Kitabı oku: «Alte Geschichte studieren», sayfa 5

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2.1.4 Quellengattungen und Hilfswissenschaften

Bei der weiteren Untergliederung der schriftlichen und nichtschriftlichen Quellen sind mehrere Varianten denkbar. Man kann die Schriftquellen in Literaturgattungen oder Textsorten einteilen, man kann die schriftlosen Quellen danach unterscheiden, ob es sich um Kunstgegenstände handelt oder um Alltagsrealien usw. Für die folgenden Ausführungen wurde ein anderes Prinzip als Leitfaden gewählt, nämlich die Orientierung an wichtigen Hilfs- und Nachbardisziplinen, die sich im Laufe der Zeit mit den jeweiligen Quellengattungen verbunden haben und auf deren Spezialkenntnisse auch die Historiker immer wieder zurückgreifen müssen. Auf diese eher praktische Weise kann man die Quellen der Alten Geschichte unterteilen in:

1 Literarische Quellen – gemeint sind damit die durch die mittelalterliche Handschriftentradition überlieferten Texte, mit denen sich die Latinistik und die Gräzistik beschäftigen;

2 Inschriften, mit denen sich die Epigraphik befasst;

3 auf PapyrusPapyrus überlieferte Texte, die von der Papyrologie bearbeitet werden;

4 Münzen, um die sich die Numismatik kümmert, und

5 die materielle Hinterlassenschaft, die der Gegenstand der verschiedenen archäologischen Fächer ist.

Literatur

H. Bengtson, Einführung in die Alte Geschichte, 8. Aufl., München 1979.

E. Bernheim, Einleitung in die Geschichtswissenschaft, ND Leipzig 1912.

J.G. Droysen, Historik: Vorlesungen über Enzyklopädie und Methodologie der Geschichte, hg. von P. Leyh und H.W. Blanke, Stuttgart 1977ff. (Erstveröffentlichung: „Grundriß der Historik“, 1858).

P. Kirn/J. Leuschner, Einführung in die Geschichtswissenschaft, 6. Aufl., Berlin/New York 1972.

K. Meister, Einführung in die Interpretation historischer Quellen. Schwerpunkt: Antike, 2 Bde., Paderborn u.a. 1997–99.

2.2 Literarische Quellen – die Philologien
2.2.1 Die Handschriftenüberlieferung

Nur ein Bruchteil der griechischen und lateinischen Literatur des Altertums existiert heute noch. Wie die genauen Zahlen aussehen, ist ungewiss. Manfred FuhrmannFuhrmann, Manfred geht beispielsweise davon aus, „dass nicht einmal ein Hundertstel der römischen Literatur – der lateinischen Werke also, die in dem halben Jahrtausend von etwa 250 v. Chr. bis 250 n. Chr. entstanden sind – erhalten blieb“. Diese Schätzung ist vielleicht zu pessimistisch, und für die antike griechische Literatur oder die lateinische Literatur der Zeit nach 250 n. Chr. mögen die Verhältnisse teilweise etwas besser aussehen. Dennoch ist unbestreitbar, dass in der Tat der Löwenanteil des antiken Schrifttums – höchstwahrscheinlich für immer – verloren gegangen ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass in den erhalten gebliebenen antiken Schriften sowie in späteren EXZERPTEN und Katalogen eine Vielzahl von Autoren und Werken erwähnt werden, die eben nicht überliefert wurden. Dabei trat ein Teil der Verluste bereits in der Antike selbst auf, doch die meisten Fäden rissen – im Osten wie im Westen – erst im 7. und 8. nachchristlichen Jahrhundert ab.

