Kitabı oku: «Der eiserne Gustav», sayfa 11

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»Erich …?« fragt Bubi dagegen, um Zeit zu gewinnen. »Ja, Erich! Wo ist denn Erich?«

»Erich …?«

»Ja, frag noch Erich! Erich, wo Erich ist, will ich wissen!«

»Erich!« Bubi hat jetzt des Vaters Zustand klar erkannt. Sofort macht er sich daran, Erichs Abwesenheit zu vertuschen. »Erich – Erich hat doch Mutter geholfen, die Droschken kassieren. Du warst doch nicht da! Wo warst du denn, Vater?«

»Ich war auf der Bank …«, sagt der Vater mürrisch. »Aber Erich …«

»Die Banken machen doch um fünf zu, Vater. Wo warste denn noch, erzähl doch! Warste beim Schloß?«

»Ich hab nach Pferden rumgefragt. Wir müssen doch neue Pferde haben. Aber Erich …«

»Kriegen wir neue Pferde? Au fein, Vater!«

»Jetzt gibt’s doch keine Pferde in Berlin! Aber es kommen frische. Da kriegen wir welche!«

»Pyramidal! Du, Vater …«

»Ja? Was ist denn?«

»Wülste dich hier nich ein bißchen aufs Bett legen? Da störste Mutter nich, Mutter schläft schon lange.«

»Das stört Mutter nicht, wenn ich komme. Das hört Mutter gar nicht. Ich werde mich doch nicht auf Erichs Bett legen. Wo ist Erich überhaupt?«

»Erst hat er Muttern geholfen, die Droschken kassieren. Warte, Vater, ich helf dir die Schuhe ausziehen. Dann können wir hier noch ein bißchen quatschen. Im Bett quatscht sich das fein!«

»Ich leg mich doch nicht auf Erichs Bett!«

»Ottos Bett ist ja auch frei, Vater, und Ottos Bett ist bequemer als Erichs Bett. – Wart, Vater, ich hänge deine Jacke hier hin – wir brauchen gar kein Licht zu machen. Das soll keiner merken …«

»Was soll keiner merken?«

»Der Hoffmann sagt, morgen wollen se aber nich offene Taxe fahren, morgen wollen se mit Gepäckdroschke los. Da liegt ein großes Geschäft, meint Hoffmann.«

»So ein Stuß!« brummelt der alte Hackendahl. »Gepäckdroschke! Wer soll denn jetzt verreisen?«

»Aber sie kommen doch alle zurück, Vater, aus der Sommerfrische! Die reißen dort jetzt alle aus und wollen schnell nach Haus, weil keiner an den Krieg geglaubt hat. Zu Hunderten sind sie an den Bahnhöfen mit ihren Koffern – und kein Fuhrwerk zu kriegen! Hoffmann sagt …«

»Ach, Hoffmann …!« Hackendahl zieht die Decke über sich. »Das muß ich mir erst überlegen, Gepäckdroschke, und dann die abgetriebenen Gäule!«

»Du, Vater!«

»Was denn noch?«

»Das war wohl schwer mit den ollen Pferdehändlern?«

»Wieso schwer? Alles Geschäft ist schwer. Aber sie hatten gar keine Pferde.«

»Nee, ich meine auch bloß – so mit dem Trinken. Du hältst dich großartig, Vater, aber gut ist doch, daß Mutter nichts merkt.«

»Nicht was merkt?«

»Na, ein bißchen hast du doch geladen, Vater!«

»Ich! Nee! Gar nichts. Das kommt dir bloß im Dunkeln so vor. Ich war eben noch im Stall.«

»Und in welchem Bett liegst du jetzt, Vater?« kichert Heinz.

