Kitabı oku: «Im Schatten des Wolfes», sayfa 8

Yazı tipi:

Ihr war nie in den Sinn gekommen, dass er vielleicht eine andere Frau hatte. Eine Frau, die er vielleicht begehrte.

Sie nickte schließlich und ließ ihn die Salbe auftragen. Sie biss in den Hemdsärmel, obwohl Wulf sehr vorsichtig handelte. Dann wartete er, bis die Salbe eingezogen war, und schob ihre Tunika langsam und nicht ohne Hintergedanken wieder nach unten. Er rückte näher zu ihr, wartete diesmal darauf, dass sie den Blick zu ihm hob. Seine Hand verweilte ungehindert auf ihrem Oberschenkel, wo die Tunika endete, als sie es tat.

»Annija ist die Frau meines sehr gutes Freundes Arnulf«, zischte er boshaft lächelnd.

Robyn fühlte sich ertappt, errötete leicht.

»Verzeih, es steht mir nicht zu, über dich zu urteilen«, meinte sie. Daraufhin schob seine Hand den Stoff der Tunika einfach weg, um ihre Haut darunter zu berühren.

»Wulf ...«

»Schscht, Nixe ..., mir steht es nicht nach Untreue. Es widerspricht dem, woran ich glaube, wenngleich dir das vielleicht fremd erscheinen wird. Auch wenn du hier unter Zwang neben mir liegst, heißt das nicht, dass ich dich nicht mit Achtung berühre oder nicht anerkenne, dass du im Wald heute zu mir zurückkamst, um mir beizustehen ... ich werde das nicht vergessen, Nixe.«

Er ließ von ihr ab, rückte jedoch nicht von ihrer Seite. Robyn sah, dass sein Gesicht wieder ernst geworden war.

»Geh nie wieder in den westlichen Wald, Robyn, nie wieder.« Der Klang ihres Namens aus seinem Mund erinnerte sie an den Kampf im Wald. Er hatte sie dort bei ihrem Namen genannt, genau wie jetzt, denn was er zu sagen hatte, war ihm mehr als wichtig.

»Jene Männer, die dich aus Jorvik raubten, versuchten dich auch heute wieder zu rauben.«

»Die aus dem ...« sie überlegte kurz, »Westdorf?«

»Ja«, antwortete er, »sie gehen auf Beutezug hier und in Angelsachsen, im Frankenreich, überall. Sie brauchen Frauen, denn sie haben nicht genug. Als sich unser Reich damals spaltete, blieb die Mehrzahl hier in unserem Dorf und im Süddorf, wo Arnulf lebt.«

Robyn sah ihn an, wägte ab. Er schien bereit, ihr mehr zu erzählen. Sie drehte sich etwas zu ihm. Er legte den Kopf in seinen aufgestützten Arm und genoss die Nähe zu ihr. Etwas von der Anspannung des Nachmittages schwand.

»Frag schon, Nixe. Ich sehe dir an, dass du gern mehr wissen möchtest. Du weißt, ich stehe zu meinem Wort. Also hör nicht auf zu fragen.«

»Hat-hat Eilaf deine richtigen Eltern umgebracht?«

Diese Frage hatte er nicht erwartet. Einige Atemzüge verstrichen, ließen ihn sicher wieder entspannen. Er ließ ihre Gedanken und ihre offenbarte Fürsorge wirken.

»Das Feuer, in dem sie umkamen, legten seine Häscher. So, ja und nein. Obwohl ich ihm letztlich bis heute die Schuld daran gebe.«

»Aber das ist nicht der Grund, warum ihr einander nicht versteht?«

»Kluges, feinfühliges Mädchen! Nein. Im Krieg geschehen Dinge und wir können nicht absehen, inwieweit sie uns treffen. Doch Eilaf führte einen Bruderkrieg, der uns alle ins Unglück stürzte, nicht nur mich, sondern mein ganzes Volk.«

»Warum tötete Eilaf seine eigenen Leute? Deine Eltern?«

»Eilaf ist ein herrschsüchtiger Mann. Er wollte den Thron und damit den Anspruch auf die zwei Dörfer und ein paar andere Siedlungen in der Umgebung. Kein großes Reich, aber groß genug für den Titel eines Königs und die Vorteile, die damit einhergehen.«

»Vorteile? Ist es ein Vorteil, König zu sein?«

Wulf musste wiederum lächeln. Er strich sanft über die Wange seiner Frau.