Abb. 4

Handschrift auf Papyrus in jüngerer römischer Kursive aus dem 4. Jh. n. Chr., gefunden in Ägypten

Die auf uns gekommene antike Literatur wurde größtenteils in Klöstern durch die Jahrhunderte des Mittelalters hindurch handschriftlich tradiert. Als man dann in der frühen Neuzeit begann, sich für diese Texte wieder stärker zu interessieren, stellte man fest, dass verschiedene Handschriften ein und desselben Werkes mitunter voneinander abweichen konnten. Das ständige Abschreiben hatte im Laufe der Zeit also zu zahlreichen Fehlern geführt, und darüber hinaus war es offenbar auch zu anderen Veränderungen des ursprünglichen Wortlautes gekommen, wie z.B. zu Anmerkungen, INTERPOLATIONEN oder gar irrtümlichen ‚Verbesserungen‘ der Kopisten. All dieses bezeichnet man als KORRUPTELEN, d.h. als verderbte Textstellen. Die Konsequenz aus dieser Beobachtung musste daher sein, durch genaue Handschriftenvergleiche (KOLLATIONKollation) und darauf aufbauende Überlegungen einen ‚Urtext‘ zu erschließen. Dieses Bemühen, die so genannte TextkritikTextkritik, die sich besonders seit dem 15.Jahrhundert erkennen lässt, war letztlich die Geburtsstunde der Klassischen PhilologiePhilologie. Nach reflektierten methodischen Regeln, und damit als Wissenschaft betrieben, wird die Klassische Philologie freilich erst seit dem 19.Jahrhundert; damals verfestigte sich im Zuge der allgemeinen akademischen Institutionalisierung auch ihre Aufspaltung in die beiden sprachlichen Teilbereiche der Gräzistik und der Latinistik.

2.2.2 Die wissenschaftliche TextkritikTextkritik

Die wissenschaftliche TEXTKRITIKTextkritik nun hat noch heute ihren festen Platz in diesen Fächern. Dabei geht es, wie gesagt, darum, zu einem möglichst originalgetreuen Text eines antiken Werkes zu gelangen. Der erste Arbeitsschritt, der in diesem Zusammenhang zu leisten ist, besteht darin, alle Handschriften, in denen ein Werk überliefert ist, zusammenzutragen (HEURISTIKHeuristik). Falls es daneben Zitate aus dem betreffenden Werk bei anderen antiken, seltener bei mittelalterlichen Autoren gibt, müssen selbstverständlich auch diese – als sehr alte Textversionen – berücksichtigt werden. Diese werden als TESTIMONIEN bezeichnet. Im Einzelfall mag es ferner notwendig sein, frühe Drucke hinzuzuziehen, wenn diese noch auf mittlerweile verschollene oder nicht mehr gut lesbare Handschriften zugreifen konnten. Bei manchen Werken wiederum, die in einer sehr großen Zahl von MANUSKRIPTEN vorliegen (so gibt es etwa über eintausend Vergilhandschriften), zwingt die Arbeitsökonomie dazu, in einer sehr groben Sichtung die Masse der jüngeren Handschriften auszuscheiden und sich ganz auf die alten Versionen zu konzentrieren. Danach gilt es, aus den auf diese Weise gesicherten Überlieferungsvarianten einen ‚Handschriftenstammbaum‘, ein so genanntes STEMMAStemma, aufzustellen (→ Abb. 5). Dies geschieht dadurch, dass die einzelnen Handschriften in Gruppen eingeteilt werden, die dieselben Fehler enthalten bzw. bei denen man anhand der Fehler erkennen kann, wie sie sich auseinanderentwickelt haben. Das Resultat dieser Rekonstruktion der Überlieferungsgeschichte ist im Idealfall eine – unter Umständen aber immer noch mit Fehlern behaftete – hypothetisch erschlossene älteste Überlieferungsversion, der so genannte ARCHETYPUSArchetypus. Von diesem Ausgangspunkt wird dann, gegebenenfalls mithilfe von Testimonien, der Text hergestellt (RECENSIORecensio). Hierbei kommt es immer wieder vor, dass verschiedene gleichrangige Textvarianten (Lesarten) gegeneinander abgewogen werden müssen. In diesem Zusammenhang ist üblicherweise der Grundsatz leitend, dass die schwierigere Lesart vorzuziehen ist, da es sich bei ihr, angesichts der Vereinfachungstendenzen in der Überlieferung, wahrscheinlich um die ursprünglichere handelt (lectio difficilior potior). Ferner gibt es in beinahe jedem aus dem Altertum stammenden Text Stellen, die aus sprachlichen oder sachlichen Gründen, obwohl sie eindeutig überliefert sind, als Fehler identifiziert und verbessert werden (EMENDATIONEmendation/ KONJEKTURKonjektur).

