Kitabı oku: «Hypnose und Achtsamkeit in der Psychoonkologie», sayfa 8
5.5.1Mit SPIKES, NURSE und WWSZ resonanzbasiert vorgehen
Rund um das Thema »breaking bad news«, Überbringen schlechter Nachrichten, gibt es umfangreiche Literatur und empfehlenswerte Fortbildungsangebote mit konkreten Übungsmöglichkeiten. Im gegebenen Rahmen setzen wir drei Modelle mit unserem Vorschlag eines resonanzbasierten Vorgehens in Beziehung:
•das SPIKES-Schema (Baile et al. 2000) im Hinblick auf Befund- und Diagnosemitteilungen
•das NURSE-Schema (Back et al. 2005) zum Umgang mit Emotionen
•das WWSZ-Schema (Langewitz 2011) für eine patientenzentrierte Kommunikation.
Exkurs: SPIKES, NURSE, WWSZ im Überblick
SPIKES-Schema zum Ablauf von Befund- und Diagnosemitteilungen
S – Setting: Das Gespräch sollte in einem möglichst ungestörten und angemessenen örtlichen und zeitlichen Rahmen erfolgen. Gegebenenfalls sind Angehörige und Vertreter anderer Berufsgruppen (z. B. Bezugspflegeperson) hinzuzuziehen.
P – Perception: Als Ausgangspunkt für das Gespräch dienen die Wahrnehmung und Einschätzung der aktuellen Situation durch den Patienten. Als erster Schritt muss diese erhoben werden
I – Invitation: Einholen der Einladung bzw. des Auftrags des Patienten, ihm jene Informationen zur Verfügung zu stellen, die seinem Informationsbedürfnis entsprechen, das es in diesem Schritt zu erheben gilt
K – Knowledge: Vermitteln von Wissen und Informationen auf eine diesem Auftrag und den Möglichkeiten, Bedürfnissen und Wünschen des Patienten angepasste Weise
E – Exploring Emotions, Empathy: Angemessene Berücksichtigung der Gefühle des Patienten und empathisches Mitschwingen (Resonanz)
S – Summary: Zusammenfassung und Ausblick. Rückversicherung, was beim Patienten angekommen ist.
NURSE-Schema zum Umgang mit Gefühlen des Patienten
N – Naming: Emotion identifizieren und als Vorschlag benennen
U – Understanding: Verständnis für die auftretenden Gefühle vermitteln
R – Respect: Rückmeldung im Sinne einer respektvollen und wertschätzenden Akzeptanz für die emotionalen Reaktionen. Rückmeldung, dass die Gefühle angemessen sind und es ebenso angemessen ist, sie zu zeigen und auszudrücken
S – Support: Unterstützung in allen möglichen Formen anbieten. Erheben und Aktivieren aufgabenbezogener vorhandener Ressourcen. Unmittelbares Angebot zusätzlicher Ressourcen bzw. Hinweis auf entsprechende Angebote
E – Exploring: Erforschen der Emotion durch genaueres Nachfragen.
WWSZ-Schema der patientenzentrierten Kommunikation
W – Warten, dem Patienten Raum geben, sich zu äußern; dazu Pausen entstehen lassen
W – Wiederholen des Gesagten
S – Spiegeln
Z – Zusammenfassen.
Bei der Umsetzung dieser didaktischen Schemata in die Praxis besteht im schlimmsten Fall das Risiko, dass die einzelnen Schritte herzlos abgespult und abgehakt werden. Das Konzept eines resonanzbasierten Vorgehens soll dieser Gefahr entgegenwirken, indem es dazu beiträgt, den Sinn dieser Kürzel vertieft zu verstehen, sie mit Leben zu füllen und mit Mitgefühl umzusetzen.
Zum SPIKES-Schema
Setting: Ein klarer und auch räumlich geschützter Rahmen des Gesprächs ist Grundvoraussetzung für Sicherheit. Ein angemessener zeitlicher Rahmen ist notwendig, um sich aufeinander einstimmen und auf einen Prozess einlassen zu können, Zeit zu haben, die Informationen ankommen zu lassen. In einem kontextbewussten Vorgehen wird man auch darauf achten, weitere für ein bestimmtes Thema relevante Personen möglichst frühzeitig mit einzubeziehen.