»Ich sehe, du hast noch niemals von der Frucht der Macht gekostet, Nixe. Sie ist süß und verspricht noch mehr Süße, je länger man von ihr isst. Sie verleitet Menschen dazu, andere Menschen zu hassen und ihnen zu nehmen, was ihnen rechtmäßig nicht gehört. Eilaf sah seine Möglichkeit, nachdem die beiden Kinder seines Bruders tot waren. Wiglifs Ansprüche waren dadurch geschwächt. Wer würde den Thron nach Wiglif bekommen?«

»Aber wäre das nicht Eilaf gewesen? Oder gab es keine anderen Anwärter?«

»Nein, gab es nicht. Aber Wiglif konnte noch immer Kinder zeugen, obwohl seine Frau im Kindsbett verstorben war. Eilaf wollte dieses Risiko nicht eingehen. Er holte sich den Thron und wurde von den Konsequenzen selbst überrascht. Niemand kann genau sagen, wie ein Kampf ausgeht. Doch Eilaf muss sehr überrascht gewesen sein, was den Ausgang seines Kampfes anbelangt.«

»Nicht alle folgten ihm«, erriet Robyn.

»Nein, ganz im Gegenteil. Ein Großteil wandte sich von Eilaf als auch von Wiglif ab. Sie waren die Streitereien und später die Kämpfe zwischen den Brüdern müde. Sie gründeten ein neues Dorf.«

»Deine Eltern waren dabei?«

»Ja, und es wurde ihnen und meinen Geschwistern zum Verhängnis. Es gab Überfälle auf das Dorf, immer und immer wieder versuchten beide Seiten, das Süddorf und jene umliegenden Gehöfte, die sich zu diesem Dorf rechneten, zurückzuerobern. So brannte das Haus meiner Eltern nieder, meine Eltern, meine Brüder und meine Schwester kamen um. Nur ich nicht. Und Eilaf, der bei diesem Überfall zugegen war, nahm mich zu sich.«

»Und Wiglif?«

»Ist bis heute verbittert über den Verrat seines Bruders, schart seine Leute um sich und hat doch nicht verhindern können, dass sich in seinen eigenen Reihen zwei Lager gebildet haben.«

»Glaubst du ...« Robyn versuchte, die Frage richtig zu formulieren. »Glaubst du, es wird ... Krieg geben zwischen den Lagern und dann euch?«

»Eine schwierige Frage.« Wulf drehte sich auf den Rücken, doch Robyn ließ sich nicht abschütteln. Diesmal rückte sie umständlich an ihn heran, legte eine Hand auf sein Hemd und umfasste es, um sich über ihn beugen zu können.

»Glaubst du, es wird zwischen euch Krieg geben?«

Wulf zog die Augenbrauen zusammen, während er in ihre Augen sah.

»Sag du es mir, Robyn! Du hast meinen Vater gesehen, meine Brüder! Was sagt jemand, der außenstehend ist wie du?«

Robyn dachte nach. Er fragte sie, weil er selbst unsicher war. Vielleicht weil er nicht wahrhaben wollte, dass es wieder passierte.

»Ich mag deinen Vater nicht«, sagte sie dann. »Er ist ein schlechter Mensch, ob mit Harold als Berater oder nicht.«

»Wieso sagst du das?«

Robyn trennte ihren Blick von ihrer Hand auf seinem Hemd.

»Kein Vater sieht seinen Sohn so an, wenn er ihn seit so vielen Monaten und Jahren nicht gesehen hat, Wulf. Kein Vater tut das! Mein Vater, würde er mich wiedersehen, wäre dies seine Glücksseligkeit. Er wäre außer sich vor Freude. Deines Vaters Augen waren kalt, als er dich ansah. Wulf, ich denke, dein Vater ist nur an Macht interessiert und wird bis zum Äußersten gehen, so er denn die Gefahr einmal erkannt hat. Und dein Bruder Harold? Er wird sich sein Erbe nicht streitig machen lassen. Wenn er etwas haben will, kriegt er es ...« Sie schnappte nach Luft, begriff erst jetzt, was sie gesagt hatte.

Wulf sah auf die Hand, die noch immer auf ihm lag und umschloss sie mit seiner eigenen.

»Sollte es zum Äußersten kommen ... er wird nicht alles bekommen, nicht alles«, sagte er mit Nachdruck.

Sie schwiegen kurz, hingen dem Gesagten nach.

»Dein Vater«, fragte Wulf dann, »ist er ein guter Mann?«

Zum ersten Mal sah Wulf Tränen in ihren Augen aufsteigen. Tränen, die sie abermals nicht zuließ. Sie sah kurz weg, beruhigte ihren Atem.

»Bereust du hier zu sein und nicht im Meer?«

Sie blickte ihn wieder an. Sicherheit war in ihr Gesicht zurückgekehrt.

