Kitabı oku: «Der Fluch des Bierzauberers», sayfa 4
»Und weiter?« Knoll wollte alles wissen.
»Dann, 1633, haben die Schweden den Heilbronner Bund gegründet, als Gegengewicht zur Katholischen Liga. Hat denen aber nicht mehr Fortune gebracht. Und nachdem die Schweden geschwächt schienen, hat der Kaiser in Wien Wallenstein wieder entlassen und ihn gleich darauf ermorden lassen.«
»Auch Wallenstein weilt nicht mehr unter den Lebenden?«
Knoll zählte kurz durch: Wallenstein, Tilly, von Pappenheim – alle drei tot, die Mörder von Magdeburg, gefallen oder ermordet. Ein Gefühl tiefer Befriedigung machte sich in seiner Seele breit. »Zu siegen verstehst Du, oh Hannibal, den Sieg zu nutzen verstehst Du nicht«, schlug er leise murmelnd eine historische Brücke vom alten Karthago bis zu den Generälen der Habsburger Kaiser. Dann lauter: »Wie ging es weiter?«
»Und im letzten Jahr haben die Schweden dann bei Nördlingen endgültig den Marsch geblasen bekommen und sind mit eingezogenem Schwanz aus Süddeutschland abgehauen.« Nun war es an Oetz und von Esch, etwas Befriedigung zu zeigen.
»Nachdem seit diesem Jahr aber die Franzosen im Krieg mit dabei sind, geht es wieder retour. Das größte Übel ist meiner Meinung nach mittlerweile der Kardinal Richelieu. Der ist im Hintergrund ein stiller Teilhaber aller Koalitionen gegen Habsburg.«
Von Esch setzte hinzu: »Ein Meister des kalten Krieges ist er. Und der verdeckten Intrigen. Wenn das so weitergeht, dann wird es eine richtige Feindschaft zwischen unseren Völkern geben, dem deutschen und dem französischen. Bislang tragen das nur die Armeen aus; das Volk leidet unter allen Heeren gleich.«
Oetz seufzte. »Man hätte den Krieg jetzt gut beenden können, ohne Sieger. Jedoch, irgendwer will immer weiterkämpfen. Solange der Krieg den Krieg ernährte, ging das noch halbwegs. Wenn wir uns indes jetzt das Land anschauen …«
Er schüttelte bekümmert den Kopf. Das brauchte er Knoll nicht zu erzählen. Der hatte es am eigenen Leib erfahren. Doch Knoll war noch nicht am Ende mit seinem Wissensdurst.
»Und wer ist sonst noch gestorben während der Zeit?«
»Friedrich V. von der Pfalz, die hundsföttige Hundsnase, die elende, die den ganzen Krieg hier überhaupt erst mit angezettelt hat, schmort auch schon seit drei Jahren in der Hölle!«
Da fiel Knoll noch eine andere Hauptfigur dieses unseligen Krieges ein: »Was ist mit dem Kaiser?«
»Der erfreut sich bester Gesundheit, ist aber durch den Krieg weich geworden«, wusste Oetz bestens Bescheid. »Er hat nach Nördlingen den Prager Frieden geschlossen, um zumindest ein bisschen Ruhe ins Reich zu bringen.«
»Was sagt der Prager Frieden denn aus?«
Allein das Wort ›Frieden‹ klang zu verlockend.
»Der Kaiser hat Frieden mit den deutschen Reichsständen geschlossen, mit der Reformation.«
»Aber, dann ist der Krieg ja vorbei!« Knoll glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Nun verstand er auch, warum die Bitburger so aufgeschlossen waren in Glaubensdingen. Es gab einen neuen Religionsfrieden.
»Ihr vergesst die Schweden und die Franzosen«, dämpfte Oetz sogleich die Erwartungen. »Die kämpfen nach wie vor gegen unseren Kaiser. Und zwar auf deutschem Boden. Und es gibt noch zehntausende ehemaliger Söldner, überwiegend Krüppel und Invaliden, die das Land heimsuchen. Da wird einiges auf uns zu kommen. Wir müssen weiterhin wachsam sein und unsere Stadt verteidigen.«
Das Gespräch steuerte seinem Ende entgegen.