Perception: Das Erheben der derzeitigen Einschätzung des Patienten entspricht dem Prinzip des Abholens und würdigt die Bedeutung des subjektiven Krankheitskonzepts. Da viele Patienten im Internet recherchieren, sind auch diesbezügliche Detailinformationen zu berücksichtigen.
Invitation: Das Einholen der Einladung bzw. des Auftrags des Patienten, ihm die gewünschten Informationen zu geben, ist Ausdruck eines patientenzentrierten Vorgehens, ein Schritt, der selten explizit erfolgt. Zur Einladung gehört im Sinne der Bedürfnisorientierung auch die Klärung der diesbezüglichen Bedürfnisse des Patienten. Was ist ihm wichtig? Was genau will er wissen? Wie ausführlich soll die Information sein? Das Sichern einer grundsätzlichen und aktuellen Empfangsbereitschaft des Patienten ist Voraussetzung dafür, dass er mit den neuen Informationen in Resonanz gehen kann.
Knowledge: Die im vorherigen Schritt erfolgte Klärung des Auftrags gibt dem Arzt Orientierung, welche Informationen in welcher Ausführlichkeit gefragt sind. Sie werden möglichst in diesem Sinne vermittelt, in einer Sprache, die beim Patienten Resonanz findet.
Emotions & Empathy: Das Wahrnehmen der kognitiven und vor allem der emotionalen Reaktionen des Patienten durch den Arzt erlebt jener als empathische Einfühlung und Resonanz (»feeling felt«). Gefühle sind als Signale und Botschaften zu sehen, die es zu entschlüsseln gilt. Darauf geht das NURSE-Schema näher ein. Im Rahmen des SPIKES-Schemas sind Gefühle vordergründig auch als Signal zu sehen, bei der Vermittlung von Informationen zumindest kurze Zeit innezuhalten. Das Timing und der Rhythmus der Vermittlung bestimmen, ob Resonanz möglich wird und ob zwischen den Zeilen Vertrauen und ein Gefühl von Verbundenheit entstehen kann. Nur wenige Sekunden Pausen am richtigen Ort, ohne viele Worte, ein mitfühlender Augenkontakt – all das kann wesentliche Weichen stellen.
Summary: Das Zusammenfassen und der gemeinsame Ausblick bilden in diesem Schema die letzte Rückkopplungsschleife. Die Frage, was beim Patienten angekommen ist, enthält implizit auch die Frage, womit er im Gespräch in Resonanz gegangen ist, und welche weiteren Resonanzen dies in ihm ausgelöst hat. Der Ausblick auf die nächsten Schritte und das kommende Gespräch sichert eine weitere Feedbackschleife im Sinne des diagnostisch-therapeutischen Zirkels.
Zum NURSE-Schema
Die Schritte des NURSE-Schemas sind – pointiert formuliert – nur durch die Achtsamkeit des Behandlers und ein resonanzbasiertes Vorgehen zu verwirklichen.
Naming: Die Emotion eines Patienten benennen zu können ist ein höchst komplexer Vorgang. Es bedarf der differenzierten Wahrnehmung der verbalen und nonverbalen Äußerungen der Patienten und der Empathiefähigkeit aufseiten des Beobachters. Diese betrifft die kognitive Ebene, ein Wissen darum, welches Gefühl als natürliche Reaktion auftauchen könnte, und das interpretierende Hören des verbalen Ausdrucks von Gefühlen. Die Empathiefähigkeit bedarf zudem der Resonanzbereitschaft und Resonanzfähigkeit, um mit den Gefühlen des Patienten in Resonanz zu gehen, dieser Resonanz nachzuspüren und sie in Worte zu fassen. Dafür müssen ein entsprechendes Vokabular und eine angemessene Sprache zur Verfügung stehen. Das Benennen von Gefühlen gibt dann dem Patienten eine Rückmeldung darüber, dass eine Resonanz erfolgt ist. Dies schafft Sicherheit und ein Gefühl, gesehen und verstanden zu werden. Als Hilfe zur Disidentifikation verstanden (S. 162 f.), schafft das Benennen Abstand und macht fassbar, was im Patienten gerade vorgeht.
