Kitabı oku: «Strafrecht Besonderer Teil», sayfa 4

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C. Täterschaft und Teilnahme, Versuch sowie Konkurrenzen

20

Für Täterschaft und Teilnahme gelten die allgemeinen Vorschriften (§§ 25 ff.).[52] Daher ist die Teilnahme an der tatbestandslosen Selbsttötung eines anderen Menschen (vgl. Rn. 5) grundsätzlich nicht strafbar.[53]

21

Dies gilt allerdings nur dann, wenn diese Selbsttötung auf eigenverantwortlicher Willensentschließung und vollständiger Erfassung der Situation beruht.[54] Fehlt es daran und ist dies dem Mitwirkenden bewusst oder handelt dieser aus anderen Gründen kraft überlegenen Sachwissens, das ihn das Todesrisiko besser erfassen oder beherrschen lässt,[55] so kommt eine Strafbarkeit wegen eines in mittelbarer Täterschaft (§ 25 Abs. 1 2. Alt.) begangenen Tötungsdelikts in Betracht.

Merke:

Als Kriterien für die Beurteilung des freiverantwortlichen Handelns des zur eigenen Tötung Entschlossenen können die in § 20 genannten psychischen Zustände herangezogen werden. Vertretbar ist bei der Lösung von Aufgaben aber auch ein Rückgriff auf die zur Rechtserheblichkeit einer Einwilligung entwickelten Maßstäbe.[56]

22

In Bezug auf die – praxis- und examensrelevante – Versuchsstrafbarkeit des Totschlags finden die allgemeinen Grundsätze uneingeschränkt Anwendung (§§ 22 ff.). Dabei ist auf der Basis des sog. Rücktrittshorizonts in den meisten Fällen § 24 zu erörtern, weil der Täter häufig die Möglichkeit des Weiterhandelns hat.[57]

Vertiefungshinweis:

Ist der Täter vom Totschlagsversuch strafbefreiend zurückgetreten, aber wegen einer zugleich verwirklichten Körperverletzung zu bestrafen, so dürfen der Tötungsvorsatz sowie ausschließlich darauf bezogene Tatbestandsverwirklichungen bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt werden.[58]

23

Konkurrenzfragen stellen sich vor allem im Verhältnis zu den Körperverletzungsdelikten. Diese treten nach h.M. hinter einer vollendeten Tötung als subsidiär zurück.[59] Zwischen einem nur versuchten Tötungsdelikt und einer durch dieselbe Handlung vollendeten Körperverletzung besteht Tateinheit (§ 52). Denn der Umstand, dass es tatsächlich zu einer Körperschädigung gekommen ist, wird nur durch eine Aufnahme des verwirklichten Tatbestands in den Schuldspruch (Urteilstenor) hinreichend berücksichtigt.[60] Im Übrigen kommt z.B. eine tateinheitliche Begehung des § 315b in Betracht.[61]

D. Kontrollfragen

24


1. In welchem Verhältnis stehen die §§ 211 bis 216 zueinander? → Rn. 1 f.
2. Welche zwei Zeitpunkte markieren Beginn und Ende menschlichen Lebens i.S. der Tötungsdelikte? → Rn. 6 ff.
3. Handelt es sich bei einer nur geringfügigen Verkürzung eines ohnehin „verlöschenden“ Lebens um ein Töten gemäß § 212 Abs. 1? → Rn. 11
4. Welche Tatumstände können für die Frage des Tötungsvorsatzes bedeutsam sein? → Rn. 12
5. Unter welchen Voraussetzungen kann ein an der Selbsttötung eines anderen Menschen Beteiligter strafbar sein? → Rn. 21

Aufbauschema (§§ 212, 213)


1. Tatbestand a) Objektiver Tatbestand (1) Einen (anderen) Menschen (2) Töten b) Subjektiver Tatbestand – Vorsatz
2. Rechtswidrigkeit
3. Schuld
4. Minder schwerer Fall a) Benannter minder schwerer Fall (§ 213 1. Alt.) b) Ggf. unbenannter minder schwerer Fall (§ 213 2. Alt.) c) Vorsatz

