Kitabı oku: «Der eiserne Gustav», sayfa 2

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6

Als der Vater so unerwartet zurückkommt, fährt der jetzt schon angekleidete Älteste, der Otto, auf seinem Fensterplatz schreckhaft zusammen. Angstvoll versucht er, Holz und Schnitzmesser zu verbergen, schon zehnmal hat ihm der Vater diese lächerliche Spielerei verboten: Pfeifenköpfe aus Holz schnitzen, oder kleine Tiere – eine Albernheit, die eines Mannes, der einmal einen Stall mit dreißig Pferden leiten soll, unwürdig ist!

Aber der Vater beachtet dieses Mal nicht die Unfolgsamkeit des Ältesten – er geht ohne Zögern auf das Bett von Erich zu, legt ihm die Hand fest auf die Schulter und befiehlt: »Wach auf!«

Der Schläfer bewegt sich, er versucht, seine Schulter dem harten Griff zu entziehen, die Augenlider zittern – aber er wird nicht wach.

»Du sollst wach werden, hörst du!« befiehlt der Vater lauter.

Erich versucht noch immer, sich in den Schlaf zurückzuretten, aber es ist umsonst. Die Hand des Vaters macht Schmerz, die Stimme des Vaters droht.

»Was ist denn los?« fragt Erich und reißt die Augen mühsam auf. »Schon Zeit für die Penne?«

Der Vater sieht dem Sohn wortlos in das erwachende Gesicht. Dann greift er mit einer Hand in das lange, blonde Haar des Schläfers, er zieht den widerstrebenden Kopf so nahe an den seinen, daß Stirn und Stirn sich fast berühren ... Die Augen sehen das zu nahe Gesicht nicht mehr, sie sehen nur das dunkle, feuchte Auge des anderen, so nahe – und in dem einen Auge ist Angst, in dem anderen aber ein dunkles, finsteres Glühen ...

»Was ist denn los?« fragt Erich wieder. Aber er fragt es ohne Mut, ohne Überzeugung.

Der Vater antwortet nicht, er hat im Auge des Sohnes schon das Geständnis gelesen, das Herz klopft ihm so schwer ...

Lange, lange bleibt er wortlos, dann hat er plötzlich, ohne es gewollt zu haben, doch leise gefragt: »Wo hast du das Geld gelassen ...?«

Die dunkle, nahe Pupille scheint sich eng zusammenzuziehen, hat der Sohn geantwortet? Der Vater weiß es nicht. Er reißt an den Haaren des anderen, er schlägt mit der Stirn des Sohnes gegen die eigene, wieder und wieder.

»Mein Geld!« flüstert er. »Dieb! Schlüsselfälscher!«

Der Kopf wackelt haltlos, er versucht nicht einmal, sich dem grausamen Griff zu entziehen.

»Wie stinkst du?« fragt der Vater wieder. »Nach Schnaps. Nach Huren – gibst du denen mein Geld?«

Wieder keine Antwort, ach, diese schlaffe, feige Nachgiebigkeit steigert den Zorn Hackendahls nur noch!

»Was denkst du, was ich mit dir tue?!« stöhnt er, fast sinnlos vor Zorn. »Zur Polizei ...! Ins Gefängnis ...?«

Keine Antwort.

»Was willst du?!« fährt Hackendahl zornig herum zu dem anderen, dem ältesten Sohn. »Misch dich nicht ein, du Tölpel!«

»Ich gehe in den Stall«, sagt Otto gleichgültig. »Soll ich für dich Futter ausgeben?«

»Du Futter ausgeben?!« ruft der Vater verächtlich und freut sich doch irgendwie über die Ablenkung, hat sogar den Sohn Erich aus dem Griff entlassen. »Das gäbe was Rechtes! Nein, geh voran, ich komme gleich nach.«

»Jawohl, Vater«, sagt Otto gehorsam und geht aus der Stube.

Der Vater sieht der schwerfälligen Gestalt nach, dann wendet er den Blick und sieht wieder auf Erich, der jetzt aufgestanden ist und blaß, mit verzogenem Gesicht, auf der anderen Bettseite steht.