»Ich habe angenommen, wozu du mir die Chance gabst. Ich tat es, seitdem ich Fuß in deine Heimat setzte. Es-es ist schwer, aber ich will ... ich will versuchen dir eine gute Frau zu sein.«

»Dein Vater hat dir beigebracht so zu denken?«

Sie nickte heftig.

»Er hat eine starke Tochter. Und er wird sie sicher irgendwann wiedersehen.«

Robyn sah ihn fragend an.

»Niemand weiß, wie eine Schlacht ausgeht«, entgegnete er.

Sie sagte nichts darauf.

»Glaubst du, du wirst morgen ins Dorf gehen können?«

»Was soll ich tun?«, fragte sie unsicher.

»Ich habe noch zwei Ziegen und ein Schaf bei einer Frau untergestellt. Du könntest sie holen. Keine Angst, es ist nicht weit. Eigentlich nicht einmal im Dorf. Es ist das zweite Haus in Richtung Dorf von hier. Die alte Frau wohnt auch etwas außerhalb. Sie hat sich immer um mein Vieh gekümmert, wenn ich in Byzanz diente.«

»Ich denke, das werde ich schaffen«, antwortete Robyn zuversichtlich.

»Aber nur zu der Frau, kein Wald, kein Dorf«, versicherte er sich nochmals.

»Keine zehn Pferde bringen mich in den Wald. Und das Dorf? Ich glaube, ich bin ihnen zu sehr ein Wassergeist.« Robyn zog sich zurück auf ihre Seite und deckte sich langsam zu, um sich nicht zu viel zu bewegen.

»Mir scheint, du wirst jeden Abend mit einer anderen Verletzung neben mir liegen.« Wulf lachte in sich hinein.

»Mach dich nur lustig. Das nächste Mal sollen die Männer dich dort im Wald zerfleischen.«

»Ah, ich sehe, dein Zynismus kehrt zurück. Dann wird es dir bestimmt bald wieder besser gehen, Nixe.«

Sie brummte etwas in die Decke, doch er verstand es nicht. Aber er ließ in diesem Moment das Gefühl zu, dass ihm eine Frau nach langer Zeit wieder etwas bedeutete.

7.

Robyn stapfte wiederum durch den Schnee, doch diesmal war er nicht knietief, sondern ausgetreten und einfach zu bewältigen. Seitdem sie das erste Haus passiert hatte, war der Weg besser geworden. Scheinbar wurde er öfters von den Dorfbewohnern genutzt. Robyn war froh darüber, denn sie hatte eines von Annijas Gewändern an. Es war etwas zu lang, Annija musste weitaus größer als sie sein. Sie stopfte es fortwährend unter den Gürtel, damit es nicht auf dem Boden schleifte.

Sie hatte es nicht eilig. Gegen Mittag war sie losgegangen. Wulf hatte in der Früh Sleip genommen und war zum Strand geritten. Sie hatte sich weiter im Haus umgesehen und dann entschieden, als die Sonne am höchsten stand, den Weg einzuschlagen, den Wulf ihr beschrieben hatte. Ihre Erinnerung daran war sehr dürftig. Am ersten Abend, als sie ihn mit Wulf geritten war, hatte die Dunkelheit die Welt umhüllt und die Angst und Verwirrung ihr Herz. Jetzt sah sie ihre Umgebung im Sonnenschein. Über den Wipfeln der kahlen Bäume machte sie einige Rauchschwaden aus. Das Dorf lag noch in einiger Entfernung und sie würde es auch nicht wagen, ihm näher als das Haus der alten Frau zu kommen. Sie musste zugeben, dass sie die Abneigung der Dorfbewohner fürchtete. Sie hatte die Ablehnung nicht vergessen können. Die Blicke der Dorfbewohner vor zwei Tagen waren eindeutig gewesen. Misstrauen hatte in den Augen der meisten gestanden, Aberglaube.

Sie wich kurz vom Weg ab, kniete sich an einer lichten Stelle nieder und schob den Schnee beiseite. Während sie grub, dachte sie an Wulf. Er hatte sie nie so angesehen, wachsam, ja, und verständig. Aber nicht mit Argwohn. Er hatte sie ohne Hadern gerettet, seine Treue und Loyalität hatten ihn veranlasst, sie als Frau zu akzeptieren, und ihr durch seine Zuneigung zu zeigen, dass es nicht allein Zwang war, der sie miteinander verband.