Empfehlungen zur vertiefenden Lektüre:

Leitentscheidungen: BGHSt 31, 348 – „Fall der verkannten Schwangerschaft“; BGHSt 32, 38 – „Siriusfall“; BGHSt 32, 194 – „Eröffnungswehenfall“; BGHSt 32, 262 – „Heroinspritzenfall“; BGHSt 32, 367 – „Wittig-Fall“; BGHSt 36, 231 – „Mittäterfall“; BGHSt 42, 301 – „Arztfall“

Aufsätze: Heyers, Wann ist der Mensch tot?, JA 2016, 709; Kühl, „Wer einen Menschen tötet“ – Der objektive Tatbestand des Totschlags gemäß § 212 StGB, JA 2009, 321; Maatz, Kann ein (nur) versuchtes schwereres Delikt den Tatbestand eines vollendeten milderen Delikts verdrängen? – Die Konkurrenz-Rechtsprechung in Fällen versuchten Totschlags/Mordes, versuchter Vergewaltigung und versuchter Nötigung auf dem Prüfstand, NStZ 1995, 209; Mitsch, Grundfälle zu den Tötungsdelikten, JuS 1996, 407; D. Sternberg-Lieben, Tod und Strafrecht, JA 1997, 80

Übungsfallliteratur: Siebrecht, Der praktische Fall – Strafrecht: Brutaler Besuch, JuS 1997, 1101; Vassilaki/Hütig, Übungsklausur Strafrecht: Der „Don Giovanni“-Fall, Jura 1997, 266

Anmerkungen

[1]

Lackner/Kühl Vorbemerkung § 211 Rn. 22, 24; Schönke/Schröder/Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 5; Otto § 2 Rn. 14.

[2]

LK12/Rissing-van Saan/Zimmermann § 213 Rn. 3.

[3]

Ständig seit BGHSt 1, 368, 370; 6, 329, 330; 22, 375, 377; 50, 1, 5; BGH Urteil vom 2. Mai 2012 – 2 StR 395/11; auch BGHSt 36, 231, 233 ff. – „Mittäterfall“, trotz der Annahme, eine mittäterschaftlich begangene Tötung könne bei einem Täter als Mord und beim anderen als Totschlag gewertet werden (vgl. § 28 Abs. 1); mit Blick auf die von der Literatur erhobenen Einwände allerdings zweifelnd BGH NJW 2006, 1008, 1012 f.

[4]

Vgl. Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 83 ff.; auch Freund JuS 1997, 331, 333 f.

[5]

BGHSt 31, 348, 352 – „Fall der verkannten Schwangerschaft“; Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 12 ff.

[6]

BGHSt 31, 348, 350 f. – „Fall der verkannten Schwangerschaft“; Kühl JA 2009, 321 ff.; zur Frage der Strafbarkeit sog. Präimplantationsdiagnostik nach dem Embryonenschutzgesetz BGH NStZ 2010, 579.

[7]

BGHSt 32, 194, 196 f. – „Eröffnungswehenfall“.

[8]

BGH Beschluss vom 11. November 2020 – 5 StR 256/20 (zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt); Lackner/Kühl Vorbemerkung § 211 Rn. 3; Rengier BT II, § 3 Rn. 3 a.E.; Kühl JA 2009, 321.

[9]

BGBl. I 1998, S. 164, 174.

[10]

Schönke/Schröder/Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 16 ff.

[11]

Instruktiv D. Sternberg-Lieben JA 1997, 80, 82 ff.

[12]

Zu den divergierenden Todesdefinitionen Heyers JA 2016, 709.

[13]

Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 20 f.; D. Sternberg-Lieben JA 1997, 80, 84.