»Und was hast du zu sagen?« fragt er und versucht, sich wieder in Zorn zu bringen. »Mach schnell – du hörst, ich habe zu tun. Ich muß Geld verdienen für meinen Herrn Sohn zum Stehlen, Versaufen, Verhuren ...«

Der Sohn sieht den Vater von unten her an, seine Lippe zittert, als wollte er weinen. Aber er weint nicht, und jetzt, da er aus dem Griff des Vaters ist, das Bett als Deckung zwischen ihnen steht, spricht er auch. »Ich will auch was vom Leben haben ...«, sagt er.

»Häh? Willst du das?« ruft der Vater zornig. »Und was gibst du dem Leben? Wenn man was haben will, muß man auch was geben!«

Er sieht den Sohn an. Dann sagt er verächtlich: »Aber du bist ja ein Dieb, du stiehlst ...«

»Ich will so nicht leben«, sagt der Sohn mürrisch und streicht die Haare aus der schmerzenden Stirn. »Immer nur Penne und Schularbeiten, und wenn ich eine halbe Stunde fort will, habe ich dich zu fragen, und du lauerst mit der Uhr, daß aus dreißig Minuten auch keine einunddreißig werden.«

»Kannst du so nicht leben? Als ich so alt war wie du, war ich Knecht beim Bauern. Ich habe morgens um drei aus dem Bett gemußt, und wenn ich mich Klock neun zur Nacht hinlegte, fühlte ich keinen Knochen mehr, so tot war ich! Du kannst nicht leben mit fünf Schulstunden, mit heilen Kleidern und gutem Essen – so kannst du nicht leben?!«

»Aber ich bin kein Bauernknecht! Ein Schüler lebt nicht wie ein Knecht! Und die Zeiten sind auch anders geworden, Vater!«

»Ja, die sind freilich anders geworden! Es sind Zeiten geworden ohne Respekt und Ehre! Vor dem Schloß haben die Roten spektakelt und ihr Recht vom Kaiser gefordert. Ihr Recht! Du bist wohl auch so ein Roter geworden und willst mir dein Recht auf Nachschlüssel und gestohlenes Geld beweisen?!«

»Wenn du mir nie einen Groschen in die Hand gibst, Vater!« antwortete der Sohn trotzig. »Jawohl habe ich ein Recht, so zu leben wie die anderen Gymnasiasten. Du hast mich in die Welt gesetzt und willst, daß ich studiere ... Dann gib mir auch, was dazu gehört! Aber du willst bloß tyrannisieren, du bist nur glücklich, wenn alle vor dir zittern. Du bist genau wie dein Kaiser: Wer nicht pariert, wird über den Haufen geschossen!«

»Erich!« rief der Vater tödlich verletzt. »Wie kannst du das sagen?! Will ich nicht euer Bestes? – Was redest du überhaupt?« fragte er, sich besinnend, ruhiger. »Du hast mir meinen Schlüssel gestohlen und heimlich einen falschen machen lassen, du hast mir mein Geld gestohlen – und das willst du verteidigen?! Da fällst du nicht auf die Knie und bereust und bittest? Ja, bist du denn ganz wahnsinnig geworden: Der Sohn bestiehlt den Vater, und nicht der Sohn, nein, der Vater soll schuld sein ...?«

Er sah sich hilflos in der Stube um. In seinem Bett der Heinz war nun doch von dem Lärm aus seinem festen Jungenschlaf erwacht, er saß aufrecht und sah den Vater an. Mit seinem altklugen, schnoddrigen Berliner Ton meinte er: »Reg dich bloß nich uff, Vater. Der Erich is ja nich normal, den haben se mit der Muffe gebufft, det weiß die janze Penne. Der is ja rot ...!«

»Rot!« schrie der Vater. »Mein Sohn rot! Ein Hackendahl Sozialdemokrat! Ja, weißt du denn nicht, daß der Kaiser gesagt hat, alle Sozialdemokraten sind Vaterlandsfeinde, und er zerschmettert sie!«

»Wenn die deinen Wilhelm bloß nicht zerschmettern!« sagte der Sohn böse. »Der kann ja bloß mit seinem Säbel rasseln!«

»Vater! Vater!« rief Heinz. »Laß Erich doch quasseln, der is ja verrückt!«

»Das will ich mal sehen!« schrie der Vater und drang über das Bett vor. »Ob mein eigener Sohn ...«

Er griff nach ihm, der Sohn wich aus ...

»Friedlich, immer friedlich!« rief Heinz in seinem Bett ...