»In welchem Bett? Dämlicher Bengel! Als wenn ich das nicht wüßte!«

»Sag doch! In Ottos oder in Erichs Bett?«

»Bubi! Otto ist doch im Kriege, das hast du doch eben selber gesagt!«

»Na – und?«

»Dann liege ich also in Erichs Bett!«

Bubi schüttelt sich vor Lachen, er kriecht ganz in seine Kissen hinein. Aber des Vaters Stimme erreicht ihn doch: »Bubi!«

»Was denn, Vater?«

»Ich hab bei den Mädels noch nicht nachgesehen. Hilf mir mal raus aus dem Bett. Ich muß erst bei den Mädels nachsehen, ob sie zu Hause sind.«

»Die Mädels, Vater?«

Gereizt, ungeduldig: »Ja, hilf mir aus dem Bett. Mir ist ein bißchen schwindlig.«

»Aber die Sophie wohnt doch im Krankenhaus, Vater. Doch schon lange!«

»Ja, ist das eine Sache? Im Krankenhaus, ich will das aber nicht haben! Fünf Kinder hat man – und keines ist da!«

»Ich bin doch da, Vater!«

»Und wo ist Eva?«

»Eva ist schon vor einer ganzen Weile ins Bett gegangen, Vater.«

»Ich will nachsehen!«

»Laß mich nachsehen, Vater – du weckst sie ja bloß. Nachher erzählt sie es noch Muttern …«

Bubi schlüpft aus dem Bett und geht ins Nebenzimmer. Der Vater hockt halb in seinen Kissen.

Ich hätte selber gehen sollen, denkt er. Auf Bubi ist auch kein Verlaß.

Dann kommt Bubi zurück.

»Eva schläft, Vater.«

»Ist das auch bestimmt wahr?«

»Eva schläft ganz bestimmt. Sie schläft auf der Seite, sie schnarcht.«

»Na, denn is gut. Denn wollen wir auch schlafen. Gute Nacht, Bubi.«

»Gute Nacht, Vater! Schlaf auch schön.«

13 Gespräch im Dunkeln zu zweien

Gespräch im Dunkeln, zu zweien.

»Wat ick dir noch fragen wollte: Warum biste heute nachmittag nich jekommen, wie ick dir jewunken habe?«

»Vater war doch dabei!«

»So, dein Vater is dir also mehr als icke!«

»Und ich mußte Otto doch adieu sagen, Otto ist doch fort in den Krieg.«

»So, dein Bruder is dir also ooch mehr als icke!«

»Ich konnte doch nicht anders, Eugen, quäl mich doch nicht so! Du tust mir weh!«

»Jetzt wer ick dir mal was sagen, Mächen, von wejen weh tun un so! Wenn de von jetzt an nich kommst, wenn ick pfeife, weg von Vatern un Muttern un deine janze Mischpoke, denn roocht’s! Haste det vastanden?«

»Ja, Eugen!«

»Denn roocht’s, ha’ick jesacht!«

»Ja, Eugen!«

»Ja, Eugen, imma: ja, Eugen! Weeßte aber ooch, wie det is, wenn et bei mir roocht, haste da’n Bejriff von?«

»Ja, Eugen!«

»Wirste allet tun, wat ick dir sare?«

»Ja, Eugen!«

»Bin ick dir lieber als Vater un Mutter un Bruder?«

»Oh, Eugen! – Ja, Eugen!«

»Det hat wohl weh jetan? Sag doch: ja, Eugen.«

»Ja, Eugen!«

»Det soll dir noch viel weher tun – heute nacht bleibste hier bei mir …«

»Oh, Eugen, Vater …«

»Wat is Vater?! Wat is Vater?! Wat is Vater?!«

»Eugen!«

»Sag gleich, auf der Stelle sagste: ›Vater is’n Dreck.‹ Sag det oder – ick kenn mir nich vor Wut! Sag …«

»Vater ist ein Dreck.«

»Jut. Heute nacht bleibste hier bei mir.«

»Ja, Eugen.«

»Un wenn dein Oller dir morjen rausballert, kommste bei mir.«

»Ja, Eugen!«

»Du kommst doch jerne bei deinen Eugen?«

»Ja, Eugen.«

»Ick bin dir doch lieber wie Vater un Mutter?«

»Ja, Eugen.«

»Siehste, wie zahm de schon wirst? Solche wie dich, da nehm ick sechse von uff mir. Du sollst sehn, det jefällt dir noch. Du sollst sehen, ick jefall dir ooch noch! Jefall ick dir, Evchen …?«

»Ja, Eugen.«

»Dowe Nuß! Los, nimm deine Klamotten. Zieh dir an, hau ab bei deinen Ollen. Mach schnell, hörste?! Du ödest mir. Hauste ab?«