[14]

S. etwa Birnbacher FS Merkel, 2020, 1015, 1022.

[15]

Deutscher Ethikrat, Hirntod und Entscheidung zur Organspende. Stellungnahme, 2015, S. 92 f.; Birnbacher FS Merkel, 2020, 1015, 1027 f.

[16]

S. Bauer/Hosseini GedS Tröndle, 2019, 849 f., 863 f.; ebenso MüKo/Schneider Vor § 211 Rn. 17 f.

[17]

Deutlich Heyers JA 2016, 709, 713.

[18]

Vgl. dazu etwa Deutscher/Körner wistra 1996, 292 und 327; Hamm StV 1997, 159; Volk NStZ 1996, 105.

[19]

S. BGHSt 42, 301 – „Arztfall“.

[20]

BGHSt 21, 59, 61.

[21]

Zu möglichen Garantenpflichten s. etwa BGH NStZ 2017, 401 (Familie); StV 2020, 373, 375 ff. (Schutzpflichtübernahme, Ingerenz); zur Beendigung von Garantenstellungen Ceffinato NStZ 2021, 65.

[22]

BGH StV 1994, 425; Lackner/Kühl § 212 Rn. 2.

[23]

BGHSt 14, 193; Vassilaki/Hütig Jura 1997, 266.

[24]

BGH NStZ 2013, 538, 539 (mehr als 16 cm tiefer Stich ins Herz); 2015, 509 (mit Durchtrennung der Gesichtsschlagader); StraFo 2013 467; zu einem skalpierenden Schlag mit einer Machete NStZ-RR 2011, 110.

[25]

BGH NStZ 2005, 40; Urteil vom 24. März 2005 – 3 StR 402/04.

[26]

BGH NStZ 2003, 431; 2007, 639; 2014, 35 m. Anm. Schiemann; 2016, 25, 26 (zur Zertrümmerung des Mittelgesichts führende Tritte); zum „mehrfachen massiven Schütteln“ eines Säuglings s. Urteil vom 7. November 2019 – 4 StR 226/19.

[27]

BGH NJW 2016, 1970, 1971; JR 2017, 123, 124 (mehrere aus maximal fünf Metern Entfernung auf den Oberkörper abgegebene Schüsse) m. Anm. Hinz; NStZ-RR 2018, 373, 374.

[28]

BGH StV 1997, 7; zur diesbezüglichen Beurteilung von Schüssen im ehemaligen innerdeutschen Grenzgebiet Willnow JR 1997, 221, 224.

[29]

BGH NStZ 2006, 169; Urteil vom 19. Juli 2001 – 4 StR 144/01; zur stets erforderlichen Gesamtwürdigung der Tatumstände s. LR/Sander § 261 Rn. 85 ff.

[30]

BGH NStZ-RR 2005, 372.

[31]

BGH NStZ-RR 2000, 165; zum Anzünden eines mit Benzin übergossenen Menschen StraFo 2010, 389, 390.

[32]

Gleichwohl – abwegig – verneint durch LG Rostock NStZ 1997, 391 m. krit. Anm. Fahl.

[33]

Ausführlich zu der diesbezüglichen Bedeutung der sog. Hemmschwellentheorie BGHSt 57, 183, 189 ff.; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 22; StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 44.

[34]

BGHR StGB § 212 Abs. 2 Umstände, schulderhöhende 1 bis 4; BGH NStZ 2001, 647; NStZ-RR 2004, 205, 206.

[35]

BGH Urteil vom 12. August 1997 – 1 StR 348/97.

[36]

Zu Einzelheiten der Strafzumessung s. Schäfer/Sander/van Gemmeren Rn. 1643 ff.

[37]

Vgl. Sander/Hohmann NStZ 1998, 273, 274.

[38]

S. auch Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 35.

[39]

BGH Beschluss vom 5. Oktober 2010 – 1 StR 478/10; differenzierend Maurach/Schroeder/Maiwald/Hoyer/Momsen § 2 Rn. 28 f.