Robyn lächelte, als sie den Boden erreichte und Grün darunter fand, kleine sichelförmige Blätter, fast schon vergilbt, aber noch immer zu gebrauchen. So viel sie davon fand, schnitt sie mit ihrem Messer ab und verstaute sie in dem kleinen Beutel, der an ihrem Gürtel hing.

Zwei Tage, dachte sie, zwei Tage war sie hier. Weitere drei, seitdem sie Wulf kannte. Weitere fünf, seit sie ihren Vater das letzte Mal gesehen hatte. Ihre alte Welt schien ihr weit entfernt. Sie hockte im Nordland im Schnee und suchte nach ein paar Kräutern und Heilpflanzen. Was würde Ath dazu sagen? Sie stellte ihn sich vor. Was er im Moment tat. Wo er war. Wer bei ihm war. Etwas wie Erleichterung überkam sie dabei. Er würde wissen, dass sie, falls sie noch am Leben war, ihren Weg weitergehen würde. Für eine kurze Zeit hatte sie ihre Reise anderweitig fortsetzen wollen, doch nun stand sie unter dem Schutz eines klugen und starken Mannes, der sie bisher gut behandelt hatte. Robyn wusste, dass Wulf ein sehr zorniger Mann war. Sie hatte es selbst zu spüren bekommen. Sein Zorn richtete sich nicht gegen sie, sondern gegen seinen Vater, seinen Bruder, sein ignorantes Volk.

Ath! Sie wischte sich über ihre Augen. Ich lebe, und es geht mir gut.

Sie stöhnte leise, als sie sich erhob. Ihr Erguss brannte wie Feuer. Es dauerte einen Moment, bis der Schmerz wieder nachließ. Dann steckte sie die restlichen Blätter in ihren Beutel und lächelte fast über sich selbst.

Es geht mir sehr gut, dachte sie, außer ein paar Kratzern.

Dann jedoch hörte sie Stimmen. Sie brauchte einen Augenblick, ehe sie die Quelle ausmachen konnte. Ihr linkes Ohr ließ sie nach rechts blicken. Aus dem Wald kamen ihr zwei Männer entgegen. Sie stapften durch den höheren Schnee, gingen augenscheinlich dem Weg zu. Robyns Kehle schnürte sich zu, als sie einen der beiden erkannte. Sie presste sich gegen den nächststehenden Baum, zog sich um ihn herum zur Wegseite, damit man sie nicht sehen konnte. Sie hörte ihr Herz schlagen, konnte es in ihren Ohren selbst fühlen. Ihr rechtes Ohr hatte bis zu diesem Moment nicht mehr geschmerzt, aber das Rauschen ihres Blutes ließ es pochen. Robyn beugte sich etwas nach hinten, damit ihre Hüfte nicht zu sehr an den Baumstamm lehnte und sie ihre Wunde nicht merkte. Sie wartete, doch die beiden kamen nur sehr langsam näher.

Robyn spürte Schweiß auf ihrer Oberlippe. Sie hielt den Atem an, als die Männer in Hörweite kamen und sie die verhasste Stimme von Wulfs Bruder erkannte. Sie betete, sie würden die Stelle, an der sie gegraben hatte, nicht beachten oder nicht direkt daran vorbeikommen.

»... wird nicht mehr lange dauern ... du wirst sehen ...« Es war die Stimme des anderen, dann setzte Harolds Stimme ein.

»Aber sollen wir den Winter abwarten? Vielleicht wäre es besser, nicht mehr zu warten ...«

Der Schnee knirschte unter ihren Füßen. Robyn versuchte weiter zu lauschen, krallte ihre Hände in die Baumrinde. Man durfte sie nicht entdecken. Denn das, was sie zu hören bekam, war für niemandes Ohren bestimmt.

»Wir müssen noch etwas abwarten. Einen günstigen Zeitpunkt, um Wiglif zu stürzen ...«

»Und Vater?«

»Halt ihn zurück. Er darf sich nicht einmischen, bevor wir nicht genug Stärke und Männer haben, um auch ihn zu stürzen ... was ist mit deinem Bruder Leif, wird er mitmachen?«

»Es wird ihm nichts anderes übrigbleiben. Er wird mitziehen, wenn die Zeit gekommen ist. Mein anderer Bruder macht mir mehr Sorgen ...«

»Er hätte in Byzanz bleiben sollen«, knurrte der Zweite. »Er wird nie die Seiten wechseln. Dieser Starrkopf ist voller Ideale und Glauben an Gerechtigkeit...«

»Zu gegebener Zeit werden wir uns etwas ausdenken müssen, um ihn aus dem Weg zu räumen ...«

Robyn biss sich auf ihre behandschuhte Faust. Etwas Schnee bröckelte von ihren Schuhen.