»Ja, Eugen.«

»Ick denk, du sollst hierbleiben?«

»Ja, Eugen.«

»Un jetzt willste abhauen?«

»Wie du willst, Eugen.«

»Na, denn hau ab, Dowe! Aba wenn ick pfeife …«

»Ja, Eugen, dann komm ich.«

14 Ein Zweifler und ein Gläubiger

Der Junge in Feldgrau sprang in großen Sätzen die Treppe hinauf, er nahm zwei Stufen auf einmal. An der Tür drückte er, ohne sich zu besinnen, den Klingelknopf mehrere Male, und noch ein paarmal, als nicht sofort geöffnet wurde. Er sah flüchtig die Schilder unter den Namen an, sehr viele Schilder, sehr große, aber nüchterne Schilder, schwarze Buchstaben auf weißer Emaille: »Justizrat Dr. Meier – Rechtsanwalt und Notar. – Geschäftsstunden von 10–1, 3–6. – Mitglied des Reichstags.«

Er näherte den Finger wieder dem Klingelknopf – da ging die Tür auf.

»Warum denn so eilig?« fragte der Öffnende mit tiefer Stimme. »Herr Justizrat ist jetzt doch nicht zu sprechen – ach, du bist es, Erich. Komm herein – ich sage dem Doktor gleich Bescheid.«

»Ich sag’s ihm selber!« rief Erich und lief schon in das Zimmer des Abgeordneten.

Der schwere, dunkle Mann las in einer Zeitung. »Ich wünsche jetzt nicht gestört zu werden«, sagte er, erkannte aber schon den Eindringling. »Ach, Erich! Erich in Uniform! Das hast du aber schnell geschafft! Ich höre, die Regimenter können sich vor Freiwilligen nicht retten. Wo bist du angekommen?«

»Bei einem Ersatzbataillon in Lichterfelde. Von dreitausend, die sich gemeldet haben, haben sie hundertfünfzig genommen!«

»Und dich darunter. Sehr schön. Ich habe es immer gesagt: Was du wirklich willst, führst du auch durch. – Und so hast du dich uns also in Uniform zeigen wollen, uns roten Genossen? Gut siehst du aus! Schneidig – was ja wohl das Höchste an Preußentum bedeutet.«

»Ich bin nicht gekommen, weil ich mich in Uniform zeigen wollte! So albern bin ich doch nicht, Herr Doktor!«

»Vielleicht ist das gar nicht so albern, Erich? Es muß für viele heute ein schönes Gefühl sein, die Uniform zu tragen. Ihr verteidigt uns doch, ihr wollt doch sogar für uns sterben!«

»Natürlich freue ich mich auch, daß ich Soldat bin. Aber doch nicht wegen der Uniform!«

»Und der Ton bei deinen Preußen – er gefällt dir? Anschnauzer waren doch sonst für dich, was das rote Tuch für den Stier ist! Oder wird nicht mehr geschnauzt …?«

»Doch«, gab Erich zu. »Es ist elend, manchmal kann ich mich kaum beherrschen. Und das Gemeinste ist nicht das Schnauzen, sondern das Spötteln und Triezen, wenn einer nicht so kann, wie er soll! Manche können doch wirklich nicht, die nie geturnt haben und so … Stundenlang geht es über die her, alle Tage!«

Der Abgeordnete sah aufmerksam in das erregte Gesicht. »Nun, mein Erich«, sagte er. »Ich hoffe, du kannst die Schnauze halten, wie man auf preußisch sagt. Die Kriegsartikel sind recht scharf, und Rebellion ist heute etwas Todeswürdiges. – Ich sagte dir wohl schon mal, daß du eigentlich ein Rebell bist«, setzte er hinzu. »Du wirst immer gegen jeden Zwang antoben, bis zur eigenen Vernichtung.«

»Ich kann aber jetzt die Schnauze halten, Herr Doktor!« rief Erich stolz. »Man kann alles, wenn die Sache es lohnt! Ich denke immer: Ein Vierteljahr werden wir nur ausgebildet, dann kommen wir doch an die Front und können kämpfen!«

»Vielleicht werdet ihr noch eher herauskommen, Erich. England hat uns jetzt auch den Krieg erklärt, weißt du es schon?«

»England auch?« rief der Junge bestürzt. »Aber warum denn? Unsere Vettern, gleichen Blutes, und der Kaiser ist ganz nahe mit denen verwandt! Warum denn?«

»Weil wir die belgische Neutralität verletzt haben. Sagen sie. Und das haben wir ja auch wirklich getan.«

