Kitabı oku: «Die Sagen des klassischen Altertums», sayfa 22
Die Helden vor Theben angekommen
Da habt ihr ein Vorzeichen, wie der Feldzug sich enden wird, — sprach der Seher Amphiaraos finster, als das Gebein des Knaben Opheltes entdeckt war. Aber die anderen alle dachten mehr an die Erlegung der Schlange und priesen diese als eine glückliche Vorbedeutung. Und weil sich das Heer eben von einer großen Bedrängnis erholt hatte, so war alles guter Dinge; der schwere Seufzer des Unglückspropheten wurde überhört, und der Zug ging lustig weiter. Es währte nicht viele Tage mehr, so war das Heer der Argiver unter den Mauern von Theben angekommen.
In dieser Stadt hatte Eteokles mit seinem Oheim Kreon alles zu einer hartnäckigen Verteidigung vorbereitet und sprach zu den versammelten Bürgern: »Bedenket jetzt, ihr Mitbürger, was ihr eurer Vaterstadt schuldig seid, die euch in ihrem milden Schoße aufgezogen und zu wackeren Kriegern gebildet hat. Ihr alle, vom Jünglinge, der noch nicht Mann ist, bis zum Manne, dessen Locke schon grau wird, wehret euch für sie, für die Altäre der heimischen Götter, für Väter, Weiber und Kinder und für euren freien Boden! Mir meldet der Vogelschauer, daß in der nächsten Nacht das Argiverheer sich zusammenziehen und einen Angriff auf die Stadt machen wird. Darum, ihr alle, auf die Mauerzinnen, an die Tore geeilt! Brecht vor mit allen Waffen! Besetzt die Schanzen, stellt euch in die Türme mit euren Geschossen, bewahret jeden Ausgang sorgfältig und fürchtet euch nicht vor der Menge der Feinde! Draußen schleichen meine Kundschafter umher, und ich bin gewiß, daß sie mir genaue Kunde bringen. Nach ihren Meldungen werde ich handeln«.
Während Eteokles so zu seinen Reitern sprach, stand auf der höchsten Zinne des Palastes mit einem greisen Waffenträger ihres Großvaters Laïos die Jungfrau Antigone. Sie war nach ihres Vaters Tode nicht lange unter dem liebevollen Schutze des Königes Theseus zu Athen geblieben, sondern hatte mit ihrer Schwester Ismene in ihre Heimat zurückverlangt, wohin eine unbestimmte Hoffnung, ihrem Bruder Polyneikes nützlich werden zu können, und auch die Liebe zu ihrer Vaterstadt sie trieb, deren Belagerung durch den Bruder sie nicht billigen konnte und deren Schicksal sie teilen wollte. Dort war sie von dem Fürsten Kreon und ihrem Bruder Eteokles mit offenen Armen aufgenommen worden; denn sie betrachteten die Jungfrau als einen freiwilligen Geisel und eine willkommene Vermittlerin. Diese war jetzt die alte Zedertreppe des Palastes emporgestiegen und stand auf der Plattform, wo ihr der Greis die Stellung der Feinde erklärte. Ringsum auf den Fluren um die Stadt, die Ufer des Ismenos entlang und um die von alters berühmte Quelle Dirke her war das mächtige Feindesheer gelagert. Es hatte sich eben in Bewegung gesetzt, und Truppenschar sonderte sich von Truppenschar. Das ganze Gefilde schimmerte von Erzglanz wie ein wogendes Meer. Massen von Fußvolk und Reiterei schwärmten brausend um die Tore der belagerten Stadt. Die Jungfrau erschrak bei diesem Anblicke; der Greis jedoch sprach ihr Trost ein: »Unsere Mauern sind hoch und fest, unsere Eichentore liegen in schweren eisernen Riegeln. Von innen bietet die Stadt alle Sicherheit