufenthalt für mich nach sich ziehen kann. Er wird kommen und Sie aus meinen Armen reißen. Wie hasse ich den Nichtswürdigen, der uns ihm verraten hat! (Mit einem zornigen Blick gegen die Marwood.)

Sara. Liebster Mellefont, wie schmeichelhaft ist diese Ihre Unruhe für mich! Und wie glücklich sind wir beide, daß sie vergebens ist! Lesen Sie hier seinen Brief.—(Gegen die Marwood, indem Mellefont den Brief für sich lieset.) Lady, er wird über die Liebe meines Vaters erstaunen. Meines Vaters? Ach! er ist nun auch der seinige.

Marwood (betroffen). Ist es möglich?

Sara. Jawohl, Lady, haben Sie Ursache, diese Veränderung zu bewundern. Er vergibt uns alles; wir werden uns nun vor seinen Augen lieben; er erlaubt es uns; er befiehlt es uns.—Wie hat diese Gütigkeit meine ganze Seele durchdrungen!—Nun, Mellefont? (Der ihr den Brief wiedergibt.) Sie schweigen? O nein, diese Träne, die sich aus Ihrem Auge schleicht, sagt weit mehr, als Ihr Mund ausdrücken könnte.

Marwood (beiseite). Wie sehr habe ich mir selbst geschadet! Ich Unvorsichtige!

Sara. Oh! lassen Sie mich diese Träne von Ihrer Wange küssen!

Mellefont. Ach Miß, warum haben wir so einen göttlichen Mann betrüben müssen? Jawohl, einen göttlichen Mann: denn was ist göttlicher als vergeben?—Hätten wir uns diesen glücklichen Ausgang nur als möglich vorstellen können: gewiß, so wollten wir ihn jetzt so gewaltsamen Mitteln nicht zu verdanken haben; wir wollten ihn allein unsern Bitten zu verdanken haben. Welche Glückseligkeit wartet auf mich! Wie schmerzlich wird mir aber auch die eigne Überzeugung sein, daß ich dieser Glückseligkeit so unwert bin!

Marwood (beiseite). Und das muß ich mit anhören!

Sara. Wie vollkommen rechtfertigen Sie durch solche Gesinnungen meine Liebe gegen Sie.

Marwood (beiseite). Was für Zwang muß ich mir antun!

Sara. Auch Sie, vortreffliche Lady, müssen den Brief meines Vaters lesen. Sie scheinen allzuviel Anteil an unserm Schicksale zu nehmen, als daß Ihnen sein Inhalt gleichgültig sein könnte.

Marwood. Mir gleichgültig, Miß? (Sie nimmt den Brief.)

Sara. Aber, Lady, Sie scheinen noch immer sehr nachdenkend, sehr traurig.—

Marwood. Nachdenkend, Miß, aber nicht traurig.

Mellefont (beiseite). Himmel! wo sie sich verrät!

Sara. Und warum denn?

Marwood. Ich zittere für Sie beide. Könnte die unvermutete Güte Ihres Vaters nicht eine Verstellung sein? eine List?

Sara. Gewiß nicht, Lady, gewiß nicht. Lesen Sie nur, und Sie werden es selbst gestehen. Die Verstellung bleibt immer kalt, und eine so zärtliche Sprache ist in ihrem Vermögen nicht. (Marwood lieset für sich.) Werden Sie nicht argwöhnisch, Mellefont; ich bitte Sie. Ich stehe Ihnen dafür, daß mein Vater sich zu keiner List herablassen kann. Er sagt nichts, was er nicht denkt, und Falschheit ist ihm ein unbekanntes Laster.

Mellefont. Oh! davon bin ich vollkommen überzeugt, liebste Miß.—Man muß der Lady den Verdacht vergeben, weil sie den Mann noch nicht kennt, den er trifft.

Sara (indem ihr Marwood den Brief zurückgibt). Was seh ich, Lady?

Sie haben sich entfärbt? Sie zittern? Was fehlt Ihnen?

Mellefont (beiseite). In welcher Angst bin ich! Warum habe ich sie auch hergebracht?

Marwood. Es ist nichts, Miß, als ein kleiner Schwindel, welcher vorübergehn wird. Die Nachtluft muß mir auf der Reise nicht bekommen sein.