»Nun, ich bin dankbar für die Neuigkeiten, die Ihr mir präsentiert habt. Jetzt bin ich sicher, dass das Leben weitergeht, jeder Krieg ein Ende findet und die Sonne sich weiterhin brav um unsere Erde dreht.«
»Bei Letzterem wäre ich nicht mehr so sicher!« Von Esch hatte sich bereits zum Abschiedsgruß erhoben, bleckte die Zähne zu einem Grinsen und fügte noch im Gehen an: »Da gibt es einen Mann in Italien, einen sogenannten Sterndeuter namens Galilei. Der behauptet nämlich, dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht umgekehrt.« Er lachte schelmisch.
»Es soll mittlerweile viele Menschen geben, die das auch glauben. Und um dem erst einmal einen Riegel vorzuschieben, hat die Heilige Inquisition Galilei verurteilt und unter Hausarrest gestellt. Er hat schon widerrufen. Also, passt auf mit Behauptungen, die Ihr nicht beweisen könnt.« Wieder lachte er. »Gehabt Euch wohl.«
Knoll und Magdalena waren allein mit dem Stadtrichter Oetz.
8.
Der Stadtrichter wusste anscheinend genau, worüber Knoll und Magdalena sich sorgten und redete dementsprechend nicht lange, sondern kam gleich zum entscheidenden Punkt: »Möchtet Ihr in unserer Stadt bleiben?«
Die beiden nickten.
»Auch wir haben viele Tote und Weggegangene zu beklagen. Überall gibt es Mangel an guten Arbeitskräften. Ihr scheint ein guter und gebildeter Mann zu sein. Und Ihr«, er wandte sich an Magdalena, »eine tapfere und starke Frau.«
»Wir werden hart arbeiten, Ihnen keine Schande machen und der Stadt nicht zur Last fallen«, beeilte sich Knoll zu erklären.
»Das weiß ich doch!« Oetz schüttelte verständnisvoll den Kopf. »Aber eines solltet Ihr wissen: Es wird immer wieder Scharmützel um die Stadt geben, und Soldaten werden uns so lange Ärger bereiten, bis dieser gottverfluchte Krieg anständig beendet ist. Und wenn es Ärger gibt, dann stehen wir alle zusammen. Egal ob Katholiken oder Protestanten, wer innerhalb der Stadtmauern ist, kämpft auf unserer Seite. Wenn ich Euch die Bürgerrechte verleihe, dann ist es auch Eure Stadt. Versteht Ihr das?«
»Genauso selbstverständlich, wie ich Magdeburg verteidigt hätte, wenn es möglich gewesen wäre.«
»Und um die Hand- und Spanndienste, die jeder Bürger zum Erhalt unserer Stadtbefestigung leisten muss, werdet Ihr ebenfalls nicht herumkommen.«
Knoll nickte zustimmend.
»Die gute Nachricht jedoch lautet: In Zeiten wie diesen sind Neubürger für die ersten zehn Jahre von allen Steuern und Abgaben befreit.« Oetz grinste breit. »Ein Privileg, dessen ansonsten nur ich als Stadtrichter, unsere Schöffen und unser städtischer Kuhhirte teilhaftig werden.« Er legte Knoll väterlich die Hand auf die Schulter.
»Indes, Ihr müsst Euch den Lebensunterhalt verdienen. Mit Arbeit. Ehrlicher Arbeit.«
Der Stadtrichter nahm eine Liste vom Tisch mit der Bemerkung: »Das ist die Herdpfennigsliste. Da stehen alle drin, die zur Zahlung des Herdpfennigs verpflichtet sind, also auch alle Handwerker.« Dann las er laut vor.
