Kitabı oku: «Die Jugend des Königs Henri Quatre», sayfa 7

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Rat der Drei

„Prinz“, sagte Coligny, „es handelt sich in diesem Rat um die Zukunft der Religion, was aber dasselbe ist wie die Zukunft des Königreiches. Hier und jetzt soll eine große Entscheidung fallen, und zwar durch Sie. Der Ratschluß Gottes wird sich durch Ihre Stimme äußern. Hören Sie darauf wohl, was er Ihnen eingibt. Ich meinesteils bin bereit, mich zu neigen.“

Jeanne wollte sprechen. Der Alte bedeutete ihr entschieden, wenn auch ehrfürchtig, daß er nicht fertig sei.

„Zwei mächtige Höfe bewerben sich um Sie, den Prinzen von Navarra, und viel, unabsehbar viel hängt für Zeit und Ewigkeit davon ab, welchen Sie wählen.“ Die Pause, die Coligny hier machte, war nicht bestimmt, daß ein anderer etwas sagte; nein, sondern seinen beiden Zuhörern sollte der Atem vergehen. Jeanne war auch tief bestürzt. Henri sah wohl die angstvolle Veränderung ihres Gesichtes; davon füllten sich seine Augen sofort mit Tränen. Das Schluchzen entstand in der Mitte des Körpers, stieg schnell wie ein Gedanke bis in die Kehle, dort erstarb es, zurück blieben noch nachträglich die feuchten Augen.

Verschwimmenden Blickes, ein Bild der Rührung, dachte Henri indessen bei sich: ,Alter Schwätzer! Kann er das nicht einfacher sagen? Ich weiß doch längst, daß ich entweder meine dicke Margot oder die alte Engländerin heiraten soll. Als ob mir Nassau nicht genug zugesetzt hätte! Aber was tue ich in England? Dagegen Margot – sie hat mir immer versprochen, ich würde ihre Beine kennenlernen.‘

Coligny beugte sich über Jeanne, um zu raunen: „Lassen wir ihm Zeit! Er erwartet die Eingebung.“ Jetzt wurde Henri der ganzen Spannung seiner lieben Mutter bewußt. Sein eigener Sinn erhob sich davon sofort. Mit einer Strenge, die ihn selbst heimlich in Erstaunen setzte, erklärte Henri:

„Ich will Frankreich dienen. Ich wähle die Religion und darum Frankreich.“

Als diese Worte gefallen waren, stand der Protestant Coligny von seinem Sitz auf. Er streckte die Arme hin, als empfänge er den Herrn selbst. Henri aber umarmte ihn. Dann küßte er seiner lieben Mutter die Tränen vom Gesicht.

Der Rat blieb keineswegs so feierlich. Die drei kamen überein, daß alle Vorteile für sie in Paris lägen, anstatt in London. Henri fragte sogar, ob das englische Angebot auch nur ernst gemeint wäre. Vielleicht diente es eher dazu, die französische Heirat zu hintertreiben. Jeanne mußte viel Selbstgefühl überwinden, bevor sie diesen Gedanken zuließ. Die Klugheit und Verständigkeit ihres jungen Sohnes waren Trost für ihren Stolz. Henri meinte, daß er die glänzende Stellung eines Gemahls der Königin von England von Herzen gern seinem Vetter d’Anjou überließe. „Einer weniger!“ setzte er unvermittelt hinzu; aber sie verstanden ihn durchaus. Jeanne bestätigte, daß man Madame Catherine nicht herausfordern dürfte, da sie ihren zweiten Sohn nun einmal nach England zu verheiraten gedächte. Hierauf wiederholte sie: „Einer weniger!“ Sie sprach geradeaus in das Zimmer: „Vier waren es. Zwei werden nach Karl übrig sein. Karl ist aus einem allzu vornehmen Knaben ein dicker, gemeiner Mann geworden, obwohl er König beißt. Zuweilen aber blutet er.“

Bei diesem Wort reckten sowohl ihr junger als auch ihr alter Zuhörer den Kopf vor. Jeanne sah sie indessen nicht an: sie nickte wie eine Frau, die weiß, was sie sagt, wenn es sich um den Körper und seine Tätigkeit handelt. „Sie bluten“, sagte Jeanne. „Ihr Blut fließt nicht, sondern breitet sich langsam auf der Haut aus. Alle vier Söhne des alten Königs haben das, und der erste ist schon daran gestorben.“

„Müssen auch die anderen sterben?“ fragte Henri, kalt angerührt.

