Kitabı oku: «Krähen über Niflungenland», sayfa 6
Irritiert sah Grimhild ihm nach. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, ihn um Hilfe zu bitten. Ob er sie überhaupt mochte?
Inzwischen hatte sich die Wirkung des Tranks voll entfaltet, die Droge löste alle Hemmungen. Männer und Frauen hatten sich ihrer Kleidung entledigt, einige gaben sich im Sonnenwendrausch zügelloser Leidenschaft hin, die meisten tanzten den traditionellen Fruchtbarkeitsreigen um die Scheiterhaufen. Immer wieder sprangen einige von ihnen paarweise durch das heilige Feuer.
Gislher ergriff Dietlinds Arm und zog sie mit sich. Sein Schrei übertönte ihr Kreischen, als sie durch die Flammenwand getragen wurden und Flammenzungen nach ihnen leckten, um alles, was unrein war, abzuwaschen. Es war ein rauschhaftes Erlebnis, die Ekstase des Lebens.
Auch Gunter sprang durch die Flammen. Sein Gesicht glühte. Der Trank des Priesters hatte ihn befreit wie einen Vogel aus dem Käfig. Ja, er konnte fliegen! Mit einem Schrei jagte er erneut auf das Feuer zu, und die Flammen trugen ihn in die Lüfte empor.
Gernholt fühlte sich leicht und unbeschwert. Die bilisa nahm ihm die Schmerzen, und zusammen mit dem Trank des Priesters versetzte sie ihn in Euphorie. Er würde auch springen! Er würde wie die anderen vom Feuer gereinigt werden! Keuchend richtete er sich auf. Vor dem Scheiterhaufen pumpte er ein paarmal Luft, dann brüllte er plötzlich aus Leibeskräften, wild, lebensgierig, und rannte los. Jubelnd sprang er durch die Flammen. Seine Füße streiften die Zweige, Glut stob auf. Als er auf der anderen Seite aufprallte, knickten ihm die Beine weg und er schlug auf das Gesicht, aber es war ihm egal; er war glücklich.
Hagen hockte am Feuer, ohne dessen Wärme zu spüren. Er fühlte nichts, er dachte nichts, hockte einfach nur da und existierte. Lange kauerte er in dieser Stellung und starrte in die Flammen. Dann erhob er sich, ohne auf den Protest seiner eingeschlafenen Glieder zu achten, und entfernte sich mit durchgebogenem Rücken. Auf dem Weg zur Burg sah er keinen Menschen, obwohl es auf und um den Hügel von ihnen nur so wimmelte. Er holte sein Pferd, das unwillig über die nächtliche Ruhestörung schnaubte, saß auf und ritt davon.
Sobald er sich auf ebenem Gelände befand, ließ er den Hengst ausholen. In fliegender Hast ging es den steinigen Weg entlang, was in der Dunkelheit riskant war. Nach einer Weile wich Hagen von der Römerstraße ab. Er sah nicht, wohin er ritt, und es interessierte ihn auch nicht. Das Tier raste in halsbrecherischem Tempo durch Sträucher und Dornbüsche, über Wurzeln und Steine. Unbarmherzig schlug der Waffenmeister auf das Pferd ein und trieb es zu noch schnellerem Galopp an. Zweige peitschten ihm ins Gesicht, ein- oder zweimal strauchelte der Hengst; es war ihm egal. Leicht konnte er sich bei diesem wahnwitzigen Ritt das Genick brechen; auch das war ihm egal. In ihm tobte ein Dämon, der danach verlangte, befreit zu werden, und Hagen konnte oder wollte sich ihm nicht widersetzen.
Die Götter mussten wohl Pläne mit ihm haben, denn er lebte noch, als der Morgen graute. Irgendwie hatte sein Pferd einen ausgetretenen Pfad gefunden, dem es folgte. Hagen wusste weder wie lange er geritten war, noch wo er sich befand. Längst hatte er Tolbiacum und den unmittelbaren Herrschaftsbereich der Niflungen hinter sich gelassen, und noch immer fand er keine Ruhe. Der Hengst war schweißnass und zitterte von dem Gewaltritt. Im blassen Licht des beginnenden Tages konnte der Waffenmeister allmählich Einzelheiten seiner Umgebung ausmachen. Er gelangte an eine Brücke über einen Bach. Müde trottete das erschöpfte Pferd über die Holzplanken.