Mellefont. Sie erschrecken mich, Lady—ist es Ihnen nicht gefällig, frische Luft zu schöpfen? Man erholt sich in einem verschloßnen Zimmer nicht so leicht.

Marwood. Wenn Sie meinen, so reichen Sie mir Ihren Arm.

Sara. Ich werde Sie begleiten, Lady.

Marwood. Ich verbitte diese Höflichkeit, Miß. Meine Schwachheit wird ohne Folgen sein.

Sara. So hoffe ich denn, Lady bald wiederzusehen.

Marwood. Wenn Sie erlauben, Miß—

(Mellefont führt sie ab.)

Sara (allein). Die arme Lady!—Sie scheinet die freundschaftlichste Person zwar nicht zu sein; aber mürrisch und stolz scheinet sie doch auch nicht.—Ich bin wieder allein. Kann ich die wenigen Augenblicke, die ich es vielleicht sein werde, zu etwas Besserm als zur Vollendung meiner Antwort anwenden? (Sie will sich niedersetzen, zu schreiben.)

Sechster Auftritt

Betty. Sara.

Betty. Das war ja wohl ein sehr kurzer Besuch.

Sara. Ja, Betty. Es ist Lady Solmes; eine Anverwandte meines Mellefont. Es wandelte ihr gähling eine kleine Schwachheit an. Wo ist sie jetzt?

Betty. Mellefont hat sie bis an die Türe begleitet.

Sara. So ist sie ja wohl wieder fort?

Betty. Ich vermute es.—Aber je mehr ich Sie ansehe, Miß—Sie müssen mir meine Freiheit verzeihen—, je mehr finde ich Sie verändert. Es ist etwas Ruhiges, etwas Zufriednes in Ihren Blicken. Lady muß ein sehr angenehmer Besuch oder der alte Mann ein sehr angenehmer Bote gewesen sein.

Sara. Das letzte, Betty, das letzte. Er kam von meinem Vater. Was für einen zärtlichen Brief will ich dich lesen lassen! Dein gutes Herz hat so oft mit mir geweint, nun soll es sich auch mit mir freuen. Ich werde wieder glücklich sein und dich für deine guten Dienste belohnen können.

Betty. Was habe ich Ihnen in kurzen neun Wochen für Dienste leisten können?

Sara. Du hättest mir ihrer in meinem ganzen andern Leben nicht mehrere leisten können als in diesen neun Wochen. Sie sind vorüber!– Komm nur itzt, Betty; weil Mellefont vielleicht wieder allein ist, so muß ich ihn noch sprechen. Ich bekomme eben den Einfall, daß es sehr gut sein würde, wenn er zugleich mit mir an meinen Vater schriebe, dem seine Danksagung schwerlich unerwartet sein dürfte. Komm!

(Sie gehen ab.)

Siebenter Auftritt

Der Saal.

Sir William Sampson. Waitwell.

Sir William. Was für Balsam, Waitwell, hast du mir durch deine Erzählung in mein verwundetes Herz gegossen! Ich lebe wieder neu auf; und ihre herannahende Rückkehr scheint mich ebensoweit zu meiner Jugend wieder zurückzubringen, als mich ihre Flucht näher zu dem Grabe gebracht hatte. Sie liebt mich noch! Was will ich mehr?—Geh ja bald wieder zu ihr, Waitwell. Ich kann den Augenblick nicht erwarten, da ich sie aufs neue in diese Arme schließen soll, die ich so sehnlich gegen den Tod ausgestreckt hatte. Wie erwünscht wäre er mir in den Augenblicken meines Kummers gewesen! Und wie fürchterlich wird er mir in meinem neuen Glücke sein! Ein Alter ist ohne Zweifel zu tadeln, wenn er die Bande, die ihn noch mit der Welt verbinden, so fest wieder zuziehet. Die endliche Trennung wird desto schmerzlicher.—Doch der Gott, der sich jetzt so gnädig gegen mich erzeigt, wird mir auch diese überstehen helfen. Sollte er mir wohl eine Wohltat erweisen, um sie mir zuletzt zu meinem Verderben gereichen zu lassen? Sollte er mir eine Tochter wiedergeben, damit ich über seine Abfoderung aus diesem Leben murren müsse? Nein, nein; er schenkt mir sie wieder, um in der letzten Stunde nur um mich selbst besorgt sein zu dürfen. Dank sei dir, ewige Güte! Wie schwach ist der Dank eines sterblichen Mundes! Doch bald, bald werde ich in einer ihm geweihten Ewigkeit ihm würdiger danken können.