»Wir haben zurzeit folgende Berufe ansässig bei uns in Bitburg: Türwärter, Gerichtsschreiber, Stadtschreiber, Stadtbote, Stadtschöffe, Stadtpförtner, Küster, Landwirt, Schankwirt, Krämer, Schmied, Schlosser, Schuhmacher, Schneider, Leinenweber, Wollweber, Zimmermann, Fassbinder, Schreiner, Brauer, Bäcker, Metzger, Barbier, Tagelöhner.«
Er hielt inne und fragte Knoll: »Könnt Ihr Euch irgendein Handwerk vorstellen, welches hier nicht erwähnt ist und uns von Nutzen sein könnte?«
Knoll erkannte bewundernd, dass Oetz von Anfang an schon weitergedacht und die Liste nicht zufällig auf dem Tisch gelegen hatte. »Nun, was ich kann, das ist Bier brauen und Fässer binden. Und beides nicht schlecht.«
»Hört, Knoll, ein zweites Brauhaus wird es nicht geben, die Ernte wirft schon nicht genug gutes Getreide ab für eines. Zumindest solange der Krieg andauert, schlagt Euch das aus dem Kopf.«
»Und die Fassbinderei?«
»Wir haben zwei davon, ob eine dritte ihren Mann ernährt?«
Plötzlich stutzte Oetz. Ein Leuchten ging über sein Gesicht, seine Knollennase rötete sich, als habe er soeben die Lösung aller Probleme gefunden. »Geht zu Flügel, gleich morgen. Ich glaube, wir sollten auch an morgen denken.«
Dann weihte er Knoll unter vier, beziehungsweise sechs Augen in seinen Plan ein.
Nicht nur Flügels Brauhaus litt unter dem Krieg. Es gab kaum Getreide, und das, was gut war, wurde selbstverständlich verbacken, nicht verbraut. Die Hopfengärten in Holsthum, etwas außerhalb von Bitburg gelegen, waren genauso häufig von durchziehenden Truppen verheert worden wie die Obstgärten und Getreidefelder.
Auch der Wohlstand der ganzen Familie Flügel, über Jahrhunderte mit gutem Bier erarbeitet, stand mittlerweile auf Messers Schneide. Als eine der wohlhabenderen Familien der Stadt hatten sie sich immer und überall an Kost und Logis vermeintlich befreundeter Truppen beteiligen müssen. Die Rationen waren nicht ohne: pro Tag und Mann zwei Pfund Fleisch, zwei Pfund Brot, zwei Maß Bier. Und als Schankwirt musste Flügel auch Soldaten bei sich unterbringen. Dieser sogenannte Servis durfte nicht berechnet werden und bestand aus Heu und Hafer, Salz, Brennholz und Licht.
Flügels Brauereigasthof ›Zum feisten Römer‹ bestand seit über zweihundert Jahren. Gegründet von Niklas von Hahnfurt, auf den auch die ursprüngliche Brauerei gleichen Namens an der Albachmühle zurückging. Schon vor längerer Zeit war diese Brauerei stillgelegt worden, da sie etwas außerhalb der Stadtmauern gelegen war, was in diesen unsicheren Zeiten ein zu großes Risiko darstellte. Gebraut wurde nur noch in der Petersgasse. Jedoch, der Name war mitgezogen, das ehemals ›Gescheuerte Arschleder‹ war umbenannt worden, da ›Römerbier‹ allen ein Begriff war.
Mit der Ermordung von Dieter vom Markte war die Brauersippe der de Foros ausgestorben. Mehr als eine Familie hatte sich in der Zeit danach am Bierbrauen versucht, um dem unseligen Reihebrauen mit seinen grauenhaften Brauresultaten endlich wieder ein Ende zu setzen. Keiner Sippe war Erfolg beschieden gewesen. Und das Reihebrauen hatte sich mit Kriegsbeginn von selbst erledigt, da die Rohstoffe zu knapp wurden. Lediglich die großen Tordurchfahrten vieler Stadthäuser erinnerten noch daran, dass hier mit schöner Regelmäßigkeit die Sudgefäße zu dem Bürger hineingefahren worden waren, der gerade mit Brauen an der Reihe gewesen war. Flügels Brauhaus unterschied sich darin von den anderen Häusern. Hier hatte es immer eine Brauerei gegeben, daher war ihre Tordurchfahrt kleiner, nur ein Karren mit Bierfässern musste hindurchpassen.