7

»Hört euch bloß diesen Lärm an!« klagte die Mutter und schob sich in das Zimmer der Mädchen. »Und das schon am frühen Morgen! Vater kann doch nie Ruhe halten – er denkt immer, er ist noch in seiner Kaserne ...«

Eva saß aufrecht in ihrem Bett, mit interessiertem, fast vergnügtem Gesicht lauschte sie auf den Lärm. Sophie aber hatte die Decke hoch über die Schultern gezogen und tat, als höre sie nichts, nicht einmal die klagende Mutter.

»Sophie!« sagte die Mutter flehend zu ihr. »Auf dich hört Vater doch am ehesten. Geh mal hin und beruhige ihn – und horch, was eigentlich los ist. Was hat er bloß mit Erich – er hat sich schon im Schlaf mit ihm gestritten! Sophie! Bitte!!«

»Ich will nichts mit eurem Streit und Unfrieden zu tun haben!« rief Schwester Sophie, setzte sich auf und sah mit blassem, zuckendem Gesicht die Mutter an. »Oh, ihr quält mich ja so! Ich halte das nicht mehr aus! Immer Streit und Klatsch – ja, wofür lebt man denn?«

»Fürs Kirchegehen doch!« rief Eva spöttisch. »Für den Herrn Pastor Rienäcker. Gott, was hat der Mann für einen schönen Bart! Da kann es einem ja gar nicht langweilig werden in der Kirche ...«

»Mit dir rede ich überhaupt nicht!« sagte die Ältere zornig. »Oh, wie gemein bist du! Du denkst, weil du ... Aber ich will dir nichts Böses nachreden, Gott verzeih mir die Sünde, daß ich es mache wie du ...«

»Streitet euch doch bloß nicht, Kinder!« bat die Mutter jammernd. »Wir könnten uns doch alle so schön vertragen. Wir könnten unser gemütliches Leben führen, aber nichts, immer nur Streit und Zank ...«

»Nein, Mutter«, sagte Sophie entschlossen. »Das ist es ja gar nicht, das gemütliche Leben, wie du es dir denkst, alle Sonntage nach dem Eierhäuschen oder nach Hundekehle. Ihr denkt, das ist schön. Aber das findet ihr bloß schön, wir Jungen, und darin muß ich Evchen und Erich recht geben, wir finden schön anders ...«

»Danke, Fräulein Tugend«, sagte Eva spöttisch. »Ich brauch deine Hilfe nicht. Ich kann allein Mutter sagen, was ich will. Und so wie Erich, erst um ein Uhr nachts betrunken nach Haus kommen und Vater sein Geld klauen ...«

»O Gott, o Gott!« jammerte die Mutter. »Das wird Erich doch nicht getan haben! Wenn Vater das erfährt, schlägt er ihn tot! Er kann ja von mir Geld haben ...«

»Aber, Mutter«, rief Sophie entsetzt, »hinter Vaters Rücken darfst du Erich doch kein Geld geben. Ihr müßt doch zusammenhalten als Eltern, ihr seid doch ein Ehepaar ...«

»Wenn ich solchen Quatsch bloß höre!« sagte Eva verächtlich. »Das ist auch solches Pfaffengeschwätz! Lieber soll der Erich Geld klauen ...«

»Wozu braucht er denn Geld?« redete Sophie hitziger dagegen.

»Aber ich will dir sagen, was mit dir ist, Sophie!« fuhr Eva böse fort. »Du hast dich hier von allem gedrückt. Du läufst lieber mit 'nem Unterschieber von Erster-Klasse-Patienten, als daß du Vaters Nachtpott leer machst! Da kommst du dir wer weiß wie fein vor, da bildest du dir ein, der liebe Gott gibt dir 'ne gute Zensur, und du kriegst den ersten Platz im Himmel ...«

»Mutter!« rief Sophie weinend. »Laß sie nicht so gemein reden, ich halte das nicht aus ...«

»Ja, die Wahrheit zu hören, dafür bist du zu fein, aber uns die Wahrheit zu sagen, dafür bist du nicht zu fein!«

»Und ich mache es nicht mehr mit!« rief Sophie entschlossen und wischte sich die Tränen mit dem Nachthemdärmel vom Gesicht. »Ich habe es nicht nötig. Heute noch spreche ich mit der Frau Oberin, und heute abend noch ziehe ich mit Sack und Pack in das Mutterhaus!«

»Sophie!« rief die Mutter flehend. »Tu bloß das nicht! Vater erlaubt es nie! Du bist doch unsere Tochter, und wir sind eine Familie und gehören zusammen ...«

