Kitabı oku: «Der Kopf», sayfa 6

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»Ihre Generalagentur, Herr von Praß, verlangt von sich das Höchste.«

»Sie haben nichts, stellen nichts vor und treten an die Dinge mit sittlichen Forderungen hinan. Sie sind genau das, was man jetzt anfängt, einen Intellektuellen zu nennen.«

»Sie haben ein zu gesundes Selbstbewußtsein, Herr Direktor, um sich zu verhehlen, daß auch der Schwindel eine geistige Leistung ist«, sagte Terra scharf. Der Direktor, ohne zu zucken: »Die besonderen Hemmungen des Intellektuellen, die Herrn Kurschmied belasten, stören Sie nicht. Sie werden weit kommen. Voraussetzung ist –«

»Voraussetzung sind wenigstens hundertfünfzig Mark monatlich«, sagte Terra so ausdrucksvoll, daß der Direktor nicht umhin konnte, es zu verstehen. »Hat Herr Kurschmied etwas zu bemerken?« fragte er, dem Augenschein zum Trotz und mit einer Handbewegung, infolge deren Kurschmied sich schleunigst verneigte und hinter die Polstertür tauchte. »Eine Zigarre?« fragte hierauf der Direktor. Terra sah sich wütend um. Das dreigeteilte Büchergestell enthielt Zigarrenkisten, darunter eine offene, Terra wollte hineinfassen, da stieß er gegen gemalten Stoff. Auch die Bücherrücken saßen darin fest, Atrappe, soweit der Blick reichte. Terra schnellte herum, – aber der Direktor saß da, als sei alles in bester Ordnung, es schien unmöglich, auch nur zu lachen.

In diesem Augenblick gab das Telephon sein Zeichen. Der Direktor neigte aus seinem Sessel das Ohr gegen die Wand. »Wer untersteht sich?« fragte er barsch. »Was? Wie? Sie sind schon wieder da? Lauter!« Die Person drüben verursachte in der Leitung ein verzweifeltes Getöse, jetzt hatte der Direktor verstanden. »Was ich mache? Alles.« – »Wie? Was?« begann er wieder. »Die Aktien sind nicht zu bekommen? Weiß ich, ist nicht zu machen. Ich natürlich mache es, ich mache alles. Mit Ihrem Geld, sagen Sie? Wieviel? Lauter! Sie können nicht mehr schreien? Wer mir Geld gibt, muß schreien. Siebzig? Weil Sie es sind, siebzigtausend nehme ich. Zahlen Sie an der Kasse!« Er füllte ein Papier aus und trug es hinter die Bücheratrappe. Dann stellte er sich vor Terra auf, er lächelte großartig, indes er mit einer Verbeugung die gesenkten Arme öffnete, als sagte er: »Geschwindigkeit ist keine Hexerei.« Hiernach faßte er Terra ins Auge, in das eine; das andere schloß er. »Wenn nun statt meiner Sie allein soeben hier gewesen wären?« Das weit offene Auge verhieß eine ganze Welt von Durchtriebenheit; wer so angesehen ward, mußte mitschmunzeln. »Und Sie reden von hundertfünfzig Mark«, schloß, der Direktor herumwippend. Terra konnte nur den Kopf senken.

»Seien wir ernst!« verlangte der Direktor. Er versah sich mit einer Mappe, drehte seinen Sessel dem Kamin zu und legte die Füße auf das Gitter. »Ich gebe Ihnen knapp, kurz, bindend meine Direktiven. Sie haben schöpferisch danach vorzugehen. Aktuell sind heute zwei entscheidende Sachen: die Zulassung an der Börse für unser neuestes Papier – ein Papier, nehmt Alles nur in Allem, hier haben Sie die Unterlagen; und zweitens eine Oper.«

»Ich werde sie schreiben lassen«, versprach Terra. – »Eine noch unbekannte Oper von hoher Hand soll uns anvertraut werden«, berichtigte der Direktor und zog die Brauen hinauf. »Noch haben wir sie nicht, aber wir müssen sie haben. Sie ist von einer Hand, mit der verbündet wir Weltmacht werden.«

Terra verneigte sich zum Zeichen, daß er zu verstehen beginne. Der Direktor machte eine Pause, des Eindruckes wegen und um sich vorzubereiten. Inzwischen drehte sich hinter seinem Rücken die Polstertür links. Ein stattlicher Mann in feinem blauen Anzug, mit Bauch, Glatze, blondem Spitzbart, ging sicher und beschwingt hinter die Bücheratrappe, knisterte dort eine Weile mit Papieren und kam wieder hervor, in der Hand, was er gefunden hatte. Der vom Direktor kürzlich ausgefüllte Zettel war es. Der stattliche Mann nahm keine Rücksicht auf Terra. Erst bei der Tür wandte er seine, von fetten Wangen eingeengte Äuglein her und blinzelte witzig. Schon war er fort; und als habe der Hintergrund immer so leer gelegen wie jetzt, wiederholte der Direktor: »Weltmacht«. Er setzte neu an.

