Kitabı oku: «Die Jugend des Königs Henri Quatre», sayfa 11
Die böse Fee
Er hatte sich der alten Königin anmelden lassen, und als er bereit war, holten zwei Edelleute ihn ab. Er wanderte mit ihnen weit durch den Palast, ohne daß sie sprachen, und er begriff, daß sie aus Vorsicht schwiegen. Er, der ihnen sonst genug Fragen gestellt hätte, war verbissen in seinen einzigen Gedanken, und der hieß Haß. Zuletzt öffneten sie ihm das Empfangszimmer der Königin, verbeugten sich ehrerbietig und ließen ihn allein. Neben jeder der Türen wachten breitbeinig je zwei Schweizer, aber die beiden vor der inneren Tür hielten ihre Hellebarden gekreuzt. Alle vier konnten aus Stein sein, und ihre hellen Augen zielten ins Leere. Sie sahen den Fremden weder, noch verstanden sie ihn. Er hätte laut ausrufen können: Meine Mutter hat Gift bekommen!
Da er warten mußte, fiel es ihm ein, hinter einem Fenstervorhang zu verschwinden. Wenn die Giftmischerin eintrat, sollte sie nicht wissen, daß er da war, und er nahm sich vor, ihre Mienen zu überraschen. Nun lag aber im Fenster die Mittagssonne, und jenseits eines wohlgepflegten Gartens erschien ihm der helle Fluß mit allem, wovon er draußen schon Abschied genommen hatte, das unwissende laute Volk, hochschwankendes Heu, ächzende Karren und Kähne. Auch fiel ihm ins Auge die lange besonnte Front, die mit diesem Zimmer endete: sie war herrlich, und man mußte sagen, ein Wunder. Hergehoben aus ersehnten Welten durch Zauber schien dieses Bauwerk. Das ehrbare Paris enthielt an einigen Stellen etwas, das seinen Bürgern nicht ähnlich sah. Dies hier übertraf den Hof von Frankreich; es holte ihn hervor aus dem Brunnenschacht des Louvre, wo der Rest eines Turmes vermodernd auf begrabenen Jahrhunderten stand. Genug, hier war die glänzende Vorderseite vor sehr finsteren Altertümern. Dies erblicken – und Henri von Navarra hatte begriffen, daß die Herrin des Palastes wohl die alte Giftmischerin, aber zugleich eine Fee war. Allerdings soll man sich hüten vor den Fallen des Bösen, und derartiges kann auch eine schöne Fassade sein. ,Blendwerk der Sinne!‘ dachte der junge Protestant, oder eine Tote dachte es durch das lebende Gehirn ihres Sohnes. Die Königin Jeanne war bekannt gewesen mit diesem Zimmer, hier hatte sie verhandelt in den Geschäften der Religion und ihres Sohnes, hatte gekämpft, sich erschöpft, und vielleicht war ihr hier ein Glas Wasser gereicht worden, in das die Hand der alten Fee etwas gemischt hatte.
Henri fuhr herum. Er hatte nichts gehört drinnen, inzwischen war Katharina von Medici hereingewatschelt bis in die Mitte. Nur ihren Umriß erkannte er, da er vom Licht geblendet war, sie dagegen hatte den jungen Mann gefunden und musterte ihn. Ihre Hände – versteckten sie sich in den Falten des Kleides? Sie war in Schwarz und begann mit ihrer abgenutzten Stimme zu ihm zu sprechen. ,Sie aber lebt!‘ bedachte der erbitterte Sohn der Toten. Mit Haß hörte er sie ihren großen Schmerz um ihre gute Freundin Jeanne beteuern und daß sie sich freute, weil sie ihn endlich hier hatte. Das glaubte er ihr, nahm sich aber vor, es sollte ihr schlecht bekommen. Inzwischen hatten seine Augen sich an das schwächere Licht gewöhnt. Wirklich, sie versteckte ihre Hände! Da geschah es ihr auch noch, daß sie die Hand Gottes in ihre Rede zog. Der Sohn der Toten hielt seine Zunge mit den Zähnen fest, er hätte sonst gefordert: Lassen Sie mal Ihre Hände sehn, Madame! Aber sie tat es! Holte die kleinen fetten Gliedmaßen, die er sehen wollte, aus ihrem Rock hervor und legte sie auf den Tisch, hinter den sie sich setzte.