und ist voll mutiger, den Kampf nicht scheuender Krieger«. Darauf fing er an, die Fragen des Mädchens nach einzelnen hervorragenden Führern zu beantworten: »Der, welcher dort, im leuchtenden Helme, seinen blanken Erzschild mit Leichtigkeit schwingend, einer Heerschar voranzieht, das ist der Fürst Hippomedon, der um das Gewässer Lernas in Mykene wohnt; hoch ragt sein Wuchs empor wie eines erdentsprossenen Giganten! — Weiter rechts dort, der sein Roß über den Dirkebach setzt, in fremder Waffentracht wie ein Halbbarbar, das ist deines Bruders Schwager, Tydeus, des Öneus Sohn; er und seine Ätoler tragen schwere Schilde und sind die besten Lanzenwerfer, ich kenne ihn an seinem Wappenschilde; denn ich bin schon als Unterhändler in das feindliche Lager abgeschickt worden«. »Wer ist denn«, fragte jetzt das Mägdlein, »der jugendliche Held dort, im unjugendlichen Haare, der mit wildem Blicke an jenem Helden-Grabmal vorüberschreitet und dem völlig gerüstetes Volk langsam nachfolgt?« »Das ist Parthenopaios«, belehrte sie der Alte, »der Sohn Atalantes, der Freundin der Artemis. Aber siehst du dort die zwei Helden, am Grabe der Niobetöchter? Der ältere ist Adrastos, der Führer des ganzen Zuges; den jüngeren, kennst du den?« »Ich sehe«, rief Antigone schmerzlich bewegt, »nur die Brust und den Umriß seines Leibes, und doch erkenne ich ihn; es ist mein Bruder Polyneikes! O könnte ich mit den Wolken fliegen und bei ihm sein und meinen Arm um den Hals des lieben Flüchtlings schlagen! Wie funkelt seine goldene Rüstung gleich der Sonne Morgenstrahl! Doch wer ist jener dort, der, mit fester Hand die Rosse zügelnd, einen weißen Wagen lenkt und die Geißel so ruhig und besonnen schwingt?« »Das ist«, sprach der Greis, »der Seher Amphiaraos, meine Herrin!« »Aber siehest du dort den, der an den Mauern auf und ab geht und sie mißt und sorglich die Stellen erkundet, an welchen die Basteien dem Sturme zugänglich wären?« »Das ist der übermütige Kapaneus, der unserer Stadt so schrecklich hohnspricht, der euch zarte Jungfrauen an Lernas Gewässer in die Knechtschaft führen will!« — Antigone erblaßte und verlangte umzukehren; der Greis reichte ihr die Hand und geleitete sie hinunter in die Mädchenzelle.
Menökeus
Inzwischen hielten Kreon und Eteokles Kriegsrat und besetzten infolge der gefaßten Beschlüsse jedes der sieben Tore Thebens mit einem Führer, indem sie der Feinde Zahl die gleiche Zahl gegenüberstellten. Doch wollten sie, bevor der Kampf um die Stadt ausbrach, auch vorher die Zeichen erforschen, welche die Vogelschau ihnen über den Ausgang des Kampfes gewähren könnte. Nun lebte unter den Thebanern, wie die Sage von Ödipus schon erzählt hat, der Seher Tiresias, der Sohn des Eueres und der Nymphe Chariklo; dieser hatte als Jüngling die Göttin Athene bei seiner Mutter überrascht und geschaut, was er nicht schauen sollte. Dafür war er von der Göttin mit Blindheit geschlagen worden. Seine Mutter Chariklo hatte ihre Freundin zwar flehentlich gebeten, ihm das Gesicht wiederzugeben, aber Athene vermochte dieses nicht mehr; doch erbarmte sie sich seiner und weihte ihm dafür sein Gehör, daß er alle Stimmen der Vögel verstand. Und so war er von Stund an der Vogelschauer der Stadt.