»Aber England«, rief der Junge, »hat sich hundertmal in seiner Geschichte über Verträge hinweggesetzt! Es hat nie ein Papier geachtet, wenn es um ein Lebensrecht seines Volkes ging! Und jetzt ging es um unser Lebensrecht!«

»Sie sagen Christentum, und sie meinen Kattun!« zitierte der Abgeordnete, trübe lächelnd. »Sie sagen belgische Neutralität, und sie meinen unsere Flotte, unsere Kolonien!«

»Aber England besitzt fast ein Fünftel der Welt – was zählen da unsere paar Kolonien?«

»Ein reicher Mann ist nie reich genug. Wir werden es schwer bekommen, Erich. Sei dir klar, daß fast die ganze Welt Deutschland haßt.«

»Aber warum? Wir wollten doch in Frieden leben …«

»Weil wir zwiespältig sind. Weil sie uns nie verstehen. Sie wollen uns immer verstehen, aber Deutschland, mein Sohn, kann man nicht verstehen. Deutschland muß man lieben oder hassen.«

»Ja«, rief der Junge, »jetzt weiß ich wieder, warum ich hierherkam. Ich habe doch recht behalten, Herr Abgeordneter, Herr Mitglied des Reichstages, Herr Sozialdemokrat! Auch Sie lieben Deutschland – Sie haben doch für die Kriegskredite gestimmt, alle, einer wie der andere!«

»Ja«, gab der Abgeordnete fast verlegen zu. »Wir haben diesen Krieg gebilligt. Die Rede des Reichskanzlers war kläglich. Wenn er uns die Wahrheit gesagt hat, so hat er uns nicht die volle Wahrheit gesagt. Vieles blieb unklar …«

»Sie haben mit Ja gestimmt!«

»Österreichs Haltung ist zwiespältig. Der Kaiser redet von Nibelungentreue, aber der, dem wir zu Hilfe kamen, hat heute noch nicht an Rußland den Krieg erklärt. Die Herren in Wien möchten ihren kleinen Strafkrieg gegen Serbien führen, und wir dürfen uns für sie mit der Welt herumschlagen!«

»Und doch haben Sie ja gesagt!«

»Weil wir Deutschland lieben, jawohl, Erich. Es sind unendliche Fehler gemacht worden, vom Kaiser, von diesem philosophierenden Kanzler – von allen. Aber man läßt ein Kind nicht wegen Fehlern im Stich, man verläßt auch nicht seine Mutter … Wir haben mit Ja gestimmt. Wir konnten gar nicht anders. Das ganze Volk sagt ja, Erich. Und wir wollten auch nicht anders. Hoffentlich, hoffentlich sind unsere Regierenden im Kriege anders, als sie im Frieden waren …«

»Es wird alles anders«, sagte Erich.

Der Abgeordnete sah zweifelhaft darein. »Sie schleifen euch auf dem Kasernenhof wie früher, Erich. Sie werden sich auch in den Regierungsstuben nicht ändern. Erich, jetzt geht ein Wille durch das Volk, ein Glaube, ein Zusammenhalt! Wenn sie diese Stunde nicht nützen, wenn sie sich nicht ohne Dünkel in die Front eingliedern – wenn auch diese Gelegenheit ungenützt verstreicht, dann, Erich, kommt eine schreckliche Zeit. Dann bricht alles auseinander, dann ist es ganz vorbei mit ihnen. Heute glaubt alles an Deutschland, liebt alles Deutschland, aber wenn sie diesen Glauben, diese Liebe verlieren – was dann? Vielleicht nie wieder!«

»Wir werden ihn nicht verlieren«, sagte Erich. »Sie können uns schleifen, sie mögen dünkelhaft sein: Sie zählen ja nicht! Es sind bloß ein paar. Wenn ich sie auf dem Kasernenhofe schreien höre, denke ich immer, es ist mein Vater. Es ist seine Art zu brüllen, es sind seine Ausdrücke. Ich habe das so gehaßt, es war mir so unerträglich geworden, daß ich mich oft schon beim Klang seiner Stimme schüttelte!«

Er hielt einen Augenblick inne, dann sagte er leise: »Jetzt denke ich manchmal: Er kann auch nicht anders. Er ist so geworden. Im Grunde liebt er uns – auf seine Art!«