Abb. 5

Stemma der Handschriften des Lukrez von K. Lachmann (1850)

2.2.3 Die kritische EditionEdition

Am Ende der TextkritikTextkritik steht schließlich ein griechischer oder lateinischer Text, der den Kern der ein- oder zweisprachigen modernen EDITIONEN bildet, die heutzutage benutzt werden. Entscheidend ist nun, dass dieser Text – wie aus den obigen Erläuterungen klar hervorgeht – nicht unbedingt mit dem antiken Original identisch sein muss. Es handelt sich vielmehr lediglich um ein Produkt, das nach der mehr oder weniger gut begründeten Meinung des Herausgebenden dem Original so nahe wie möglich kommt. Mit anderen Worten: Der durch die philologisch-kritische MethodeMethode etablierte Text ist eine Interpretation, und er muss daher – auch dies ist ein Gebot der WissenschaftlichkeitWissenschaftlichkeit – als solche gekennzeichnet werden. Es kann nämlich immer der Fall eintreten, dass neue Erkenntnisse oder inhaltliche Erwägungen zum Beispiel eine EmendationEmendation hinfällig machen oder eine vom Herausgebenden nicht berücksichtigte Lesart als sinnvoller erscheinen lassen. Derartige neue Gesichtspunkte können etwa ein neuer Textfund sein, oder ein in der EditionEdition noch abgelehnter Sinnzusammenhang, der aber durch neuere Forschungen plausibler wird. Um hier die philologische Forschung nicht zu behindern, ist es erforderlich, dass der Herausgebende eines Textes seine Optionen und Entscheidungen bei der Textherstellung offenlegt und für jeden nachvollziehbar darstellt. Editionen, die dies gewährleisten, nennt man wissenschaftliche oder kritische Textausgaben. Sie zeichnen sich aus durch eine Einleitung, die die textkritische Arbeit und deren Ergebnisse (vor allem das StemmaStemma) beschreibt, und sie verfügen über einen so genannten textkritischen APPARAT (hinzukommen kann ein Testimonienapparat u.ä.), in dem entweder alle Lesarten zu den verschieden überlieferten Stellen präsentiert werden (positiver Apparat), oder aber nur die von der in der Edition abgedruckten Variante abweichenden Lesarten (negativer Apparat).

Abb. 6

Verzeichnis der benutzten Handschriften aus der kritischen Edition der vier Reden Ciceros gegen Catilina

Abb. 7

Seite aus der kritischen Edition der vier Reden Ciceros gegen Catilina

Der genaue Wortlaut einer QuelleQuelle (in der Originalsprache!) und, damit verbunden, das Wissen um Abweichungen in der Überlieferung sind nun aber auch für die historische Interpretation von zentraler Bedeutung. Gerade Historiker müssen Bedeutungsnuancen erfassen oder Schlüsselbegriffe und deren Kontext erkennen können. Deswegen ist es für sie wichtig zu wissen, was an einer bestimmten Textstelle im Original gestanden hat oder gestanden haben kann. Manchmal, etwa bei geographischen oder politischen Namen, geht es schlicht darum, korrekt informiert zu sein: Ist die Stelle Cassius Dio 77,13,4 zum Jahr 213 n. Chr. tatsächlich, wie man lange gesagt hat, die früheste Erwähnung des Stammes der AlamannenAlamannen? Ein Blick in die EditionEdition von Boissevain (III 388ff.) klärt darüber auf, dass der Alamannenname hier später eingefügt wurde – das allerdings bedeutet, dass es die Alamannen zu Dios Zeiten möglicherweise noch gar nicht gab, oder sie zumindest noch nicht in den Gesichtskreis der Römer getreten waren. Dieses und ähnliche Beispiele zeigen deutlich: Althistoriker müssen vielleicht nicht gleichzeitig klassische Philologen sein; sie müssen aber in der Lage sein, die griechischen und lateinischen Quellen im Original zu verstehen und mit den Ergebnissen der philologischen Forschung zu arbeiten.