»Jawohl, zum Streiten gehören wir zusammen!« sagte Eva zornig. »Sophie hat ganz recht, sie soll machen, daß sie wegkommt! Und ich gehe auch bald. Jeder muß sehen, wo er bleibt, und das mit Familie und Elternliebe und Geschwistern – das ist alles bloß Unsinn!«

»Aber, Evchen, sage doch das nicht! Wir lieben uns doch untereinander ...«

»Gar nicht lieben wir uns!« rief Eva trotzig. »Nicht ausstehen können wir uns ...«

»Sage doch bloß das nicht, Evchen!«

»Ich höre mir das nicht mehr an«, sagte Sophie entschlossen ... »Daß du so redest, das zeigt, daß du überhaupt keinen Glauben mehr hast, du nicht und der Erich auch nicht. Und wenn du hier weg willst, so tust du es nur, weil du zügellos sein willst. Ich habe es schon lange kommen sehen, und ich brauche dich gar nicht zu treffen mit Kavalieren Arm in Arm, pfui Teufel! Ich habe es schon gewußt, wie du immer auf den Rummelplatz gelaufen bist und hast dich schon mit dreizehn von den Bengels freihalten lassen auf dem Karussell!«

»Neidisch bist du, weil dich nie einer angesehen hat, Sophie!«

»Vertragt euch doch wieder, Kinder!«

»Und nicht geschämt hast du dich, wenn dein Rock vom Wind hochgeflogen ist, daß man sogar die Häkelspitzen von deiner Hose sah!«

»Grade schön!«

»O Gott, Kinder, helft doch!« jammerte die Mutter. »Hört doch nur! Ich glaube, der Vater schlägt den Erich noch tot ...«

8

»Chef verschlafen?« fragte der alte Futtermeister Rabause, saß auf der Futterkiste und klopfte mit den Pantinen gegen das Holz. »Wird Zeit zum Füttern ...«

Zwanzig Pferde hatten die Köpfe nach dem eintretenden Otto gedreht und leise, erwartungsvoll gewiehert. Aber sie kannten ihren Herrn, den Bringer der Nahrung, sie wußten, Otto war es nicht. So wandten sie die Köpfe enttäuscht wieder fort, scharrten im Stroh, klirrten mit den Halfterketten – und nur der Schimmel klopfte emsiger mit dem Huf.

»Kommt gleich«, antwortete Otto und setzte sich neben Rabause auf die Kiste. »Ist schon lange wach.«

»Warum hat er dann seinem Schimmel noch kein Futter geschüttet?« wundert sich der Meister. »Er ist sonst doch immer auf dem Kien.« Er lachte. »Der Chef denkt, ich merke es nicht, aber ich merke es doch.«

»Das geht uns nichts an, Rabause«, sagte Otto. »Es sind Vaters Pferde und Vaters Futter, damit kann er machen, was er will.«

»Sage ich denn was anderes, Ottochen?« fragte der alte Rabause. »Ich sage bloß, er füttert heimlich, und das ist wahr. Seine Lieblinge hat der Chef eben doch, er mag noch so sehr tun, als ob es nur nach der Gerechtigkeit geht.«

»Davon weiß ich nichts«, sagte Otto abweisend. »Ich tu, was Vater will.«

»Genau, was ich sage. Ottochen«, grinste der Alte. »Du bist aber auch nicht sein Liebling.«

Eine Weile saßen sie stumm auf ihrer Kiste. Dann räusperte sich Rabause, stieß Otto an und fragte: »Du, Otto, hast du mir den Pfeifenkopf geschnitzt?«

»Ich bin noch nicht dazu gekommen«, sagte Otto. »Sie wissen, ich muß so aufpassen, Vater will es nun mal nicht haben.«

»Mach ihn auch recht schön«, bat Rabause. »Es muß mein Ajax werden, wie ich ihn sieben Jahre gefahren habe, du weißt, eine Blesse über das halbe Maul.«

»Ich mach das schon«, sagte Otto. »Ich muß nur erst mal Zeit haben.«

»Siehste, Otto – nun hast du doch wieder vergessen, mich daran zu erinnern, daß ich Sie zu dir sage. Du weißt, der Chef hat mir das Du streng verboten.«