Familienoberhaupt der alteingesessenen Bitburger Brauerfamilie war im Jahre 1635 der siebenundzwanzigjährige Christoffel Flügel. Er hatte die Brauerei erst drei Jahre zuvor übernommen, nachdem sein acht Jahre älterer Bruder Matthias, der das Brauerhandwerk von der Pike auf gelernt hatte, plötzlich an der Pest gestorben war. Furcht und Schrecken hatte die Krankheit verbreitet, als Matthias die ersten Symptome gezeigt hatte. Schwarze Beulen waren auf der Haut erschienen, der Körper war innerhalb kürzester Zeit entkräftet gewesen, und er selbst hatte lethargisch und verwirrt gewirkt. Der schnelle Tod war ein recht gnädiges Los gewesen, ebenso glücklich war die Familie, als feststand, dass sich sonst niemand angesteckt hatte. Aber für ihn, Christoffel, war es eine große Herausforderung gewesen, ein Sprung ins Ungewisse. Seinen Handel mit Waren und Gewürzen aller Art, den er eröffnet hatte, musste er aufgeben. Und ohne Ausbildung, nur mit dem Braurecht seiner Familie ausgestattet, hatte er schnell lernen müssen. Sehr schnell, um die Brauerei fortzuführen. Der Krieg war schon in vollem Gang gewesen, da verboten sich Bildungsreisen von selbst. Matthias hatte noch nach Köln und Aachen ziehen können, um dort das Brauereihandwerk zu erlernen. Christoffel lernte nur, was innerhalb der Mauern Bitburgs an Wissen verfügbar war. Das reichte zwar aus, um das Handwerk weiter zu führen, zu mehr aber nicht. Nicht, um auf das gebraute Bier wirklich stolz zu sein. Und erst recht nicht, um den alten Ruf Bitburgs als Bierstadt zu festigen. Er freute sich bereits jetzt auf den Tag, da der Krieg zu Ende sein würde. Dann würde er seinen Kindern die Ausbildung ermöglichen können, die er selbst nie erhalten hatte.
Während Flügel nicht ahnte, dass sich seine Situation schon sehr bald ändern würde und er demnächst reichlich Gelegenheit bekäme, seinen Wissensdurst zu stillen, ging der Mann, der dies bewerkstelligen sollte, mit einem tiefen Gefühl der Befriedigung zu seinem neuen Zuhause. Das Gespräch mit dem Stadtrichter war mehr als vielversprechend verlaufen. In ihrem kleinen Häuschen angekommen, nahm Knoll Magdalena in den Arm, sah ihr direkt in die Augen und ohne große Umstände, mehr gemurmelt als gesprochen, ließ er es heraus: »Wenn wir uns hier eine neue Existenz aufbauen wollen, dann sollten wir vorher heiraten.«
Magdalena lächelte wissend, nickte und fragte, mit leichtem Spott in der Stimme: »Wo ist denn die nächste reformierte Kirche?«
Knoll lachte: »Das Opfer bring ich gern, um des lieben Friedens willen werden wir katholisch heiraten. Sobald ich konvertiert bin.«
Sie riefen die Kinder und Knoll verkündete die Neuigkeit. Dann wurde er ernst. Schaute alle drei an und erklärte feierlich: »Wir sind gemeinsam durch viel zu viel Ungemach gegangen. Dieser unselige Krieg hat mein Brauhaus in Magdeburg zerstört, mein erstes Weib und vier meiner Kinder auf dem Gewissen, und uns beinahe den Hungertod gebracht. Ich werde nie wieder«, seine Stimme bebte vor Entschlossenheit, »nie wieder kampflos hinnehmen, dass meine Familie und unsere Existenz bedroht oder gar zerstört werden. Das gelobe ich hiermit feierlich vor Gott, dem Allmächtigen.«
Auch Magdalena war feierlich zumute, als sie Cord erwiderte: »Ich hoffe, ich werde dich nicht allzu oft an diesen Schwur erinnern müssen.«
Der Wechsel der Konfession und die anschließende Hochzeit gingen erstaunlich schnell vonstatten. In Kriegszeiten ließen neben der Moral auch Formalismus und Bürokratie Federn. Oetz höchstpersönlich fungierte als Trauzeuge und überreichte Cord Heinrich Knoll mit der Heirats- auch die neue Bürgerurkunde mit den Worten: »Ich hoffe, Ihr erweist Euch dessen als würdig. Die Gebühr in Höhe von sechzehn Reichstalern werden wir Euch stunden, bis Ihr ein sicheres Einkommen habt.«
Der Stadtrichter bürgte sogar persönlich für den Kredit von fünfzig Talern, die Knoll als Starthilfe beim jüdischen Geldverleiher ausborgte.