Zu diesem jetzt greisen Seher schickte Kreon seinen jungen Sohn Menökeus, daß er ihn in den Königspalast geleite. Mit wankendem Knie, von seiner Tochter Manto und dem Knaben geführt, erschien auch bald darauf der Alte vor Kreon. Dieser drang in ihn, zu melden, was der Vögel Flug ihm vom Schicksale der Stadt verkündige. Tiresias schwieg lange; endlich sprach er die traurigen Worte: »Die Söhne des Ödipus haben sich an ihrem Vater schwer versündigt; sie bringen ins Thebanerland bittere Trübsal. Argiver und Kadmeer werden sich morden, die Söhne einer von des andern Hand fallen. Nur eine Rettung weiß ich für die Stadt; aber sie ist für die Geretteten selbst zu bitter, als daß mein Mund sie offenbaren sollte. Lebet wohl!« Er wandte sich und wollte gehen, aber Kreon flehte so lange, bis er blieb. »Du willst es dennoch hören?« sprach der Seher in strengem Tone; »so vernimm es! Aber sage mir zuvor, wo weilt dein Sohn Menökeus, der mich hergeleitete?« »Er steht neben dir!« erwiderte Kreon. »Nun, so fliehe er, so weit er kann, hinweg von meinem Götterspruch!« sagte der Greis. »Warum das?« fragte Kreon; »Menökeus ist seines Vaters Kind; er kann schweigen, wenn er soll, und wird sich freuen, wenn er das Mittel erfährt, das uns retten soll!« »So vernehmet denn, was ich aus dem Fluge der Vögel gelesen habe«, sprach Tiresias. »Es kommt das Heil, aber über harte Schwelle. Der jüngste von der Drachenzähnesaat muß fallen; nur unter dieser Bedingung wird euch der Sieg!« »Weh mir!« rief Kreon; »was bedeutet dieses Wort, o Greis?« »Daß der jüngste Enkel des Kadmos sterben soll, wenn die Stadt gerettet sein will!« »Du verlangst den Tod meines geliebten Kindes, meines Sohnes Menökeus?« fuhr der Fürst entrüstet auf. »Packe dich fort in die Stadt! Ich bedarf deines Seherspruches nicht!« »Ist die Wahrheit ungültig, weil sie dir Leid bringt?« fragte Tiresias ernst. Jetzt warf sich Kreon ihm zu Füßen, umfaßte seine Knie, flehte den blinden Propheten bei seinem grauen Haare an, den Spruch zurückzunehmen. Aber der Seher blieb unerbittlich: »Die Forderung ist unabwendbar«, sprach er. »Am Dirkequell, wo einst der Lindwurm gelagert war, muß er sein Blut im Opfertode vergießen; dann werdet ihr die Erde zur Freundin haben, wenn sie für das Menschenblut, das sie einst dem Kadmos aus den Drachenzähnen emporsandte, wieder Menschenblut, und zwar verwandtes, empfangen hat. Wenn dieser Jüngling hier sich für seine Stadt aufopfert, so wird er im Tode ihr Erretter sein, und für Adrastos und sein Heer wird die Heimkehr grauenvoll werden! Wähle dir nun, Kreon, welches Los von zweien du willst«.
Also sprach der Wahrsager und entfernte sich an der Hand seiner Tochter. Kreon stand in Schweigen versunken. Endlich rief er angstvoll: »Wie gern wollte ich selbst für mein Vaterland sterben! Aber dich, Kind, soll ich opfern? Flieh, mein Sohn, fliehe, so weit dich deine Füße tragen, aus diesem verfluchten Lande, das zu schlimm ist für deine Unschuld. Geh über Delphi, Ätolien, Thesprotia zum Heiligtume Dodonas; dort birg dich in des Orakels Schutz!« »Gerne«, sprach Menökeus mit leuchtendem Blicke; »versieh mich mit den nötigen Reisebedürfnissen, Vater, und glaube mir, ich werde den rechten Weg gewiß nicht verfehlen«. Als sich Kreon bei der Willigkeit des Knaben beruhigte und auf seinen Posten geeilt war, warf sich dieser, sobald er allein war, auf die Erde nieder und betete mit Inbrunst zu den Göttern: »Verzeihet mir, ihr himmlisch Reinen, wenn ich gelogen habe, wenn ich meinem alten Vater durch falsche Worte die unwürdige Furcht benommen! Zwar daß er, der Greis, sich fürchtet, ist verzeihlich: aber welch ein Feiger wäre ich, wenn ich das Vaterland verriete, dem ich das Leben verdanke! Höret darum meinen Schwur, ihr Götter, und nehmt ihn gnädig auf! Ich gehe, mein Vaterland durch meinen Tod zu erretten. Flucht würde mich schänden. Auf den Mauerkranz will ich treten, mich selbst in die tiefe, dunkle Kluft des Drachen stürzen und so, wie der Seher angezeigt hat, das Land erlösen«.
Freudig sprang der Knabe auf, eilte nach der Zinne und tat, wie er gesagt hatte. Er stellte sich auf die höchste Höhe der Burgmauer, überschaute mit einem Blicke die Schlachtordnung der Feinde und verwünschte sie in kurzem, feierlichem Fluche; dann zog er einen Dolch hervor, den er unter dem Gewande verborgen gehalten, durchbohrte sich den Hals auf einen einzigen Stoß und stürzte von der Höhe herab zerschmettert am Ufer des Dirkequells zusammen.