Coligny antwortete hart: „Die Valois verfolgen die Religion. Das ist ihre Strafe.“

„Sie haben es nicht, weil sie Valois sind“, sprach Jeanne. „Sie haben es durch ihre Mutter, denn die war lange unfruchtbar.“

Die beiden Männer zogen die vorgestreckten Köpfe zurück: dies verstanden sie nicht mehr. Jeanne hatte die Zusammenhänge nur entdeckt, weil sie selbst so viele Nächte wach lag mit Atemnot und jenem unheimlichen Kitzel unter der Schädeldecke, rings um den Kopf. Da kein Arzt ihr den Grund zu erklären wußte, hatte sie erraten müssen, daß die menschlichen Geschicke sich nach dem Willen Gottes in den Leibern vollziehen, bevor sie sichtbar auftreten. Jeanne sollte leiden und früh dahingehn, nachdem sie einen auserwählten Sohn geboren hatte. Ihre Feindin Katharina dagegen verdiente es, alt zu werden und alle ihre spät empfangenen Söhne hinabsteigen zu sehen. Jeanne rechnete hierauf mit dem besten Gewissen und ohne Mitleid.

„So werde ich diesmal ihrem Gesandten den Bescheid geben, daß ich mich der Verbindung mit ihrem Hause nicht widersetzen will, wenn sie mir gewisse Bedingungen erfüllt.“

„Strenge, unveräußerliche Bedingungen“, verlangte Coligny. „Der Hof soll sich gegen Spanien erklären. Seine Truppen sollen in Flandern einrücken, und ich will sie führen.“

„Die Prinzessin von Valois soll protestantisch werden“, entschied Jeanne, und hierüber erstaunte Henri so heftig, daß er aufschrie. Margot und die Religion! Die Religion und die verliebte Margot! Er wußte nicht, wohin mit sich und seiner überwältigenden Lachlust. Schließlich verschwand er in einer tiefen Fensternische, ließ den Vorhang über sich fallen und keuchte in seine Hände hinein. Seine Mutter sagte gehoben:

„Mein Sohn dankt Gott, weil seine künftige Frau gerettet werden soll.“ Das empfand Coligny als eine zu starke Zumutung an Gott. Er war nahe daran, es auszusprechen: die Prinzessin führte einen verwerflichen Lebenswandel. Sie unterhielt wohlbekannte Beziehungen zum Herzog von Guise. Als Christ hätte er sprechen sollen, als Weltmann aber schwieg er, und so warteten beide, bis Henri sich wieder zu ihnen gesetzt hatte. Dann belehrte Jeanne ihn allerdings gründlicher als vorher über die Gefahren des Unternehmens.

„Vergiß niemals, daß sie sich vor allem deiner versichern wollen. Es ist immer der Grundsatz Madame Catherines gewesen, ihre Feinde im Hause zu haben; und nach ihren Söhnen, die so leicht bluten, hast du den nächsten Anspruch auf die Krone Frankreichs. Ich weiß wohl, daß sie sich mit deiner Hilfe auch des Guise entledigen will, denn seine Familie scheint ihr bedrohlicher als die unsere“, sagte sie mit dem Ton der Verachtung. „Aber das Wichtigste ist der Königin, dich an ihren Hof zu locken. Das werde ich indes verhindern, ich selbst werde statt deiner hinreisen, dann wollen wir einmal sehen, ob sie mit mir fertig wird.“

Coligny nickte grimmig.