Stolz trug er nach der Trauung Magdalena über die Schwelle des kleinen Hauses. Sie küssten sich und beide glaubten, noch niemals in ihrem Leben so glücklich gewesen zu sein.
9.
Bald schon ging es in der Brauerei mit der Arbeit los. Knoll traf sich mit Flügel und unterbreitete dem vier Jahre jüngeren Brauer die gleichen Vorschläge, die Oetz ihm gemacht hatte. Flügel war eine ungewöhnliche Erscheinung. Mittelgroß, aber mit unglaublich breiten Schultern und viel zu dünn geratenen Beinen, dazu schwarze, buschige Augenbrauen, eine wulstige Nase und ein breiter Mund, in dem einige Zähne fehlten, der jedoch, trotz der angespannten Lage, nicht verkniffen wirkte. In seinen recht jungen Jahren neigte er bereits zur Glatze und trug deswegen eine Perücke, die vor einiger Zeit einmal vornehm gewesen sein mochte, mittlerweile jedoch schon etwas verfilzt und verstaubt wirkte. Er führte immer einen Spazierstock in der Hand und hatte eine mächtige Pfeife im Mund, aus der dichte Wolken herausquollen. Die Söldner der verschiedenen Heere hatten diese Sitte des Rauchtrinkens mittlerweile auch beim einfachen Volk bekannt gemacht. Und nachdem Versuche zu Beginn des Jahrhunderts, den Konsum dieser Pflanze, die Nicotiana genannt wurde, zu verbieten, gescheitert waren, war auch der Preis so weit gesunken, dass sich jeder eine Pfeife leisten konnte.
»In den Erblanden, in Österreich, ist das Tabaktrinken verboten, bei uns aber nicht«, bemerkte Flügel lächelnd. Magdalena hatte früher mit Johannes im Heereslager gelegentlich zusammen diese trockene Trunkenheit genossen und fing bald, dank Flügels Vorbild, erneut an zu rauchen. Knoll teilte ihre Begeisterung weniger.
»Das kostet nur Geld, und wir leben derzeit auf Pump. Lass uns erst einmal eigenes Geld verdienen, dann kannst du rauchen, soviel du magst.«
Magdalena aber scherte sich nicht um Knolls Worte, denn ihr half der Tabak, den Krieg leichter zu verarbeiten. Außerdem gefiel es ihr, die Pfeife genau in die Lücke ihrer Schneidezähne festzuklemmen. Auf diese Weise konnte sie reden, ohne die Pfeife aus dem Mund zu nehmen oder sie festhalten zu müssen. Schließlich gab Knoll nach, akzeptierte das neue Laster seiner Frau und widmete sich mit Christoffel Flügel der Arbeit in der Brauerei.
Oetz hatte recht gehabt. Flügel war, nach anfänglichen Bedenken, die Brauerei gewissermaßen zu teilen, einverstanden gewesen. Sehr überzeugend hatte Knoll ihm dargelegt, was er alles wusste, wo und wie er früher Bier gebraut hatte. Obwohl die Brausaison offiziell bereits in vollem Gange war, hatte Flügel bis Anfang November noch nicht allzu viel zustande gebracht. Zu Beginn des Herbstes waren ihm zwei halbwegs gute Sude gelungen – darunter war auch derjenige, der im Hospiz Knoll wieder Kraft gegeben und und ihm auf die Beine geholfen hatte. Danach waren leider die Getreidelieferungen ausgeblieben und seither zehrten sie von den Anfängen. Zudem ging das Bier trotz drastischer Lieferbeschränkungen langsam zur Neige.