»Hast du das gehört?«, fragte der Zweite leise.

»Wahrscheinlich ein Schneehase«, tat Harold ab. »Nicht so schreckhaft, Kark, die Wachen des Dorfes sind weit entfernt, dafür habe ich heute selbst gesorgt.«

»Wie auch immer, Harold, spiel den guten und sorgenden Sohn und lass dir vor Wulf nichts anmerken.«

»Keine Angst, er wird zu beschäftigt sein, sich Gedanken um mich und seine Frau zu machen. Er wird gar nicht merken, dass ich anderes im Schilde führe.«

»Du hast ein Auge auf sie geworfen?«

»Aus alter Gewohnheit ... obwohl ... das Weib gefällt mir. Ist ein bisschen zickig. Dora war mir zuweilen etwas zu willig ...«

»Du kannst froh sein, dass sie Wulf nichts bedeutet hat und sie mit deinem Bastard im Arm gestorben ist.«

Harold lachte gedämpft.

»Ich werde versuchen bei der Nixe etwas vorsichtiger zu sein.«

»Tu das und lass Wulf nichts merken. Falls er Wind von der Sache bekommt, haben wir ein ernstes Problem.«

»Du glaubst, er hat Einfluss auf die Leute?«

»Bei den Göttern, Harold, Wulf ist ein besserer Thronerbe als du oder Leif je sein werdet. Die Leute sind nicht dumm. Sie werden einem guten Führer folgen und Wulf ist ein solcher Mann. Dein Vater tat gut daran, ihn nach Byzanz zu schicken, um diese Qualitäten zu perfektionieren. Du bist dir wahrscheinlich noch immer nicht bewusst, dass Wulf genauso König werden könnte wie du, wenn es Eilaf wünscht.«

»Dazu wird es nicht kommen«, zischte Harold.

»Das hoffe ich. Und wenn, müssen wir dem zuvorkommen.« Kark und Harold blieben in ihrer Nähe stehen.

»Zu gegebener Zeit ...«

»Ja ... gib Bescheid, wenn dein Vater seine Meinung ändern sollte, ansonsten halte ihn auf Abstand und lass uns die Sache mit Wiglif erst beenden.«

»Ist gut. Schick einen deiner Spione, wenn es losgehen soll.«

Sie trennten sich. Robyn hatte Probleme zu hören, in welche Richtung sie gingen. Sie wagte nicht, sich zu rühren. Doch dann sah sie zu ihrer Erleichterung Harold den Weg kreuzen und in Richtung Dorf wandern, während der andere Nordmann sich wieder in den Wald zurückzog. Harold wandte ihr den Rücken zu und drehte sich auch nicht mehr um. Erst als sie beide verschwunden waren, blies Robyn die aufgestaute Luft hörbar aus. Sie lockerte den Schal um ihren Hals, um mehr Luft zu bekommen.

»Das kann alles nicht wahr sein«, hauchte sie in die zurückgekehrte Stille.

Harold und Kark planten, beide Könige zu stürzen und alles und jeden aus dem Weg zu räumen, der sich ihnen widersetzen würde.

Sie lehnte ihren hämmernden Kopf an den Baum und starrte nach oben in den stahlblauen Himmel, durch den sich die knorrigen kahlen Arme der Bäume renkten.

»Was soll ich tun?«, fragte sie. Doch niemand antwortete ihr. Der einzige, dem sie diese Frage vertrauensvoll gestellt hätte, war weit fort am Strand unter Menschen, die noch zusammenhielten. Aber was würde Wulf antworten? Er zweifelte selbst an Hoffnung und Glauben an seine eigenen Leute. Die Menschen brauchten einen Führer, aber Wulf wehrte sich seit langer Zeit dagegen, dies zu sein. Er wollte es nicht sein, da er ihnen nicht traute. Es war ein Teufelskreis.

Robyn schritt betrübt weiter. Plötzlich hatte der Wald seine Freundlichkeit verloren. Sie entsann sich der Axt, die Wulf an seinem Gürtel trug. Würde sie lernen damit umzugehen, um in Zukunft der Angst vor einem Krieg gegenübertreten zu können? Jede Frau beherrschte eine Waffe, jede Frau war vorbereitet. Aber sie ahnten nicht auf was. Sie ahnten nicht das Ausmaß dessen, was ihr ältester Thronerbe für sie geplant hatte.

Nicht weit entfernt kam ein Haus in Sicht. Eine Frau sammelte gerade einige Holzscheite zusammen. Sie sah auf, als sie Robyn auf dem Weg entdeckte.