»Zu diesem Zweck bringen wir die Oper im Ausland heraus. Petersburg. Monte Carlo. Wir bearbeiten die Plätze, hier das Material. Ausstrahlen aber müssen wir mit unserer eigenen Presse. Die Schwierigkeit ist, daß offiziell nichts verlauten darf. Ihre Sache, Gerüchte zu verbreiten. Tauchen Sie die Menschheit in ein aufregendes Dunkel. Wer nichts weiß, kann alles wagen.«

»Mein gewohnter Zustand«, sagte Terra, in dem ein Plan entstand. »Ich mache mich hiermit anheischig, das hohe Meisterwerk an uns zu locken. Wenn in den nächsten vierundzwanzig Stunden nichts Neues geschieht, können Sie mich als hoffnungslos unbegabt zum Teufel schicken.«

»Das ist meine Absicht. Wer nicht als Sieger anfängt, kommt nie ans Ziel. Zuerst Erfolg – dann meinetwegen Arbeit.«

Plötzlich setzte der Direktor sich zurecht, er hörte etwas. In der Versenkung rechts entstand ein Rascheln, – und der Direktor, der taub blieb, wenn Geld kam, und auch, wenn es davonlief, hier hörte er. Ein Schritt; ganz leicht und verschwiegen knarrte drunten die Treppe, aber der Direktor war schon auf den Füßen. »Fertig, gehen Sie!« Ein Hut mit Veilchen schwebte herauf. Der Direktor stampfte. Mit seiner Person verdeckte er dem Störer die Aussicht und drängte ihn zur Polstertür links. Bevor sie sich schloß, erspähte Terra noch gelbes Haar und ein Stück Schleier.

Terra sah sich in einem gut ausgestatteten Schreibzimmer. Auf dem Teppich ging jemand umher, der freche Dickwanst von soeben. Hinter der Glastür drüben war ein Gesumm wie von einer beträchtlichen Anzahl Menschen. Terra hob die Gardine: das Vorzimmer. Er hatte also um die Generalagentur für das gesamte Leben die Runde gemacht. Das Vorzimmer hatte sich bevölkert, zur Qual des gehetzten Seifert. Er sprang von Augenblick zu Augenblick an sein Geländer, um gegen die Menge eine zurückdrängende Gebärde zu machen. Einer, der zu wild tat, durfte in die Öffnung des Schallrohrs brüllen – brüllte aber scheinbar umsonst. Rückwärts standen Wartende mit zuversichtlichen Mienen; in einem rotgesprenkelten Mann, der sich die Hände rieb, ahnte Terra den Glücklichen, der seine siebzigtausend Mark hatte abliefern dürfen.

Als Terra die Tür öffnete, hielt eine Hand auf seiner Schulter ihn fest. »Meine Name ist Mohrchen«, sagte der Dicke, mit seinen witzigen Äuglein. »Entschuldigen Sie, daß ich vorhanden bin. Dies ist nämlich Ihr Zimmer, darf ich Sie bekannt machen?«

»Ich danke, es wird mir nicht schwer fallen«, erwiderte Terra, und ohne Pause: »An der Polstertür zum Direktor ist ein Schloß, wer hat den Schnepper?«

»Ich«, sagte Mohrchen ertappt und zog ihn sogar hervor. Aber fortnehmen ließ er ihn sich nicht. »Spielen wir mit offenen Karten«, sagte er. »Sie glauben, daß ich klaue.«

Terra zündete sich wortlos eine Zigarette an.

»Nun, ich klaue nicht«, erklärte der Dicke und hielt den Zettel her. Darauf bescheinigte freilich Herr von Praß dem Herrn Mohrchen, daß er die siebzigtausend Mark an der Kasse zu erheben habe. »Und was tun Sie damit?« fragte Terra.

»Geschäftsgeheimnis. Nie sollst Du mich befragen.« Mohrchen blinzelte. »Im tiefsten Ernst, legen Sie gegen mich lieber keine Bombe, wer weiß, was sonst noch mit auffliegen könnte.«

»Ich habe Ihnen keinen Grund gegeben, mich für einen Spion zu halten.«

»Man wird es hier. Die siebzigtausend sind in guten Händen.« Noch vertraulicher: »Daß ich meine Bezüge davon habe, brauchen Sie nicht erst schriftlich zu sehen. Sie beziehen gewiß Ihre Gage fest und nicht zu knapp?« Da Terra nur Rauch ausstieß: »Leider nein? Dann können wir uns verstehen. Kommen Sie zufällig heute abend ins Café National?«

»Ich bin stark beschäftigt«, sagte Terra gemessen.