Plötzlich wurde sein Weg von zwei Reitern versperrt. Der eine war von gedrungener Statur, besaß keine Zähne mehr, und seine Haut war voll hässlicher dunkler Flecken. Der zweite war groß und hager und vollkommen kahl. Er schien der Anführer zu sein, denn der andere wartete offenbar auf einen Befehl von ihm. Beide trugen abgewetzte Kleidung. Ihre Pferde waren vermutlich gestohlen.
Brutal riss Hagen an den Zügeln. Schmerzvoll wiehernd kam sein Hengst auf der Brücke zum Stehen. Ein Instinkt veranlasste den Waffenmeister, den Kopf zu drehen. Hinter ihm kam ein dritter Reiter aus dem Gebüsch und schnitt ihm den Fluchtweg ab. Eine Unmenge Narben entstellten sein vielleicht einmal hübsches Gesicht.
Mit schiefem Grinsen beobachteten ihn die drei.
»Ein schönes Tier«, sagte der Kahlköpfige.
»Und sieh dir seine kostbare Kleidung an«, bemerkte der Zahnlose an seiner Seite. »Das lohnt sich ja richtig.«
Der Anführer der Wegelagerer sah den Waffenmeister an. »Steigt einfach ab und zieht Euch aus, vielleicht lassen wir Euch am Leben.«
Hagen sagte kein Wort. Er studierte die Männer. Sie besaßen die Haltung von Kriegern, die das Kämpfen gewohnt waren. Ihre Schwerter waren einfach, aber das zerkratzte Eisen und die Scharten in den Schneiden verrieten, dass sie nicht nur als Schmuck dienten. Und er selbst hatte bei der kopflosen Flucht aus Tolbiacum versäumt, sein Schwert mitzunehmen.
Kaltes Feuer erfüllte Hagen, als er seine Chancen abwägte. Etwas in ihm freute sich auf den bevorstehenden Kampf, sehnte ihn sogar herbei. Mit einer zärtlichen Bewegung zog er seinen Dolch, eine Damaszenerklinge. Der römische Händler hatte ein Vermögen dafür verlangt, aber die Waffe war jedes Goldstück wert.
Die Wegelagerer lachten. »Er zieht seinen Dolch«, wieherte der Anführer, »wir sollten fliehen, solange wir noch können.«
»Zu spät«, sagte Hagen und griff an. Mit einem Satz war er von der Brücke und drängte sein Pferd zwischen die beiden Krieger vor ihm. Die Verblüffung stand noch auf dem Gesicht des Zahnlosen, als ihm der Dolch mitten ins Herz fuhr. Er wollte etwas sagen und seiner Verwunderung Ausdruck geben, aber er war schon tot, noch ehe sein lebloser Körper den Boden berührte.
Die Wegelagerer waren es gewohnt, dass ihre Opfer flohen, und brauchten einen Augenblick, um sich von ihrer Überraschung zu erholen. Der Hagere fing sich als Erster, er war der gefährlichste der Männer. Mit wutverzerrtem Gesicht hieb er auf den Waffenmeister ein. Die Todesgefahr missachtend brachte Hagen sein Pferd näher an das des Gegners. Auf kurze Distanz war das Schwert wertlos. Hart bedrängt suchte der Hagere, dem mörderischen Blutdurst des Waffenmeisters zu entgehen. Sein überlegenes Grinsen war verschwunden; zum ersten Mal empfand er Angst angesichts dessen, was er im verschleierten Auge seiner vermeintlichen Beute erblickte.
Der dritte Mann galoppierte über die Brücke, um seinen Kameraden zu Hilfe zu eilen, und näherte sich Hagen von hinten. Der warf sich zur Seite, um dem tödlichen Hieb zu entgehen. Das Schwert glitt ab und traf das Pferd, das einknickte und vor Schmerzen wieherte. Geschickt rollte sich Hagen ab und kam sofort wieder auf die Beine. Er wartete nicht, bis die Wegelagerer erneut angriffen. Mit einem Satz sprang er hinter dem Narbengesicht auf das Pferd und schnitt ihm die Kehle durch. Blut sprudelte in hohem Bogen hervor und besudelte den Waffenmeister, er beachtete es nicht. Seine Instinkte hatten die Herrschaft übernommen, und er überließ sich ihnen freudig. In ihm loderte die Flamme der Kampfekstase, er war erfüllt von einer dunklen, tödlichen Art von Jubel.