Understanding & Respect: Verständnis und ein respektvoller Umgang mit den auftauchenden Gefühlen gibt Sicherheit, fördert Vertrauen und erfüllt damit Beziehungsbedürfnisse. Wenn Gefühlen eine wertvolle Bedeutung zugemessen wird, gibt das Orientierung. Das Auftauchen heftiger Gefühle kann man in der Regel als Hinweis darauf auffassen, dass es um wesentliche Bedürfnisse geht. Angst bezieht sich in diesem Kontext auf die Zukunft, auf eine Bedrohung der Erfüllung von Bedürfnissen. Trauer kann signalisieren, dass Menschen dabei sind, von der Erfüllung bestimmter Bedürfnisse Abschied zu nehmen.
Support: Die naheliegendste Quelle für Unterstützung ist eine gegenwärtige, resonanzbereite und resonanzfähige Person als Gegenüber. Diese sollte dazu in der Lage sein, sich sowohl auf die Gefühle des Patienten einzustimmen und mit ihm in Resonanz zu gehen als auch sich selbst zu regulieren. Dies kann den Patienten im Sinne einer Co-Regulation (S. 173) bei seiner Emotionsregulation unterstützen: Gelingende Zyklen der Co-Regulation schaffen einerseits Vertrauen in die Beziehung, stärken andererseits aber ebenso das Vertrauen in die Selbstregulation. Das Erleben, die Fassung wiedergewonnen zu haben, nachdem man sie verloren hat, kann dazu ermutigen, sich auch in Zukunft auftauchenden Gefühlen zu stellen, anstatt sie unterdrücken und vermeiden zu müssen. Die Kenntnis des Rasters der emotionalen Grundbedürfnisse kann dabei helfen, passende Unterstützungsangebote zu finden: Geht es mehr darum, Bindung, Autonomie, Kompetenz oder Sinnerleben zu fördern?
Exploring: Der diagnostisch-therapeutische Zirkel macht klar, dass das diagnostische Explorieren nur künstlich von dessen therapeutischen Wirkungen getrennt werden kann. Insofern beginnt das Erkunden schon beim ersten Schritt dieses Schemas, beim Benennen. Die Reaktion des Patienten verdeutlicht, ob er sich verstanden fühlt und im Sinne eines » … ja genau« einen Augenblick innehalten, durchatmen und sich zurücklehnen kann. Er könnte beispielsweise aber auch rückmelden, dass es nicht Angst sei, die aufgetaucht ist, sondern nur eine Sorge, die sich gemeldet habe. Aus einer explorativen Haltung können unterschiedliche Möglichkeiten angeboten werden, ein Gefühl zu verstehen, etwa in Form der Übersetzung des dahintersteckenden Bedürfnisses in einen Wunsch. Aus diesem Wunsch ergeben sich dann Unterstützungsmöglichkeiten.
Zum WWSZ-Schema
Auch die im Akronym WWSZ formulierten Schritte einer patientenzentrierten Kommunikation sind nur auf der Basis einer wertschätzenden und mitfühlenden Präsenz des Behandlers wirksam.
Nachdem der Arzt dem Patienten seine Sicht der Dinge erläutert hat, muss er warten. In unserer Sprache sollte er Raum geben oder, genauer gesagt, einen Raum eröffnen, in dem der Patient mit dem Gehörten in Resonanz gehen kann. Ein Raum, in dem er nachdenken und nachfühlen kann, was das in ihm auslöst. Ein Raum, in dem Suchprozesse nach dem möglich sind, was für ihn bedeutsam und wichtig ist. Ein Raum, in dem der Patient Worte finden kann, um das auszudrücken, was in ihm vorgeht, was ihn beschäftigt und was er vom Arzt braucht.