Henri machte im Zorn ein paar Schritte, sie waren schnell und unüberlegt. Die alte Königin hatte vor sich den breiten und wuchtigen Tisch, hinter sich vier kräftige Schweizer mit langen Spießen. Sie konnte leicht ruhig bleiben, ihre Sprache behäbig.
„Wie Sie mir leid tun, Sie junger Mensch! Achtzehn Jahre, nicht wahr, und schon eine Doppelwaise, Sie sollen in mir eine zweite Mutter finden, die Ihre Schritte leitet, denn die Schritte der Jugend sind oft vorschnell. Ich weiß, daß Sie es mir danken werden, junger Mensch, Ihr Wesen ist lebhaft und natürlich. Wir beide verdienen, daß wir einander verstehn.“
Das war grausig. Auf dem Tisch ahnte man unsichtbar ein vergiftetes Glas, die Fingerchen der Alten schlichen zu ihm hin, während aus ihr der Abgrund redete. Es war ein Bann, man mußte ihn brechen! Gewisse Worte und Zeichen hätten wahrscheinlich bewirkt, daß das bleifarbene Gesicht mit den hängenden Wangen zerplatzte und in Luft zerging. Henri indessen fand in diesem auf die Spitze gestellten Augenblick etwas anderes als solche Kunststücke: er entdeckte in seinem Empfinden, daß die Mörderin seiner Mutter erbarmungswürdig war – wie im Brunnenschacht des Louvre der Turmrest, der auf den begrabenen Jahrhunderten übrig ist. Dennoch wird er bald fortgeräumt. Vielleicht tut sie es zuletzt selbst. Sie oder ihr Geschlecht mußten auch schon die schöne Front des Schlosses errichten in der Mittagssonne. Sie für ihre Person sitzt noch da als die böse und närrische Vergangenheit. Das Schlechte, aber auch Überalterte ist endlich zum Lachen, mag es sogar fortfahren zu morden. Trotz seinen verspäteten Untaten erbarmt es uns seiner Ohnmacht, seines Verfalls!
Hell und zuversichtlich rief der junge Henri: „Wie wahr Sie gesprochen haben, Madame! Ich werde Ihnen einmal danken, das ist gewiß. Möchten meine Handlungen immer dieselbe Natürlichkeit zeigen wie die Ihren! Mein Bemühen wird sein, einer so großen Königin zu gefallen.“
Diese übertriebene Ironie mußte sie unbedingt bemerken: er ließ es darauf ankommen. Ihre glanzlosen schwarzen Augen suchten auch wirklich, spitz geworden, in seiner Miene, die nichts zeigte als Jugendmut. Henri sagte weiter unter ihren spähenden Blicken:
„Von Ihnen, Madame, hoffe ich über das Ende der Königin, meiner armen Mutter, etwas mehr zu hören als andere mir berichten können. Sie hatte das Glück, Ihnen nahezustehen, und in allen ihren Briefen war meine arme Mutter über Sie, Madame, des Ruhmes voll.“
„Ich glaube es“, erwiderte Katharina. Sie dachte an den letzten der Briefe, in dem Jeanne d’Albret sich geschmeichelt hatte, sie selbst aus der Macht zu verdrängen, und den sie eigenhändig geöffnet und wieder verschlossen hatte. An denselben dachte auch Henri.
Die alte Katharina wurde noch einfacher und gradezu freundlich. „Mein Kind“, sagte sie jetzt.
„Mein Kind, wir sind hier nicht zufällig allein beisammen. Es war gut und richtig, daß Sie zuerst mich aufsuchten, denn ich hätte Sie sonst gerufen in der vorgefaßten Absicht, Ihnen Aufklärungen zu geben über den Tod Ihrer Mutter, meiner guten Freundin. Wer nicht Bescheid weiß, macht aus natürlichen Geschehnissen leicht ein Geheimnis, das ihn erbittert.“
,Gut gespielt‘, dachte er und erwiderte: „Sehr wahr, Madame, ich selbst habe es festgestellt. Niemand, der die Königin, meine Mutter, unlängst gesehen hatte, wollte glauben, daß ihr Leben gefährdet war.“
„Und Sie, mein Kind?“ fragte sie geradezu – und so mütterlich wie nur die rechtschaffenste alte Frau. Dies war der Augenblick! Er fühlte, daß er dieses Wortes wegen hier stand. Jetzt mußte er rufen: Mörderin! So hatte in seinem Geist die Abrechnung mit Madame Catherine ausgesehn, bevor der Augenblick da war. Statt dessen stockte er; seinem entschlossenen Haß begegnete ein Hindernis, das er noch nicht kannte. „Ich erwarte Ihre Aufklärungen“, hörte er sich zu seinem Erstaunen sprechen.