»Und ich?« fragte Mohrchen mitleidig. »Ich habe nämlich das Auswärtige. Ich laufe. Wo bliebe ich sonst mit meinem Fett.« Noch einmal durchtrieben gelächelt, und der Dicke öffnete schon die Hintertür. »Er tut Ihnen wohl leid?« fragte er unter der Tür, mit einem Kopfrücken nach der Seite des Direktors.

»Schurke«, sagte Terra hinter ihm drein.

Er prüfte die vom Direktor erhaltenen Schriftstücke und begann kurz entschlossen zu schreiben. Den Lärm im Vorzimmer hörte er schon nicht mehr. Die Zunge bewegte sich ihm zwischen den Lippen vor Vergnügen. »Bravo!« sagte er zu seinem jungen Talent. Was es hervorbrachte, war eine durch keinerlei Mitwissenschaft gehemmte Phantasie über die Oper des hohen Herrn, den er ein zivilisatorisches Genie von höchstem Rang nannte, – aber die blühende Wiedergabe des Kunstwerkes diente zugleich als Lockung für das benachbarte und befreundete Land, das nicht nur die Oper spielen sollte, sondern wo auch das zur Zulassung an der Börse empfohlene Papier zu Hause war. »Sonderbar« – dies fiel ihm auf – »der Artikel umfaßt A und B, Geschäft und Vergnügen, somit das gesamte Leben, und doch ist alles Hirngespinst, Geistererscheinung oder Schwindel: kein Mensch könnte jetzt noch beschwören, was.« Er ging an die Polstertür. »Hinter diesen Matratzen sitzt mein Direktor, hält sich, bei seinen Atrappen und seinem Telephon, für einen ausgekochten Lebenskenner und ahnt nicht, daß er nur ein kümmerlicher Poet in der Dachkammer ist, dem es verdammt hineinregnen könnte.«

Er schlug das Telephonbuch auf. »Der Schurke hatte recht, er tut mir leid, ich will ihm helfen gegen den Schurken.« Und das Sympathische an dem Direktor? »Daß er erschrickt, wenn die Wirklichkeit heraufsteigt. Am Rande der Versenkung erschien ein Veilchenhut und ein wenig gelbes Haar, da fielen ihm die Schuppen von den Augen, es ward ernst und er kam außer sich, der arme Narr.«

Terra rief an, mit dem Vorsatz: »Abgefeimter soll selbst mein Meister einem Geschäft nicht zu Leibe gehen.« – »Herr Doktor«, sagte er dem Redakteur, der sich meldete, »Sie sind der hervorragendste Börsenfachmann der Berliner Presse. Dies ist weltbekannt, ich will nicht der Fünfhundertste sein, der Sie damit langweilt.« Hierauf sagte er in verschiedenen Wendungen und Tonlagen etwa zehnmal dasselbe, und der Andere ließ es sich einträufeln. »Von Grund aus neu und einzig aber, Herr Doktor, wirken Sie auf den Untenstehenden erst vom Postament Ihrer Kultursendung herab.« – »Schluckt er es?« fragte Terra sich besorgt. Aber Jener schien Beifall zu murmeln. »Von allen Börsenberichterstattern«, rief Terra gehoben, »haben Sie allein einer wirtschaftstechnischen Funktion das Mittel für völkerverbindende Zwecke abgelauscht und gönnen sich keine Ruhe, bis Sie nicht auch die Seele einer Nation uns nähergerückt haben, deren Lose wir kaufen sollen. Als heißer Bewunderer Ihrer wissenschaftlichen Ausflüge in die unserem Unternehmungsgeist zu erschließenden Länder – und sind es nicht, in ihrer stilistischen Farbigkeit, auch künstlerische Taten?–« Nach weiteren fünf Minuten war Terra bei dem besonderen Fall, an dem ihm lag, und es schlug gerade Mittag, als er die Erlaubnis erlangt hatte, sofort seinen Artikel hinzubringen.