Der Sturm auf die Stadt
Der Orakelspruch war erfüllt; Kreon bezähmte seinen Jammer; Eteokles teilte den sieben Torbeschirmern sieben Scharen zu, und wo er diese hinweggenommen, stellte er Reiter hinter Reiter zum Ersatz auf, dazu leichtes Fußvolk hinter die Schildträger, um überall, wo die Mauern durch den Angriff leiden sollten, sie mit Heeresmacht schirmen zu können. Auch das Heer der Argiver brach jetzt auf, und der Sturm auf den Wall nahm seinen Anfang. Der Kriegsgesang erscholl, und vom feindlichen Heere wie von den Mauern der Thebaner herab schmetterten zu gleicher Zeit die Trompeten. Zuerst führte Parthenopaios, der Sohn der Jägerin Atalante, den Trupp der Seinigen, Schild an Schild gedrängt, wider eines der Tore. Auf dem Felde seines Schildes war seine Mutter abgebildet, wie sie den Ätolischen Eber mit fliegendem Pfeil erlegte. Auf ein zweites Tor zog, Opfertiere auf seinem Wagen, der priesterliche Seher Amphiaraos los; der trug schmucklose Waffen, ohne Wappenschild oder sonstigen Prunk. Aufs dritte Tor rückte Hippomedon heran; auf seinem Schilde war der hundertäugige Argos zu schauen, wie er die von Hera in eine Kuh verwandelte Io bewacht. Zum vierten Tore lenkte Tydeus seine Scharen, der eine struppige Löwenhaut im Schilde führte und mit wilder Gebärde in der Rechten eine Brandfackel schwang. Der vertriebene König Polyneikes befehligte den Sturm auf das fünfte Tor; sein Schild stellte ein in Wut sich räumendes Rossegespann vor. Zum sechsten Tore führte seine Kriegerschar Kapaneus, der sich vermaß, mit dem Gotte Ares in die Wette streiten zu können; auf dem Eisenrücken seines Schildes war ein Gigant ausgeprägt, der eine ganze Stadt, ihrem Grunde enthoben, auf den Schultern trug, welches Schicksal dieser Schildträger der Stadt Theben zugedacht hatte. Zum siebenten und letzten Tore endlich kam Adrastos, der Argiverkönig, herangerückt. Auf dem Felde seines Schildes waren hundert Schlangen abgebildet, welche in ihren Kiefern thebanische Kinder davontrugen. Als alle nahe genug vor die Tore gerückt waren, wurde der Kampf zuerst mit Schleudern, dann mit Bogen und Speeren eröffnet. Aber den ersten Angriff wehrten die Thebaner siegreich ab, so daß die Scharen der Argiver rückwärts gingen. Da riefen Tydeus und Polyneikes schnell besonnen: »Ihr Brüder, was brechet ihr nicht, ehe die Geschosse euch niederwerfen, mit vereinigter Macht auf die Tore ein, Fußvölker, Reiter, Wagenlenker, alle miteinander?« Dieser Ruf, der sich schnell durch das Heer verbreitete, entfachte den Mut der Argiver aufs neue. Alles lebte wieder auf, und der Sturm begann mit verstärkter Macht, aber nicht glücklicher denn zuvor. Mit blutbespritzten Köpfen sanken die Stürmenden zu den Füßen der Verteidiger nieder, und ganze Linien röchelten unter den Mauern ihr Leben aus, so daß der dürre Boden vor der Stadt von Blutbächen floß. Da stürzte der Arkadier Parthenopaios wie ein Sturmwind auf sein Tor und rief nach Feuer und Äxten, um es in den Grund zu hauen. Ein thebanischer Held, der auf der Mauer nicht ferne seinen Posten hatte, Periklymenos, beobachtete seine Anstrengungen und riß, als es höchste Zeit war, ein Stück der steinernen Brustwehr von der Mauer, so groß, daß es eine ganze Wagenlast ausgemacht hätte; dieser Wurf zermalmte dem Stürmer sein blondgelocktes Haupt und zerriß ihm die Knochen, daß er zerschmettert zu Boden stürzte. Sobald nun Eteokles dieses Tor gesichert sah, flog er den andern zu. Am vierten traf er den Tydeus, der wütete wie ein Drache. Er schüttelte sein Haupt unter dem fliegenden Helmbusch, und sein Schild, den er über dasselbe hielt, tönte von gellenden Glocken, die den Rand umgaben; er selbst schwang mit der Rechten die Lanze hoch nach der Mauer, und eine ganze Schar Schildträger umgab ihn, die einen Hagel von