Der Anführer der Wegelagerer nutzte die Gelegenheit und drang auf ihn ein, während Hagen den Leichnam des Narbigen vom Pferd kippte. Das Tier scheute, als es den Blutgeruch wahrnahm, diese Bewegung rettete ihm das Leben. Er wurde abgeworfen, der Stoß des Kahlköpfigen ging fehl. Wie der Blitz war Hagen auf den Beinen und stach nach dem Arm des Mannes, verfehlte ihn jedoch. Der Hagere hatte noch nie solch einen Dämon kämpfen sehen. Er wollte sein Pferd wenden und fliehen, aber der Waffenmeister stach dem Tier rücksichtslos den Dolch in den Leib, dass es ächzend zusammenbrach. Panisch befreite sich der Kahlkopf von dem Kadaver und schlug unkontrolliert nach seinem Gegner, doch sein Schicksal war bereits besiegelt gewesen, als er Hagens Weg gekreuzt hatte. Das Schwert fuhr in den Oberschenkel des Waffenmeisters, der es nicht einmal bemerkte. Mit Wucht rammte er dem Kahlkopf seinen Dolch in den Bauch, schlitzte ihn von oben bis unten auf, tobte und raste, bis er endlich registrierte, dass kein Leben mehr in dem zuckenden Bündel Fleisch war.
Keuchend hielt er inne, sein Auge wurde wieder klar. Hagen erwachte aus seinem Blutrausch. Nur ungern ließ er das heiße Gefühl gehen, das ihn erfüllt und ihm für eine kleine Weile Wärme gespendet hatte. Nur ungern ließ er Kälte und Dunkelheit wieder in sich hinein. Er betrachtete das Blutbad, das er angerichtet hatte, und stöhnte. Es war viele Jahre her, dass er sich das letzte Mal der Berserkerwut überlassen hatte, und damals nur nach gründlicher Vorbereitung. Noch nie war die Verwandlung ungerufen über ihn gekommen. Hagen barg sein Gesicht in den blutigen Händen. Er hatte von dem Fluch gehört, der die ergriff, die sich zu oft in einen Mannwolf verwandelten. Die Grenze zwischen Mensch und Tier wurde kleiner, das Tier erlangte nach und nach die Herrschaft, bis der Berserker vergaß, dass er einst ein Mensch gewesen war. Er hatte solche gesehen, die den Weg zurück nicht mehr fanden. Sie mussten abgeschlachtet werden wie räudige Hunde, denn sie waren eine Gefahr für die menschliche Gemeinschaft. Der Waffenmeister stöhnte noch einmal. Er wollte nicht enden wie sie!
Es hatte eine Zeit gegeben, da er nicht über die Folgen nachdachte. Damals war er stolz gewesen, zu den auserwählten Kriegern zu gehören, den gefürchteten Berserkern, die eine Schlacht entscheiden konnten. Und er war der Beste gewesen. Hagen lachte bitter. Was blieb einem übrig, wenn man die anderen die eigene Herkunft vergessen lassen wollte, als der Beste zu werden? In ihrer Mitte konnte er die Erinnerung daran auslöschen, wer er war. Sie bildeten eine verschworene Gemeinschaft von Ausgestoßenen, gefürchtet und verachtet von den Menschen, die sie brauchten und duldeten, aber nicht liebten. Eine seltsame Art von Sippenfrieden herrschte zwischen ihnen, ein kaltherziger Friede, der alles, was außerhalb seines Kreises lag, als Beute ansah, die zerrissen werden durfte.
