Kitabı oku: «Alte Geschichte studieren», sayfa 7

Yazı tipi:

Literatur

Jürgen von Ungern-Sternberg Ungern-Sternberg, Jürgen von, CapuaCapua im zweiten punischen Krieg. Untersuchungen zur römischen Annalistik, Vestigia 23, München 1975, v.a. Kap. II und III.

2.3 Inschriften – die Epigraphik
2.3.1 Gegenstand und Geschichte

Die Griechen haben seit dem 8.Jahrhundert v. Chr. Inschriften auf dauerhaftem Material wie Stein und Metall (seltener KeramikKeramik oder Holz) hinterlassen, die Römer seit ca. 600 v. Chr. Überliefert sind uns diese Texte, im Unterschied zur Handschriftentradition, eher zufällig, und man findet sie rund um das Mittelmeer. Dabei konzentriert sich die Masse der griechischen Inschriften auf den Ägäisraum und die Zeit zwischen 300v. und 250n. Chr., die meisten lateinischen Inschriften befinden sich in Italien und stammen aus den ersten drei nachchristlichen Jahrhunderten. Gegenwärtig sind rund 250.000 griechische und 300.000 lateinische Inschriften aus dem Altertum bekannt, und man schätzt, dass pro Jahr ungefähr eintausend Neufunde in jeder der beiden Sprachen hinzukommen. Der Bereich der Inschriften ist also, anders als vor allem die literarische Überlieferung, ständig in Bewegung, unser Materialbestand wächst, und allein dadurch schon unser Wissen. Mit all diesen Texten beschäftigen sich die griechische und die lateinische Inschriftenkunde oder EPIGRAPHIK.

Streng genommen gehen die Anfänge dieser Disziplin in die griechische und römische Zeit selbst zurück: Nicht nur, dass die antiken Schriftsteller, allen voran natürlich die Historiker, gegebenenfalls auch inschriftliches Material für ihre Studien ausgewertet haben; selbiges wissen wir beispielsweise von HerodotHerodot (5,77), von CatoCato dem Älteren (bei Aulus GelliusAulus Gellius 2,28,6), oder vom kaiserzeitlichen Reiseschriftsteller PausaniasPausanias (z.B. 10,7,5–6). Schon ab dem HellenismusHellenismus wurden darüber hinaus richtiggehende Sammlungen von Inschriften angelegt, die heute leider allesamt nicht mehr erhalten sind: An erster Stelle zu nennen sind in diesem Zusammenhang die so genannten Epigrammata Attika von Philochoros von AthenPhilochoros von Athen (ca. 320–261 v. Chr.), und wenig später stellte der Makedone KraterosKrateros (wohl der Sohn des gleichnamigen Feldherren der Alexanderzeit) griechische Volksbeschlüsse zusammen, offenbar vornehmlich solche aus dem AthenAthen des 5. Jahrhunderts v. Chr. Unbekannt ist bei beiden Gelehrten, ob sie wirklich ‚am Stein selbst‘ gearbeitet haben. Diese geradezu moderne Vorgehensweise ergibt sich für den Reiseschriftsteller PolemonPolemon (2. Jh. v. Chr.) indessen ziemlich deutlich aus dem ihm beigegebenen Spitznamen Stelokopas (= Säulenklauber).

Im MittelalterMittelalter war das Interesse an antiken Inschriften eher begrenzt; immerhin liegt mit dem so genannten CodexCodex Einsidlensis aus dem 8./9. Jahrhundert eine bescheidene handschriftliche Auswahl von 80 lateinischen Inschriften aus Italien vor. Erst als der HumanismusHumanismus des 14. und 15. Jahrhunderts die antike Welt neu entdeckte, wurde auch der epigraphischen Überlieferung aus dem Altertum wieder größere Aufmerksamkeit zuteil. Dabei stand bereits damals hinter dieser Beschäftigung die Erkenntnis, dass das inschriftliche Material wertvolle Informationen zur Ergänzung der literarischen TraditionTradition bereithielt. Unter anderem haben in dieser Phase der berühmte Humanist Cola di Rienzo (1313–1354), der päpstliche Sekretär Poggio BraccioliniBracciolini, Poggio (1380–1459) und der Kaufmann und Forschungsreisende Ciriaco de Pizzicolli (Cyriacus von Ancona, 1391–1455) Sammlungen lateinischer und griechischer Inschriften angelegt. Ein wahrer MeilensteinMeilenstein in der Geschichte der Epigraphik war dann das so genannte Corpus absolutissimum des in Heidelberg tätigen Niederländers Jan GruterGruter, Jan (1560–1627). Gruter hatte sich das ehrgeizige Ziel gesteckt, alle griechischen und lateinischen Inschriften zusammenzutragen und in Buchform zu veröffentlichen. Mit Unterstützung des Philologen Joseph ScaligerScaliger, Joseph (1540–1609) legte er 1603 rund 12.000 Inschriften vor und schuf so ein für längere Zeit verbindliches Standardwerk.