Zwei Schwarzgekleidete
Sie nickte befriedigt. Dann bewegte sie die Schulter ein wenig nach den beiden Schweizern, die vor dem inneren Eingang wachten. Die Soldaten nahmen ihre Spieße auseinander, stießen die Türflügel auf: sogleich schritten herein zwei schwarzgekleidete Männer von ungleicher Größe, beide ohne Hut, unbewaffnet, aber mit Gesichtern, ausgezeichnet durch eine Art traurigen Selbstbewußtseins. Sie verbeugten sich ganz richtig, zuerst vor der Königin von Frankreich, dann vor dem König von Navarra, erwarteten das Zeichen, das die Königin ihnen geben sollte, und als diese die Hand gewährend gesenkt hatte, begannen die Männer auch schon, Henri zugewendet:
„Ich bin Caillard, ehemals Leibarzt Ihrer Majestät der Königin von Navarra.“ Dies sagte der Längere, und er nahm es gewiß selbst so feierlich wie möglich.
„Ich heiße Desneux und bin Chirurg.“ Das war eine andere Nummer, der hätte lieber seine amtliche Traurigkeit abgelegt.
„Auf Befehl Ihrer Majestät habe ich, Caillard, Mitglied der Fakultät, mich am vierten Juni, der ein Dienstag war, in das Haus des Herrn Prinzen von Condé verfügt, wo ich die Königin vom Fieber ergriffen und bettlägerig vorfand.“
,Abgekartete Reden, und sie werden lange dauern‘, dachte Henri; er setzte sich. „Was taten denn Sie dabei?“ fragte er den zweiten Schwarzgekleideten. „Ein Klistier?“
„Das ist nicht meine Sache“, sagte der Chirurg, „das macht dieser“, wobei er dem anderen mit dem Ellenbogen in die Seite stieß.
Der Arzt erbleichte vor Zorn, mit Selbstbeherrschung fuhr er fort:
„Ich, Caillard, Mitglied der Fakultät, habe sogleich durch Untersuchung festgestellt, daß die Lunge der Königin auf der rechten Seite höchst angegriffen war. Auch bemerkte ich eine außerordentliche Verhärtung und vermutete ein Geschwür, das im Körper aufgehen und den Tod verursachen könnte. Demgemäß verzeichnete ich in meinem Buch: ,Die Frau Königin von Navarra hat noch vier bis sechs Tage zu leben.‘ Das war am vierten, einem Dienstag. Aber Sonntag, den neunten, trat der Tod ein.“ Und er überreichte das erwähnte Buch.
Henri warf einen Blick auf das Gekritzel. Die Miene des zweiten Schwarzgekleideten riet ihm ab, den Aussagen des ersten irgendeinen Wert beizumessen, als höchstens den der Komik. Der zweite hielt sich wohl für aufgefs ordert zu sprechen, denn er fing einfach an.
„Ich bin nur der Chirurg Desneux, ein unberühmter Mann, Eure Majestät hat noch nie meinen Namen gehört. Dagegen kennen Sie zweifellos den illustren Herrn Caillard, eine Zierde der Fakultät. Er hat der Wissenschaft am Busen gelegen, während ich nur ein armer Handwerker bleibe und mit der Säge arbeite. Er sagt den Leuten die genaue Stunde ihres Todes vorher, wenn nötig unter Befragung der Gestirne. Ich meinerseits schneide sie auf, nachdem sie gestorben sind, und dabei finde ich allerdings einiges, das sich sehen, greifen und nicht leugnen läßt. Immer hat es aber schon zum voraus in dem sibyllinischen Buch des großen Caillard gestanden, weshalb ich auch nichts weiter vorstelle als seinen niedrigen Gehilfen.“ Er verbeugte sich vor dem Arzt.
Dieser nahm die Huldigung als verdient hin. „So ist es“, versetzte er. „Als dann die Königin entschlafen war, habe ich ihren eigenen, bei Lebzeiten mir übermittelten Willen ausgeführt und habe den hier anwesenden Chirurgen Desneux dazu angehalten, ihren Körper zu öffnen.“
Der Sohn der Toten sprang auf. „Das habt ihr getan? Das habt ihr euch erlaubt!“
Caillard blieb traurig und selbstbewußt. „Nicht nur den Körper Ihrer Majestät habe ich auf ihren Befehl öffnen lassen: auch ihren Kopf. Denn die Königin litt im Kopf an heftigem Kitzel und befürchtete eine Krankheit, die sie ihren Kindern vererbt haben könnte. Sie beharrte dabei, obwohl ich ihr zu bedenken gab, daß ohne Gottes Willen keine Vererbung stattfände.“
„Beweise!“ rief Henri und stampfte auf. „Sonst glaube ich von all dem kein Wort.“
Da zog der Mann wahrhaftig eine Rolle hervor, überreichte sie dem Sohn, und Henri las den Namen seiner Mutter, geschrieben von ihr selbst, er konnte nicht zweifeln. Darüber stand von anderer Hand ihre Verfügung, wie der Arzt sie berichtet hatte.
„Was habt ihr gefunden? Schnell, ich will es wissen!“
Diesmal sprach, wieder der Chirurg. „Im Körper alles, was Herr Caillard vorausgesehen hatte, die Verdickung in der angegriffenen Lunge und das Geschwür, das durch Zerplatzen zur Ursache des Todes geworden war. Im Kopf aber dies.“
Wie ein Taschenspieler, mit halbem Lächeln über sein gelungenes Kunststück, zeigte er auf den Tisch, wo ein großes, mit Linien bedecktes Blatt lag. Kurz vorher war dort die leere Platte gewesen. Henri sah näher hin und erschrak: auf dem Papier erschien ein Schädel, der Schädel seiner Mutter. Der Chirurg berichtete:
„Nachdem ich den Kopf der Königin aufgesägt hatte —“
„In meiner Gegenwart“, schob schnell der Arzt ein.
„Sonst wäre der Schädel auch nicht aufgegangen. Nachdem ich ihn denn geöffnet hatte, fand ich unter der Schädeldecke gewisse Blasen, gefüllt mit wässeriger Flüssigkeit, die sich, als die Besitzerin des Schädels noch lebte, über die innere Schwarte ergossen haben mußte.“
„Daher das sonst unerklärliche Kitzeln“, bemerkte der Arzt. Der Chirurg stieß ihn in die Seite und quäkte:
„Dieser hat es erklärt. Ich könnte das nicht. Nur die Zeichnung ist von mir. Sehen Sie, wo mein Finger liegt?“
Aber der feierliche Lange schob einfach den Finger des Untersetzten weg; der lief blau an vor Zorn.
Während hierauf der Arzt ausführlich und voll redlichster Überzeugung die Linien und Punkte deutete, folgte Henri ihm wohl, aber zugleich beobachtete er Madame Catherine. Auch sie war zuerst aufmerksam über das Blatt geneigt, obwohl sie es gewiß nicht zum erstenmal sah. Je anschaulicher indes die Krankheit ihrer guten Freundin wurde, um so weiter wich Madame Catherine zurück, bis sie wieder aufrecht saß in ihrem graden Sessel.
„Ein so seltener Fall“, bemerkte der Arzt, „ja, von dermaßen verdächtiger Art, daß noch mein Lehrer und Vorgänger von Zauberei gesprochen haben würde. Ich halte mich an die Natur und den Willen Gottes.“
Hierzu nickte Madame Catherine und blickte den Sohn ihrer guten Freundin an: das ist das Gesicht einer gutmütigen, einfachen Frau, erfahren und gewitzt, wenn man will, aber hier versagt ihr Rat, und sie ist ehrlich besorgt über die dunkle Ungunst der Dinge. ,Könnte ich nur hinabsteigen in diesen Blick‘, denkt der Sohn der vergifteten Jeanne – die aber gar nicht vergiftet zu sein braucht. ,Alles liegt viel zu natürlich. An der Aufrichtigkeit des Arztes läßt sich nicht zweifeln, fast ebensowenig allerdings an der Begrenztheit seines Wissens. Diese Wasserblasen unter der Schädeldecke meiner lieben Mutter, wie sind sie entstanden? Durch Gift? Oh, könnte ich hinabsteigen in diesen schwarzen Blick und mit Händen berühren, was drunten ist! Gewißheit!‘
Fast siegt sie
Sein innerer Kampf blieb der klugen Alten schwerlich verborgen, sie nahm nur keine Kenntnis davon. Sie handelte, als müßte sie einzig den Schmerz des Sohnes schonen. Zuerst gab sie den beiden Männern der Praxis ein Zeichen, worauf sie sich verbeugten wie vorhin und abtraten mit demselben Ausdruck von traurigem Selbstbewußtsein wie beim Kommen. Darauf ließ sie ihm Zeit – etwas zu lange Zeit sogar: sein. Haß, der schon in Unordnung geraten war, kehrte gesammelt zurück. Der Sohn erinnerte sich der beiden geöffneten Briefe: nach ihrem Abgang war seine Mutter gestorben! Ohne es zu wissen, eilte er mit großen Schritten durch das Zimmer hin und her. Madame Catherine folgte ihm ruhig mit den Augen, was ihn wieder verwirrte, als er es bemerkte. Schroff hielt er an und stand vor ihr, die Arme verschränkt, eine unerlaubte Haltung. Das Wort „Mörderin“ sollte dennoch fallen, es war noch nie so nahe gewesen. Sie kam dem Ausbruch zuvor. Sie sprach sehr langsam und friedlich.
„Liebes Kind, es beruhigt mich, daß Sie jetzt ebensoviel wissen wie ich selbst. Es tat mir wohl, mitanzusehen, wie Sie überzeugt wurden. Jetzt können wir unseren Schmerz verschließen und uns der frohen Zukunft zuwenden.“
„Aber der Schädel!“ sagte Henri drohend in ihr Gesicht, das schwer und grau wie Blei war. Dann suchte er auf dem Tisch: das Blatt mit der Zeichnung war fort, vor Überraschung fielen ihm die Arme herunter. Zum erstenmal verriet hier Madame Catherine ein Lächeln, es war allerdings kein schmeichelhaftes. Es hieß: ,Nicht einmal darauf haben Sie aufgepaßt, liebes Kind.‘
Merkwürdigerweise beruhigte ihn sein Mißerfolg, er stimmte Henri sofort sachlich. ,Ich kann nichts machen. Sie ist im Vorteil. Verständigen wir uns!‘ Da legte er auch schon den Haß und das Mißtrauen ab, als ob er beide in die Tasche steckte. Seiner Natur machte das keine Mühe. Erleichtert setzte er sich der alten Frau gegenüber, und sie nickte dazu. „Ich habe mit Ihnen viel Gutes vor“, sagte sie.
Henri wartete, und sie sprach weiter. „Jetzt sind wir Freunde, ich kann Ihnen offen sagen, warum ich Ihnen meine Tochter geben will. Ich tue es wegen des Herzogs von Guise, der meinem Haus gefährlich werden könnte. Er war Ihr Schulfreund; wissen Sie wohl, daß Henri Guise inzwischen auf Beliebtheit bedacht gewesen ist bei dem Pariser Volk? Er gibt sich christlicher als ich es bin, und ich verteidige doch wirklich die heilige Kirche!“
Hier funkelte es leise in ihren undurchdringlichen Augen: da vergaß Henri, daß er sie vergebens hatte ergründen wollen, und lachte stumm mit ihr, denn wenigstens ihren Unglauben bekannte sie, und das gefiel ihm. In der Verachtung des heuchlerischen Fanatismus begegnete er sich mit Katharina von Medici. Sie wurde übrigens gleich wieder ernst.“
„Aber er hat damit erreicht, daß der Papst und Spanien ihm helfen. Dieser kleine Lothringer könnte mit ihrem Geld ein großes Heer gegen mich schicken. Noch mehr, Wenn er lange so weitermacht, kann er Paris aufwiegeln. Noch mehr, er kann Mörder bezahlen. Was er zuletzt erreichen würde? Daß Frankreich eine spanische Provinz wird.“
Sie beachtete nicht, daß ein unbedeutender junger Mensch ihr zufällig zuhörte. Katharina war ihrer liebsten Wollust hingegeben, den Geist über einen Abgrund zu spannen.
„Auch ich“, sagte sie leise, „könnte den König von Spanien zufriedenstellen. Er verdenkt es mir, daß ich meine Protestanten schone.“ Langes Sinnen: ihr geschlossener Mund bewegte sich dabei. Dieser Anblick machte Henri aufmerksam, mehr als ihre Reden. Mörder bezahlen, hatte sie gesagt. Auch sie könnte es! Aber sie hatte es nicht nötig, da ihre eigene kleine und fette Hand so vorzüglich ein Getränk zu mischen verstand. Er beobachtete sie scharf, und nicht lange, so bemerkte sie es.
„Meine Protestanten stehen mir so nahe wie alle anderen Franzosen“, äußerte sie, wieder ganz gelassen – und mit stillem Nachdruck: „Ich bin eine Königin von Frankreich.“ „Ihr Sohn ist der König“, verbesserte er unbedacht und eigentlich nur darum, weil er sich der Erzählung seiner Mutter Jeanne erinnerte von dem König, der blutete. Auch die beiden noch lebenden Brüder Karls des Neunten waren bestimmt, dieselbe Krankheit zu bekommen, und der älteste war ihr schon erlegen. ,Wer ist eigentlich‘, denkt Henri, ,diese einzelne alte Frau, der die Söhne fortsterben? Die anderen Franzosen bleiben ihr in Wirklichkeit so fern, wie wir Protestanten ihr sind.‘ Laut sagte er:
„Madame, was für ein schönes Schloß ist doch der Louvre! Aber alles, was ihm Glanz verleiht, kommt aus Ihrer Heimat. Die Architektur ist italienisch“ – wie das Giftmischen, hätte er gern hinzugesetzt. Sie hob die Schultern, denn von den beiden Künsten, die er meinte, war ihr die erste fremd. Auch liebte sie keineswegs ihr einstiges Florenz, denn in der Jugend hatte sie dort Unglück gehabt und war vertrieben worden. Madame Catherine stellte nichts vor als eben sich selbst, und das war ihre Kraft, solange sie aushielt.
Jetzt betrachtete sie den jungen Menschen mißtrauisch. „Sie sprechen vom König. Haben Sie ihn denn vor mir schon gesehen?“
Er verneinte lebhaft. Sie senkte noch mehr die Stimme: dies sollten nicht einmal die Schweizer Wachen hören, obwohl sie es nicht verstanden hätten. „Der König ist manchmal nicht bei sich“, flüsterte die abgründige Alte. „Ich sage es niemandem, aber er hat Wutanfälle, dann faselt er sogar vom Morden, von irgendeinem großen Morden. Es ist krankhaft“, raunte sie dringlich.
Henri stellte nur fest, daß er in eine hübsche Familie einträte, aber das war nichts Neues. Die Mutter der blutenden Söhne beruhigte sich schon wieder. „Meine anderen beiden sind wohlgeraten, besonders d’Anjou. Seien Sie sein Freund, liebes Kind! Vor allem halten Sie es immer mit uns gegen die Lothringer! Sie sollen auch unser Heer führen, denn das können Sie, und Sie werden nicht weniger brauchbar sein als Ihr Vater es war. Dafür bekommen Sie meine Tochter. Hüten Sie sich aber auch bei ihr vor dem Herzog von Guise: die Frauen finden ihn schön.“
Henri denkt: ,Und sie schlafen mit ihm. Machen Sie keine Flausen, Madame! Wir kennen uns, und ich weiß, was für ein Mädchen ich zur Frau nehme. Nur meine liebe Mutter wußte es nicht!‘ so versicherte ihm sein zärtliches Herz.
Herausfordernd sagte er: „Darum haben Sie den Guise auch fortgeschickt, Madame, bevor ich hier ankam.“
Die Alte, um so gemächlicher: „Zu Ihrer Hochzeit wird er wieder da sein. Es ist manchmal wünschenswert, daß ein junges Mädchen einen allzu beliebten Mann nicht vor Augen hat. Eine alte Frau wie ich muß ihn dagegen ständig beaufsichtigen. Alle meine Feinde will ich im Louvre schön beisammen halten,“ Dazu gehörte er selbst, wie nicht zu verkennen war.
Ihre Deutlichkeit hätte ihn beleidigen können, trotz seiner eigenen frühzeitigen Zweifel an der Menschennatur. Bei ihr wurde das Leben denn doch zu nackt. Andererseits überwog das Gefühl des Vertrauens, das ihn langsam ergriffen hatte im Lauf ihrer Reden. Bringt man ihm ein so schmeichelhaftes Vertrauen entgegen, endlich einmal wird ein Achtzehnjähriger es nicht mehr fortweisen können. ,Von dieser berühmten Hexe habe wenigstens ich selbst nichts zu fürchten, und auch meiner lieben Mutter hat sie es nicht im Wasser gegeben!‘ In diesem Augenblick würde er das Glas auf einen Zug geleert haben, wenn auf dem Tisch eins gestanden hätte.
Statt dessen gab Madame Catherine ein Zeichen, sogleich stießen die Wachen die äußere Tür auf, und auf die Schwelle traten die beiden Edelleute, die Henri hergebracht hatten. Leicht erstaunt nahm er Abschied und ließ sich zurückführen.
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