»Nun, Mädchen, du siehst mir nicht gerade aus, als ob du dem Wasser knapp entronnen bist. Komm nur näher, ich weiß schon, wer du bist. Ich habe damit gerechnet, dass entweder du oder dein Mann vorbeikommen würdet. Dein Mann tat recht, dich zu schicken. Ein bisschen Frauengesellschaft tut mal ganz gut.«

Robyn lächelte. Wulf hatte ihr verschwiegen, dass sie ihm wohlgesonnen war. Scheinbar schloss ihre Sympathie Robyn ein. Es ließen sich wohl nicht alle gleich beeinflussen. Wulf hatte sie nicht ohne Grund hierhergeschickt. Sie vergaß für einen Moment, wessen sie im Wald Zeuge geworden war und trat auf die ungewöhnlich beleibte Frau zu. Deren Gesicht war von der Arbeit draußen rot angelaufen, doch ihr Lächeln hatte noch immer nicht nachgelassen.

Robyn bot ihr einen Arm für die Holzscheite. Irm nahm die Hilfe dankbar an, stapelte einige Scheite darauf und deutete ihr dann, ihr zu folgen.

Im Haus brannte das Feuer lichterloh, trotzdem tat Irm zwei weitere Scheite darauf und legte die restlichen neben der Tür ab. Robyn tat es ihr gleich. Irm folgte ihren Bewegungen und wartete, dass Robyn den Schal herunterzog.

»Hab mich in der Halle nicht getäuscht, Mädchen. Wulf hat gut gewählt.«

Robyn sah sie fragend an.

»Du meinst gewählt. Ja, irgendwie hat er das schon. Diesmal.«

Robyn verstand nicht ganz. Die Abfolge der Gedanken der alten Frau war ihr zu verwirrend.

»Also, ich bin Irm«, sagte die Frau, »und wie dir dein Mann wahrscheinlich erklärt hat, auch seine Viehhirtin.«

Sie lachte wieder. Sie schien viel zu lachen.

»Robyn«, stellte sich Robyn vor.

»Seltsamer Name.«

Irm putzte sich die Hände an der Schürze ab und wollte gerade weitersprechen, als es an der Tür klopfte.

»Ja«, bellte sie.

Die Tür öffnete sich und eine Frau mittleren Alters kam herein, gefolgt von zwei anderen Frauen. Erstere war vornehm gekleidet, ihr Pelz von feinster Qualität, das Gewand darunter von kräftigem Rubinrot. Der Schmuck, den sie an Armgelenken, Ohren und um den Hals trug, bestand aus wertvollem Silber. Bevor ihr Blick sich an Irm wandte, wurde sie Robyn gewahr und ihr faltiges Gesicht verfinsterte sich umgehend. Sie schien ihre Meinung den Besuch betreffend plötzlich zu ändern. Ihre Stimme schnitt ins Mark wie ihr kalter Blick.

»Ich komme ein anderes Mal wieder. Wie ich sehe, hast du zu tun.«

»Bitte, wie es dir beliebt«, entgegnete Irm, der der eisige Blick auf Robyn nicht entgangen war.

Die Tür schlug zu.

Irm schüttelte den kopf. Zum ersten Mal sah sie Robyn nicht lächeln.

»Welch ein Zufall.«, murmelte sie. »Die alte Krähe wird es nicht als gutes Omen nehmen, gerade dich hier zu treffen.«

Robyn stöhnte leise auf. Wem war sie nun wieder begegnet? Eine Zusammenkunft mit einem Menschen, den sie verabscheute, pro Tag genügte vollends. Wer war diese Frau gewesen?

»Wer war das?«

Irm sah sie verständnislos an.

»Was hast du gesagt?«

Robyn schluckte. Sie hatte angelsächsisch gesprochen. Sie war es so gewohnt, von Wulf verstanden zu werden, dass sie bisher keinen Anlass gesehen hatte, seine Sprache zu sprechen. Eine Sprache, die sie seit über zwanzig Jahren nicht mehr gesprochen hatte. Nicht mehr hatte sprechen wollen. Und sie wollte es auch jetzt nicht. Sie hätte es wahrscheinlich ohnehin nicht mehr gekonnt.

Robyn deutete auf die Tür.

»Ach, wer sie war? Die Mutter von Wulfs erster Frau. Nimm dich in Acht vor ihr. Eine Intrigantin, die die ganze Welt hasst, seitdem ihre Erstgeborene tot ist.«

Irm trat näher an sie heran.

»Du verstehst alles, was ich sage?«

Robyn nickte.