Waitwell. Wie herzlich vergnügt es mich, Sir, Sie vor meinem Ende wieder zufrieden zu wissen! Glauben Sie mir es nur, ich habe fast so viel bei Ihrem Jammer ausgestanden als Sie selbst. Fast so viel; gar so viel nicht: denn der Schmerz eines Vaters mag wohl bei solchen Gelegenheiten unaussprechlich sein.

Sir William. Betrachte dich von nun an, mein guter Waitwell, nicht mehr als meinen Diener. Du hast es schon längst um mich verdient, ein anständiger Alter zu genießen. Ich will dir es auch schaffen, und du sollst es nicht schlechter haben, als ich es noch in der Welt haben werde. Ich will allen Unterschied zwischen uns aufheben; in jener Welt, weißt du wohl, ist er ohnedies aufgehoben.—Nur dasmal sei noch der alte Diener, auf den ich mich nie umsonst verlassen habe. Geh und gib acht, daß du mir ihre Antwort sogleich bringen kannst, als sie fertig ist.

Waitwell. Ich gehe, Sir. Aber so ein Gang ist kein Dienst, den ich Ihnen tue. Er ist eine Belohnung, die Sie mir für meine Dienste gönnen. Ja gewiß, das ist er.

(Sie gehen auf verschiedenen Seiten ab.)

(Ende des dritten Aufzuges.)

Vierter Aufzug

Erster Auftritt

Mellefonts Zimmer.

Mellefont. Sara.

Mellefont. Ja, liebste Miß, ja; das will ich tun; das muß ich tun.

Sara. Wie vergnügt machen Sie mich!

Mellefont. Ich bin es allein, der das ganze Verbrechen auf sich nehmen muß. Ich allein bin schuldig; ich allein muß um Vergebung bitten.

Sara. Nein, Mellefont, nehmen Sie mir den größern Anteil, den ich an unserm Vergehen habe, nicht. Er ist mir teuer, so strafbar er auch ist: denn er muß Sie überzeugt haben, daß ich meinen Mellefont über alles in der Welt liebe.—Aber ist es denn gewiß wahr, daß ich nunmehr diese Liebe mit der Liebe gegen meinen Vater verbinden darf? Oder befinde ich mich in einem angenehmen Traume? Wie fürchte ich mich, ihn zu verlieren und in meinem alten Jammer zu erwachen!—Doch nein, ich bin nicht bloß in einem Traume, ich bin wirklich glücklicher, als ich jemals zu werden hoffen durfte; glücklicher, als es vielleicht dieses kurze Leben zuläßt. Vielleicht erscheint mir dieser Strahl von Glückseligkeit nur darum von ferne und scheinet mir nur darum so schmeichelhaft näher zu kommen, damit er auf einmal wieder in die dickste Finsternis zerfließe und mich auf einmal in einer Nacht lasse, deren Schrecklichkeit mir durch diese kurze Erleuchtung erst recht fühlbar geworden.—Was für Ahnungen quälen mich!—Sind es wirklich Ahnungen, Mellefont, oder sind es gewöhnliche Empfindungen, die von der Erwartung eines unverdienten Glücks und von der Furcht, es zu verlieren, unzertrennlich sind?—Wie schlägt mir das Herz, und wie unordentlich schlägt es! Wie stark itzt, wie geschwind!—Und nun, wie matt, wie bange, wie zitternd!—Itzt eilt es wieder, als ob es die letzten Schläge wären, die es gern recht schnell hintereinander tun wolle. Armes Herz!

Mellefont. Die Wallungen des Geblüts, welche plötzliche Überraschungen nicht anders als verursachen können, werden sich legen, Miß, und das Herz wird seine Verrichtungen ruhiger fortsetzen. Keiner seiner Schläge zielet auf das Zukünftige; und wir sind zu tadeln— verzeihen Sie, liebste Sara—, wenn wir des Bluts mechanische Drückungen zu fürchterlichen Propheten machen.—Deswegen aber will ich nichts unterlassen, was Sie selbst zur Besänftigung dieses kleinen innerlichen Sturms für dienlich halten. Ich will sogleich schreiben, und Sir William, hoffe ich, soll mit den Beteurungen meiner Reue, mit den Ausdrücken meines gerührten Herzens und mit den Angelobungen des zärtlichsten Gehorsams zufrieden sein.