Der Abgeordnete schüttelte leicht den Kopf. »Das ist eine Entschuldigung, die wir nicht annehmen können, Erich. So könnte man jede Ungerechtigkeit, jede Gemeinheit freisprechen. – Aber es ist immerhin eine bemerkenswerte Wandlung bei dir, mein Sohn, ich sehe jede Stunde, es geht wirklich etwas vor im deutschen Menschen. Der verknöchertste Parteifunktionär, wandelt sich. Und es ist nicht bloß Hurra-Patriotismus. Möge es dauern, Erich. Und mögen sie die Stunde nicht versäumen. Vielleicht kommt sie nie wieder!«

15 In der Klasse – Rebellion und Abbitte

Die Obertertia tobte. Schon vor fünf Minuten hatte es zum Unterrichtsbeginn nach der großen Pause geläutet, aber kein Lehrer hatte sich bisher sehen lassen. Das kam in diesen ersten Wochen und Monaten nach Kriegsbeginn häufig vor. Weit über die Hälfte der Lehrerschaft war eingezogen worden, mit ein paar kümmerlichen Hilfslehrern (dienstuntauglichen) suchte man den Unterricht durchzuführen.

Die Jungen genossen die ungewohnte Freiheit mit vollen Zügen. Der Ausbruch des Krieges, der siegreiche Vormarsch der Truppen in Belgien, in Frankreich, alle diese Erfolge hatten ihnen einen nicht zu bändigenden Übermut gegeben. Ohne sich darüber klar zu sein, fühlten sie sich als die Vertreter einer Nation, die alle Völker der Erde besiegte, sie waren die Söhne und die Brüder von Helden. Wenn geflaggt wurde, wenn schon wieder die Glocken läuteten: Lüttich gefallen, Antwerpen eingeschlossen – so war das ihr Stolz, ihr Erfolg, ihr Sieg!

Der blasse, bebrillte Hilfslehrer aus dem Klassenzimmer nebenan steckte seinen Kopf flehend durch die Tür. »Jungen! Jungen!!«

»Seid doch mal still! Da will wer was!«

»Mein Bruder hat geschrieben, in einem Keller haben sie so viel Weinfässer gefunden …«

»Jungen! Meine Herren!«

»Seid doch mal still …«

»Sie haben einfach die Böden von den Fässern eingehauen …«

»Ruhe! sage ich. Ruhe!!« Der Hilfslehrer war zornrot.

»Unterrichten Sie denn jetzt bei uns, Herr – Professor?«

»Nein, aber ich möchte nebenan unterrichten. Und bei dem Krach, den ihr macht, ist das einfach unmöglich!«

»Hier macht doch keiner Krach!«

»Wer macht denn hier Krach? Ich nicht! Du etwa?«

»Sie machen hier allein Krach, Herr Professor!«

»Krach! Krach! Ist hier vielleicht einer, der Krach heißt?«

»Ihr solltet euch was schämen. Jungen! Ihr wollt deutsche Jungen sein?! Ein deutscher Junge gehorcht, wenn ihm etwas befohlen wird. Nur durch Gehorsam lernt man Befehlen!«

Aber der Unselige hatte sich völlig im Ton vergriffen, jetzt wurden sie bösartig.

»Sie haben uns gar nichts zu befehlen!«

»Warum sind Sie überhaupt nicht an der Front?«

»An der Front dürfen Sie befehlen!«

»Wer nicht kriegsdienstfähig ist, der hat gar nichts zu sagen!«

»Untaugliche haben das Maul zu halten!«

Der Hilfslehrer wurde kreideweiß. »Schämen …«, murmelte er. »Es ist häßlich …«

Er machte ein paar Schritte zum Pult, besann sich, drehte sich rasch um und verließ eilig die Klasse.

Einen Augenblick herrschte betretenes Stillschweigen, ein wenig schämten sie sich doch.

Dann rief eine grobe, im Stimmwechsel begriffene Stimme: »Der Deutsche sagt: Auf Wiedersehen – nicht adieu!«

Erstes Gelächter.

»Gott strafe England!« schrie ein anderer.

Zweites Gelächter.

»Und die Arschpauker!«

Tosendes Gelächter!