Unter dem Haustor traf er auf Elias, der dem Stürmenden bescheiden Platz machte. Terra hielt plötzlich an. »Sie gehen wohl auch zu Mittag, soll ich Sie mitnehmen?« Er drängte ihn in eine vorbeifahrende Droschke. Elias atmete kaum, es war eine Droschke erster Klasse. Über seinem fadenscheinigen Röckchen fehlte der Mantel, im Winde schützte er die Brust mit den verschränkten Armen. Er trug eine gefaßte Miene, und in seiner Kopfhaltung lag Vorsicht. »Entschuldigen Sie«, sagte er, »ich esse nicht zu Mittag. Mein Brot habe ich schon verzehrt, jetzt wollte ich mir etwas Bewegung machen.«

»Sie sind eingeladen«, sagte Terra. »Die Generalagentur für das gesamte Leben macht Sie wohl nicht fett?«

»Mit fünfzig Mark im Monat –« bestätigte Elias und blickte freundlich aus braunen Augen. Auf eine Bewegung Terras erwiderte er: »Eigentlich fünfundsiebzig; aber den Rest trage ich auf die Bank.«

»Sie haben Charakter«, sagte Terra; und da sie anlangten: »Bestellen Sie nur, und entschuldigen Sie mich wenige Augenblicke, ich habe einen Auftrag vom Direktor.«

Bei der Tür holte Elias ihn wieder ein. »Sie machen doch keinen Witz und wollen mich hier nicht versetzen?« fragte er. »Ich habe kein Geld.« Terra sagte:

»Dafür interessiert mich unsere Generalagentur doch zu sehr.«

Der Angestellte der Generalagentur begegnete, sanft zudringlich seinem Blick, klappte mit den Lidern – und dann fand er sich unter dem Lächeln angeborenen Zweifels, in diese zwecklose Laune.

Terra war in der kürzesten Frist wieder da. »Die Redaktion der ›Lokalpresse‹ weiß nicht ein noch aus vor Begeisterung«, verkündete er. »Mein Einzug in die Generalagentur gestaltet sich triumphal.«

»Wenn Sie schreiben können,« meinte Elias und aß gierig, »legen Sie die Leute leichter hinein, als unsereiner.« Terra äußerte Anerkennung. »Ein Mann wie Sie, gedenkt nicht in alle Ewigkeit der Hereingefallene zu bleiben.«

Elias verschnaufte, die Wangen rot überflogen. »Nur erst tausend Mark beisammen haben, dann weiß ich ein Geschäft.«

»Aber der Generalagentur vertrauen Sie Ihre Ersparnisse doch wohl nicht an?«

Elias, den Kopf wiegend: »Bin ich verrückt?« Und Terra, scharf: »Aha.« Darauf sahen sie einander an.

Mit seinem angeborenem Lächeln nahm Elias die neue Wendung hin. »Wenn Sie von der Konkurrenz sind, was wollen Sie wissen und wieviel bieten Sie?«

»Mindestens zwanzig Mark Gehaltsaufbesserung, wenn Sie mir sagen, wer Mohrchen ist.«

»Herr Mohrchen«, den Kopf wiegend, »ist ein feiner Mann, er muß etwas wissen vom Herrn Direktor.«

»Zahlt der Direktor freiwillig?«

»Gott soll schützen. So oft sie in seinem Zimmer zusammen reden, kracht es gegen die Polstertüren, als ob sie werfen, und im Schallrohr können wir sie hören brüllen.«

»Ich habe die Weisung, die Dinge aufzuklären«, sagte Terra und preßte die Lippen aufeinander. Elias erblaßte; er verließ seinen Stuhl, um einen Kratzfuß zu machen, worauf er sich artig wieder hinsetzte. »Zu Befehl, Herr Polizeirat«, sagte er sanft. Terra befahl:

»Sobald Mohrchen wieder auftaucht, gehen Sie ihm nach, ich entschuldige Sie im Geschäft. Achten Sie darauf, wohin er das Geld trägt.«

Hierauf verabschiedete er seinen Gehilfen, trank den Kaffee aus und kehrte in sein Bureau zurück. Am Schreibtisch kramte Jemand, eine grüne Jacke – »das Volk.« Beim Erscheinen Terras warf es die Papiere in die Schieblade zurück, sagte »Mahlzeit« und wollte gehen. »So haben wir nicht gewettet«, rief Terra. »Was treiben Sie hier?«

»Das Volk verlangt Sicherheiten«, sagte »das Volk«, blond und frisch, und wippte auf den Absätzen.

»Wofür?«

»Daß unser Geld nicht flöten geht. Sie sind auch wieder einer.«

»Einer, von welchen?«

»Von der Judenbande, die das Volk um sein Geld bringt.«

»Sie haben das Ihre wohl in der Generalagentur für das gesamte Leben angelegt? Ihnen kann geholfen werden.«

»Das Volk hat schon zu oft das Nachsehen gehabt«, stellte »das Volk« fest und marschierte ab.