»Angelsächsin?«, erriet Irm.

»Ja«, hauchte Robyn. Dieses Wort wusste Irm richtig zu deuten.

»Na ja, egal. Ich denke, du wirst Wulf in jedem Fall eine bessere Frau sein. Dora war ein Miststück, wohl adlig, aber keineswegs besser. Du scheinst mir ungleich vornehmer, auch wenn du die einfacheren Sachen trägst. Aber ich denke, du verbirgst ein bisschen mehr in deinem hübschen Köpfchen. Adlig?«

Robyn schüttelte den Kopf.

»Ah! Gelehrtenfamilie?«

Robyns Blick hellte sich auf. Die kleine Frau war nicht zu unterschätzen.

»Ja, ja. Rate, warum ich einen solchen Narren an Wulf gefressen habe?«

Robyn zuckte mit den Schultern. Irm wurde plötzlich wieder ernst.

»Er ist ein guter Mann, nicht?«

Robyn blieb still.

»Behandelt dich gut.« Sie machte Feststellungen. Und sie kannte Wulf besser als die meisten hier. Besser als Wulfs eigener Vater.

»Ein guter Mann«, sagte Robyn. Es klang in beiden Sprachen so ähnlich, dass es Irm als Antwort genügte. Sie hatte die Angelsächsin genug geprüft.

»Du willst die Ziegen und das Schaf holen.«

Robyn nickte.

»Nun, eine der Ziegen ist mir im Herbst eingegangen, aber du kannst Wulf sagen, dass ich ihm im Frühjahr eines von meinen Zicklein überlasse. Du kannst das Schaf und die andere Ziege mitnehmen.«

Sie gingen in den Nebenraum, wo die Tiere untergebracht waren. Irm holte eines der drei Schafe und eine der fünf Ziegen, eine dunkle braune mit schwarzem Kopf und Beinen, heraus.

»Sie gibt gute Milch«, erklärte Irm. Sie band einen Strick um die Ziege und übergab ihn Robyn. »Das Schaf wird dir so folgen, wenn du es ein bisschen vorantreibst ... braucht ihr noch etwas?«

Robyn sah sie etwas hilflos an. Sie zeigte auf ihre leere Hand, schüttelte mit dem Kopf.

»Wie, du kannst nicht bezahlen?« Irm verstand sie und lachte wieder. »So läuft das hier nicht bei uns, Mädchen. Dein Mann kann sich sein Essen verdienen. Sag ihm nur, er soll sich mal wieder blicken lassen.« Sie wies auf die hintere Einzäunung, an der die Bretter lose herunterhingen, anscheinend von einem der Tiere kaputt getreten. »Er kann das reparieren. Und nun lass mich dir etwas mitgeben.«

Sie verschwand, während Robyn unschlüssig im Stall stand und abwechselnd auf das Schaf und die Ziege blickte. Doch sie schienen zufrieden, waren gut genährt und sauber, so wie alles hier. Den Schmutz und den aufgeweichten Boden verursachte der Winter, aber Robyn hatte den Wohnraum gesehen und der stand der Sauberkeit, für die sie in Wulfs Haus gesorgt hatte, in nichts nach.

»So, Mädchen.« Irm kam wieder und band Robyn eine Tasche um die Schultern. »Ein bisschen Wurst und Käse, Honig natürlich, pass gut auf, dass er nicht ausläuft. Milch habt ihr heute Abend, da wird es euch gut gehen. Und den Nachtisch ...« Irm grinste Robyn an. »Nun, den wird Wulf auch recht gern haben.«

Robyn öffnete den Mund, doch nichts wollte über ihre Lippen kommen. Die Entrüstung hätte Irm doch nicht verstanden, und wenn, hätte sie sie nur ausgelacht. So beließ es Robyn mit einem zaghaften Lächeln, das Irm doch mehr sagte, als sie gedacht hatte.

»Ah, sieh an, Mädchen, es beruht auf Gegenseitigkeit. Das ist schön. Bleib ihm nur recht treu. Das hat er wahrlich verdient.«

Robyn dankte Irm auf ihre Weise, ohne Worte. Sie drückte die Hand der alten Frau.

»Schon gut, Mädchen, du wirst es schwer genug haben. Die Menschen hier sind anders als früher, in sich gekehrt, misstrauisch, manchmal besessen abergläubisch. Sie machen mir zuweilen Angst. Halte dich an Wulf, Arnulf, falls du ihn kennenlernen solltest. Annija, seine Frau. Das sind gute Menschen. Vielleicht nimmt dich Wulf einmal ins Süddorf mit. Schrecklich genug, dass er sich damit schuldig macht. Wofür, frage ich mich? Ach, es ist ...« Sie brach ab, schaute Robyn an, dann lachte sie wieder. Doch ihr Lachen war nicht mehr so gelöst wie am Anfang.