Ein paar fingen an zu singen, das Lied, das damals in aller Munde war, das Rachelied, das Zornlied: »Was schiert uns Russe und Franzos? Schuß wider Schuß und Stoß um Stoß!«

Mehr und mehr sangen es. Bis zu dem Kehrreim, den sie alle gemeinsam schmetterten, über die Bänke gelümmelt, mit den Pultdeckeln Takt schlagend, an den Klassenschrank gelehnt: »Wir haben alle nur einen Feind: England!«

»Ich bitte um Ruhe«, sagte eine leise, aber sehr deutliche Stimme vom Lehrerpult her.

Dort stand ihr Professor, jetzt der richtige, beim Gesang war er unbemerkt eingetreten. Ein älterer Mann mit hoher gebuckelter Stirn, die bläulichweiß glänzte, zurückgekämmt eine Mähne von rotflammendem Haar, in das sich schon graue Strähnen mengten. Die blauen Augen leuchteten. Professor Degener, Lehrer des Lateinischen und Griechischen, eigentlich ein Männchen Ende der Fünfzig, mit Spitzbauch und ziemlich lächerlich gekleidet.

»Auf eure Plätze!«

Sie schoben sich verlegen durch die Gänge, sie grobsten sich halblaut an: »Mach doch Platz, Schafskopf!«.

»Selber Schafskopf, schlaf bloß nicht ein.«

»Das gibt noch was!«

»Au Backe, wenn ich noch mal Karzer fasse, kriege ich das Konsilium!«

»Degener hat einen Rochus!«

»Die Klasse hat sich schmählich benommen«, sagte der Professor in eine tiefe, atemholende Stille hinein. Er war blaß vor Zorn, sein rotes Haar flammte. »Nicht allein ist es undeutsch, einem anderen ein körperliches Gebrechen vorzuwerfen.« Er sprach Deutsch nur, als übersetze er es aus dem geliebten Latein. »Es ist auch schmählich, bei allen Völkern des Erdballes, selbst bei den Engländern! Es ist überall schmählich. Herr Kandidat Tulieb ist lungenleidend. Er müßte in einer Heilstätte sein, er unterrichtet euch, weil Not am Mann ist. Man kann nicht nur draußen auf dem Felde der Ehre sterben. – Oh, Schmach …!«

Er stand oben, flammend, sie saßen unten. Manche hielten die Köpfe gesenkt, andere sahen verloren zum Fenster hinaus. Aber es gab auch einige, die den geliebten, nun so zornigen Lehrer offen ansahen.

»Die drei«, sprach Professor Degener, »die sich am schuldbeladensten fühlen, werden sich jetzt in das andere Klassenzimmer begeben und sich vor versammelter Untertertia bei Herrn Tulieb entschuldigen. Sie werden ihn um Verzeihung bitten, wohlverstanden – keine Redensarten, Jungen, sondern Bekenntnis eurer Schuld und Reue. Reue!«

Er sah wieder über seine Klasse.

»Ich selbst werde jetzt das Klassenzimmer verlassen und erst nach fünf Minuten hierher zurückkehren. Unterdes wird die Klasse darüber einig geworden sein, welche Strafe sie sich selbst für ihr schmähliches Verhalten auferlegt …«

»Au Backe, das haut hin …«, flüsterte einer gedankenverloren.

»Fünf Minuten!« rief der Professor und lief, nach einem Blick über seine Schäflein, auf dünnen Beinchen unter dem Ostereierbauch aus dem Klassenzimmer.

»So ein Aas!« sagte einer bewundernd.

»Nicht diese Töne, Lieber«, sprach der nächste und schlug den ersten auf den Bizeps. »Degener hat ganz recht. Wer geht Abbitte leisten?«

Sie sahen sich verlegen an.

»Also erst mal ich«, sprach Hoffmann. »Dann – du, Hackendahl?«

»Meinethalben! Aber ich rede nicht.«

»Und ich!« sprach Porzig.

»Nein, du nicht. Porzig. Du mußt hier über unsere Gesamtstrafe beraten. Aber denkt was Vernünftiges aus, daß Rotkopp zufrieden ist – es muß schwer sein! – Komm du lieber mit, Lindemann.«

Sie gingen eilig. Sie klopften an. »Herein!« krähte der Kandidat Tulieb. Aber als er die drei erkannte: »Ich fordere euch auf, sofort dieses Klassenzimmer zu verlassen!«

Die Untertertia sah schadenfroh auf die drei Büßer.