Das Vorzimmer hatte sich seit Mittags noch nicht wieder gefüllt, gleichwohl war Seifert zu hören, als beschwöre er eine unsichtbare Menge. Terra fand ihn, gehetzt wie je, hinter seiner Schranke, die ihn nur ungenügend schützte gegen die Angriffe eines weiblichen Wesens. »Um Gotteswillen, Fräulein Alma!« flehte er. »Aus der Kasse kann ich die Alimente nicht nehmen. Woher also?«

»Aus der Kasse«, verlangte die Dame unerbittlich. »Und dalli, sonst weiß man, was man zu tun hat.« Ohne weiteren Aufschub schrie sie »Vater!« und wollte die Schranke durchbrechen, ihr verregnetes Pelzwerk flog ihr voran. Da trat Vater Lange schon auf, »das Volk« und Elias stützten ihn, er war nahe am Versagen. »Alma, Kind,« jammerte er, »halte doch bloß den Rand, ich komme als alter Mann um meine Stelle.« Da sie aber nichts weniger als nachließ, erfaßte der Aufruhr auch ihn. »Haben Sie das nötig gehabt, Herr Seifert?« keifte er. »Nun sehen Sie sich Ihre Arbeit an, auf die Straße geht sie, nicht mal mehr ins Kaffee!«

Seifert stand gebeugt und beide Hände ins Haar gekrallt, »das Volk« hatte seine Freude, Elias sah freundlich drein. Terra erhob die Stimme.

»Mein Fräulein, würden Sie sich entschließen können, den Betrag für diesmal von mir entgegenzunehmen?«

»Aber ja. Kleiner«, erwiderte sie und wollte ihm eine Karte winzigen Formates zustecken. Er machte ernst einen Schritt rückwärts. »Ich bin Ihnen nicht zu nahe getreten, mein Fräulein, darf ich Sie um dieselbe Rücksichtnahme ersuchen.«

»Aber ja«, wiederholte sie, erstaunt, und wollte gehen. Jetzt schritt aber der Vater, die Partei wechselnd, gegen sie ein, mit seinem Vaterfluch beförderte er sie hinaus. Als er gebrochen wiederkehrte, empfingen ihn die Herren: »Vater Lange, Alma wird schon wieder gut tun.« – »Das sagen Sie nur immerzu«, seufzte der Vater und zog schleppend in seine Dunkelkammer ab.

Terra, mit dem Kassierer allein geblieben, sagte: »Seifert, Sie sind auch ein Unglückswurm.«

»Ich brauche ein Mädchen nur anzusehen, schon hat es ein Kind,« sagte Seifert erschlagen. Terra beugte sich vertraulich über die Schranke. »In dieser unverschuldeten Notlage würde ich eine vorübergehende Inanspruchnahme der Kasse – ich will nicht sagen verstanden, aber fast verstanden haben.«

Seifert hatte schon wieder die Finger in den Haaren. »Wenn ich das auch noch täte!«

»Wo bliebe die Generalagentur für das gesamte Leben«, ergänzte Terra. »Denn Herr Mohrchen hat das Seine besorgt.«

Da hielt Seifert in seinen Sprüngen ein. »Das haben Sie auch schon heraus?« Aus dem Kassenschrank brachte er eine Handvoll Zettel. »Statt Geld habe ich nichts, als seine Quittungen. Für sich holt er es zwanzigmarkweise, für den Direktor in Tausendern. Wo bleibt es Alles?«

»Wir wollen hoffen, daß unser Direktor es in glänzenden Geschäften angelegt hat.«

»Das können wir nur hoffen.«

»Ich habe den untrüglichen Eindruck von ihm gewonnen«, sagte Terra. »Ich halte ihn für ein Genie der Spekulation.«

»Damit ist er fein heraus. Aber ich kann hier die Leute vertrösten.«

»Das ist freilich ein Hundeleben«, bestätigte Terra. Der Kassierer raunte bleich: »Heute hat Mohrchen siebzigtausend haben wollen.«

»Sie haben ihn zum Kuckuck geschickt.«

»Nachmittag kommt er wieder.«

»Dann zeigen Sie sich als Mann.«

»Dann meldet er dem Direktor, daß ich das Geld aus der Kasse nehme, das ich ihm leihe. Er macht mit dem Alten, was er will.«

»Wir werden mit ihm selbst etwas machen, was sich seine Schulweisheit nicht träumen läßt«, behauptete Terra mit einer so unbezweifelbaren Sicherheit, daß Seifert, ohne weiter zu fragen, nur nach seiner Hand griff. Im nächsten Augenblick nahm das wiedererschienene Publikum ihn stürmisch in Anspruch.