[40]

BGHSt 34, 37; BGH NStZ 1996, 33; ausführlich NStZ-RR 2018, 177; zum sog. Motivbündel NStZ 2004, 500.

[41]

BGHR StGB § 213 1. Alt. Misshandlung 5; BGH StV 2003, 73; Beschluss vom 12. Juni 2002 – 5 StR 221/02.

[42]

BGH NStZ 2004, 631, 632; 2011, 339, 340; Urteil vom 1. September 2011 – 5 StR 266/11; Otto § 5 Rn. 8.

[43]

BGHSt 21, 14, 18; BGH Urteil vom 5. Juni 2013 – 1 StR 457/12.

[44]

BGH NStZ-RR 2011, 10, 11; 2011, 318, 319.

[45]

BGH NStZ 1995, 83.

[46]

BGH NStZ 2012, 691, 693; s. auch Beschluss vom 12. Januar 2016 – 1 StR 577/15.

[47]

BGH NStZ 1998, 191, 192.

[48]

BGH NStZ-RR 2002, 140.

[49]

Genannt sei beispielhaft BGH NStZ-RR 2016, 110, 111.

[50]

BT-Dr. 13/8587, S. 34; hierzu BGHR StGB § 212 Abs. 1 Kindstötung 1.

[51]

BGH NStZ-RR 2004, 80.

[52]

BGH NStZ 1996, 434; StV 1996, 659; auch BGHSt 36, 231 – „Mittäterfall“.

[53]

BGHSt 32, 367, 371 – „Wittig-Fall“; 46, 279, 288 f.; s. auch den ungewöhnlichen Fall BGH NStZ 2003, 537.

[54]

BGHSt 32, 262, 263 f. – „Heroinspritzenfall“.

[55]

Grotesk die entsprechende Konstellation in BGHSt 32, 38 – „Siriusfall“.

[56]

Wessels/Hettinger/Engländer Rn. 117; s. auch BGHSt 32, 38, 41 f. – ,,Siriusfall“.

[57]

Instruktiv BGHSt 33, 295; Maurach/Schroeder/Maiwald/Hoyer/Momsen § 2 Rn. 20; Siebrecht JuS 1997, 1101, 1103.

[58]

S. nur BGHSt 42, 43, 44 f.

[59]

BGH NStZ 2004, 684; 2014, 84, 85; Lackner/Kühl § 212 Rn. 9; differenzierend Schönke/Schröder/Eser/Sternberg-Lieben § 212 Rn. 17 ff.

[60]

BGHSt 44, 196 unter Aufgabe entgegenstehender Rechtsprechung; BGH Beschluss vom 3. Juli 2012 – 4 StR 126/12; Maatz NStZ 1995, 209, 210 ff.; a.A. Siebrecht JuS 1997, 1101, 1104: unzulässige Doppelverwertung des Vorsatzes.

[61]

BGH NStZ 2013, 156.

Teil I: Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit › Kapitel 1. Tötungsdelikte › § 2. Mord (§ 211)

§ 2. Mord (§ 211)

Inhaltsverzeichnis

A. Grundlagen

B. Tatbestand

C. Täterschaft und Teilnahme, Versuch, Konkurrenzen sowie besondere Schwere der Schuld

D. Kontrollfragen

A. Grundlagen

1

Unabhängig vom bestehenden Streit über das Verhältnis zwischen den §§ 211, 212 (vgl. § 1 Rn. 1 f.) handelt es sich beim Mord jedenfalls um einen Tatbestand mit im Vergleich zum Totschlag erhöhtem Unrechts- und Schuldgehalt.[1] Dieser resultiert aus dem Vorliegen wenigstens eines der in § 211 Abs. 2 vorgesehenen insgesamt neun Merkmale. Diese sog. Mordmerkmale treten zur – schon durch § 212 erfassten – vorsätzlichen Tötung eines Menschen erschwerend hinzu.