„Und ich folge Eurer Majestät auf dem Fuß. Alle unsere Forderungen müssen bewilligt werden, oder das protestantische Heer, mit dem Prinzen von Navarra an der Spitze, setzt sich gegen Paris in Bewegung. Darauf gibt es keine Gnade mehr! “

Dem jungen Henri schien es, als ob auch vorher nicht viel Gnade geübt worden wäre. Vor seinem Gesicht krümmten sich Bauern an Balken hängend, Feuer war angezündet unter ihren Füßen. Was ließ sich einwenden, wenn sogar seine geliebte Mutter aus Erfahrung wußte, daß dies das Gesetz der Welt war, und daß der wahre Kampf um die Religion und das Königreich nicht anders aussah. Was verdienten auch Madame Catherine und ihre Katholiken, da sogar seine geliebte Mutter vor ihnen nicht sicher war?

„Mama!“ rief er. „Du darfst nicht hinreisen! Sie werden dir etwas tun!“ Er rief es wie ein ängstliches Kind. Jeanne zog ihn zu sich nieder, seinen Kopf bis in ihren Schoß, und so sprach sie – zu ihm, zu sich selbst und ihrem Herzen:

,Eine Frau allein ist am sichersten. Gott muß ihr beistehen, da niemand es tut. Aber was bin ich vor Gott – jetzt noch? Einst: ungeheuer viel, das Gefäß. Es ist jetzt ausgeleert und darf zerbrechen.‘

Sie glaubte es zu sprechen, hatte es in Wahrheit nur gedacht; aber mit diesen Worten war von Jeanne d’Albret das Opfer ihres Lebens gebracht.

Auch der Rat war zu Ende. Ihr Sohn und der Admiral verabschiedeten sich von ihr.

Eine Einzige ganz im Ernst

Draußen traf Henri seinen Vetter Condé und den jungen La Rochefoucauld, gleichfalls einer, vor dem er sich gehen ließ. Ihnen sagte er:

„Nun also! Ich heirate die Schwester des Königs von Frankreich. Das ist auch der einzige Platz, der bei Hof noch frei ist. Sie haben schon einen Kanzler, Sekretär, Schatzmeister und Narren. Nur einen Hahnrei brauchen sie noch, der werd ich sein!“

Er lachte und sprang in die Luft, so hinreißend lustig, daß beide mittaten, trotz ihrer inneren Befremdung.

Jeanne kehrte nach ihrem Land Béarn zurück, es war Herbst, der Abgesandte Katharinas suchte sie nochmals heim, er hieß Biron, und sie sagte ihm nicht mehr nein; sie stellte nur Bedingungen, ihre ersten und vorläufigen. Mehreres, an Protestanten verübtes. Unrecht war zu sühnen, im Süden eine Stadt zu räumen, in Paris ein lästerliches Kreuz zu entfernen. Sie erklärte grade heraus, daß sie nicht betrogen werden wollte, wie so manche andere, die im guten Glauben zu Hof gereist wäre!

Herbst war es gewesen, wurde aber Winter, bevor sie sich recht in Bewegung setzte. Sie hatte Fieber bekommen, ihr Sohn war gestürzt; man konnte glauben, Jeanne würde durch diese Unfälle gewarnt, zu reisen. Dennoch kam es endlich dazu, daß Mutter und Sohn sich trennten: die Stadt hieß Agen, der Tag war der dreizehnte Januar, angebrochen war das Jahr zweiundsiebzig. Den blauen Lüften, dem besonnten Weg hätte niemand angesehen, daß dieser Abschied endgültig war. Die Pferde zogen an, schon rollte die lederne Kutsche, noch winkten und lächelten die bleiche Jeanne und ihre Tochter Kathrin. Der Sohn stand neben seinem Reittier, und sein Blick ging von einer zur anderen. Die Schatten unter den Augen der Mutter hatten sich ausgebreitet in letzter Zeit, so sah er, bis hinab über ihre Wangen. Ihr Lächeln wurde inzwischen starr, daraus erkannte er, daß sie sein Gesicht schon nicht mehr genau unterschied, wohl wegen der zunehmenden Entfernung und auch, weil Tränen in ihre Augen traten.