Als er Aldrian traf, hatte er erkannt, dass er noch einmal eine Chance bekam, und sie von ganzem Herzen ergriffen. Er schwor sich, niemals wieder die unsichtbare Linie zu überschreiten. Aldrian vertraute ihm, mehr noch: Er war der erste Mensch, für den seine Herkunft bedeutungslos war, der ihm das Gefühl schenkte, zu einer wirklichen Sippe zu gehören. Es war ein Traum gewesen, nichts weiter. Hagen brauchte nur in die Gesichter der Menschen, deren Leben er teilte, zu blicken, um zu wissen, dass es eine große Rolle spielte, wer man war und woher man kam.
Der Blutgeruch seiner Hände widerte ihn an. Er wischte den Dolch an einer der Leichen ab und steckte ihn zurück in die Scheide. Dann sah er nach seinem Pferd. Es litt, aber es lebte. Die Wunde war nicht tief, bei guter Pflege würde sich das kostbare Tier erholen. Das Pferd des Hageren dagegen war tot. Hagen wankte in den Fluss, um seine Verletzung zu versorgen und das Blut abzuwaschen, das ihn von oben bis unten bedeckte. Es war wie eine rituelle Reinigung von dem bösen Geist, der ihn erfüllte, und er hoffte, dass auch der letzte Rest des Tieres, das er in sich trug, fortgespült wurde. Das kühle Wasser, das seine Wangen hinunterlief, klärte seinen Geist und half ihm, sich Rechenschaft vor sich selbst abzulegen.
Er liebte Grimhild.
Nie zuvor hatte er sich das eingestanden. Sie war ein Kind gewesen, als er sie kennenlernte, und er ihr väterlicher Freund. Auch jetzt noch zählte er mehr als doppelt so viele Sommer wie sie. Aber ihr Liebreiz, ihr Lächeln, ihre Augen verzauberten ihn. Ihr Interesse hatte ihm geschmeichelt und zu kühnen Träumen verleitet. Und dann war Sigfrid gekommen. Seither bemerkte sie ihn nicht einmal, wenn er neben ihr stand.
Hagen kam sich unsagbar töricht vor. Lächerlich zu glauben, sie könnte etwas für ihn empfinden! Sie nahm seine Bewunderung als naturgegeben hin, als etwas, worauf sie ein Anrecht besaß wie auf das Atmen, und es kam ihr gar nicht in den Sinn, dass ihre spielerischen Verlockungen ihm Schmerzen bereiten könnten. Wie blind er gewesen war, so blind, als besäße er überhaupt kein Auge!
Voll Abscheu betrachtete er sein Spiegelbild im Wasser. Er sah einen verbitterten Krieger, der einen Narren aus sich gemacht hatte. Einen Narren, der sich eingeredet hatte, ein hübsches junges Mädchen wie Grimhild könnte sich in einen hässlichen alten Mann wie ihn verlieben. Einen Halbalben. Denn mehr noch als das Alter trennte sie ihre Herkunft. O ja, die Menschen respektierten seinen Mut und bezeugten ihm Ehre, niemand würde es wagen, ihm die Verachtung, die er empfand, offen zu zeigen! Aber hinter seinem Rücken verbreiteten sie die schmutzigsten Lügen über ihn. Er kannte die geflüsterten Gerüchte über dunkle Kräfte, Loyalität gegenüber dem Stillen Volk und Unzucht mit Schwarzalbinnen.
Hagen stieg aus dem Wasser. Mit erbarmungsloser Deutlichkeit erinnerte er sich an jedes Detail der vergangenen Nacht. Er sah Grimhild vor sich, mit ihrem Lächeln, das seine Verteidigung durchbrochen und ihn weich gemacht hatte. Er erinnerte sich genau an jenen Moment, da sie ihm in aller Unschuld die tödliche Wunde zufügte, den Moment, in dem er wehrlos gewesen war und jeder Möglichkeit beraubt, sich gegen den Speer zu wappnen, der sein Herz durchbohrte. Sie hatte mit jener beiläufigen Grausamkeit von ihrer geplanten Verbindung mit Sigfrid gesprochen, zu der nur Frauen fähig sind, die ständige Bewunderung gewohnt sind. Frauen, die mit dem Bewusstsein aufwachsen, jeden Mann bekommen zu können, den sie haben wollen. Frauen, die sich nicht vorzustellen vermögen, wie es sich anfühlt, jemand Unerreichbaren zu begehren.