2

Im Hinblick darauf hält der Gesetzgeber als alleinige Rechtsfolge die lebenslange Freiheitsstrafe für angemessen (§ 211 Abs. 1). Die Verhängung dieser absoluten Strafe (§ 38 Abs. 1) ist verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden.[2] Jedoch muss gewährleistet sein, dass sie stets in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Maß der Schuld des Täters steht. Dafür bedarf es ggf. einer restriktiven Auslegung des Mordtatbestands (vgl. Rn. 20 f.; zur sog. Rechtsfolgenlösung Rn. 27 ff.). Darüber hinaus muss die Möglichkeit der Aussetzung des Strafrests zur Bewährung auch bei lebenslanger Freiheitsstrafe unter bestimmten Voraussetzungen eingeräumt werden. Dieser Forderung des Bundesverfassungsgerichts ist der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 57a nachgekommen (vgl. Rn. 92).

B. Tatbestand

3

Die Mordmerkmale werden meistens – der Ausgestaltung des § 211 Abs. 2 entsprechend – in folgende drei Gruppen zusammengefasst.[3]


Gruppen der Mordmerkmale (h.M.)
1. Gruppe (Beweggrund) 2. Gruppe (Begehungsweise) 3. Gruppe (Zweck)
– Aus Mordlust (Rn. 55 ff.) – Zur Befriedigung des Geschlechtstriebs (Rn. 58 ff.) – Habgier (Rn. 62 ff.) – Sonst niedriger Beweggrund (Rn. 70 ff.) – Heimtücke (Rn. 9 ff.) – Grausamkeit (Rn. 42 ff.) – Mit gemeingefährlichen Mitteln (Rn. 47 ff.) – Zur Ermöglichung einer anderen Straftat (Rn. 78 ff.) – Zur Verdeckung einer anderern Straftat (Rn. 84 f.)

4

Diese Einteilung lässt sich vor allem bei der Prüfung der Strafbarkeit von Tatbeteiligten fruchtbar machen (vgl. Rn. 88 ff.), ist aber auch für den Aufbau relevant (vgl. Rn. 5 ff.). Im Übrigen ist es hilfreich, die den Mord beschreibenden Umstände als „normale“ Tatbestandsmerkmale zu behandeln. Dabei erleichtert die Erkenntnis, dass § 211 Abs. 2 sowohl primär objektiv als auch überwiegend subjektiv geprägte Merkmale enthält, den Normzugang.

Merke:

Die neun Mordmerkmale sind dementsprechend teils (auch) im objektiven, teils nur im subjektiven Tatbestand zu prüfen.

5

Zum objektiven Tatbestand gehören nach h.M. die sich auf die Tatbegehung selbst beziehenden Umstände der sog. 2. Gruppe, da diese für das äußere Tatbild kennzeichnend sind[4] und der Tatbezug erkennbar überwiegt.

6

Umgekehrt sind die Merkmale der 3. Gruppe (Ermöglichungs- und Verdeckungsabsicht) eindeutig als subjektive Komponenten – der Absicht rechtswidriger Zueignung (§ 242) vergleichbar – ausgestaltet. Ebenso verhält es sich bei einer zur Befriedigung des Geschlechtstriebs begangenen oder durch sonst niedrige Beweggründe motivierten Tat.

7

Die Merkmale der Mordlust und der Habgier sind nach zutreffender h.M. – trotz ihrer objektiven Bestandteile – ebenfalls dem subjektiven Tatbestand zuzuordnen. Denn eine Gesamtabwägung ergibt, dass sie überwiegend subjektiv geprägt sind. Dafür spricht zunächst ihre auf persönliche Interessen des Täters abstellende Fassung (Lust, Gier). Aber auch ihre Gleichstellung mit den übrigen Modalitäten der 1. Gruppe (vgl. Rn. 3) lässt darauf schließen.