Die Geschwister mit ihren frischeren Augen verständigten sich noch eine Weile, Henri bedeutete seiner Schwester: „Denke immer daran!“ Sie erwiderte: „Ich weiß.“ Er sagte: „Bei dem ersten Anzeichen von Gefahr, sofort einen Eilboten!“ Sie bat so inständig: „Wenn du doch schon wieder bei uns wärest!“ Sein Blick rief noch schnell: Gib acht auf unsere liebe Mutter, gib acht! Da nahm der Wagen eine Biegung, und fort war alles. Vom letzten der berittenen Edelleute hing im Sonnenlicht noch der Staub, aber auch er verflog.

Sechs Monate lang bekam Henri Briefe von Jeanne, die teuersten seines Lebens; denn wie viele Frauen er anbeten, an wie viele er die Kraft seines Lebens noch wenden soll, im Grunde wird er immer fühlen, daß nur eine einzige ganz im Ernst für ihn gekämpft und nur um seinetwillen geatmet hat bis auf den Rest ihrer Lungen.

Zu Tours, im Februar, hätte sie sich gern entschlossen, umzukehren, nur ging es nicht mehr. Den Reden der Herren, die Katharina zu ihrem Empfang entsandt hatte, hörte sie es gleich an, daß sie wirklich betrogen werden sollte. Die alte Königin und ihr Sohn, der König, befanden sich in Blois, kamen ihr aber ein Stück entgegen. Da hütete sich Jeanne d’Albret, von ihrer kostbaren Lebenszeit noch etwas zu verlieren: sofort verlangte sie, daß die Braut ihres Sohnes zum Protestantismus überträte. Das Gefährliche war, daß die alte Königin nicht einfach nein sagte; sie tat, als glaubte sie gar nicht, daß es ernst gemeint wäre. Ein Einfall im wolkigen Hirn einer Aufgeregten, die man beruhigen mußte durch fortwährende gute Laune, und daran ließ Katharina es nicht fehlen. Immer blieb diese schreckliche alte Frau zu Scherz und Spott aufgelegt, während des ganzen Winters und bis in den Mai: so lange verhandelten sie im Schloß zu Blois. Jeanne aber, die ihre Kräfte abnehmen fühlte, mußte haushalten mit ihnen, niemals durfte sie außer sich geraten, das hätte wieder Tage gekostet.

Die alte Königin scherzte: „Aber gute Freundin! Was macht es denn Ihrem tüchtigen Hahn aus, welchen Glauben meine hübsche Henne hat, wenn er sie …“ Laut und deutlich, sogar noch andere hörten es und brachen in Lachen aus. Wollte Jeanne auch zornig werden, das Gelächter hätte sie nicht überschreien können. Daher verzog sie selbst das Gesicht, daraus wurde ein geringschätziges Lächeln, etwas Abseitiges inmitten der vereinigten Fröhlichkeit der andern. Aber Jeanne wahrte doch, so gut sie es konnte, die Überlegenheit des Gesunden. Nur keine Krankheit verraten! Dann hätten sie mit ihr gemacht, was sie wollten.

Katharina log im Scherz, dagegen war schwer aufzukommen. Sie behauptete einfach, der Erzieher des Prinzen von Navarra hätte gemeldet, daß der Prinz für seine Person ganz bereit wäre, sich katholisch trauen zu lassen – in Vertretung sogar, während er noch dort unten säße; es könnte ihm nicht schnell genug gehn.

Jeanne erwiderte trocken: „Wie sonderbar, daß ich die Wünsche meines Sohnes nicht kennen sollte, während Sie, Madame, darüber Bescheid wissen!“

„Ihnen wollte er es auch sagen, aber das hat er wohl vergessen über seinen galanten Abenteuern“, scherzte Katharina und wiegte sich in ihren dicken Hüften, als ob sie jetzt gleich tanzen sollte auf ihren kurzen Beinen.