Hagen fing eines der überlebenden Pferde ein, die friedlich in der Nähe weideten, und schwang sich hinauf. Seinen eigenen Hengst und das dritte Tier am Zügel führend, machte er sich auf die Suche nach einem Anhaltspunkt, wo er sich befand. Er fühlte sich ausgelaugt und innen wie außen wund. Jedes Wort, das zwischen ihm und Grimhild gefallen war, nahm er und drehte es in seinem Gehirn so lange hin und her, bis es jeglicher Bedeutung ledig war. Die Augen, mit denen sie Sigfrid beobachtet hatte, ließen ihn nicht los. Wenn sie ihn nur einmal so ansehen würde …
Nutzlose Tagträume. Und er war kein Träumer. Seine Stärke lag darin, dass er der Welt, wie sie war, ins Auge sah. Nun gut, er hatte sich lächerlich gemacht. So etwas kam vor. Jetzt hatte er sich sein Versagen eingestanden und konnte daran gehen, die Reste zusammenzukehren und zu versuchen, Grimhild zu vergessen.
8.
Niemand sah ihn, als er zurückkehrte, nur Ivo, der Stallbursche, dem er die erhitzten Pferde zum Trockenreiben übergab, und der stellte keine Fragen. Die blutige Kleidung mochte seine Neugier wecken, aber ein Blick in Hagens Miene versiegelte ihm den Mund. Müde begab sich der Waffenmeister in seine Kammer, um sich neu einzukleiden, sodass es niemandem einfiel, Spekulationen über seine nächtlichen Aktivitäten anzustellen. Als er den Raum wieder verließ, ging er kerzengerade, obwohl die Wunde in seinem Bein pochte. Später würde er jemanden aufsuchen müssen, der sich darum kümmerte. Später. Erst musste er den Anschein von Normalität wiederherstellen, den er dummerweise durch seinen kopflosen Ritt zerstört hatte. Aber vielleicht machte er sich unnötig Sorgen. Die lusttrunkenen Teilnehmer des Mittsommernachtsfestes hatten vermutlich nur Augen für sich selbst gehabt.
Fast hätte er es geschafft, sich davon zu überzeugen, dass alles beim Alten war. Dann traf er auf Grimhild, die nervös vor der Großen Halle auf- und ablief, und hielt so abrupt inne, als sei er gegen eine Mauer gelaufen. Er wich in den Schatten zurück, um sein Gleichgewicht wiederzufinden. Seine Knie zitterten. Schließlich gab er sich einen Ruck und ging auf sie zu. »Ich grüße dich, frouwa!«, sagte er leichthin.
»Oh, Hagen! Gunter sucht dich. Er erwartet dich in der Großen Halle. Wo warst du? Niemand konnte dich finden.«
»Ich … habe einen Spazierritt unternommen.« Einen Herzschlag lang stand er vor ihr und wusste nicht, was er sagen sollte. »Nun … ich sollte den König nicht warten lassen«, murmelte er schließlich und schlurfte davon.
Die komplizierten Konventionen einer Brautwerbung lagen Sigfrid nicht. Er war von schlichter Natur; sein Anliegen in die richtigen Worte zu kleiden, kam dem Versuch gleich, einen Fluss mit den Händen umzuleiten. Als er seine eigene Stammelei nicht länger ertragen konnte, rief er denn auch aus: »Bei Donars Hammer, was ich sagen will … ich … ich bitte Euch um Eure Schwester!«
»Das kommt unerwartet«, erwiderte Gunter belustigt. Er hatte Sigfrid und Grimhild gestern beobachtet und war zu dem Schluss gekommen, dass sie gut zueinander passten.
Dem Sachsen entging das verräterische Zucken um die Mundwinkel des Königs, so setzte er hinzu: »Ich weiß, ich sollte einen Werber schicken, statt selbst mit Euch zu verhandeln, aber ich hoffe, Ihr glaubt mir, dass es nicht mangelnde Achtung vor Euch oder Eurer Schwester ist, die mich so kühn vorgehen lässt. Ich bin einfach in Sorge, jemand könnte mir zuvorkommen.« Er strich sich durch die Locken, unschlüssig, wie er fortfahren sollte.