Grundstruktur des Mordtatbestands (h.M.)
Objektiver Tatbestand Subjektiver Tatbestand
– Tatobjekt (§ 1 Rn. 5 ff.) – Tathandlung (§ 1 Rn. 10 f.) – Objektive Mordmerkmale (Rn. 5 und 8 ff.) – Vorsatz bzgl. Tötung und objektiver Mordmerkmale (Rn. 52 ff.) – Subjektive Mordmerkmale (Rn. 6 f. und 55 ff.)

Aufbau- und Vertiefungshinweis:

Verschiedentlich werden Merkmale des § 211 Abs. 2 dogmatisch auf der Schuldebene angesiedelt.[5] Die dafür angeführten Gesichtspunkte sind zwar durchaus bedenkenswert. Bei der Bearbeitung einer Prüfungsaufgabe empfiehlt es sich aber, im Einklang mit der h. A. den auch sonst verwendeten Aufbau zu wählen, um eigene Irritationen (und nicht zuletzt auch solche der Prüfer) zu vermeiden.

I. Objektiver Tatbestand

8

Über das Erfordernis der Tötung eines (anderen) Menschen (vgl. § 1 Rn. 5 ff.) hinaus enthält § 211 Abs. 2 drei objektive Mordmerkmale.

1. Heimtücke

9

Das Festlegen der Voraussetzungen dieses – in Ausbildung und Praxis sehr relevanten – Mordmerkmals steht im Mittelpunkt erheblicher Bemühungen von Rechtsprechung und Wissenschaft. Ein Konsens besteht gleichwohl noch immer nur hinsichtlich des zu wählenden Ausgangspunkts, von dem aus dann diverse Vorschläge entwickelt werden (vgl. Rn. 20 ff.).

Merke:

Heimtücke erfordert jedenfalls, dass der Täter die Arg- und darauf beruhende Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt (vgl. zur subjektiven Komponente des bewussten Ausnutzens Rn. 53 f.).[6]

10

Gegenüber einem Totschlag (§ 212) ist der Unrechtsgehalt somit erhöht, weil der Täter sein Opfer in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben – zumindest diesen erschwerend – zu begegnen.[7]

a) Arglosigkeit

11

Merke:

Ein Opfer ist arglos, wenn es sich in der unmittelbaren Tatsituation eines vorsätzlichen tätlichen Angriffs des Täters auf sein Leben oder (wenigstens) seine körperliche Unversehrtheit nicht versieht.[8]

Es ist nicht erforderlich, dass der Täter diese argfreie Situation selbst herbeigeführt oder gefördert hat. Es reicht aus, wenn er eine vorgefundene Lage für sein Vorhaben ausnutzt.[9]

12

(1) Arglosigkeit i.d.S. setzt nach h.M. allerdings voraus, dass das Opfer überhaupt die Fähigkeit zum Argwohn besitzt. Das ist für Kleinstkinder – bei normaler Entwicklung aber nicht mehr für wenigstens drei Jahre alte Kinder –[10] zu verneinen, solange sie nicht in der Lage sind, einem anderen Menschen Vertrauen entgegenzubringen, also konstitutionell ohne Arg sind.[11] Jedoch ist dann ggf. die Arglosigkeit einer Schutzperson in Betracht zu ziehen,[12] allerdings nur dann, wenn diese den Schutz infolge einer gewissen räumlichen Nähe wirksam hätte erbringen können.[13]

13

Schlafende sind zwar ebenfalls nicht fähig, eine Situation in Bezug auf ihre eventuelle Bedrohlichkeit zu beurteilen und ggf. argwöhnisch zu sein. Es ist jedoch anerkannt, dass sie ihre Arglosigkeit gewissermaßen „mit in den Schlaf nehmen“, so dass ihre heimtückische Tötung möglich ist.[14]