»Wir werden gemeinsam diesen Krieg überstehen. Dazu werden wir preiswertes und gutes Bier herstellen müssen. Damit die Leut’ es trinken und wir ein Auskommen haben. Nur vom Hospiz und den Schöffen können wir nicht leben.«
»Wie wollt Ihr das anstellen? Es gibt kaum gutes Getreide, und Hopfen ist teurer als Gold«, war Flügels pessimistische Erwiderung. »Die meisten Getreidefelder und alle Hopfengärten sind verwüstet.« Flügel ließ Knoll bei den nächsten Suden zusehen, die mit schlechtem Getreide und ohne Hopfen naturgemäß grauenhafte Ergebnisse erbrachten. Die Resultate waren sogar noch schlechter als Knolls letzte Magdeburger Broyhan-Biere. Aber eines registrierte Knoll gleich zu Beginn: Das Wasser in Bitburg, das sie aus dem Brunnen auf dem Petersplatz eimerweise aus der Tiefe zogen, war etwas Besonderes. Gerne ließ er es direkt aus dem Eimer in seine Hand und über die Finger rinnen. Kühl und weich fühlte es sich so viel besser an als das Elbewasser, das er von früher kannte. Es war fast so, als wäre dies eine gänzlich andere Substanz. Und es roch frisch und kalt, ansonsten nach gar nichts. Kein Kot oder Harn, keine Gerberabfälle, keine Tiere hatten dieses Wasser jemals verunreinigt. Damit würde er zu gern einmal einen Broyhan brauen, wenn auch erst später, sobald die Zeiten wieder besser geworden waren.
Flügel, den er darauf ansprach, verstand gar nicht, wovon er redete. »Wasser ist Wasser«, murmelte dieser nur. »Hauptsache, es löscht uns den Durst, wenn wir kein Bier haben. Und macht uns ein gutes Bier, wenn wir Getreide und Hopfen haben.«
Knoll fand es tröstlich, dass in Bitburg gutes Wasser so selbstverständlich war. Das würde also das Geringste ihrer Probleme sein.
Der nächste der fahrenden Händler, die trotz dieser unsicheren Zeiten – mit zugegebenermaßen reduziertem Warenangebot – durch die Lande zogen, erhielt von Knoll den Auftrag, nach bestimmten Fachbüchern Ausschau zu halten und beim nächsten Besuch mitzubringen. In der Zwischenzeit machte Knoll eine ausgiebige Erkundung der Flügel’schen Brauerei. Er begutachtete alle Gefäße, Töpfe und Gerätschaften, ließ sich von Flügel erklären, wie dieser Bier braute und erkundigte sich, wo das Getreide und der wenige Hopfen herkam und wie viel dafür gezahlt wurde. Auch was sonst noch in und um Bitburg von den Bauern angepflanzt und erzeugt wurde, ließ er sich berichten.
Als er alles gesammelt hatte, was an Informationen verfügbar war, vergrub er sich in seinem Haus einige Tage lang hinter Papieren, auf denen er Berechnungen anstellte, Rezepturen austüftelte und Listen erstellte.
Schneller als erwartet war der Händler nach ein paar Wochen wieder da.
»In Lüttich habe ich einiges von dem gefunden, was ihr mir aufgetragen habt«, verkündete er freudestrahlend. Zufrieden nahm Knoll die Bücher entgegen, die der Marketender ihm voller Stolz überreichte. Das erste Buch, ein kleines Bändchen mit schwarzblauem Einband, trug den Titel ›Der kunsterfahrene Brauer‹.