2.3.2 Die Geburtsstunde der großen Inschriftencorpora

Immer ausgedehntere Forschungsreisen im Mittelmeergebiet und der Beginn der Grabungstätigkeit führten ab dem 18.Jahrhundert jedoch zu einem dramatischen Anstieg der Zahl der bekannten Inschriften. Dabei wurden die zahllosen Neuentdeckungen dieser Zeit zumeist recht verstreut publiziert. Zugleich hatte die Professionalisierung der Altertumswissenschaft auch im Bereich der Inschriftenkunde die Entwicklung von reflektierten methodischen Prinzipien bewirkt (s.u.) und damit letztlich die Epigraphik als Wissenschaft begründet. Dies aber bedeutete, dass es aus gleich mehrerlei Gründen zu Beginn des 19. Jahrhunderts dringend erforderlich erschien, neue, nach wissenschaftlichen Maßstäben erarbeitete Sammlungen vorzulegen. Dass es von da an immer noch Jahrzehnte dauerte, bis die erste derartige Unternehmung abgeschlossen war, zeigt, was für ein gewaltiges Unterfangen solche Inschriftenprojekte darstellen. Hierbei nun hat sich besonders die Preußische Akademie der Wissenschaften (heute: Berlin-Brandenburgische Akademie) bleibende Verdienste erworben. Unter ihrer Ägide begann August BoeckhBoeckh, August (1785–1867) im Jahre 1815 die Arbeit am Corpus Inscriptionum Graecarum (CIG), der Sammlung aller Inschriften, die allerdings bei ihrem Abschluss 1859 – insgesamt erschienen vier Bände – schon beinahe wieder überholt war.

Etwa zeitgleich konnte Theodor MommsenMommsen, Theodor (1817–1903) die Akademie für sein Vorhaben einer Zusammenstellung aller lateinischen Inschriften, eines Corpus Inscriptionum Latinarum (CIL), gewinnen: In einer Denkschrift formulierte er 1847 klare methodische Regeln für diesen Plan und bewies dessen Durchführbarkeit anschließend in zwei ‚Testläufen‘, den Inscriptiones regni Neapolitani Latinae von 1852 und den 1854 veröffentlichten lateinischen Inschriften der Schweiz. Das wichtigste von Mommsen eingeführte Prinzip bei der epigraphischen Arbeit war die Forderung nach AUTOPSIE, d.h., der Forscher sollte möglichst jede Inschrift, die er bearbeitete, selbst gesehen und untersucht haben. Die Vergangenheit hatte nämlich gezeigt, dass es auch bei der Aufnahme von Inschriften zu Ungenauigkeiten und Kopierfehlern kommen konnte und dass man deswegen nicht allen älteren Lesungen vertrauen durfte. Für manche Inschriften kursierten, genauso wie bei den Manuskripten der Handschriftenüberlieferung, mittlerweile sogar mehrere Versionen – mit dem großen Unterschied freilich, dass sich Mommsen und seine Mitstreiter hier in der komfortablen Lage sahen, zumeist auf das Original zurückgreifen zu können, und dies wurde nun zu einem auch heute noch gültigen methodischen Grundsatz erklärt. Von Boeckh und seinem CIG übernahm Mommsen im Weiteren nicht nur den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern auch die im Regelfall geographische Konzeption des Corpus. Im Jahre 1853 wurde das Projekt schließlich aus der Taufe gehoben, und der erste Band mit den lateinischen Inschriften bis zum Tode Caesars erschien 1863 (eine zweite Auflage in fünf Faszikeln folgte zwischen 1893–1986).