2.2.4 Literaturgattungen und TopikTopik

Ein anderer Zweig der philologischen Studien ist die Literaturwissenschaft. Dazu gehört es, das literarische Schrifttum, also alle Werke, die für ein breiteres Publikum und mit einem gewissen ästhetischen Anspruch verfasst worden sind, in Literaturgattungen einzuteilen. Dies kann nach formalen oder inhaltlichen Kriterien oder einer Kombination von beidem geschehen; gängig ist beispielsweise die Unterscheidung der literarischen Werke in DichtungDichtung und Prosa. Wichtig für die Alte Geschichte ist, dass schon in der Antike über Literaturgattungen nachgedacht wurde und dass in diesem Zusammenhang zum Teil gattungsspezifische Regeln für Stil und Inhalt literarischer Werke formuliert wurden. Daraus ergibt sich, dass manches, was ein Autor schrieb, nur dem Bedürfnis geschuldet war, solchen Gattungsgesetzen zu entsprechen. Dieser Mechanismus konnte im Übrigen auch unreflektiert allein dadurch ablaufen, dass sich ein Autor sehr eng an ein berühmtes literarisches Vorbild anlehnte, eine im Altertum sehr häufige Konstellation. Man bezeichnet solche literarischen Gemeinplätze, die im Rahmen eines bestimmten Genres unbedingt ‚bedient‘ werden mussten, als TOPOI. Häufig meint dieser Begriff jedoch eher die Übertragung auch der Inhalte einer Aussage in ein anderes Werk oder einen anderen Kontext. Manche derartigen Topoi ziehen sich als Wandermotive durch die gesamte antike Literatur. Vor diesem Hintergrund muss bei der historischen Auswertung einer QuelleQuelle natürlich auch auf eventuelle topische Bezüge sorgfältig geachtet werden.

Die Interpretation von Texten unter gattungstheoretischen Vorzeichen muss allerdings dort ihre Grenzen finden, wo sie, ohne hinreichend gerechtfertigt zu sein, eine unbefangene Deutung erschwert. Das Paradebeispiel hierfür sind die homerischen Epen, die Ilias und die Odyssee. Beide Gedichte wurden traditionellerweise als HeldendichtungHeldendichtung eingeordnet und vor allem mit mittelalterlichen Heldensagen wie etwa dem NibelungenliedNibelungenlied verglichen. Vor diesem Hintergrund deutete man dann die bei HomerHomer geschilderte Gesellschaft, in der beinahe nur von heldenhaften Gestalten gesprochen wird, als die aus gattungsspezifischen Gründen in den Vordergrund gerückte aristokratische Hälfte einer zweigeteilten realen Gesellschaft: In Heldengedichten sei, so die Einschätzung der älteren Forschung, eben nur von Helden die Rede, und nicht von ihren Dienern und Knechten. So, wie es Diener und Knechte in der gesellschaftlichen Wirklichkeit der Völkerwanderungszeit (in der das Nibelungenlied entstand) aber nachweislich gegeben habe, so dürfe man auch von der Existenz einer Unterschicht in homerischer Zeit ausgehen – nur könne man diese in den Gedichten nicht richtig greifen. Diese Ansicht ist problematisch, denn sie lässt außer Acht, dass die homerischen Gedichte gewissermaßen am Beginn der antiken Literatur stehen, dass wir über ihre Entstehung wenig wissen, und dass es daher methodisch nicht zulässig ist, Elemente, die in späteren Werken der Gattungstradition verpflichtet sind, auch schon für Ilias und Odyssee als solche Gemeinplätze aufzufassen. Dies ist zwar denkbar, aber kaum schlüssig zu begründen, und das heißt für die homerische Gesellschaft, dass es sich bei ihr ebenso gut um eine Art ‚Leistungsgesellschaft‘ gehandelt haben kann, in der die ‚ritterliche Ethik‘ allen Mitgliedern der Gemeinschaft offenstand, und nicht nur einem ‚Adel‘.