»Ich habe es nicht vergessen, ich mag es Ihnen nur nicht immer wieder sagen.«

»Das ist es ja gerade!« rief der Futtermeister eifrig. »Wenn Sie selber es wollten, daß ich Sie zu Ihnen sage, dann würde ich es auch nicht immer vergessen. Aber du willst es eben nicht.«

»Sie haben eben wieder du gesagt, Rabause!«

»Siehste! Dein Vater hat ganz recht, das ist keine Sache, wenn der Futtermeister zum Sohn vom Chef du sagt. Du bist doch keine zehn Jahre mehr, wie damals, als ich zu euch kam, du bist jetzt fünfundzwanzig ...«

»Vierundzwanzig.«

»Also vierundzwanzig.« Der Futtermeister klopfte nachdenklich mit den Füßen gegen die Kiste. »Vierundzwanzig – da mußt du vielleicht noch mal Soldat spielen ...«

»Ich Soldat? Nein, damit bin ich durch, einmal ist genug.«

»Aber wenn es jetzt einen Krieg gibt?«

»Es gibt doch keinen Krieg!«

»Hast du denn gestern nicht die Extrablätter gelesen? Die Serben haben doch den österreichischen Kronprinzen totgeschossen – paß auf, es gibt einen Krieg.«

»Was haben wir denn mit den Serben zu tun? Wo wohnen die überhaupt?«

»Weiß ich auch nicht genau. Ottochen, irgendwo da unten ...« Er wies unbestimmt in den Stall.

»Sehen Sie! Darum kann es doch keinen Krieg geben.«

Wieder schwiegen sie eine Weile. Dann fing der Futtermeister neu an: »Wenn jetzt aber der Chef nicht gleich kommt ... Ich muß doch füttern. – Die Taxen müssen pünktlich raus. – Willst du nicht mal rübersehen, Ottochen?«

»Der Vater hat gesagt, er kommt gleich.«

»Oder ich rufe ihn selber, wenn du Angst hast, Ottochen.«

»Lassen Sie's man lieber, Rabause, Vater wird schon kommen.«

»Was ist denn? Dicke Luft?« Otto nickte.

»Schon wieder? Am frühen Morgen? Wegen was denn?«

»Ach, nichts ...«

»Hat wohl wieder mal ein Topf in der Küche nicht richtig gestanden? Der Chef macht es aber auch zu schlimm, sich macht er kaputt und die andern mit! Du hast auch schon gar keinen Mumm mehr in dir, Ottochen.«

»Ach, ich halt's schon noch 'ne Weile aus. Aber ganz schön wäre es ja, es gäb einen Krieg, und ich käme raus aus dem Haus. Ich möchte auch mal meine Ruhe haben und nicht immer angeschnauzt werden.«

»Die schnauzen aber auch bei den Preußen, Ottochen.«

»Aber nicht wie Vater ...«

»Da!« rief Rabause. »Da haben wir schon den Krach! Komm, Ottochen!«

Und er lief zur Stalltür.

»Wollen wir nicht lieber hierbleiben?« fragte Otto unschlüssig. Dann aber ging er doch dem Futtermeister nach aus dem Stall.

9

Über den Hof kam der alte Hackendahl, er stieß den Erich, der nur in Hemd und Hose war, vor sich her. Aus den Fenstern spähten die erschrockenen, die neugierigen Gesichter der Frauen. Der Sohn hatte es mit seinem Trotz geschafft: Er hatte den Vater um alle Besinnung gebracht.

»Ein Student willst du sein?!« schrie der Alte und stieß Erich, daß er taumelte. »Ein Furz bist du in meinen Augen! Ein Garnichts! Ein Dieb!!«

»Ich lasse mir das nicht gefallen!« rief Erich. »Ich will ...«

»Herr Chef! Herr Chef! Bitte, Sie wecken die Nachbarn!« bat der alte Futtermeister erschrocken.

»Sehen Sie ihn sich an, Rabause!« rief der ehemalige Wachtmeister erbittert. »Der Herr Sohn verludert achtzig Mark in einer Nacht – und sagt noch, er hat ein Recht darauf! Stillgestanden, du, wenn dein Vater mit dir redet! Aber ich will dir zeigen, wer Herr ist in diesem Hause! Heute noch melde ich dich ab vom Gymnasium ...«

»Das tust du nicht, Vater!«

»Das tu ich. Ich schwöre dir, daß ich es tu, heute noch!«

»Herr Chef, Herr Chef, beruhigen Sie sich, überlegen Sie doch! – Rede deinem Vater doch auch zu, Ottochen!«