14

Anders soll es nach h.A. regelmäßig bei – auch alkoholbedingter – Bewusstlosigkeit sein, weil diese im Unterschied zum Schlaf nicht abgewendet werden kann.[15] Das vermag nicht zu überzeugen, weil eine trennscharfe Unterscheidung zum „arglos Einschlafenden“ nicht möglich ist. Auch dieser kann vom Schlaf gewissermaßen „überwältigt“ werden. Zudem ist der geringere Schutz des – ob mit oder ohne Arg – bewusstlos werdenden Menschen trotz vergleichbarer Gefährlichkeit seiner Lage nicht einsichtig.[16] Dasselbe gilt im Ergebnis für einen in ein sog. Langzeitkoma gefallenen Menschen.[17]

15

(2) An der Arglosigkeit fehlt es aufgrund der konkreten Tatsituation, wenn der Täter seinem Opfer vor dem Angriff „in offen feindseliger Haltung“ gegenübertritt.

Beispiele:

A fordert B in aggressivem Ton auf, nach draußen zu kommen, „um die Sache zu klären“.[18]

C droht D unter Vorhalt einer Pistole an, es werde „etwas Böses“ geschehen.[19]

E sticht auf F ein, nachdem dieser beobachtet hat, wie E unmittelbar zuvor den in direkter Nähe stehenden G in gleicher Weise attackiert hat.[20]

16

Anders liegt es, wenn das Opfer die drohende Gefahr gleichwohl erst im letzten Augenblick erkennt[21] und ihm deshalb keine Möglichkeit mehr bleibt, dem Angriff zu begegnen.[22] Eine bloß verbale Attacke des Täters lässt die Arglosigkeit des Opfers regelmäßig ebensowenig entfallen[23] wie eine generell feindselige, zu einer lediglich latenten Angst führende Atmosphäre[24] oder ein beispielsweise berufsbedingt – etwa bei einem Polizisten – bestehendes allgemeines Misstrauen.[25] Anders kann es sein, wenn es bereits in der Vergangenheit zu massiven Tätlichkeiten und ernsthaften Todesdrohungen gekommen ist (vgl. aber Rn. 17 f.).[26] Auch wird ein Erpresser regelmäßig nicht arglos sein, wenn er seine Tat in direkter Konfrontation mit seinem Opfer zu vollenden versucht und deshalb mit einer Verteidigung gegen seinen rechtswidrigen Angriff rechnen muss.[27]

17

Arglos kann ein Mensch schließlich auch (wieder) sein, wenn ein Angriff oder eine Drohung ihn zwar Übles seitens des Täters hatte befürchten lassen, dieses Szenario aber tatsächlich oder zumindest nach Ansicht des Opfers beendet ist.[28]

Beispiel:

A erdrosselt den von dem Angriff überraschten B. Zwar hatte A ihm die Tötung einen Monat zuvor angedroht, danach hatten beide jedoch wieder einen „normalen Umgang“ miteinander gepflegt.[29]

Beachte:

Bei der Prüfung der Arglosigkeit ist in der Regel auf den Zeitpunkt des Beginns des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs abzustellen. Es kommt also darauf an, ob das Opfer bei Eintritt der Tat in das Versuchsstadium (noch) arglos ist.[30]

18

Eine Ausnahme wird insoweit zugelassen, wenn der Täter das Opfer nach einem wohlüberlegten Plan mit Tötungsvorsatz in einen Hinterhalt lockt, ihm eine raffinierte Falle stellt oder ihm verborgen auflauert.[31] Tritt er dem bis dahin arglosen Opfer nun in offen feindlicher Haltung entgegen, vermag dies an der listigen Ausnutzung der (ursprünglichen) Arglosigkeit nichts mehr zu ändern,[32] und zwar selbst dann nicht mehr, wenn das Opfer tatplangemäß zunächst noch ausgeraubt wird.[33] Ebenso verhält es sich, wenn bei einem zunächst allein auf eine Körperverletzung zielenden Angriff ein Wechsel zum Tötungsvorsatz derart schnell erfolgt, dass der Überraschungseffekt bis zu diesem Moment anhält.[34]

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