2.3.3 Die wichtigsten Inschriftenpublikationen heute

Für die lateinischen Inschriften ist das CIL bis heute die wichtigste Publikation. Gegenwärtig präsentiert sich die Grobgliederung des CIL wie folgt: Band I umfasst, wie gesagt, die Inschriften der römischen Republik, die Bände II bis XV die verschiedenen Regionen des römischen Reiches (II: Spanien; III: Donaugebiete und Osten; IV: Pompeji und HerculaneumHerculaneum; V: Norditalien; VI: RomRom [dazu auch XV]; VII: Britannien; VIII: Nordafrika; IX und X: Unteritalien, Sizilien, Sardinien und Korsika; XI: Mittelitalien; XII: Südfrankreich; XIII: Mittel- und Nordfrankreich, Belgien und die germanischen Provinzen; XIV: Latium), Band XVI enthält die römischen Militärdiplome und Band XVII die Meilensteine (zu beiden Inschriftengruppen s.u.). Abgeschlossen ist das CIL bis heute nicht. In Bearbeitung ist Band XVIII, der sich der inschriftlich überlieferten DichtungDichtung widmen wird (so genannte metrische oder Versinschriften), und zudem ist immer wieder die Publikation von Ergänzungsbänden und Neuauflagen notwendig. Daneben gibt es seit 1888 die Zeitschrift Année Épigraphique (AE), die sich ebenfalls als – allerdings regelmäßige – Ergänzung zum CIL versteht.

Mit dem CIL, der AE und den von Hermann DessaDessau, Hermannu 1892–1916 herausgegebenen Inscriptiones Latinae Selectae (ILS) sind die für die lateinische Epigraphik einschlägigen Editionen und Publikationsreihen genannt.

Etwas unübersichtlicher gestaltet sich demgegenüber der Bereich der griechischen Inschriften. Zwar wurden die seit Boeckhs Tod von der Berliner Akademie in Auftrag gegebenen Einzelcorpora im Jahre 1902 durch Mommsens Schwiegersohn, Ulrich von Wilamowitz-Moellendorf (1848–1931), in Anlehnung an das CIL unter dem Dach der Inscriptiones Graecae (IG) versammelt, aber schon Kleinasien ließ man dabei von Anfang an außer Betracht, denn im Jahr zuvor hatte die Österreichische Akademie der Wissenschaften die so genannten Tituli Asiae Minoris (TAM) in Angriff genommen. Beide Corpora sind indes auch heute nicht vollständig. Im Rahmen der TAM gibt es Bände zu Bithynien, LydienLydien, Pisidien und Lykien, und bei den IG besitzen wir bislang die Bände I bis III zu Attika (= CIA, Corpus Inscriptionum Atticarum), IV bis VI zur Peloponnes, VII bis IX zu Mittelgriechenland, X zu Nordgriechenland, XI bis XIII zu den ägäischen Inseln, XIV zum Westen (v.a. Italien und Sizilien) und XV zu Zypern. Analog zur AE bietet seit 1923 das so genannte Supplementum Epigraphicum Graecum (SEG) regelmäßige Ergänzungen und Nachrichten über Neufunde der griechischen Epigraphik. Seit 1972 schließlich erscheint die Reihe IK (= Die Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien), von der immerhin bereits über 80 Bände vorliegen. Daneben existiert eine ganze Reihe weiterer Corpora wie die Inscriptions grecques et latines de la Syrie (I Syrie oder IGLS, 1929ff.), die Inscriptions de Délos (I Delos, als Fortsetzung von IG XI, 1926ff.) oder die Monumenta Asiae Minoris Antiqua (MAMA, 1928ff.), sowie wichtige Einzelveröffentlichungen, zum Beispiel die Inschriften von Milet (jetzt neu 2014) oder die von Priene (jetzt neu, 1997– 2017). Auch Auswahlsammlungen griechischer Inschriften gibt es mehrere, zu denken ist etwa an die dritte Auflage der Sylloge Inscriptionum Graecarum (Syll3, 1915–1924, ND 1960) von Wilhelm DittenbergerDittenberger, Wilhelm und Friedrich Hiller von Gärtringen oder die Selection of Greek Historical Inscriptions von Russell MeiggsMeiggs, Russell und David LewisLewis, David (2. Aufl., 1988). Es ist daher nicht einfach, in der griechischen Epigraphik einen Überblick zu gewinnen oder zu behalten. Ein unentbehrliches Hilfsmittel hierbei ist der so genannte Guide de l’Épigraphiste von Denis FeisselFeissel, Denis und anderen (im Jahr 2010 in der 4. Auflage erschienen, mit Supplementen zum download), der sowohl die griechischen als auch die lateinischen Inschriftenpublikationen chronologisch, geographisch und auch thematisch erschließt.