Hat er Worte gefunden, kann der Arzt diese wiederholen. Er macht damit deutlich, dass der Patient in ihm Gehör, Resonanz und Verständnis gefunden hat. In einer Feedbackschleife kann der Patient rückmelden, ob das Wiederholte dem entspricht, was er ausdrücken wollte.
Spiegeln ist eine umfassendere Rückmeldung dessen, was beim Arzt angekommen ist bzw. auf der emotionalen Ebene in Resonanz gekommen ist. Das Gespiegelte soll bereichernd wirken und dem Patienten dabei helfen, sich selbst besser zu verstehen. Das kann auch dadurch geschehen, dass bestimmte Signale dem Patienten erst durch die Rückmeldung bewusst werden.
Das Zusammenfassen ist eine letzte die Resonanz bestätigende und sichernde Rückkopplungsschleife.
5.5.2Pacing und Leading als Grundlagen resonanzbasierten Vorgehens
Wenn man das Herstellen einer gemeinsamen Wirklichkeit auf den dialogischen Austausch von Informationen reduziert, kann man diesen Informationsaustausch als einen sich wiederholenden Ask-Tell-Ask-Kreisprozess (Back et al. 2005) beschreiben: Stelle eine Frage, gib die gewünschten Informationen, und frage dann erneut nach: Was ist angekommen? Wie ist es angekommen? Was ist noch offen?
Aus hypnotherapeutischer Perspektive dienen das umfassendere Konzept und die Techniken des sogenannten Pacing und Leading dem Abholen des Patienten in seinem Sosein. Umfassender insofern, als es vom Grundverständnis auf das Herstellen eines gutenRapports (frz. rapport für »Beziehung, Verbindung«) abzielt und damit explizit auch den Beziehungsaspekt betont. Von der Technik her ist es umfassender, weil es auch nonverbales Verhalten miteinbezieht.
Definition: Pacing und Leading
Die Begriffe Pacing und Leading bezeichnen das Kernelement hypnotherapeutischer Kommunikation. Beide Aspekte sind untrennbar miteinander verbunden und bedingen einander wie Henne und Ei oder Ein- und Ausatmen.
Pacing umfasst alle Aspekte, durch die der Therapeut sich mit dem Ziel der Resonanz auf den Patienten einstimmt, sein Verhalten auf mehreren Ebenen mit jenem des Patienten abstimmt und sich ihm angleicht (engl. pace für »Schritt, Geschwindigkeit«). Nonverbal passt er etwa seine Körperhaltung, Stimmlage oder seinen Atemrhythmus an den Patienten an. Er verwendet eine ähnliche Sprache und greift Schlüsselworte auf. Er holt den Patienten möglichst bei dessen Vorwissen, Vorstellungen und Werten ab.
Während es beim Pacing um ein vielschichtiges Verstehen und Spiegeln des Gegenwärtigen geht, fokussiert Leading primär auf etwas für den Patienten Neues. Entsprechende Vorschläge bzw. Suggestionen (engl.: suggestion; frz.: suggestion für »Vorschlag«) laden dazu ein, eine bestimmte Richtung einzuschlagen. Der Therapeut achtet auf die Auswirkungen seiner Leading-Schritte und vergewissert sich immer wieder im Anschluss durch Pacing, wie weit der Patient den gegebenen Impulsen gefolgt und mitgekommen ist. Er holt ihn nach jeder Veränderung wieder ab.
Insofern sind Pacing und Leading untrennbar miteinander verwoben. Leading basiert immer auf Pacing, und jedes Pacing enthält immer auch Aspekte von Leading. Denn Patient und Therapeut können niemals in allen Aspekten übereinstimmen. Insofern sind Pacing und Leading nur theoretisch-didaktisch voneinander zu trennen. Als zirkulärer Prozess treten sie immer simultan auf. Der Therapeut nimmt abwechselnd Pacing oder Leading in den Vordergrund, wodurch das jeweils andere in den Hintergrund tritt.