Das Vorzimmer war inzwischen stark besucht, und über die Stimmung konnte Niemand sich täuschen, man kam, sein Geld zu holen, und fürchtete, vergebens zu kommen. Terra durfte sich sagen, daß es nur noch einen Anstoß brauchte, um alle diese Leute elementar aufzubringen gegen den, der ihr Kapital fortgesetzt aus dem Hause trug, und um den Direktor von seinem bösen Dämon zu befreien. Der Direktor erschien ihm vertrauenswerter mit jedem Augenblick.

Er ließ den Türgriff seines Arbeitszimmers wieder los und ging nochmals auf die Straße, denn das Erscheinen der »Lokalpresse« nahte. Der Börsenredakteur hatte das Sensationelle des Artikels sofort erkannt und wollte ihn schon im Abendblatt bringen. Gestrafften Schrittes durchmaß Terra die Friedrichstraße. Noch nicht einen Tag in Berlin, schon wußte er sich gestählt. Er sah in dem schnellen Durcheinander keinem ins Gesicht, aber er fühlte sie alle, wie das von ihren Tritten heiße Holzpflaster. Es galt zu handeln und den Erfolg im Sturm zu nehmen. Ringsum die Not, der Überfluß, die Hochstapelei waren im Recht, so eins wie das andere, denn sie waren im Kampf! Die Geschäftshäuser ließen Verkehr strömen, soviel sie irgend konnten, und verbrauchten die Kraft ihrer Angestellten, soviel die irgend hatten. Der Kampf geht weiter, trotz Deinen Schmerzen. Reiß' ihn an Dich, mach' Dich zum Führer.

Als der erste Verkäufer ihm die Zeitung hinhielt, entfaltete er sie mit einer Art Rausch. Die Spalten überfliegend im Licht der Gaslaternen, ernüchterte er sich freilich schnell, der Handelsteil enthielt nichts. Erst später fand er seinen Beitrag im Feuilleton, unter dem Haustor der Generalagentur las er ihn durch. Hilf Gott, verpfuscht und verfahren! Der Redakteur mit seinem Scharfblick hatte alles aus dem Manuskript gestrichen, was irgend der Generalagentur nützen konnte: die Zulassung des Börsenpapieres samt der Tätigkeit der Generalagentur für das gesamte Leben, zugunsten der Oper von hoher Hand. Die übriggebliebene literarisch-musikalische Würdigung des Kunstwerkes war allerdings im Feuilleton am Platz.

Terra erstieg die Treppen mit der Gewißheit: »Erste Abfuhr! Aber die zweite Tat stehe für beide, auf gegen Mohrchen!« Durch die Menge bis zu seiner Tür vorgedrungen, riß er sie auf – schloß sie ebenso schnell und sagte: »Um Vergebung.« Die Dame mit dem Veilchenhut befand sich in den Armen eines Herrn, der nicht der Direktor war. Stehend und von dem Arm des Herrn aufrecht erhalten, lehnte sie die Büste samt dem Kopf weit herüber und empfing auf ihrem Gesicht das seine. Die üppige Art es zu empfangen, ließ keine Zweifel, wer sie war. Noch blieb sie von dem Herrn halb zugedeckt und hatte geschlossene Augen, aber es war die Frau von drüben.

Die beiden trennten sich, ohne Übereilung. Die Frau von drüben winkte Terra zu, als habe sie ihn gestern herbestellt. »Wie war's denn inzwischen?« fragte sie kameradschaftlich. Er ging auf ihre Absichten ein.

»Großartig«, sagte er. »Anders kann es einem Reklamechef unmöglich ergehn.«

»Und unser Geschäft? Denn wir haben hier, scheint mir, alle drei das gleiche«, erklärte sie dem Herrn. »Ach!« machte Terra, ehrlich erstaunt. Der Herr blickte sogar peinlich befremdet darein. Er war noch größer als die Frau von drüben, ungeheuer breit, steifnackig anzusehen und von den Zügen einer Bulldogge, mit gewölbten Augäpfeln, kurzer Nase, ja, Backentaschen, trotz seiner Jugend. Der Riese sagte hoch und dünn: »Geschäft? Mir unbekannt.« Die Frau von drüben sagte mitleidig:

»Ersparen Sie sich alle diplomatischen Künste, Herr von Tolleben. Herr Terra vertritt unseren Direktor von Praß. Sie können ihn durch großartige Offenheit verblüffen, in der Art ihres früheren Chefs. Herr von Tolleben ist aus dem Auswärtigen Amt«, womit sie sich wieder zu Terra wandte. Jetzt erst bemerkte Terra, daß der Herr, mit noch weniger Haaren und noch mehr Augenbrauen, dereinst genau wie Bismarck aussehen werde. Bei dieser Entdeckung verbeugte er sich wie ein Reklamechef und stellte sich zur Verfügung. Nichts anderes könnte hier in Frage kommen, als die hohe Oper. Von Tolleben blieb leider ablehnend, er glotzte auf Terra in eine solche Tiefe hinab, als habe er höchstens das besiegte Dänemark vor sich. In Terra begann es zu sieden.