2.2.5 Die antike Geschichtsschreibung

Schriftquellen sind also, obwohl sie, wie eingangs betont, unsere Erkenntnismöglichkeiten über die Vergangenheit ungeheuer erweitern, zumeist nicht einfach zu interpretieren, sie eröffnen im Gegenteil häufig Schwierigkeiten eigener Art. Eine Sonderstellung nehmen dabei NARRATIVE Texte ein. Einerseits handelt es sich bei ihnen zweifellos um besonders wertvolle Quellen, denn sie sind die einzigen Texte, die uns die für das geschichtliche Verständnis so wichtigen Ereigniszusammenhänge liefern. Auf der anderen Seite aber ist bei der Auswertung erzählender Quellen auch besondere Vorsicht geboten. Oft ist nämlich schon die bloße Herstellung eines Ereigniszusammenhanges bereits eine Interpretation, und viele narrative Zeugnisse transportieren bekanntlich weit darüberhinausgehende Deutungen und Wertungen. Diese vorgegebenen Muster sind freilich fast nie die einzige Art und Weise, wie man die berichteten Fakten sehen kann, und deswegen dürfen Historiker nicht der großen Versuchung erliegen, sie einfach ungeprüft zu übernehmen.

Man muss daher stets nach den Darstellungsabsichten eines Autors fragen. Am deutlichsten wird dies wohl bei der antiken HISTORIOGRAPHIE, also der Geschichtsschreibung im engeren Sinne, die im 5.Jahrhundert v. Chr. in Griechenland einsetzte. Zwar gab es schon zuvor sowohl im griechischen Bereich als auch anderswo erzählerische Darstellungen der Vergangenheit, etwa die homerischen EPEN, oder, um ein Beispiel außerhalb des griechischen Kulturkreises zu nennen, Teile des Alten Testamentes. Erst bei HerodotHerodot von Halikarnassos aber (ca. 485–425 v. Chr.), den schon CiceroCicero für den „Vater der Geschichtsschreibung“ hielt (De legibus I 1,5), findet man jene kritisch-rationale Distanz zum historischen Gegenstand, durch die man – damals wie heute – die eigentliche Geschichtsschreibung gekennzeichnet sieht. Dabei war Herodot, der sich mit den Perserkriegen (490–479 v. Chr.) und ihrer Vorgeschichte befasste, der Ansicht, er müsse, obwohl er längst nicht alles glauben könne, trotzdem alle Geschichten aufschreiben, die man sich erzähle (Herodot 7,152). Diese Auffassung hat ihm später den Vorwurf eingetragen, leichtgläubig und geschwätzig zu sein (z.B. bei Aulus GelliusAulus Gellius 3,10,11), und bereits der nicht minder berühmte Fortsetzer Herodots, ThukydidesThukydides von AthenAthen (ca. 460–400 v. Chr.), hat seinen Vorgänger – wenn auch ohne ihn namentlich zu nennen – herb kritisiert (Thukydides 1,20–22). Thukydides setzte dem herodoteischen Vorgehen das erklärte Ziel entgegen, durch genaue Überprüfung und Erforschung des Vergangenen die Wahrheit herauszufinden und nur diese dann auch zu präsentieren. Damit formulierte er im Grunde genommen als erster ausdrücklich die Forderung, dass Historiker ihre Quellen kritisch gewichten müssen. Thukydides ist folglich in gewissem Sinne der Vater der QuellenkritikQuellenkritik, und für diesen methodischen Anspruch hat man ihn in der Regel dem Herodot als Historiker vorgezogen. In diesem Zusammenhang hat Wilfried NippelNippel, Wilfried vor einigen Jahren allerdings daran erinnert, dass Herodot, indem er seine Quellen – und dadurch die Grundlage seiner Interpretationen – nennt und dem Leser so zur Überprüfung zugänglich macht, eigentlich viel eher dem modernen Verständnis von WissenschaftlichkeitWissenschaftlichkeit als Transparenz in der Darstellung entspricht als Thukydides, der die von ihm verworfenen Zeugnisse zumeist nicht erwähnt und auf diese Weise eine nachträgliche Revision seiner Ergebnisse mindestens erschwert.