2.3.4 Die Arbeit der Epigraphiker

Wie sieht nun die Arbeit der Epigraphiker konkret aus? An erster Stelle steht hierbei auch heute noch die Aufgabe, antike Inschriften zu sammeln und zugänglich zu machen; das Material muss also aufgenommen, gelesen und ediert werden. Dazu sollte zunächst, wie oben erwähnt, das Original in Augenschein genommen werden. Wenn es darüber hinaus ältere Lesungen einer Inschrift gibt, dann müssen diese allerdings ebenfalls herangezogen werden. Obwohl die Mehrzahl der Inschriften – gewissermaßen per definitionem – auf sehr dauerhaftem Material, die meisten auf Stein, überliefert sind, kommt es nämlich im Laufe der Zeit in vielen Fällen trotzdem zu Schäden, natürlich vor allem, wenn der jeweilige Inschriftenträger längerfristig den Witterungsverhältnissen ausgesetzt ist. Das aber bedeutet, dass frühere Bearbeiter die Inschrift unter Umständen noch in einem besseren Erhaltungszustand angetroffen haben und mehr lesen konnten. Auf der anderen Seite ergibt sich daraus, dass Inschriften verwittern können, entsprechend die Notwendigkeit, die eigene Befundaufnahme so genau wie möglich für die Nachwelt zu dokumentieren – man darf in diesem Zusammenhang zudem nicht vergessen, dass schon manche Inschrift nach ihrem Auffinden wieder verschwunden ist oder zerstört wurde. Eine vollständige Dokumentation empfiehlt sich also bereits zu Archivierungszwecken, und die Inschrift selbst kann man nicht immer in ein Museum bringen, geschweige denn mit nach Hause nehmen. An die Stelle der früher üblichen Skizze oder Zeichnung ist dabei heutzutage erwartungsgemäß die Fotografie getreten, obwohl eine zeichnerische Aufnahme als Ergänzung zum Foto manchmal noch immer ihre Berechtigung hat. Dies kann besonders dann der Fall sein, wenn es darum geht, in einer Publikation bestimmte Details oder Perspektiven hervorzuheben, die sich vielleicht mit der Kamera im Moment der Inschriftenaufnahme nicht richtig erfassen lassen.

2.3.5 Aufnahme und Dokumentation

Fast noch wichtiger als Zeichnung und Foto ist jedoch ein so genannter ABKLATSCH. Darunter versteht man in der Epigraphik einen Abdruck der Inschriftenfläche in Originalgröße, bei dem dann, wie bei einem Negativ, die normalerweise in den Stein oder das Metall eingetieften Buchstaben reliefiert und in Spiegelschrift erscheinen. Für Abklatsche verwendet man häufig spezielles Papier, das angefeuchtet und – gegebenenfalls in mehreren Lagen – mit einer Bürste auf den Inschriftenträger gedrückt wird. Die dadurch entstehende Masse bildet die Oberfläche der Inschrift in der beschriebenen Weise exakt ab und lässt sich nach dem Trocknen problemlos ablösen. So erhält man ein handliches Gegenstück des Originals, das man überallhin mitnehmen kann. Neben Papierabklatschen gibt es noch die etwas kostspieligere und aufwändigere Technik, als Abdruckmaterial einen härtenden Kunststoff zu verwenden, zum Beispiel Latex oder Silikon, das mit kleinen Spachteln aufgetragen wird. Silikon kann noch die kleinsten Unebenheiten wiedergeben und ist daher nicht zuletzt bei stark verwitterten Inschriften sinnvoll. Außerdem sind Spachtel und Spachtelmasse geeigneter für schwer zugängliche Oberflächen (zum Beispiel Spalten und Ritzen, was bei verstürzten Monumenten leicht vorkommen kann), die man mit Papier und Bürste kaum mehr erreicht.