Gelingendes Pacing ist ein Prozess, in dem Verstehen und Verständigung wie von selbst geschehen. Pacing ist Ausdruck von Resonanz und stellt sie her. Ganz automatisch ahmen wir Bewegungen und Körperhaltungen von Menschen nach, auf die wir uns einstimmen und mit denen wir in intensivem Austausch sind.
Bei der Mitteilung von schlechten Nachrichten könnten beispielsweise in einer bestimmten Phase des Gesprächs die Beteiligten mit nach vorn geneigten Oberkörpern und hängenden Köpfen, kaum mehr atmend und verstummend zu Boden blicken. Niedergeschlagenheit und Schwere sind für alle spürbar. Alle sind mit ihr und miteinander in Resonanz. Es wirkt verbindend, dies für einige Augenblicke zuzulassen und gemeinsam auszuhalten. Das wäre ein Beispiel für Pacing.
Im Sinne des NURSE-Schemas könnte einer der Behandler in einem nächsten Schritt versuchen, ein Wort für das geteilte Gefühl zu finden, das im Idealfall durch ein Nicken bestätigt wird. Das wäre ein erstes Leading (engl. für »Führen«). Dann könnte der das Gespräch leitende Arzt im Sinne der Achtsamkeitspraxis beispielsweise seine Fußsohlen am Boden spüren, um sich wieder zu erden, einen tiefen Atemzug nehmen und dabei seinen Oberkörper aufrichten. Das wäre ein nonverbaler Leading-Schritt.
Bei einem guten Rapport folgt der Gesprächspartner ganz automatisch und verändert seinerseits die Körperhaltung. Anschließend trägt vielleicht auch ein bestätigender und ermutigender Augenkontakt weiter zur Co-Regulation bei und lässt das Erregungsniveau weiter sinken. Dadurch kann sich das zuvor eingeengte Aufmerksamkeitsfeld wieder erweitern und sich auch das weitere Vorgehen mit einer erhöhten Aufnahmebereitschaft auf Ressourcen und Lösungen richten.
In der Hypnose wird Pacing – das Abholen des Patienten – oft nur als Voraussetzung dafür gesehen, ihn möglichst effizient in Richtung seiner Ziele zu führen (Leading). Pacing in dieser Form auf seine Funktion als Voraussetzung für das Wirksamwerden von Suggestionen in Leading-Prozessen zu reduzieren, wird seinem Wert aber keineswegs gerecht. Vielmehr ermöglicht das spiegelnde Angleichen in körperlich-emotionalen Dimensionen eine Einfühlung im engen Wortsinn und damit Resonanzerleben.
Voraussetzung für Pacing ist die eigene Präsenz und die Zuwendung zum Patienten. Das wiederholte Abholen des Patienten in seiner Welt und seinem Wertesystem signalisiert Wertschätzung und Empathie. Pacing dient dazu, den Patienten zu verstehen und seinerseits von ihm verstanden zu werden, indem man sich ihm innerlich und äußerlich ähnlich macht (Weerth 2005). Pacing in diesem Sinne ist der Weg, um mit dem Patienten in Resonanz zu kommen.
5.6Zweite Pyramidenstufe – Perspektivenwechsel: Annäherungsziele statt Vermeidung, die Kraft von Suggestionen nutzen
Eine therapeutische Allianz kann geschmiedet und tragfähig werden, wenn einerseits eine vertrauensvolle Beziehung zum Behandler, andererseits eine Übereinkunft über die angestrebten Ziele und die dafür eingesetzten Mittel besteht (Bordin 1979). Das gilt für die Psychotherapie ebenso wie für alle anderen Therapieformen im medizinischen Bereich.