Abb. 8

Der griechische Geschichtsschreiber Herodot, römische Kopie eines griechischen Originals des 4. Jhs. v. Chr. Neapel, Museo Nazionale Archeologico

Gleichwohl kann die gewiss berechtigte Rehabilitierung Herodots den Rang des ThukydidesThukydides als Historiker in keiner Weise schmälern. Thukydides hat mit seiner Geschichte des Peloponnesischen Krieges (431–404 v. Chr.) nicht nur den historischen Gegenstand, den er beschrieb, eigentlich erst selbst erschaffen, als er eine Reihe von Einzelkonflikten in seinem Werk unter diesem Namen als geschichtliche Einheit zusammenfasste. Dadurch, dass er sich, anders als HerodotHerodot, auch sehr stringent auf diesen seinen Gegenstand beschränkte, gilt Thukydides des Weiteren als der Schöpfer der historischen MONOGRAPHIEMonographie. Darüber hinaus begründete er durch sein bewusstes Anknüpfen an den Zeitpunkt, an dem Herodot sein Werk enden ließ, eine seither in der antiken Historiographie häufiger geübte Praxis, nämlich die Selbsteinordnung in eine historia perpetua, eine kontinuierliche Geschichtsdarstellung.

2.2.6 Formen der Geschichtsschreibung und QuellenkritikQuellenkritik

Von der historischen MonographieMonographie, die sich auf ein ganz bestimmtes Thema konzentriert, kann man die so genannte UNIVERSALGESCHICHTEUniversalgeschichte unterscheiden, in der versucht wird, die bekannte Geschichte umfassend abzuhandeln, und von dieser wiederum lässt sich die Lokalgeschichte abgrenzen, deren Horizont entsprechend bescheidener ist. Eine Besonderheit der römischen Historiographie, die sich seit ungefähr 200 v. Chr. entwickelte, ist die so genannte ANNALISTISCHE Darstellungsweise, die sich an eine jahrweise Stoffgliederung anlehnt. All diese verschiedenen ‚Arten‘ der antiken Geschichtsschreibung sind freilich im Grundsatz von Althistorikern gleich zu behandeln: Man muss aus den oben benannten Gründen zunächst die Intentionen eines Autors klären und von dort aus mögliche Bezüge zwischen seinen Absichten und dem Inhalt seiner Darstellung, also Verbindungen zwischen Autor und Werk herstellen. Zu diesem Zweck ist es natürlich ebenso notwendig, sich über die Lebensumstände des jeweiligen Autors zu informieren, da nicht zuletzt diese ihn auch in seinen historiographischen Zielsetzungen prägen können. Dafür stehen im Bereich der Alten Geschichte mehrere handliche Referenzwerke zur Verfügung (→S.63f. und 125), und wer diese konsultiert, wird bei nicht wenigen griechischen und römischen Geschichtsschreibern feststellen, dass sie oft erheblich später, teilweise sogar Jahrhunderte nach den von ihnen behandelten Ereignissen gelebt haben.

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