Speeren auf den höchsten Burgsaum aufwärts schleuderten, so daß die Thebaner sich von dem Rande der Brustwehr flüchten mußten. In diesem Augenblicke erschien Eteokles, sammelte sie, wie ein Jäger zerstreute Hunde, und führte sie auf die Mauerzinne zurück. Dann eilte er weiter von Tor zu Tor. Da stieß er auch auf den tobenden Kapaneus, der eine vielsprossige Sturmleiter wider die Stadt herantrug und prahlend ausrief, selbst des Zeus Blitz solle ihn nicht aufhalten, die Grundfeste der eroberten Stadt zu brechen. Mit solchen Trotzworten legte er die Leiter an und klomm unter seinem Schilde, umsaust von Steinen, die glatten Sprossen empor. Aber ihn für seinen Frevelmut zu züchtigen, blieb nicht den Thebanern überlassen; Zeus selbst übernahm es und traf ihn, als er schon über den Mauerkranz drang, mit seinem Donnerkeile. Es war ein Schlag, daß die Erde dröhnte; seine zerrissenen Gliedmaßen flogen weit umher von der Leiter, das entflammte Haar flatterte gen Himmel, das Blut floß auf die Erde; Hände und Füße rollten im Kreise wie ein Rad; der Rumpf stürzte endlich feurig auf den Boden nieder.
Der König Adrast erkannte aus diesem Zeichen, daß der Göttervater seinem Vorhaben feindselig sei; er führte seine Scharen aus dem Stadtgraben heraus und wich mit ihnen rückwärts. Die Thebaner dagegen, als sie das glückbringende Zeichen, das ihnen Zeus gesandt hatte, erkannten, brachen zu Fuß und zu Wagen aus der Stadt hervor; ihr Fußvolk stürzte mitten unter die argivische Heerschar, Wagen rannten an gegen Wagen, Leichname lagen zu Haufen; der Sieg blieb den Thebanern, und erst nachdem sie die Feinde auf eine gute Strecke von der Stadt zurückgeworfen, kehrten sie in dieselbe zurück.
Der Brüder Zweikampf
Auf solche Weise endete der Sturm auf die Stadt Theben. Als Kreon und Eteokles mit den Ihrigen in die Mauern zurückgekehrt waren, ordnete sich das geschlagene Heer der Argiver wieder, und bald war es von neuem imstande, der belagerten Stadt näher zu rücken. Wie dies die Thebaner innewurden und die Hoffnung, das zweite Mal zu widerstehen, nachdem auch ihre Kräfte durch den ersten Angriff nicht wenig geschwächt worden, ziemlich gesunken war, faßte der König Eteokles einen großen Entschluß. Er sandte seinen Herold zur Stadt hinaus nach dem Argiverheere, das, wieder dicht um die Mauern Thebens gelagert, am Rande des Stadtgrabens lag, und ließ sich Stille erbitten. Dann rief er, auf der obersten Höhe der Burg stehend, seinen eigenen, innerhalb der Stadt aufgestellten Scharen und den die Stadt umringenden Argivern mit lauter Stimme zu: »Ihr Danaer und Argiver alle, die ihr hierhergezogen seid, und ihr Völker Thebens, gebet doch so vielfaches Leben nicht, ihr einen, dem Polyneikes — noch mir, seinem Bruder, ihr anderen, preis! Laßt vielmehr mich selbst die Gefahr dieses Kampfes übernehmen und so allein im Gefechte mit meinem Bruder Polyneikes mich messen. Töte ich ihn, so laßt mich allein den Herrn im Hause bleiben; fall ich von seiner Hand, so sei ihm das Zepter überlassen, und ihr Argiver senket dann die Waffen und kehret in euer Heimatland zurück, ohne vor diesen Mauern euer Leben nutzlos zu verbluten«. Aus den Reihen der Argiver sprang jetzt Polyneikes hervor und rief zur Burg hinauf, daß er den Vorschlag seines Bruders anzunehmen bereit sei. Von beiden Seiten war man des blutigen Krieges, der nur einem von zwei Männern zugute kommen sollte, schon lange müde. Daher riefen beide Heere dem gerechten Gedanken Beifall. Es wurde ein Vertrag darüber abgeschlossen, und der Eid der Führer bekräftigte ihn von beiden Seiten auf dem Felde, das zwischen beiden Heeren lag. Jetzt hüllten sich die Söhne des Ödipus in ihre vollen Waffenrüstungen; den Beherrscher Thebens schmückten die edelsten Thebaner, den vertriebenen Polyneikes die Häupter der Argiver. So standen beide im Stahle prangend da, stark und festen Blickes. »Bedenke«, riefen die Freunde dem Polyneikes zu, »daß Zeus von dir ein Siegesdenkmal zu Argos erwartet!