Auf der zweiten Stufe unseres Pyramidenmodells geht es darum, einen Perspektivenwechsel anzuregen (Abb. 5). In der Medizin richtet sich alle Aufmerksamkeit auf das, was bekämpft und beseitigt werden soll, auf die Krankheit und ihre Symptome, insbesondere bei Krebs. Die medizinischen Ziele dieses Kampfes sind Vermeidungsziele, das heißt, etwas Negatives soll möglichst vollständig beseitigt werden. Dabei hält jeder noch so kleine verbliebene Rest die Aufmerksamkeit weiterhin gefangen, was Stress und Leiden hervorruft oder aufrechterhält. Dem Geist der hypnosystemischen Therapie entspricht es jedoch viel mehr, lohnende Ziele zu finden – sogenannte Annäherungsziele – und sich Schritt für Schritt auf sie zuzubewegen, anstatt nur auf die Verringerung von Negativem zu achten. Um individuell angemessene Annäherungsziele zu ermitteln und sich ihnen anzunähern, nutzt die Hypnotherapie in ausgefeilten Vorgehensweisen ganz bewusst und gezielt die Kraft der Suggestion – im Kontext formaler Trancen, aber ebenso in der »Alltagskommunikation«. Diesem Schwerpunkt widmet sich der folgende Abschnitt.
Abb. 5: Pyramidenmodell mit den Stufen einer therapeutisch wirksamen Kommunikation – die zweite Stufe
5.6.1Zuversicht vermitteln – weg von Vermeidungszielen, hin zu Annäherungszielen
Die Aufforderung, nicht an den sprichwörtlichen rosaroten Elefanten zu denken, bewirkt in der Regel, dass man an nichts anderes mehr denken kann als an eben dieses ungewöhnliche Tier. Der Versuch, bestimmte Gedanken oder Dinge zu vermeiden, führt meist zum Gegenteil dessen, was angestrebt wird. Jede diesbezügliche Anstrengung bindet und verstärkt die Konzentration auf das zu Vermeidende – denn Energie folgt der Aufmerksamkeit. In der psychoonkologischen Begleitung liegt die Problematik darin, dass leidende Menschen ihr Leiden und dessen Ursachen verständlicherweise beseitigen und/oder vermeiden wollen. Mit diesem Anliegen suchen sie Hilfe.
Bei einer wirksamen Schmerztherapie kann das Denkmodell, Vermeidungsziele durch ursächliche Bekämpfung des Leidens zu erreichen, durchaus zum gewünschten Effekt führen. Das gilt sowohl für die Perspektive der Ärzte als auch der Patienten. Dass es aber auch hier weiterführen bzw. notwendig werden kann, Annäherungsziele zu finden, zu formulieren und zu verfolgen, wird unter anderem in unserer Patientengeschichte »Eiskühle – statt wie mit dem Arm über einen Kaktus mit tausend Stacheln fahren« (S. 204 ff.) ausgeführt.
In der Psychotherapie ist das Formulieren und Verfolgen von Annäherungszielen generell sinnvoller und erfolgversprechender (Grawe 2004). Es führt weiter, sich darauf zu fokussieren und in der Therapie zu lernen, mit einer definierten Herausforderung immer besser umzugehen, anstatt keine Angst mehr vor etwas Bestimmtem haben zu wollen. Um diesen Weg einzuschlagen und durch Leading-Schritte unterstützt gemeinsam zu gehen, ist es zuvor unabdingbar, das bisherige Leiden und die bisherigen Bewältigungsversuche zu würdigen (vgl. Brunner 2016).
Vermeidungsziele oder Antiziele sind nie nachhaltig und endgültig erreichbar. Selbst wenn ein Problem erfolgreich abgewehrt oder gar beseitigt werden konnte, bleibt immer offen, ob es nicht irgendwie doch wieder auftaucht. Man kann nie ganz sicher sein. Vermeidungsziele entspringen Erfahrungen von Angst und Leiden. Sie sind mit einer Aktivierung der Stressachse verknüpft, mit der Aktivierung von archaischen psychoneurophysiologischen Mustern von Kampf oder Flucht, von neuronalen Netzwerken, welche die menschliche Spezies und ihre Vorfahren im Rahmen ihrer Evolution entwickelten. Die Aktivierung des sogenannten Behavioralen Inhibitionssystems (BIS) führt zu einer Einengung der Aufmerksamkeit auf den Feind bzw. die Gefahr (Abb. 6; Näheres auf S. 223 ff.). Man ist dann ständig auf der Hut, sucht nach Hinweisen auf mögliche Gefahren, indem man permanent jene Felder abscannt, wo sie drohen. Das kostet und bindet Energie. Diese Einengung verhindert, dass wir Positives wahrnehmen.