»Meine Wenigkeit ist unbegrenzt auf dem Laufenden«, versicherte er, die Hand am Herzen.

»Das will ich, im Interesse des Herrn von Praß, nicht hoffen«, äußerte von Tolleben unliebenswürdig. Viehisches Subjekt, fühlte Terra, in seinem siedenden Blut. Er neigte sich noch etwas tiefer, zuerst vor dem Herrn, dann vor der Dame. »Fürstin,« redete er, schwungvoll ergeben, die Frau von drüben an, »Eurer Durchlaucht habe ich die Ehre zu melden, daß ich den heutigen geschlagenen Tag lang meine gesamte Kraft bis zum völligen Versagen für das allerhöchste Opernwerk einzusetzen den Vorzug hatte«, – schloß er wankend.

»Wie? Was ist los?« fragte die Fistelstimme Bismarcks.

»Den Vorzug hatte.«

»Allerhöchstes Opernwerk geht Sie nichts an, verstanden?« »Ihr Vertrauen, Herr Baron, verpflichtet mich«, sagte Terra und überreichte dem Herrn die Zeitung mit der literarisch-musikalischen Würdigung. »Sie sind mir unangenehm«, sagte der Bismarck mit bekannter Offenherzigkeit. Die Feinde tauschten einen Blick, in dem sie einander verstanden.

Indes von Tolleben das Lampenlicht aufsuchte, um zu lesen, trat die Frau von drüben diskret zu Terra.

»Staatsgeheimnis, mein Freund«, flüsterte sie; und mit lautlos bewegten Lippen: »Die allerhöchste Oper ist hier im Hause erfunden, sie existiert nur für den, –« mit halbem Lächeln nach dem Leser hin: »der's glaubt.«

Terra verrenkte, stumm und mit großer Gelenkigkeit, den Mund und das ganze Gesicht. Hierüber lachte die Frau von drüben ihr klares, von Gefühlen ungefärbtes Lachen. Der Diplomat spähte argwöhnisch zu ihnen her, schon kam er.

»Gewandte Feder«, sagte er beinahe artig zu Terra. »Das musikalische Thema des Gottesgnadentums würde ich gern in der Partitur nachsehn, haben Sie sie zufällig da?«

»Ich muß ergebens! bedauern, sie liegt im Kabinett des Herrn von Praß.« Worauf der Herr von Terra verlangte, er solle sie holen, und Terra ihn höflichst aufforderte, es selbst zu versuchen. Der Diplomat bemühte sich wirklich, die Polstertür zu öffnen oder wenigstens hindurch zu schreien. Seine Stimme reichte nicht, die allerhöchste Oper blieb unzugänglich. Er ließ es Terra fühlen. »Herr! Sie sind ein unverschämter Intrigant«, sagte er ohne Maske. Terra erwiderte kühl und wohlerzogen:

»Ich besorge die Geschäfte meines Hauses. Hätte ich Ihnen die Partitur vorgelegt, Sie, Herr Baron, würden vielleicht auf den genialen Gedanken verfallen sein, sie mitzunehmen.«

»Frecher Bursche, Sie laufen mir schon noch in den Weg.«

»Zum Beispiel bei mir«, sagte die Fürstin vermittelnd. Sie wollte den Baron nicht begleiten, sie werde mit diesem Reklamechef ein Wörtchen reden. Noch in der Tür schickte von Tolleben über seine Augensäcke einen scharfen Blick her.

Terra hatte sich hinter den Schreibtisch zurückgezogen, er warf ein großes Papiermesser darauf umher. Die Frau von drüben setzte sich bequem vor den Tisch. »Da sind wir«, sagte sie und lächelte ruhig zu ihm hinauf. Er antwortete nicht, da entkleidete sie ihre Hand und ließ sie über den Tisch auf ihn zukommen. Er stieß hervor: »Ich konnte es auf meinen Eid nehmen damals, daß Sie am Morgen nicht mehr da sein würden. Ich schlief nicht, Sie entkamen trotzdem.«

»Noch böse?« fragte sie. Er lachte ingrimmig. »Ich wünsche einem ausgemachten Elternmörder die Lebensstimmung nicht, mit der ich Opferlamm diese ganzen Jahre Ihnen zu Ehren umherlaufen durfte.«

»Ich erhalte mir gern meine alten Freunde, – wenn sie irgend wollen.«

»Hochstaplerin«, – und er verzerrte das Gesicht.