Nachher aber, als Jeanne sich erschöpft zurückgezogen hatte, erzählte die furchtbare Alte ihrem Hof alles umgekehrt. Jeanne selbst war es danach, die gebeten hatte, man möchte ihren Sohn auf alle Fälle nehmen, ob katholisch oder nicht, nur ohne Aufschub! Alle sprachen sie darauf an, die protestantischen Herren machten ihr heftige Vorwürfe, während die zahllosen Ehrenfräulein Katharinas ihr vorschwärmten von dem Wunderprinzen, auf den sie sich freuten wie die Kinder. Diese Ehrenfräulein hatten sämtlich keine Ehre mehr zu verschenken, sondern nur noch Vergnügen, und das taten sie auf jeden Wink ihrer ruchlosen Herrin. Sie befolgten wohl den Auftrag, die Sittenlosigkeit dieses Hofes der empfindsamen Jeanne unverhohlen vorzuführen, um sie eher abzunutzen. Am Abend, oder auch schon vorher, ging es hier zu wie in einem besonderen Haus. Abseits blieb nur Margot, die Braut.

Ein Florentiner Teppich

Die Mutter Henris konnte nicht leugnen, daß die Prinzessin von Valois sich wohlverhielt und daß sie von fehlerloser Gestalt, wenn auch zu sehr geschnürt war. Sie hatte ein völlig weißes Gesicht, gelassen heiter wie der Himmel, so kennzeichnete es ein Hofmann namens Brantôme; Jeanne aber durchschaute natürlich, was an all dem Geziertheit und was Schminke war. Sie legten hier so dick auf, wie sonst nur in Spanien. Diese Höflinge übertrieben auch, ganz wie Götzenanbeter. Jeanne beobachtete aus sicherer Entfernung eine der gottlosen Prozessionen, die Hauptperson darin war kein Pfaff und auch der Bischof nicht: Margot, in Perlen und Edelsteinen schimmernd, mit ihnen bestirnt bis über den Scheitel, war Gegenstand der gesamten Verehrung von Adel und Volk. Die Gemeinen knieten am. Wege hin. Wer im Zuge ging, fühlte sich getragen. Gemurmel wie Gebete stieg aus dem Gedränge auf. Wahrscheinlich war es Lästerung.

Als Margot ins Schloß zurückgekehrt war, ließ Jeanne sie in ihr Zimmer bitten, und sie kam sogleich, noch trug sie ihr Staatskleid und allen Schmuck. Jeanne konnte sich der Beobachtung nicht erwehren, daß diese so erfolgreiche Schönheit dennoch Hängebacken hatte, oder wenigstens ließ sich voraussehen, die Wangen würden herabfallen, wenn das Mädchen nur noch wenig älter wäre, und langsam entstand dann wohl das Bild der alten Katharina.

„Liebe Tochter“, sagte Jeanne, zärtlicher als sie gewollt hatte. „Du bist schön und gut. Mein einziger Wunsch ist, daß du so bleiben mögest. Dein Mann wird wahrhaft glücklich sein.“

„Ich kann nur hoffen, meine liebe Mutter, daß Sie mit meinem Aussehen recht haben. Hinsichtlich meiner moralischen Verdienste indessen will ich Ihnen gestehen, daß sie noch leichter wiegen als meine physischen. Ich habe keine Erziehung, oder nur eine sehr unregelmäßige, genossen.“

„Sie sprechen so gut“, sagte Jeanne und hörte schon auf, ihre Schwiegertochter zu duzen. Inzwischen dachte die beredte Margot an die erzieherischen Prügel, die sie von Mutter und Bruder bekommen hatte, weil sie mit dem Guise schlief. Ach! Wann sollte sie diese Freude wiederhaben? Er war fortgeschickt worden von Madame Catherine, sobald die Schwiegermutter sich näherte. Er sollte heiraten, ihr Süßer ging verloren! Tränen drohten der Armen in die Augen zu treten. Noch rechtzeitig bedachte sie ihre bemalten Lider, von denen die Farbe wäre fortgeschwemmt worden, und ihr glattes Gesicht, das durch salzig rieselndes Wasser bald Falten bekommen hätte. Man darf nicht erst anfangen.