Annäherungsziele sollten grundsätzlich erreichbar sein, auch wenn sie noch in weiter Ferne liegen, wie beispielsweise das Ziel, wieder ganz gesund zu werden. Eine Hinwendung zu Annäherungszielen darf keineswegs mit dem Motto »Denke positiv, und alles wird gut« verwechselt werden. Diese Verheißung ist kontraproduktiv und wird in der Regel zu Ent-Täuschungen führen, wenn sich die Aktivität auf das Wunschdenken beschränkt. Manchmal kann aber auch ein »unrealistisches« Hoffen und Wünschen zur Ressource werden.
Abb. 6: Annäherungsziele und Vermeidungsziele (modifiziert nach Brunner 2017)
Auf dem Weg zu Annäherungszielen ist es von wesentlicher Bedeutung, dass jeder kleine Schritt weiterführt: Ein Weg von tausend Schritten bis zum Ziel beginnt bekanntlich mit dem ersten Schritt. Dann folgt der nächste und wieder der nächste – wohin und über welche Umwege er auch immer führen mag. Ob man sich dem Ziel tatsächlich nähert (oder sich von ihm entfernt), lässt sich erkennen, wenn man Zwischenziele erreicht, oder daran, dass man selbst bei starken Schwankungen eine Tendenz in die gewünschte Richtung bemerkt. Wenn man sich kleinen oder großen Zielen nähert oder sie erreicht, tauchen positive Emotionen auf, insbesondere wenn die gewünschten Veränderungen die Erwartungen übertreffen oder sich überraschend schnell einstellen. Diese Erfahrungen sind mit der Aktivierung neuronaler Netzwerke des Belohnungssystems bzw. des Behavioralen Aktivierungssystem (BAS; Abb. 6; Näheres auf S. 223 ff.) verknüpft. Dessen Aktivierung erweitert das Aufmerksamkeitsfeld, wodurch auch jene Informationen, die auf Verbesserungen, Erfolge und die Erfüllung wesentlicher Bedürfnisse hinweisen, wieder wahrgenommen werden können. Damit steigen die Chancen, zur Ruhe zu kommen und Zufriedenheit zu empfinden – zumindest für eine Weile.
Eine zentrale Aufgabe für eine therapeutisch wirksame Kommunikation liegt darin, die Aufmerksamkeit des Patienten auf positive Ziele zu lenken und individuelle Assoziationsfelder für das Behaviorale Aktivierungssystem (BAS) zu erschließen. Dies ist dann schwierig und eine Herausforderung, wenn durch die Aktivierung der Stressachse der Einfluss des Vermeidungssystems (BIS) mit psychophysiologischen Kampf-Flucht-Mustern oder mit dissoziativen Tendenzen zur Bewältigung leidvoll-überwältigender Erfahrungen dominiert.
Wenn es aber zumindest zeitweise gelingt, die Aufmerksamkeit des Patienten auf positive Ziele zu lenken, können Vermeidungsziele – die »rosa Elefanten« – bereits ein Stück in den Hintergrund rücken. Menschen vermögen die Fokussierung auf die Gefahr zumindest für kurze Zeit loszulassen, wenn sie sich ausreichend sicher oder gesichert fühlen. Ein resonanzbasiertes Beziehungsangebot trägt genau dazu wesentlich bei.