»Was ihr euch darunter denkt, das gibt es gar nicht«, – sie krümmte nur die Lippen. »Das bringt das Leben mit anderem mit, als Beruf hat man es nicht.«

Dabei stand sie auf. Sie war groß, sehr weiß mit dunklen Brauen, hatte den schaukelnden Gang wie je, und die Stimme, die er jetzt leer nannte. Aber sein Herz krampfte sich, wenn er sie hörte. »Sie machen wahrhaftig den allerberuhigendsten Eindruck«, sagte er höhnisch. »Als hätten Sie seit meiner Zeit kein Wässerchen getrübt.«

»Sie können unmöglich noch glauben, unsereins gehe umher und werde Gymnasiasten gefährlich.«

»Allerdings nicht, meine Gnädigste. Ihr Haar ist gelber geworden. Sie führen eine andere Nummer vor, Fürstin Lili auf dem ungesattelten Drahtseil. Die Dame, die ich kannte, existiert nicht mehr; daher geben Sie sich um Gotteswillen keiner Sorge wegen meiner Verschwiegenheit hin!«

»Was geht mich der Bismarck an, er weiß vor Schulden nicht ein noch aus.«

»Also geht Sie der Direktor an.« Da fiel sie ein. »Der weiß alles, was er braucht. Meinen Sie, er würde mich zum Varieté zurückbringen und zur großen Attraktion machen, wenn ich nicht wäre, was ich bin? Der hängt keinen Sentiments nach, ihn muß ich nicht beschwindeln.« Über die Schulter leichthin: »Sonst würde ich ihn ganz gewiß nicht heiraten.«

Terra stand reglos. Plötzlich ging er, die Hand ausstreckend, auf sie zu. »Das hätte Ihr erstes Wort sein sollen.«

»Wir verstehen uns noch rechtzeitig.«

»Was wollen wir hier«, sagte er schneidend. »Erfolg. Durchlaucht werden Ihre guten Gründe haben, sich dieser Generalagentur für das gesamte Leben mit Haut und Haaren zu verschreiben.«

»Sie trägt uns beide«, sagte sie, und beide schoben sie die Brauen hinauf. Terra stellte ihr den Sessel zurecht, seinen Stuhl zog er vor sie hin. Die Hände auf den Knien, sagte er halblaut:

»Zuerst kam der Mann mir wie ein schlechter Zauberer vor, dann wie ein besserer. Es endete aber, Gott weiß warum, mit einer Art von Begeisterung. Wieviel ist er wirklich wert?«

»Er hat unabsehbare Mittel«, sagte sie, auch halblaut. »Erstens, er will mich heiraten. Dazu versteht sich entweder ein grüner Junge –« »Danke«, sagte Terra. »Oder,« schloß sie, »ein Mann an den nichts mehr hinanreicht.«

»Zweitens,« stellte Terra fest, »beschwingt er dermaßen die Seelen, die ihm zu nahe kommen, daß es ihm unmöglich jemals an größeren Geldmitteln fehlen kann. Für seine nicht vorhandene Oper habe ich mir die Nägel zerrissen, als hätte ich einen Fahrweg zur Seligkeit eigenhändig anlegen wollen.« – »Ich aber,« sie schlug ihn auf das Knie, »bringe es fertig, daß der Bismarck von der Wirklichkeit der allerhöchsten Oper überzeugter ist, als von der ihres behaupteten Urhebers.« – »Daraufhin kann die Generalagentur für das gesamte Leben beruhigt das gesamte Leben als ihr ausschließliches Monopol ansehen, sollte selbst die Oper niemals geschrieben werden. Anzunehmen ist aber«, setzte er hinzu, »daß unsere Reklame sie aus ihrem Urheber herauslockt. Niemand läßt sich gern Genie nachsagen, ohne prompt damit aufzuwarten.«

Sie lachten tief beglückt einander an. »So froh zumut war es uns beileibe nicht in unserer einzigen Liebesnacht«, bemerkte Terra, und sie wandte nichts ein. Er brach sein Lachen ab. »Ein Schatten fällt auf diese unvergleichliche Welt: Mohrchen.« – »Ja,« sagte sie, »auch mir macht er Sorge.« Terra raunte: »Was hat von Praß mit Mohrchen?«

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