« Die Thebaner aber ermunterten ihren Fürsten Eteokles: »Du kämpfest für die Vaterstadt und das Zepter; dieser doppelte Gedanke verleihe dir den Sieg!« Ehe der verhängnisvolle Kampf begann, opferten auch noch die Seher, aus beiden Heeren zusammentretend, um aus den Gestaltungen der Opferflamme den Ausgang des Streites zu mutmaßen. Das Zeichen war zweideutig, es schien Sieg oder Untergang beiden zugleich zu verkünden. Als das Opfer vorbei war und die beiden Brüder noch immer in kampfbereiter Stellung dastanden, erhob Polyneikes flehend seine Hände, drehte sein Haupt rückwärts dem Argiverlande zu und betete: »Hera, Beherrscherin von Argos, aus deinem Lande habe ich ein Weib genommen, in deinem Lande wohne ich; laß deinen Bürger im Gefechte siegen, laß ihn seine Rechte färben mit des Gegners Blute!« Auf der andern Seite kehrte sich Eteokles zum Tempel der Athene in Theben: »Gib, o Tochter des Zeus«, flehte er, »daß ich die Lanze siegreich zum Ziele schleudere, in die Brust dessen, der mein Vaterland zu verwüsten kam!« Mit seinem letzten Worte schmetterte der Trompetenklang, das Zeichen des blutigen Kampfes, und die Brüder stürzten wilden Laufes aufeinander ein und packten sich wie zwei Eber, die die Hauer grimmig aufeinander gewetzt haben. Die Lanzen sausten aneinander vorüber und prallten beide von den Schilden ab; nun zielten sie mit den Speeren sich gegenseitig nach dem Gesichte, nach den Augen; aber die schnell vorgehaltenen Schildränder vereitelten auch diesen Stoß. Den Zuschauern selbst floß der Schweiß in dichten Tropfen vom Leibe, beim Anblick des erbitterten Kampfes. Endlich vergaß sich Eteokles, und während er beim Ausfallen mit dem rechten Fuße einen Stein, der ihm im Wege lag, beiseite stoßen wollte, streckte er das Bein unvorsichtig unter dem Schilde hervor; da stürzte Polyneikes mit dem Speere heran und durchbohrte ihm das Schienbein. Das ganze Argiverheer jubelte bei seinem Stoße und sah darin schon den entscheidenden Sieg. Aber während des Stoßes hatte der Verwundete, der seine Besinnung keinen Augenblick verlor, die eine Schulter an seinem Gegner entblößt gesehen und warf seinen Wurfspieß danach, der auch haftete, doch so, daß die Spitze ihm abbrach. Die Thebaner ließen nur einen halben Laut der Freude von sich hören. Eteokles wich zurück, ergriff einen Marmelstein und zerschlug die Lanze seines Gegners in zwei Hälften. Der Kampf war jetzt gleich, da beide sich ihres Wurfgeschosses beraubt sahen. Nun faßten sie rasch die Griffe ihrer Schwerter und rückten einander ganz nahe auf den Leib; Schild schlug gegen Schild, lautes Kampfgetöse hallte. Da besann sich Eteokles auf einen Kunstgriff, den er im thessalischen Lande gelernt. Er wechselte plötzlich seine Stellung, zog sich nach hinten auf seinen linken Fuß zurück, deckte sich den eigenen Unterleib mit Sorgfalt, fiel dann mit dem rechten Fuß aus und stach den Bruder, der auf eine so veränderte Haltung des Gegners nicht gefaßt war und den untern Teil des Leibes nicht mehr mit dem Schilde gedeckt hatte, mitten durch den Leib über den Hüften. Schmerzlich neigte sich nun Polyneikes auf die Seite und sank bald unter Strömen Blutes zusammen. Eteokles, nicht mehr an seinem Siege zweifelnd, warf sein Schwert von sich und legte sich über den Sterbenden, ihn zu berauben. Dies aber war sein Verderben; denn jener hatte im Sturze sein Schwert doch noch fest mit der Hand umklammert, und jetzt, so schwach er atmete, war ihm doch noch Kraft genug geblieben, dasselbe dem über ihn gebeugten Eteokles tief in die Leber zu stoßen. Dieser sank um und hart neben dem sterbenden Bruder nieder.