»Das habe ich einst auch besessen«, entfuhr es Knoll erregt. »Da steht eigentlich alles drin, was wir wissen müssen.«
Ein anderes Buch hatte seinen prahlerischen Namen mit schwarzen, fetten Lettern auf blauem Grund gedruckt: ›Der vollkommene Bierbrauer‹.
Knoll strahlte mit dem Händler um die Wette.
»Hier habe ich noch eines, das aus Hamburg den Weg nach Lüttich gefunden hat.« Der Händler hielt Knoll die ›Vollständige Beschreibung der Braunbier-Brauerei‹ unter die Nase.
»Habt Ihr den Doktor Knausten auch gefunden?« Knoll hätte dieses Werk gern wieder besessen. Erschienen in Erfurt im Jahre 1573, war Knaustens Bier-Enzyklopädie das erste wirkliche Fachbuch über die Bierbrauerei gewesen. Auch wenn sich mittlerweile einiges darin als falsch oder zumindest stark übertrieben herausgestellt hatte, seine Beschreibungen der verschiedenen Biere halfen jedem Brauer, sich einen guten Überblick zu verschaffen, was im gesamten Reich so alles hergestellt wurde.
Triumphierend griff der Händler erneut in seine große, lederne Tasche und entnahm ihr ein Bündel von gleich mehreren Büchern. »Das kommt Euch aber teuer!«
Knoll nahm die Wälzer in die Hand und überflog die ihm von früheren Zeiten her bekannte pompöse Titelzeile: ›Fünf Bücher von der göttlichen und edlen Gabe, der philosophischen, hochteuren und wunderbaren Kunst, Bier zu brauen: Auch von Namen der vornehmsten Biere in ganz Deutschland und von deren Naturen, Temperamenten, Qualitäten, Art und Eigenschaft, Gesundheit und Ungesundheit, sie sein Weizen oder Gersten, Weisse oder Rote Biere, gewürzt oder ungewürzt. Aufs Neue übersehen und in vielen Wegen über vorige Edition gemehret und gebessert. Durch Herrn Heinrich Knausten, beider Rechten Doctor. Gedruckt zu Erfurt erstmals im Jahre 1573. Dritte Ausgabe von 1614.‹
Knoll erinnerte sich noch, dass er zum Studium dieses Werkes eigens etwas Latein hatte lernen müssen, da der gelehrte Herr Doktor Knausten seine Erläuterungen teilweise in der Sprache der Akademiker abgefasst hatte. Dadurch war diesem Werk, trotz seiner Güte, auch der durchschlagende Erfolg bei den meist ungebildeteren Brauern verwehrt geblieben. Der Händler förderte weitere Schriften zutage: ›De Cervisia‹ von Tadeáš Hájek, ein lateinisches Bierbuch, geschrieben von einem böhmischen Gelehrten. Sogar eine neuere Ausgabe des allerersten Bierbuches in deutscher Sprache konnte er vorweisen, das bereits fast hundert Jahre alte ›Über Natur und Kräfte der Biere‹ von Johann Brettschneider, der sich selbst ›Placotomus‹ nannte. Zu guter Letzt zeigte er noch das ›Weinbuch‹ von 1580, geschrieben von dem Österreicher Johann Rasch.
»Was soll ich mit einem Weinbuch?«, fuhr Knoll den Händler etwas schroffer an, als der es verdient hatte.
Der Händler erwiderte gar nichts, sondern schlug lediglich das letzte Kapitel auf, und Knoll las vor: »›Wie man gut Bier machen und behalten soll.‹ Der Rasch wollte die Weinbauern tatsächlich das Bierbrauen lehren!« Knoll lachte.
Flügel stimmte ein. »Schuster, bleib bei deinen Leisten«, setzte er warnend an einen imaginären Winzer hinzu. Kurz verhandelten beide über den Preis für alle Bücher, der anfangs horrend hoch war. Der Händler legte als letztes Zugeständnis ein Buch obendrauf. Das war, zu Knolls vollständiger Begeisterung, ›Der praktische Rathgeber für den Pierpreu in Noth- und Kriegszeiten‹ aus Leipzig.
Die beiden Brauer zahlten anstandslos, dann machten sie sich ans Studium.