Sara. Sir William? Ach Mellefont, fangen Sie doch nun an, sich an einen weit zärtlichern Namen zu gewöhnen. Mein Vater, Ihr Vater, Mellefont—

Mellefont. Nun ja, Miß, unser gütiger, unser bester Vater!—Ich mußte sehr jung aufhören, diesen süßen Namen zu nennen; sehr jung mußte ich den ebenso süßen Namen "Mutter" verlernen—

Sara. Sie haben ihn verlernt, und mir—mir ward es so gut nicht, ihn nur einmal sprechen zu können. Mein Leben war ihr Tod.—Gott! ich ward eine Muttermörderin wider mein Verschulden. Und wie viel fehlte— wie wenig, wie nichts fehlte—, so wäre ich auch eine Vatermörderin geworden! Aber nicht ohne mein Verschulden; eine vorsätzliche Vatermörderin!—Und wer weiß, ob ich es nicht schon bin? Die Jahre, die Tage, die Augenblicke, die er geschwinder zu seinem Ziele kömmt, als er ohne die Betrübnis, die ich ihm verursacht, gekommen wäre— diese hab ich ihm—ich habe sie ihm geraubt. Wenn ihn sein Schicksal auch noch so alt und lebenssatt sterben läßt, so wird mein Gewissen doch nichts gegen den Vorwurf sichern können, daß er ohne mich vielleicht noch später gestorben wäre. Trauriger Vorwurf, den ich mir ohne Zweifel nicht machen dürfte, wenn eine zärtliche Mutter die Führerin meiner Jugend gewesen wäre! Ihre Lehren, ihr Exempel würden mein Herz—So zärtlich blicken Sie mich an, Mellefont? Sie haben recht; eine Mutter würde mich vielleicht mit lauter Liebe tyrannisiert haben, und ich würde Mellefonts nicht sein. Warum wünsche ich mir denn also das, was mir das weisere Schicksal nur aus Güte versagte? Seine Fügungen sind immer die besten. Lassen Sie uns nur das recht brauchen, was es uns schenkt: einen Vater, der mich noch nie nach einer Mutter seufzen lassen; einen Vater, der auch Sie ungenossene Eltern will vergessen lehren. Welche schmeichelhafte Vorstellung! Ich verliebe mich selbst darein und vergesse es fast, daß in dem Innersten sich noch etwas regt, das ihm keinen Glauben beimessen will.– -Was ist es, dieses rebellische Etwas?

Mellefont. Dieses Etwas, liebste Sara, wie Sie schon selbst gesagt haben, ist die natürliche furchtsame Schwierigkeit, sich in ein großes Glück zu finden.—Ach, Ihr Herz machte weniger Bedenken, sich unglücklich zu glauben, als es jetzt zu seiner eignen Pein macht, sich für glücklich zu halten!—Aber wie dem, der in einer schnellen Kreisbewegung drehend geworden, auch da noch, wenn er schon wieder still sitzt, die äußern Gegenstände mit ihm herumzugehen scheinen, so wird auch das Herz, das zu heftig erschüttert worden, nicht auf einmal wieder ruhig. Es bleibt eine zitternde Bebung oft noch lange zurück, die wir ihrer eignen Abschwächung überlassen müssen.

Sara. Ich glaube es, Mellefont, ich glaube es: weil Sie es sagen; weil ich es wünsche.—Aber lassen Sie uns einer den andern nicht länger aufhalten. Ich will gehen und meinen Brief vollenden. Ich darf doch auch den Ihrigen lesen, wenn ich Ihnen den meinigen werde gezeigt haben?

Mellefont. Jedes Wort soll Ihrer Beurteilung unterworfen sein; nur das nicht, was ich zu Ihrer Rettung sagen muß: denn ich weiß es, Sie halten sich nicht für so unschuldig, als Sie sind. (Indem er die Sara bis an die Szene begleitet.)

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01 temmuz 2019
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