Nun öffneten sich die Tore Thebens; die Frauen, die Diener stürzten heraus, die Leiche ihres Herrschers zu bejammern; Antigone aber warf sich über ihren geliebten Bruder Polyneikes, um seine letzten Worte von den Lippen zu nehmen. Mit Eteokles war es schneller zu Ende gegangen als mit diesem; nur noch ein tiefer Seufzer aus röchelnder Brust, und er war verschieden. Polyneikes aber atmete noch, wandte sein brechendes Auge nach der Schwester und sprach: »Wie beklage ich dein Los, Schwester, wie auch das Schicksal des toten Bruders, der aus einem Freunde mein Feind geworden ist. Jetzt erst, im Tode, empfinde ich, daß ich ihn geliebt habe! Du aber, liebe Schwester, begrabe mich in meiner Heimat und versöhne die zürnende Vaterstadt, daß sie mir, obschon ich der Herrschaft beraubt worden bin, wenigstens so viel gewähre! Drücke mir auch die Augen mit deiner Hand zu; denn schon breitet die Nacht des Todes ihre Schatten über mich aus«.
So starb er auch in der Schwester Armen. Nun erhob sich lauter Zwist von beiden Seiten unter der Menge. Die Thebaner schrieben ihrem Herrn Eteokles den Sieg zu, die Feinde dem Polyneikes. Derselbe Hader war unter den Anführern und den Freunden der Gefallenen; »Polyneikes führte den ersten Lanzenstoß!« hieß es da. »Aber er war auch der erste, der unterlegen ist!« scholl’s von der andern Seite entgegen. Unter diesem Streite wurde zu den Waffen gegriffen; glücklicherweise für die Thebaner hatten sie sich geordnet und in voller Waffenrüstung teils vor dem Zweikampfe, teils während desselben und bei seinem Schlusse eingefunden, während die Argiver die Waffen abgelegt und, wie des Sieges gewiß, sorglos zugeschaut hatten. Die Thebaner warfen sich also plötzlich aufs Argiverheer, ehe dieses sich mit Rüstungen bedecken konnte. Sie fanden keinen Widerstand; die waffenlosen Feinde füllten in ungeregelter Flucht die Ebene; das Blut floß in Strömen, denn der Wurf der Lanzen streckte zu Hunderten die Fliehenden nieder.
Auf dieser Flucht der Argiver geschah es auch, daß der thebanische Held Periklymenos den Seher Amphiaraos nach dem Strande des Flusses Ismenos verfolgte. Hier hemmte den mit Roß und Wagen Fliehenden das Wasser. Der Thebaner war ihm auf den Fersen. In der Verzweiflung hieß der Seher seinen Wagenlenker die Pferde ihren Weg durch die tiefe Furt suchen; aber ehe er im Wasser war, hatte der Feind das Ufer erreicht und sein Speer drohte seinem Nacken. Da spaltete Zeus, der seinen Seher nicht auf unrühmlicher Flucht umkommen lassen wollte, mit einem Blitze den Boden, daß er sich auftat wie eine schwarze Höhle und die Rosse, die eben den Übergang suchten, zusamt dem Wagen, dem Seher und seinem Genossen verschlang.
Bald war die Umgebung Thebens von sämtlichen Feinden gereinigt. Von allen Seiten her brachten die Thebaner Schilde der erlegten Flüchtlinge und andere Beute herbei und trugen sie triumphierend in die Stadt.