Ein Abklatsch ist freilich nicht nur ein Hilfsmittel für die Dokumentation, er erleichtert auch die spätere Bearbeitung einer Inschrift. Nicht immer hat der Epigraphiker am Ort der Inschriftenaufnahme genügend Zeit zur Verfügung, und deshalb kann es vorkommen, dass der eine oder andere Arbeitsschritt verschoben werden muss. Wenn man dann zum Beispiel nachträglich die genauen Abmessungen einer Inschrift oder die Buchstabengröße überprüfen muss, so ist dies an einem Abklatsch viel einfacher zu ermitteln als bei einer Fotografie oder Zeichnung. Häufig ist der Abklatsch sogar besser zu entziffern als das Original oder die Fotografie. Bei stark verwitterten Inschriften etwa ist im Streiflicht nämlich wesentlich mehr zu erkennen, und mit einem Abklatsch lässt sich das optimale Zusammenspiel von Licht und Schatten ohne Schwierigkeiten und jederzeit herbeiführen – zuhause mit der Schreibtischlampe!

2.3.6 Lesung und Textherstellung

Eine Inschrift zu lesen ist also, das zeigt schon dieses Beispiel, nicht immer leicht. Neben Verwitterungsschäden oder – seltener – bewussten Tilgungen, beispielsweise von PersonennamenPersonennamen, besteht das größte Problem dabei meistens in einem bruchstückhaften Erhaltungszustand. Das richtige Verständnis eines Textes kann aber auch aus allerlei anderen Gründen erschwert sein. Dies beginnt damit, dass antike Inschriften, für unser Auge höchst ungewohnt, grundsätzlich in Großbuchstaben geschrieben sind, in MAJUSKELSCHRIFT. Außerdem wurden im griechischen Bereich in der Frühzeit noch verschiedene Alphabete für verschiedene Dialekte benutzt, und in der Regel gibt es bei den griechischen Inschriften, im Unterschied zu den lateinischen, keine Worttrennung (scriptio continua). Hinzu kommen Abkürzungen und Sonderzeichen aller Art, nicht zuletzt Zahlzeichen, und schließlich werden zuweilen, wie in manchen Handschriften, Buchstaben zusammengeschrieben (dies bezeichnet man als LIGATURLigatur). Zu allem Überfluss gibt es Inschriften, in die sich Fehler eingeschlichen haben, Steinmetzfehler oder Fehler des Verfassers. Dies reicht von bloßen Verschreibungen, versehentlichen Auslassungen oder Doppelungen bis hin zu handfesten orthographischen und grammatikalischen Abweichungen. Letzteres trifft man eher in Regionen wie Kleinasien oder im Nordwesten des römischen Reiches an, wo die einheimischen Sprachen noch lange neben Griechisch und Latein fortbestanden.

Wer eine Inschrift bearbeitet, braucht deshalb Erfahrung und Spezialkenntnisse, und im Grunde genommen muss der Text der Inschrift, ähnlich wie bei der Handschriftentradition, eigentlich erst ‚hergestellt‘ werden: Die Buchstaben müssen entziffert und gegebenenfalls in Wörter getrennt werden, üblich ist danach eine Umschrift, die TRANSKRIPTIONTranskription in Groß- und Kleinschreibung, und man muss eventuelle Abkürzungen, Sonderzeichen oder Zahlzeichen deuten und auflösen. Für den griechischen Bereich ist dies gut zusammengestellt bei McLean, für die lateinischen Inschriften sind Schmidt und immer noch Meyer hilfreich (→S.84).