Die Hypnotherapie1 stellt ein großes Repertoire an Möglichkeiten zur Verfügung, sich auf die Suche nach Annäherungszielen zu begeben, wie die Wunderfrage (de Shazer 1988): Stellen Sie sich vor, es ist ein Wunder geschehen. Woran würden Sie dies am ehesten merken? Man kann sich dann in Trance vorstellen, dass man das Ziel bereits erreicht hat, und es im Wortsinne hautnah erleben. Anschließend könnte man beispielsweise herausfinden, welche eigenen Fähigkeiten es einem ermöglicht haben, auf dem Weg zu diesem Wunder den letzten Schritt zu gehen, den vorletzten usw. zurück bis zum ersten, kleinen Schritt in diese Richtung.
Die Erfahrung, wohltuende Zielzustände erreichen zu können, stärkt die Selbstwirksamkeitserwartung und erweitert die Aufmerksamkeit. Mit dem Zugang zu positiven Assoziationsfeldern können weitere Möglichkeiten und Ressourcen wahrgenommen und oft auch realisiert werden. Eine nach oben führende, immer weiter werdende Spirale kommt in Gang (S. 43). Das im Perspektivenwechsel des Patienten weg von leidvollen hin zu stärkenden Erfahrungen liegende Potenzial wird auf den obersten Stufen der Kommunikationspyramide in Hypnose und Selbsthypnose noch weiter und vertiefend ausgeschöpft (Abschn. 7.3).
Die Fragen, die man stellen kann, um Annäherungsziele zu finden, lassen sich im Feld der lösungsorientierten Therapien vielerorts nachlesen (z. B. bei Willutzki u. Teismann 2013). Aus hypnosystemischer Sicht geht es darum, dem Patienten durch diese Fragen zu einer persönlichen Recherche zu veranlassen, die man gemeinsam dialogisch gestaltet, bis beide mit dem Gefundenen zufrieden sind. Es empfiehlt sich, diese Fragen in einem inneren Zustand zu stellen, in dem das Annäherungssystem bereits so weit aktiviert ist, dass der Patient bereit und in der Lage ist, entsprechende Suchprozesse in dieser Richtung zu starten. Manchmal gelingt eine Aktivierung des BAS allein schon durch die mittels Fragen erzielte Umfokussierung der Aufmerksamkeit (Abschn. 7.3.3).
Für viele Menschen – insbesondere für Ärzte, die ihre Aufgabe primär darin sehen, den »Krebs« zu bekämpfen – ist es nicht nur ungewohnt, Annäherungsziele zu formulieren. Sie sind durch ihren gewohnten Fokus auf Probleme und deren Bekämpfung oft auch selbst so eingeengt, dass ihnen diese Umfokussierung sehr schwer fällt. So werden vermutlich alle, die keinen Kurs für therapeutische Kommunikation besucht haben, Formulierungen verwenden wie »Das tut jetzt nicht weh!« oder »Sie brauchen keine Angst zu haben!«. Sie sind sich in der Regel nicht bewusst, dass die von ihnen geweckte Vorstellung von »Weh« und »Angst« ziemlich große rosa Elefanten sind. Wenn man mit den entsprechenden Konzepten vertraut ist, wird man mit dem Ziel der Umfokussierung der Aufmerksamkeit weg von »Weh« oder »Angst« anders fragen: »Wo wären Sie jetzt gerne?« oder »Was würden Sie am liebsten machen, wenn es Ihnen wieder besser geht?«
Die Einladung zu einer Hypnoseerfahrung könnte lauten: »Glauben Sie, dass Sie jetzt erleben können, was Sie am liebsten machen würden?«. Unabhängig davon, ob sich an Krankheit und Symptomen etwas verändern lässt, kann man dem salutogenetischen Konzept des Kohärenzsinns folgend auch erheben, was ein Gefühl von Handhabbarkeit und Verstehbarkeit fördern und dazu beitragen könnte, ein Gefühl dafür zu entwickeln, dass sich das Engagement lohnt. In einer Psychotherapie kann man zudem gemeinsam gründlich erforschen, was die Resilienz der Betroffenen fördert und, vor allem, was ihre Lebendigkeit weckt und sie zum Aufblühen bringt (S. 50 f.).