»Hoffmann und Hackendahl in Canossa!« rief einer ziemlich laut.

»Holt Schnee, es kniet sich kühler.«

»Herr Kandidat, wir kommen …«

»Wollt ihr nicht einmal jetzt gehorchen?! Ihr sollt dies Zimmer verlassen! Ich will euch nicht sehen …«

Er war kein edelmütiger Sieger, der Herr Kandidat Tulieb, nein, das war er nicht …

»Wir haben uns wie die Schweine benommen«, sagte Hoffmann rauh. »Wir bitten um Verzeihung …«

»Verzeihung, das ist leicht gesagt …«, sprach der Kandidat. »Ihr habt mich in meiner Ehre gekränkt …«

»Verzeihen Sie uns doch, Herr Kandidat!« rief Hackendahl. »Wir werden uns von jetzt an auch anständig benehmen!«

»Werdet ihr das?« Der Kandidat lächelte. »Ihr da von der Untertertia, seht her! Nehmt euch ein Beispiel! Das sind die traurigen Folgen des Ungehorsams …«

Die drei stöhnten nur: »Schwein …«

»Aber so leicht kommt ihr mir nicht davon. Hat Herr Professor Degener euch schon bestraft …?«

»Nein.«

»Natürlich. Er hat es mir überlassen! Ihr seid die drei Rädelsführer, ich sehe es euern Gesichtern an … Ihr werdet mir jeder dreihundertmal den Satz niederschreiben: Sunt pueri pueri, pueri puerilia tractant … Übersetze mir das, du da!«

Heinz Hackendahl übersetzte: »Kinder sind Kinder, Kinder treiben Kindisches!«

»Kindereien, jawohl! So schätze ich euch ein! Geht!«

»Haben Sie uns verziehen, Herr Kandidat?« fragte Hoffmann vorsorglich.

»Wenn ihr den Satz dreihundertmal säuberlich geschrieben morgen hier abliefert, dann ja. Eher nicht. Das könnt ihr Herrn Professor Degener sagen.«

Die drei standen auf dem Gang, schweigend, grimmig.

»Ich habe wohl gesehen, wie du gewackelt hast, Hackendahl«, flüsterte Lindemann. »Du warst schön wütend.«

»War ich auch! Aber ich habe daran gedacht, daß man sich bei den Soldaten auch anbrüllen lassen muß, ohne die Miene zu verziehen. Ich habe nur ganz wenig gewackelt.«

»Merde, da haben wir dreihundertmal Abschreiben extra weg, und wir haben kein Wort gesagt!«

»Hauptsächlich war es Lange, das elende Schwein!«

»Na, jetzt hilft’s nichts mehr. Wollen hören, was die anderen unterdes ausgebrütet haben.«

Es war nichts Besonderes: Sie hatten beschlossen, einen Monat lang alle Sonntage auf den Stadtgütern bei der Ernte zu helfen, denn die Arbeitskräfte waren knapp und die Ernte weit zurück.

»Mäßig!« erklärte Hoffmann. »Ob Rotkopp das als Strafe ansieht?«

»Und ihr? Was habt ihr bei der Brillenschlange ausgerichtet?«

»Ach, reden wir nicht davon …«

Sie hatten auch keine Zeit mehr dafür, Herr Professor Degener bestieg das Katheder.

»Ist alles geregelt? Gut. – Nein, danke, ich wünsche keine Mitteilungen. Ich bin vollkommen überzeugt, daß ihr alles anständig erledigt habt. – Statt aber nun …«, sagte er und sah die Klasse an, »statt aber nun unsern Cäsar zur Hand zu nehmen, müssen wir etwas anderes tun. Die Klasse steht auf!«

Sie taten es.

»Haltung! Die Klasse hört: Auf dem Felde der Ehre fielen: Günther Schwarz, bisher Oberprimaner unseres Gymnasiums, Grenadier im 3. Garderegiment zu Fuß. Herbert Simmichen, Oberprima, Kriegsfreiwilliger bei der 15. Feldartillerie, 3. Batterie. Dulce et decorum est pro patria mori …«

Einen Augenblick Stille.

»Die Klasse setzt sich. Ich verlese euch jetzt die Berichte der Kompanieführer über den Tod eurer Mitschüler …«

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