»Vater ...«

»Vater!«

»Jawohl, Vater! Jetzt kannst du Vater schreien, wo es zu spät ist! Aber es hat sich ausgevatert mit dir, Bürschchen, jetzt bin ich nur dein Herr – und ich werde dafür sorgen, daß du parieren lernst!«

»Herr Chef ...«

»Jawohl, Herr Chef, jetzt bin ich sein Chef! Marsch mit dir in den Stall, von heute an bist du Stallknecht, und ich schwöre dir, du sollst soviel auszumisten und zu putzen kriegen ...«

»Das tue ich nie, Vater! Lieber laufe ich fort, ehe ich eine Mistgabel anrühre!«

»Herr Chef, besinnen Sie sich doch, so ein heller Kopf ...«

»Für was helle? Für Diebstahl! Nichts da, du gehst jetzt in den Stall, Erich!«

»Ich gehe nicht in den Stall!«

»Du gehst in den Stall!«

»Nie!«

»Du verweigerst deinem Vater den Gehorsam?«

»Ich gehe nicht in den Stall, ich fasse nie eine Forke an!«

»Erich! Treib es nicht zum Äußersten! Geh in den Stall, tu die Arbeit, gehorche – und wir wollen nach einem Jahr sehen ...«

»Ein Jahr? Nicht eine Stunde, Vater, nicht eine Minute!!!«

»Du tust es nicht?«

»Nie!«

Der Vater stand nachdenkend, fast ruhig.

»Ottochen, red du dem Erich zu«, bat der alte Rabause. »Er soll vernünftig sein. Es wird ja nicht ein Jahr dauern müssen, dein Vater wird auch mit einem Monat zufrieden sein, mit einer Woche – er muß nur erst den guten Willen sehen.«

»Erich ...«, bat Otto schwerfällig ...

»Ach, sei du bloß still!« rief Erich böse. »Du Schlappschwanz – weil du immer gekrochen bist, ist Vater bloß so geworden!«

»Komm!« sagte der Alte, der nichts gehört zu haben schien. »Komm!«

Er legte dem Sohn die Hand um den Arm. »Los!«

»Ich gehe nicht in den Stall!« widerstand der Sohn.

»Komm!« sagte der Vater. Er zog den Sohn mit sich. Es ging wieder auf das Haus zu. »Bring mir die Kellerschlüssel, Otto!« rief der Vater.

Otto lief.

»Was ...?« fragte Erich verwirrt.

»Komm!« sagte der Vater.

Sie kamen zurück in das Haus, aber sie stiegen nicht die Treppe zu dem Obergeschoß empor, es ging in den Keller hinab.

»So«, sagte der Vater und stieß eine Kellertür auf. »Hier bleibst du, bis du dich besonnen hast. Ich schwöre, ich lasse dich nicht eher raus, Erich, bis du dich gefügt hast.«

»Hier ...?« fragte Erich ungläubig und sah in den schwarzen, dunklen, vergitterten Keller. »Du willst mich hier einsperren ...?«

»Hier bleibst du so lange, bis du dich besonnen hast. Ich gebe nicht nach!«

»Das tust du nicht, das darfst du nicht tun, Vater!«

»Das tue ich! Gib den Schlüssel, Otto! Geh rein, Erich. – Oder willst du gehorchen und im Stall arbeiten?«

»Vater!« bat der Sohn und hielt sich am Türrahmen fest. »Vater, höre doch, um Gottes willen, gib einmal nach! Ich bin vielleicht leichtsinnig gewesen, ich verspreche dir, ich will mich ändern ...«

»Gut, ändere dich, geh in den Stall!«

»Nie!«

»Also rein mit dir!«

Mit einem Ruck schob der Vater den Sohn in den Keller, die Tür schlug zu. Von innen warf sich der Sohn dagegen. »Vater! Vater ...!«

Der Vater schloß ab.

Fäuste trommelten von innen. Eine beinahe unkenntliche Stimme schrie: »Tyrann! Schinder! Henker!«

»Komm füttern, Otto«, sagte der Vater und ging.

»Du bist zu hart, Vater«, flüsterte Otto.

»Wie?!« rief der Vater und blieb stehen. (Der im Keller Eingesperrte schrie weiter.) »Wie?! Und ist er etwa nicht hart zu mir!« Er sah den Sohn streng an. »Tut es mir nicht weh? Komm füttern, Otto!«