Die entscheidende Aufgabe, die sich dem Epigraphiker stellt, ist jedoch die Ergänzung fehlender Textteile. Dies ist allerdings nur ganz selten dadurch möglich, dass man eine besser erhaltene alternative Version desselben Textes zum Vergleich heranziehen kann. Abgesehen von berühmten Ausnahmen wie dem Tatenbericht des Kaisers AugustusOctavian (Res gestae, oder auch Monumentum Ancyranum) oder dem so genannten Maximaltarif des Kaisers DiokletianDiokletian, handelt es sich bei antiken Inschriften nämlich zumeist um Unikate. Wie aber kann man bei Unikaten Lücken ergänzen und Fragmente vervollständigen, ohne pure Spekulation zu betreiben? Die Antwort auf diese Frage ist einfacher als man denkt: Die Masse der antiken Inschriften lässt sich, dies wird unten noch näher ausgeführt, in eine überschaubare Anzahl von Typen oder Gattungen einteilen, und für jeden dieser Typen gibt es ein bestimmtes, regional und zeitlich spezifisches Repertoire an festen Wendungen; man spricht in diesem Zusammenhang auch von Inschriftenformularen. Konkret heißt das, dass beispielsweise alle Grabinschriften aus ein und derselben Gegend und ein und demselben Zeithorizont ähnlich aufgebaut sind, oder dass es im betreffenden Kontext allenfalls zwei oder drei verschiedene Formulare gibt – dies ist im Übrigen, gerade bei Grabinschriften, auch heute noch so. Dieser Umstand berechtigt den Epigraphiker nun durchaus, fragmentierte Texte, wenn sie sich einem bestimmten, aus anderen Inschriften gut bekannten Formular zuordnen lassen, mit einiger Sicherheit zu ergänzen. Trotzdem bleibt ein auf diese Weise rekonstruierter Text letztlich natürlich eine Interpretation, und dies muss, um der wissenschaftlichen Forderung nach Transparenz und Nachprüfbarkeit zu genügen (→Kap.3.1.6), entsprechend gekennzeichnet werden – das gleiche gilt für unsichere Lesungen, Ligaturen etc.

2.3.7 Diakritische ZeichenDiakritische Zeichen

Um hier, vor allem im Hinblick auf Publikationen, eine Einheitlichkeit zu erreichen und gleichzeitig Platz zu sparen, hat man sich in der Epigraphik auf die Verwendung so genannter DIAKRITISCHER ZEICHEN geeinigt, mit deren Hilfe die jeweiligen Besonderheiten einer Inschrift eindeutig und in knapper Form darstellbar sind. Bekannt geworden sind diese Zeichen unter dem Namen ‚Leidener KlammersystemLeidener Klammersystem‘, das im Gebrauch des CIL zu folgender Form weiterentwickelt wurde (abc meint eine beliebige Buchstabenfolge):


ab|c Zeilentrenner
ab||c Text außerhalb des Inschriftenfeldes
oder an versetzter Stelle
(vac.) unbeschriftete Stelle (vacat)
a°bc Interpunktion (in lateinischen Inschriften
oft ein Blattmotiv)
Ligatur, z.B. bedeutet âê dann die
Zusammenschreibung Æ
abc(!) antiker Fehler, Verschreibung,
grammatikalische Unregelmäßigkeit
ạḅc̣ unsichere, aus dem Kontext erschlossene
Buchstaben
+ + + Reste unbestimmbarer Buchstaben (cruces),
hier drei Buchstaben
- - - - - verlorener Teil, meist zu Beginn oder am
Ende einer Inschrift
[- - -] Lücke (drei Striche), ganze verlorene Zeile
(sechs Striche)
[[abc]] antike Tilgung des Textes (rasura)
<<abc>> antiker Text auf eradiertem Feld (litura),
Wiederbeschriftung
a`bc´ antike Einfügung
a(bc), (abc) Auflösung von Abkürzungen,
Erklärung von Sonderzeichen
abc(?), a(bc?) unsichere Lesung, unsichere Auflösung
einer Abkürzung
a[bc] Ergänzung des Textes durch den Herausgeber
{abc} Tilgung des Textes durch den Herausgeber,
z.B. bei Doppelungen
abc von früheren Herausgebern gelesene,
heute verlorene Buchstaben

Abb. 11

Die diakritischen Zeichen; sie sind ursprünglich von der Papyrologie eingeführt worden.

Die wissenschaftliche EditionEdition einer Inschrift umfasst neben diesen diakritischen Zeichen aber noch mehr, in der Regel eine genaue Beschreibung des Inschriftenträgers mit Autopsievermerk, gegebenenfalls eine Fotografie, Angaben zur Buchstabenform und -größe, sowie, falls nötig, einen Kommentar. Wenn die Inschrift schon früher in der Forschung behandelt wurde, gehören darüber hinaus möglichst vollständige Literaturangaben zur Veröffentlichung; die moderne Übersetzung hingegen ist auch heute noch eher selten Bestandteil einer Inschriftenedition.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
428 s. 47 illüstrasyon
ISBN:
9783846352816
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок