Kitabı oku: «Die Jugend des Königs Henri Quatre», sayfa 6

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Familienszene

Jetzt folgte eine kurze Zeit, während deren Dauer es fast so aussah, als lebten Jeanne und Henri in einer friedlichen Welt ohne Arglist und ohne Haß. Sie verwaltete ihren kleinen Staat und er die große Provinz Guyenne. Sie brauchte nicht mehr zu strafen, denn ihre Untertanen waren wieder gute Protestanten. Er aber vertrat im besten Glauben den König von Frankreich. Er sah wahrhaftig nicht ein, warum er von Natur der Feind des Königshauses hätte sein sollen; so tief saßen die Lehren seiner Mutter bei ihm nicht. Ein junger Mann muß auch den Ehrgeiz vergessen können. Mit achtzehn Jahren, einige kurze Monate lang, sagt er: „Ich habe genug getan fürs Leben! Die Frauen sind so schön, und ihrer sich anzunehmen ist ergiebiger als der Krieg, der Glaube und der Weg zum Thron!“

Er meinte junge Frauen und den Zustand, in dem sie fast keine Menschenwesen, eher Göttinnen sind, so herrlich ist ihr Körper. Sooft er sie erkannte und sich überzeugte, daß sie Fleisch waren, sie blieben dennoch von einer anderen Welt, denn seine Einbildung und sein Verlangen verwandelten sie sofort wieder. Auch waren es immer andere, sie hatten damals gar nicht Zeit, ihn zu enttäuschen; er behielt sie nicht lange genug. Daher erfuhr er noch nicht, daß statt seiner eigenen Hochgefühle in ihren bewunderten Leibern zumeist Berechnung und Eifersucht wohnten. Während die eine ihn haßte, ritt er zehn Stunden lang, um sich bei einer anderen den Lohn seiner Mühen zu holen. Die erwartete ihn mit glänzenden Augen und dem Antlitz der ewigen Liebe. Er fiel ihr zu Füßen, irgendeiner, und küßte ihren Saum, angelangt am Ziel nach so langer und heftiger Bewegung. Die Augen gingen ihm über, und gesehen durch seine Tränen, wurde die Frau schöner.

Indes aber Henri für die jungen Frauen lebte, beschäftigten sich mehrere gereifte Damen mit ihm, ohne daß er es wußte. Die erste war Madame Catherine. Eines Morgens erhielt sie im Louvre, in ihrem Schlafzimmer, den königlichen Besuch ihres Sohnes, Karls des Neunten. Er war noch im Hemd, so eilig hatte der vierschrötige Mann sich herbemüht. Er rief, schon bevor er die Tür geschlossen hatte:

„Mama, es ist soweit!“

„Deine Schwester hat ihn eingelassen?“

„Margot schläft mit dem Guise“, bestätigte Karl zornig.

„Was sagte ich dir? Sie ist eine Sau“, äußerte Madame Catherine so deutlich, wie der Anlaß es verlangte.

„Das ist der Dank für ihre gute Erziehung“, polterte Karl. „Kann Latein, ist so gelehrt, daß sie sogar beim Essen liest. Tanzt die Pavana, läßt sich von Dichtern besingen.“ Ihm fiel immer mehr ein. „Die Pferde vor ihrer vergoldeten Kutsche tragen auf den Köpfen Federn, so dick wie mein Hinterer. Aber ich weiß, was sie macht, ich habe zugesehen. Schon mit elf Jahren fing das Weibsstück damit an.“

„Du hast den Leuchter gehalten“, warf Madame Catherine dazwischen. Aber noch ließ er sich nicht stören. Er kannte alle Liebhaber seiner Schwester und zählte sie fluchend her. Dann war er seiner eigenen Wut plötzlich müde, sie erregte ihn zu sehr für seine körperliche Verfassung. Die Stirn dunkelrot, mit keuchendem Atem ließ er sich auf das Bett seiner Mutter fallen, daß die Kissen aufflogen; er murrte nur noch:

„Und was geht das mich an? Sie wird bleiben, was sie ist, und es weitertreiben mit dem Guise oder einem anderen. Ich pfeif drauf.“

Seine Mutter betrachtete ihn und dachte: ,Noch vor wenigen Jahren sah er so edel aus wie ein Bild an der Wand. Jetzt fehlt nicht viel, und er könnte ein Fleischerknecht sein, anstatt ein König. Was hab ich da gemacht? Aber das bin nicht ich, das sind die Valois. Das Blut solcher barbarischen Ritter steigt immer wieder aus den Gräbern hervor und formt noch eine von den alten Gestalten!‘ So dachte die Tochter der Medici, weil ihre wenigen bekannten Vorfahren in bequemen Zimmern gelebt hatten, anstatt in Ställen und Feldlagern.

Sie sagte mit ihrer gleichmäßigen Stimme: „Wie deine Schwester sich aufführt, wird mir bald nichts anderes übrigbleiben, als Henri Guise zum Schwiegersohn zu nehmen. Wer wird dann stärker sein, mein armer Junge, du oder er?“ „Ich!“ brüllte Karl.

„Ich bin der König!“

„Von Gottes Gnaden?“ fragte sie. „Das eine hättest du wohl schon lernen können, daß jeder König der Gnade Gottes selbst nachhelfen muß, oder er bleibt es nicht. Heute bist du König, mein Sohn, weil auch ich, deine Mutter, noch da bin.“

Dies sprach sie in einem gewissen Ton, den er von jeher kannte, und bei dem er aufzustehen pflegte. Er verließ seinen Sitz auf dem Bett, er stand im Hemd, das seine dicke Brust und sein Bauch wölbten, vor der kleinen alten Frau, bereit, ihren Willen anzuhören.

„Ich will“, entschied sie, „daß Margot nicht den Guise heiratet, denn sein Haus ist mir zu mächtig. Nach meinem Willen bekommt sie einen einfachen jungen Mann, der uns dient.“

„Wer ist das?“

„Seine Familie muß gut, aber einflußlos und in Paris unbekannt sein. Vor allem will ich ihn unter der Hand haben. Wer erreichbar ist, wird unschädlich. Seine Feinde muß man sich im eigenen Hause halten.“

„Du meinst doch nicht —“

„Ich verhandele mit seiner Mutter, damit sie ihn mir schickt und ich ihn erst einmal in meine Gewalt bekomme.“

„Der ist ein Ketzer! Meine Schwester und ein Ketzer, diese Verbindung war doch niemals ernst gemeint!“

„Und wenn dein Bruder d’Anjou die Königin von England heiraten würde? Auch Elisabeth ist eine Ketzerin, und dabei eine große Königin, von eigenen Gnaden.“

„Sie bringt ihre Katholiken um“, sagte Karl, mehr scheu als empört. Seine Mutter war ihm zu klug. Nicht einmal durch die Religion ließ ihr erfinderischer Geist sich aufhalten. Aber bei ihren ungeheuersten Worten blieb sie die Gelassenheit selbst.

„Die englischen Katholiken mögen sich allein helfen – und übrigens auch die französischen“, setzte sie hinzu.

Karl sah zu Boden und knurrte, mehr wagte er nicht. „Der König von Spanien ist auch noch da“, knurrte er.

„Meine Tochter, die Königin von Spanien, ist tot“, erklärte Katharina ohne alle Trauer. „Seitdem habe ich von Don Philipp nur noch zu fürchten, daß er meine Verlegenheiten ausnützt. Ich brauche daher meine Protestanten.“ In ihrem Kopf sagte sie noch: ,Wenn ich sie aber nicht mehr nötig habe, werde ich genau so mit ihnen verfahren, wie die Königin von England mit ihren Katholiken.‘

Wozu hätte sie das ihrem unbegabten Sohn verraten sollen? Jetzt kam sie zu dem, was sie von ihm erwartete.

„Deine Schwester muß endlich zur Vernunft gebracht werden.“

„Das ist wahr! Das mit dem Guise —“

„Der dir die Krone wegnehmen wird“, ergänzte sie schnell. Da brüllte er:

„Her mit meiner Schwester! Ich will sie lehren, mich zu entthronen!“

Schon stürzte er davon, seine Mutter fing ihn grade noch beim Hemd.

„Daß du hierbleibst! Ihr Guise kann bei ihr sein, und er ist bewaffnet.“

Das hielt ihn sofort auf.

„Und wenn sie dich sieht, kommt sie bestimmt nicht her. Ich aber will, daß die Sache nirgend sonst vor sich geht, als nur bei mir.“

Sie klatschte in die Hände, und zu einer ihrer Frauen, die eintrat, sagte sie:

„Bitte die Prinzessin, meine Tochter, mich aufzusuchen, damit ich ihr eine sehr wichtige Nachricht mitteilen kann. Versichere ihr, daß es etwas Gutes ist.“

Hiernach warteten die beiden – Katharina ohne Regung, mit gefalteten Händen, aber ihr vierschrötiger Sohn rannte vor Ungeduld im Zimmer umher, sein Nachtgewand flatterte, und er keuchte schon im voraus, während er knurrte.

Endlich öffnete die Tür sich weit für eine Erscheinung, die jeder bewundert hätte, außer diesen beiden. Marguerite von Valois trug trotz der frühen Stunde schon ein weißes Seidenkleid mit viel glitzerndem Behang. Sie hatte rote Schuhe, und auch ihre Perücke war rötlich, dem Gesicht aber verlieh ihre große Erfahrung im Schminken genau den Ton, der für eine solche Blonde paßte.

Ihr Auftritt geschah ganz im Sinn ihrer gewählten Schönheit – hochmütig, obwohl leicht. So hätte sie auch einen Festsaal betreten können. Ein Blick aber auf ihre Mutter und einen auf ihren Bruder genügten ihr, um zu ahnen, was ihr zugedacht war. Ihre erlesene Miene wurde starr, das stolze Lächeln ging in Schrecken über, und sie machte einen überstürzten Schritt rückwärts. Zu spät, schon hatte Katharina gewinkt, und die Tür war von außen zugeschlagen worden.

„Was wollt ihr von mir?“ fragte die Arme, ganz hoch oben, indes ihr der Atem stockte. Karl der Neunte sah seine Mutter an, und da sie es nicht bemerken wollte, war er sicher, daß ihm alles erlaubt war. Aufbrüllend fiel er über seine Schwester her. Mit dem ersten Griff riß er ihr die blonden Haare vom Kopf, die schwarzen fielen ihr ungeordnet in die Stirn; von jetzt ab hätte sie sich keine große Haltung mehr geben können, auch wenn sie noch Zeit gehabt hätte. Aber schon schlug ihr königlicher Bruder ihr ins Gesicht, links und rechts, hartnäckig, so sehr sie versuchte, ihm auszuweichen.

„Mit dem Guise schlafen!“ brüllte er. „Mich entthronen!“ keuchte er.

Ihre Schminke blieb an seinen Händen kleben, statt dessen trug sie auf den Wangen rote Streifen. Da sie sich krümmte und fortbog, trafen seine Fäuste ihre vollen Schultern.

„Dicke Margot!“

Hierbei lachte er wild und riß ihr das Kleid herunter. Bei der Berührung mit ihrem Körper kam ihm der heftige Wunsch, sie überall zu bearbeiten. Das Mädchen schrie endlich auf, das Entsetzen hatte sie stumm gemacht, und sie versuchte zu fliehen, sie lief in die Arme ihrer Mutter.

„Da bist du ja“, sagte Madame Catherine, und sie hielt die Prinzessin fest, bis Karl der Neunte sie wieder gefaßt hatte.

„Leg sie doch übers Knie!“ riet Madame Catherine, und er tat es, trotz allem Sträuben des Opfers. Sein Arm blieb eisern um sie befestigt, während seine andere Hand auf ihren entblößten, üppigen Körperteil einschlug. Madame Catherine hielt das nicht für genug, sie half selbst nach Kräften mit, nur leider, ihre fleischigen Händchen vermochten nicht viel. Daher beugte sie sich über den schönen Hintern und biß hinein.

Marguerite heulte auf wie ein Tier. Ihr Bruder, der erschöpft war, ließ sie los, ließ sie einfach hinfallen, während er dabeistand mit stierem Blick wie ein Betrunkener. Auch Madame Catherine war außer Atem, und in ihren stumpfen, schwarzen Augen glitzerte es. Indessen faltete sie schon wieder die Finger vor dem Magen und sagte ruhig wie immer:

„Steh auf, mein Kind, wie siehst du denn aus!“

Sie gab Karl einen Wink, damit er seiner Schwester die Hand reichte und ihr half. Dann ging sie selbst daran, die Kleidung ihrer Tochter zu ordnen. Als die Prinzessin Margot sah, daß die Gefahr vorbei war, bekam sie sofort ihr herrisches Gesicht zurück.

„Alles ist zerrissen. Du Dummkopf!“ schrie sie ihren Bruder an. „Hol doch meine Kammerfrau!“

„Nein“, entschied ihre Mutter. „Die Sache bleibt besser unter uns.“

Sie selbst nähte in dem weißen Seidenkleid die Löcher zu, glättete es und ließ sich auch nicht nehmen, die von Tränen und Backenstreichen entfernte Schminke neu aufzutragen. Karl holte auf Befehl Katharinas die Perücke, die er seiner Schwester vom Kopf gerissen hatte, zog sie unter dem Bett hervor, staubte sie ab und setzte sie ihr auf. Da war sie wieder die stolze und anmutige junge Dame, die vorhin das Zimmer betreten hatte!

„Geh nur und lies deine lateinischen Bücher“, knurrte Karl der Neunte. Katharina von Medici setzte hinzu:

„Aber vergiß nicht, was ich dir soeben zu deiner Belehrung mitgeteilt habe!“

England

Eine zweite mächtige Frau bekümmerte sich um den jungen Henri, während er selbst hauptsächlich an sein Vergnügen dachte. Elisabeth von England empfing in ihrem Schloß zu London ihren Pariser Gesandten.

„Du kommst einen Tag zu spät, Walsington.“

„Die See war stürmisch. Eure Majestät hätte wahrscheinlich nur einen toten Gesandten zu sehen bekommen. Ich fürchte, der hätte nicht so viel berichtet, wie es zu berichten gibt.“

„Walsington, das wäre gut für dich gewesen. Der Tod in der See ist weniger peinlich als der auf dem Schafott. Du bist dem Block und dem Beil näher, als du denkst.“

„Für eine so große Majestät zu sterben ist immer das Höchste, was ein Mann sich wünschen kann, besonders, wenn er seine Pflicht getan hat.“

„Deine Pflicht? So, deine Pflicht. Und was ein Mann sich wünscht, du Schwein?“ Sie hieb ihm in das Gesicht.

Er sah den Schlag kommen, hielt aber den Kopf hin, obwohl ihre schmale Hand sehr hart war, wie er wußte. Die Königin war groß, weißhäutig, von unbestimmtem Alter, sie hielt sich grade wie ein Panzer, und die rötlichen Haare, die Margot von Valois zu manchen Kleidern trug, Elisabeth hatte sie wirklich.

„Der Hof von Frankreich nähert sich alle Tage mehr dem König von Spanien, du aber sagst mir nichts. Ich komme in die größte Gefahr, durch dieses Bündnis mein Land und meinen Thron zu verlieren, und du siehst zu! “

„Es tut mir leid, mich noch mehr beschuldigen zu müssen. Ich selbst habe das Gerücht verbreitet, dafür ist es aber auch falsch.“

„Du verbreitest falsche Gerüchte zu meinem Nachteil?“

„Ich ließ in der spanischen Gesandtschaft einbrechen, und vorgeblich wurden dort Briefe gefunden, die Beweise sind. Ist aber alles nicht wahr. Und das geschah zum Nutzen Eurer Majestät.“

„Du bist ein heimlicher Katholik, Walsington. Wache! Verhaftet den Mann! Auf dich habe ich schon längst ein Auge. Ich werde mit Vergnügen zusehen, wie dein Kopf fällt.“

„Er hätte Ihnen so gern noch eine lustige Geschichte erzählt“, sagte der Gesandte zwischen den beiden Bewaffneten. „Ich habe nämlich die Hand Eurer Majestät vergeben, und zwar an einen Prinzen, den Sie gar nicht kennen. “

„Ich denke, es ist d’Anjou, der Sohn Katharinas.“ Sie winkte den Bewaffneten, den Gesandten loszulassen. Heiratspläne – die mußte sie erst noch hören.

„Ich fürchte, d’Anjou wäre ein Fehler. Ich weiß doch, daß Sie mit Recht nicht viel halten von den Valois. Nein, da ist ein kleiner Protestant aus dem Süden, den wollen die Valois sich als Schwager zulegen, und das wäre nicht dumm. Der könnte sie heraushauen.“

„Aber dann fallen sie in Flandern ein! Die Heirat der Prinzessin von Valois mit einem protestantischen Prinzen – ich weiß natürlich, wer! – das bedeutet Krieg Frankreichs mit Spanien und den Einfall in Flandern. Ein geeinigtes Frankreich, das will ich nicht. In Frankreich muß Bürgerkrieg bleiben. Und in Flandern seh ich tausendmal lieber die Spanier, die ohnedies immer mehr herunterkommen durch ihren Papismus, als ein Frankreich, das sich einigt unter einem Protestanten.“

Um sich selbst besser reden zu hören, durchmaß Elisabeth langbeinig und mit großen Schritten den Saal. Den Wächtern hatte sie ungeduldig abgewinkt, und Walsington zog sich nach der entgegengesetzten Seite zurück, um seiner. Königin Raum zu geben. Plötzlich blieb sie vor ihm stehen.

„Und ich soll den jungen Navarra heiraten, sagst du. Wie sieht er aus?“

„Nicht schlecht. Wenn es nur daran läge. Er ist allerdings kleiner als Sie.“

„Ich habe nichts gegen kleine Männer.“

„Sie sind als Mann oft sogar tüchtiger.“

„Was du sagst, Walsington! Ich habe darin so gar keine Erfahrung. Und sein Gesicht?“

„Er hat eine Farbe bräunlich wie Oliven und ein volles Oval.“

„Oh!“

„Nur die Nase – sie ist zu lang.“

„Das ist praktisch ein Vorteil.“

„Ja, die Länge. Aber nicht die Form. Denn sie senkt sich. Sie wird sich weiter senken mit der Zeit, fürchte ich.“

„Schade. Nun, es ist gleich. Ich werde ja doch einen so armseligen jungen Tropf nicht zum Mann nehmen. Und er? Sehr jung, wie?“ fragte die Frau unbestimmten Alters. „Du hast ihm Hoffnungen auf mich gemacht? Da war er natürlich begeistert.“

„Ihn begeistert die Schönheit. Das Bild Eurer großen Majestät hat er mit Küssen und mit Tränen bedeckt“, log der Gesandte.

„Das glaube ich. Und die Verbindung mit den Valois hast du ihm verleidet?“

„Da ich weiß, daß sie Ihnen unerwünscht wäre.“

„Schließlich bist du doch vielleicht kein Dummkopf. Wenn du nur kein Verräter bist! “

Ihr Ton war scharf, aber gnädig. Der Gesandte begriff, daß die Gefahr, hingerichtet zu werden, zurücktrat, und er verbeugte sich tief.

„Herr Gesandter“, begann Elisabeth und ließ sich endlich in ihren Sessel nieder, „ich warte noch immer darauf, daß Sie mir von den Verhandlungen zwischen den beiden Königinnen sprechen. Sehen Sie mich nur an! Ich meine die Königinnen Jeanne und Katharina. Ich weiß, daß die eine so gut mitbestimmt wie die andere, was aus Frankreich werden soll.“

„Meine Bewunderung Ihrer Geistesschärfe grenzt an Schrecken.“

„Das verstehe ich. Sie haben sich wohl nie gesagt, daß ich für meine Gesandten, die meine Spione sind, wieder andere Spione habe, und die beobachten sie selbst.“

Walsington nahm dies mit allen Zeichen des Erstaunens zur Kenntnis, so gut er es auch schon gewußt hatte.

„Ich gestehe“, antwortete er schlicht „daß ich zuerst nur von dem kleinen Prinzen Navarra, nicht aber von seiner Mutter gesprochen habe, weil meine. Herrin eine schöne junge Königin ist. Hätte ich als Herrn einen alten König, dann unterhielte ich ihn ausschließlich von der Mutter des Prinzen. Denn die Gefährliche ist nur die Königin Jeanne.“

Er sah ihr an, daß er halb gewonnen hatte; daher blieb seine Stimme besonders ergeben und durchdrungen.

„Ich muß Eurer Majestät eine traurige Geschichte erzählen, daraus zu ersehen ist, daß die Menschen entsetzlich falsch und listig sind. Und so wurde die arme Königin Jeanne betrogen von einem Engländer.“ Er schien selbst bestürzt und wehrte mit der Hand ab.

„Ich war es nicht. Denn wir sollen uns stets richtig verhalten. Es war nur einer meiner Beauftragten, und er selbst hatte den Einfall gehabt. Ich ließ ihn gewähren, und so begab er sich nach La Rochelle, wo alle Freunde der Königin Jeanne unfehlbar anzutreffen sind, auch Graf Ludwig von Nassau. Diesen Deutschen veranlaßte mein Agent, sich zu Bett zu legen und den Kranken zu spielen, solange bis Jeanne ihn besuchte an seinem Schmerzenslager…“

Der Gesandte fuhr fort in seiner Geschichte, die weiterging wie eine Posse von Shakespeare; um so ernster blieb er, und das erhöhte das Vergnügen seiner Königin. Als sie schon viel gelacht hatte, stellte sie fest:

„Wer naiv ist, wie Nassau, sollte nicht den Schlaukopf spielen. Redet Jeanne die französische Heirat aus, das einzige, was den deutschen Protestanten, wie den französischen, helfen könnte! Sie hat doch alles wirklich geglaubt? Daß ich ihren Sohn zum Mann nehme? Daß ihre Tochter Königin von Schottland wird?“

„Die allzu blendenden Aussichten werden immer für wahr genommen – grade weil man nichts sieht“, versicherte der Gesandte. Elisabeth sagte mit offener Anerkennung:

„So also war es, als Sie mich mit dem kleinen Navarra verlobten! Warum sind Sie damit nicht gleich anfangs herausgekommen? Muß ich Sie erst hinrichten lassen, Walsington, bevor ich von Ihnen etwas Erfreuliches höre?“

„Es hätte Ihnen noch nicht denselben Spaß gemacht wie jetzt, und ich denke nur daran, Eurer großen Majestät zu gefallen, selbst auf die Gefahr von Block und Beil.“

„Diesen guten Streich vergesse ich Ihnen nicht!“

„Er entstand ganz und gar im Kopf meines Agenten, eines gewissen Beel.“

„Das glaube ich Ihnen nicht. Sie versuchen, Ihr Verdienst durch Bescheidenheit zu vergrößern. Zahlen Sie immerhin Ihrem Beel eine Belohnung aus. Aber eine mäßige!“ setzte Elisabeth, die rechnen konnte, sofort hinzu.

Stricke, Fallen und ein reiner Sinn

Jeanne, seine Mutter, war die dritte der gereiften Frauen, die an den Geschicken Henris arbeitete, und sie allein tat es um seinetwillen. Daher vertraute sie auch nur sich selbst, und durchaus nicht der Aufrichtigkeit der beiden anderen Königinnen. Sie ging allerdings zu dem Grafen von Nassau auf seinem Schmerzensbett, weil sie schon seit Tagen davon hörte, wie sehr ihr guter Freund stöhnen sollte. Sie fand ihn zwar hitzig und rot in seinen Kissen, aber eher vom Wein als vom Fieber, so schien es ihr. Dennoch ließ sie sich zuerst alles erzählen, was sein Kumpan, der Engländer Beel, ihm Schönes beigebracht hatte für sie: den Einbruch in der spanischen Gesandtschaft, die gefundenen Beweise, daß der Hof von Frankreich ein doppeltes Spiel trieb. Ihr hot man die Prinzessin als Schwiegertochter an, inzwischen aber versöhnte man sich mit Philipp von Spanien. Wie konnte Katharina dann noch die Bedingung Jeannes erfüllen und zusammen mit dem protestantischen Heer das spanische Flandern befreien!

Jeanne bedachte: ,Von wem sollte er dies alles wissen, wenn nicht von den Engländern, die den Einbruch veranstaltet haben.‘ Inzwischen befühlte sie den dicken Ludovicus hinter den Ohren, auf der Stirn und fand, daß er kerngesund war. Infolgedessen ließ sie ihren Chirurgen eintreten und dem Patienten einige Mittel reichen, er mußte sie schlucken, ob er wollte oder nicht. Es dauerte nicht lange, bis der Arme ganz ungeheuer schwitzte; noch andere Wirkungen traten ein, die es Jeanne erwünscht machten, eine Weile das Zimmer zu verlassen. Als sie zurückkehrte, war ihr Opfer schon mürber, es gestand ohne Umschweife, daß ihm alle seine Weisheit nur von Herrn Beel kam, und dieser war allerdings ein Agent Walsingtons.

„Aber er ist mein Freund“, sagte der vertrauensvolle Nassau, „und um meinetwillen dürfen Sie ihm alles glauben, Madame. Mich würde er nicht belügen.“

„Lieber Vetter, die Welt ist schlecht – außer Ihnen“, bemerkte Jeanne mitleidig. Hierauf beschwor der protestantische Deutsche sie voll wirklich warmer Sorge, daß sie nur sich nicht auf die französische Heirat einlasse. Ihr Sohn würde durch diese Heirat dem Katholizismus verfallen, die Protestanten verlören ihren Führer, der Prinz dagegen gewänne nichts für sich selbst, obschon er die Religion verraten haben würde. Was wäre er denn als Gatte der Prinzessin von Valois? Noch längst nicht König von Frankreich. „Anderswo aber“ – hier machte Nassau eine schwerwiegende Pause, „kann er König werden. Ein großer König. Seine Schwester, Ihre Tochter Catherine – Madame, sie wird gleichfalls Königin. Dies ist alles so sehr zum Vorteil der Religion, daß es schon darum wahr sein muß“, setzte der Gute hinzu, „und ich glaube fest, daß der Auftrag, es Ihnen zu eröffnen, mir von Gott kommt.“ Jeanne sah: seinen Beel hatte er vergessen.

Er hatte mit Inbrunst gesprochen, fiel in plötzlicher Schwäche auf sein Kissen, und die Königin Jeanne verließ ihn, nicht ohne ihn der Pflege ihres Arztes zu empfehlen. Ihr tat es leid, wie sie ihn hatte zurichten müssen, damit sie die Wahrheit erfuhr von diesem ehrlichen Menschen. Denn die Lüge bedient sich leider nicht nur der Unehrlichen.

Mit seinem letzten Atem vor der Ohnmacht hatte Ludwig von Nassau ihr noch ausdrücklich bestätigt, wer ihren beiden Kindern die Heirat und den Thron anbieten ließ: es waren Elisabeth von England und der König von Schottland – zu viel Glück auf einmal in den Augen jeder anderen Mutter. Jeanne d’Albret fand es ganz natürlich im Gedanken an ihre eigene große Herkunft, an die Erfolge des protestantischen Heeres und die hohe Würde der Religion. Der Verdacht kam ihr nicht, daß Elisabeth ihr auf unverbindlichen Umwegen ein trügerisches Angebot machen könnte, um sie von der Verbindung mit dem Hof von Frankreich abzuhalten. Die Königin Jeanne war zu stolz, um zu glauben, daß jemand sie benutzen wollte gegen Frankreich, damit es uneinig und schwach bliebe.

Am nächsten Tage sagte sie zu Coligny: „Ich habe die ganze Nacht von Gott zu erfahren getrachtet, was in Wahrheit sein Wille ist: ob mein Sohn in England oder in Frankreich soll König werden. Was denken Sie, Herr Admiral?“

„Daß wir es nicht wissen können“, erwiderte er. „Sicher ist nur der Unwille der eifrigsten Hugenotten, Ihrer besten Anhänger, wenn der Prinz, Ihr Sohn, sich mit den geschworenen Feinden der Religion verbindet. Gott aber – von ihm behaupte ich nicht, daß er dagegen ist“, schloß Coligny vorsichtig.

„Er ist nicht dagegen“, erklärte Jeanne mit aller Entschiedenheit. „Er hat mich wissen lassen, daß ich diese Sache ganz weltlich behandeln soll, einzig gemäß der Ehre und dem Vorteil meines Hauses: diesen halte er auch für den seinen – ließ Gott mich wissen.“

Coligny gab sich den Anschein, als überzeugte sie ihn. In Wirklichkeit mißtraute er den englischen Absichten von selbst, denn er urteilte als Soldat. Die protestantische Engländerin hätte ihm helfen müssen, Flandern von den Spaniern zu befreien, grade das aber wollte sie nicht, indessen es ihm der katholische Hof von Frankreich bereitwillig versprach. Daher war er für die Heirat des Prinzen von Navarra mit Marguerite von Valois, und wenn er Einwände dagegen erhob, dann nur solche, die Jeanne noch bestärken mußten. Jeanne führte an, die Engländer seien von jeher die Feinde dieses Landes gewesen. Coligny wollte wissen, das habe aufgehört – als ob es nicht genügt hätte, daß ein Prinz, der nach England heiratete, grade dadurch alles verlor, seine Volkstümlichkeit und seine Aussichten auf den französischen Thron.

Jeanne sagte, Elisabeth wäre zu alt, sie würde keinen Sohn mehr bekommen, ihr Gatte aber dürfte persönlich keinen Anteil an den Geschäften der Krone erhoffen. Coligny machte geltend, dann bliebe noch seine Schwester, die Prinzessin Catherine, die ganz bestimmt Kinder haben würde vom König von Schottland. Dieser aber sei der gesetzliche Erbe des Thrones von England, falls Elisabeth ohne Nachkommen stürbe. Das war nun das Letzte, was er der Mutter Henris im Ernst hätte sagen dürfen; er sah es wohl an ihrem Zorn. Ihr Henri übergangen und geopfert, ihr fröhlicher Henri vergebens gelebt, wie ein trüber Gefangener, an der Seite einer alten Königin! Hier erst erkannte sie die ganzen Folgen, wenn sie von den beiden Entschlüssen den falschen gewählt hätte.

Die zarte Jeanne sprang heftig von ihrem Sitz auf, auch sie begann durch das Zimmer zu laufen, wie Elisabeth von England, als sie vor ihrem Gesandten in so große Erregung geriet wegen ihres Nutzens. Anders diese Königin: sie kam erst außer sich, weil das Glück ihres Sohnes sich entschied. So befahl sie dann auch mit ihrer selten gehörten Glockenstimme: „Kein Wort mehr, Coligny! Jetzt rufen Sie meinen Sohn!“

Er gab den Auftrag an der Tür weiter. Während sie aber warteten, beugte der alte Mann ein Knie vor der Frau und gestand: „Ich habe alles nur vorgebracht, damit Sie es widerlegten.“

„Stehen Sie auf“, erwiderte Jeanne. „Sie haben sicher daran gedacht, daß die Königin Katharina Ihnen den Oberbefehl in Flandern verspricht. Wer aber bin ich, daß ich Ihnen Eigennutz vorwerfen dürfte. Wenn mein Sohn nach England ginge und meine Tochter nach Schottland, wäre ich nur eine Frau allein, könnte die Last der Geschäfte nicht tragen und hätte nicht Achtung noch Gehorsam zu erwarten vom Adel Frankreichs. War dies mein tiefster Grund, dann mag Gott mich richten.“

„Amen“, sagte er, und beide blieben mit gesenkten Stirnen am Fleck stehen, bis der junge Henri im Zimmer war. Er trat sehr schnell ein, etwas atemlos, mit glitzernden Augen, wahrscheinlich war er einem Mädchen nachgelaufen. Jedenfalls fühlte er sich nicht gedrängt, die Taten und Gedanken seiner vergangenen Stunde vor Gott zu verantworten wie die beiden älteren Leute. Dennoch fand er sich sofort in ihre ernste Stimmung.

Die Königin Jeanne setzte sich, sie forderte auch den Prinzen und den Admiral dazu auf; noch immer suchte sie nach ihren ersten Worten. Coligny indes gab ihr ein Zeichen, teils ergeben und teils belehrend. Es hieß soviel, daß er den Anfang besser kannte. Da sie ihm zunickte, begann er wirklich.

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Litres'teki yayın tarihi:
14 temmuz 2025
Hacim:
790 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9788726482874
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