Gunter, dessen Entscheidung längst feststand, amüsierte sich über Sigfrids Unbeholfenheit. Er hätte ihm die Werbung leichter machen können, aber dies war etwas, dem sich ein Mann allein stellen musste, gleich, wie unangenehm es ihm war.
»Ihr wisst«, sagte Sigfrid, »ich bin der Sohn König Sigmunds. Meine Braut wird einst an meiner Seite über Tarlungenland herrschen. Auch dürfte Euch bekannt sein, dass ich den Hort des Stillen Volkes besitze. Ich denke also, dass ich kein unwürdiger Bewerber bin.«
Jetzt konnte Gunter nicht anders, er musste laut lachen. »Das seid Ihr ganz gewiss nicht, Sigfrid von Tarlungenland. Ich freue mich, dass Ihr mich um Grimhild bittet. Ich weiß, sie ist Euch gut.«
In diesem Moment betrat Hagen die Halle. Seine Miene war unergründlich wie immer. Gunter runzelte die Stirn. Der Waffenmeister war die Nacht über fort gewesen, niemand wusste, wohin. Wie es schien hatte er sich bei seinem Ausritt eine Verletzung zugezogen. Zwar tat er sein Möglichstes, es zu verbergen, aber der Niflungenkönig ließ sich nicht täuschen. Er hätte zu gern gewusst, wo sein Ratgeber gewesen war, aber man fragte Hagen nicht nach seinem Kommen und Gehen. »Gut, dass du da bist!«, begrüßte er ihn. »Frō Sigfrid bittet mich, ihm Grimhild zur Frau zu geben. Ich wüsste gern deine Meinung dazu.«
Auf dem Weg hierher hatte Hagen erfolgreich jedes Gefühl in sich abgetötet und sein Herz gestählt. Er hatte gewusst, was ihn erwartete. Deshalb klang seine Stimme normal – vielleicht ein wenig belegt, aber nur, wenn man genau hinhörte –, als er antwortete: »Es ist deine Entscheidung.«
»Das weiß ich selbst. Aber ich will deine Meinung hören.«
Hagen versuchte, Sigfrid zu hassen. Es gelang ihm nicht. Auch wenn es ihn umbrachte: Der Sachse war ein würdiger Gemahl für Grimhild. »Jungherr Sigfrid ist ein starker Verbündeter«, entgegnete er ausweichend. Aus irgendeinem Grund drang Gunter nicht weiter in ihn, was Hagen überraschte, denn selbst in seinen eigenen Ohren klang seine Erwiderung nichtssagend.
»Hört also meinen Beschluss!« Gunter zögerte einen winzigen Moment, ehe er fortfuhr: »Ich will mich ebenfalls verheiraten.«
Hagens Kopf ruckte herum. »Wen …?«, entschlüpfte es ihm.
Gunter lächelte. Es gab also Dinge, die selbst dem schlauen Hagen entgingen. »Königin Brünhild von Svawenland. Eure Beschreibung, Sigfrid, hat mich überzeugt.« Nun, nicht ganz. Er mochte ein schwacher König sein, vielleicht sogar ein unfähiger, aber kein dummer. Diskret hatte er Erkundigungen einziehen lassen, und seine Informanten bestätigten die Worte des Sachsen: Brünhild war schön, klug und seiner würdig. »Ihr seid Nachbarn, Sigfrid. Ich bitte Euch deshalb, mir zu helfen, um sie zu werben. Dies ist meine Bedingung: Ihr bekommt Grimhild zum Weibe, sobald Brünhild einwilligt, meine Frau zu werden. Dann wollen wir doppelten Brautlauf halten.«
Die Bedingung erschien Sigfrid gerecht. »So soll es sein. Ich danke Euch, König Gunter!«
Damit waren die Dinge geregelt, und Hagen bat, sich zurückziehen zu dürfen.
Hagen, mein alter Freund, dachte Gunter traurig, während er dem steif davonstaksenden Waffenmeister nachsah, es tut mir leid für dich. Aber Grimhild würde nie deine Frau werden, mit oder ohne Sigfrid.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.