»Komm, ich begleite dich noch nach draußen und schaue, dass du gut auf den Weg kommst.«

Wenig später war Robyn wieder allein, nur die beiden Tiere begleiteten sie. Ihr Kopf war voll von dem, was Irm ihr direkt oder indirekt mitgeteilt hatte. Sie passierte die Stelle, wo sie Harold und Kark belauscht hatte. Die Ruhe war beklemmend. Der Sonnenschein trügerisch. Diese Welt bereitete ihr Angst. Eine Angst, die sie nicht einzuschätzen vermochte. Sie würde hier leben. Mit Wulf. Aber auch mit Menschen, die ihr nicht wohlgesonnen waren. Die Wulf nicht wohlgesonnen waren. Wie lange würde sie eine solche Angst in ihr in Zaum halten können? Wie lange bevor sie sich vergaß und ...

Sie blieb stocksteif stehen. Doras Mutter stand mitten im Weg vor ihr. Ihr Blick lag genauso kalt auf ihr wie in Irms Haus. Sie zitterte vor Erregung, ihre knorrigen unbehandschuhten Hände ballten sich unter den langen pelzbesetzten Ärmeln.

»Untote«, stieß sie hervor. Ihre Stimme war schrill vor Zorn. »Du solltest am Meeresboden treiben. Du wirst Unglück über uns alle bringen ...«

Sie kam näher, schritt direkt auf Robyn zu. Ihre Schritte waren steif, aber zielstrebig. Robyn wusste nicht, was sie tun sollte. Sie ließ die Ziege los. Diese sprang erschreckt weg, als Doras Mutter sie erreichte. Robyn wollte nach hinten ausweichen, doch stieß sie dort mit den anderen beiden Frauen zusammen, die sie vorhin gesehen hatte.

Doras Mutter holte im Laufen aus und schlug sie mit einer Heftigkeit ins Gesicht, die Robyn nicht erwartet hatte. Genauso wenig wie die Tatsache, dass die Frau sie überhaupt schlagen würde. Sie hatte mit einem Wortgefecht gerechnet, doch nicht damit. Sie taumelte nach hinten, doch die beiden Frauen ergriffen ihre Oberarme und hielten sie fest. Dem nächsten Schlag konnte sie trotzdem besser ausweichen, da sie ihn kommen sah. Sie duckte sich weg, strauchelte über ihre eigenen Beine, befreite sich dabei aus dem Griff und fiel in den Schnee. Eine der Frauen griff ihren Umhang, die andere ihr Gewand. Robyn spürte, wie ihr die Luft abgedrückt wurde. Sie löste geschwind die Fibel, die den Umhang zusammenhielt und rollte sich weg. Ein Stück des Gewandes riss dabei ab.

»Nein, nicht das Gewand«, rief sie entsetzt. Einen Augenblick kehrte die Stille wieder ein. Die drei Frauen sahen sich ungläubig an. Dann schrie Doras Mutter mit unverminderter Wut auf.

»Eine Angelsächsin, bei den Göttern, die Untote ist eine angelsächsische Hure!«

Die zwei Frauen stürzten sich wieder auf sie. Robyn konnte gar nicht so schnell aufstehen. Die beiden ergriffen ihre Schultern, zerrten sie auf ihre Beine, wo ihr Doras Mutter wieder entgegentrat. Robyn spuckte den Schnee aus. Er schmolz in ihrem Gesicht, hing in Klumpen in ihren Haaren. Ihren Schal hatte sie mit dem Umhang verloren.

»Dass du es weißt, Untote, dein Platz gehörte meiner Tochter. Doch sie weilt nicht mehr in dieser Welt. Glaub nicht, dass du sie je ersetzen wirst. Du bist eine winzige Brotkrume, wie man sie vom Mund abwischt. Das bist du!«

»Da, wo ich herkomme, wischt man eine solche Krume nicht fort, sondern erfreut sich noch daran«, schnappte Robyn zurück. Doras Mutter verstand ihre Sprache, redete jedoch unverwandt in ihrer eigenen weiter.

»Bilde dir ja nicht ein, du könntest Wulf in irgendeiner Weise gefallen oder ihm gar gleichwertig sein. Meine Tochter war von edlem Blut, du bist ein nichts. Eine Angelsächsin, eine Sklavin, die er aus dem Wasser fischte, schmutzig, unrein, befleckt ...«

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