Jeanne sagte weiter: „Mein Sohn ist ein Junge vom Lande, und doch ein Königssohn. Er ist Soldat, daher hat er sowohl das Ehrgefühl als auch den unscheinbaren Edelmut, die beide dem echten Soldaten gehören.“

„Güte und Ehre sind ein und dasselbe. Ich habe im Plutarch gelesen —“

„Auch mein Sohn hat von mir den Plutarch zu lesen bekommen; er weiß sehr wohl seine Vorbilder aufzufinden unter den großen Männern. Er ist nicht geistlos, wenn ich auch sagte, daß er einfach ist. Sein Witz kommt aus einem lebendigen Herzen, nicht aus eitler Klügelei und getünchtem Grab!“

Margot setzte das Charakterbild unmittelbar fort: „Er hat königliches Blut, das aber ganz gesund ist, und sein Geist ist sich seiner Verfeinerung wenig bewußt.“ Dies war das grade Gegenteil ihrer eigenen Lage, daher konnte sie es sich denken. Jeanne glaubte statt dessen irrtümlich, ihr inständig angepriesener Sohn habe jetzt an das Gefühl gerührt. Unachtsam setzte sie ihre Eröffnungen fort.

„Oh! Wie sehr wünschte ich, liebe Tochter, daß ihr beide euch nach eurer Verheiratung zurückzöget von diesem Hof. Denn hier ist nur Verderbnis. Sie geht soweit, daß hier die Frauen die Männer auffordern.“

„Haben Sie es auch bemerkt?“ seufzte Margot. „Ja, es ist schlimm.“

„Lebt beide in Frieden und Einigkeit fern von hier! Ich habe Güter in Vendôme, dort wäret ihr die Herren, anstatt daß ihr am Hof von Frankreich einen leeren, nutzlosen Prunk entfalten müßt – wie heute bei der Prozession. Habe ich doch Herren gesehen: hunderttausend Taler reichen nicht für das Geschmeide, das einer an sich trug! Gott will aber anders geehrt werden, und er befiehlt, daß wir für ihn nicht prahlen, sondern kämpfen. Liebe Tochter! Wir alle sind fehlbar, aber die Protestanten hängen nicht allein an dem Reich von dieser Welt: das rechtfertigt uns, wir verstehen es, arm zu sein, bedroht zu leben und lange zu warten – um der Freiheit willen, und die ist in Gott.“

Die Königin Jeanne machte endlich eine Pause, sie hielt ihren drängenden Blick auf dem weißen Gesicht der Prinzessin Margot, worin die Augen sich ganz geschlossen hatten. Margot dachte: ,Gefährlich! Meine Mutter hat nur zu recht, sie sind eine große Gefahr. Man wird gegen sie etwas Entscheidendes unternehmen müssen – was Mama auch vorhat, wenigstens vermute ich es stark. Sie schiebt es nur noch auf, bis sie auch meinen Henri in sicherer Obhut hat, den Jungen vom Lande, ehrlichen Soldaten, mit seinem lebendigen Herzen und noch einem anderen Gegenstand, an dem mir persönlich mehr gelegen ist.‘ Dies sann Margot, indessen Jeanne das eine ihrer Knie mit der Hand umspannte. Es war wie eine Besitzergreifung, hatte aber zugleich etwas Flehendes.

„Komm zu uns!“ Das war ihre seltene Glockenstimme. „Nimm den wahren Glauben an! Du wirst glücklicher werden, als du je gedacht hättest. Dies Land wird die Einigkeit und den Frieden kennenlernen.“

„Auf wessen Kosten?“ fragte die Schwester Karls des Neunten hinter ihren noch immer nicht geöffneten Augen. – ,Das geht natürlich nicht‘, entschied sie für sich. Gleichzeitig bemerkte sie allerdings, daß diese merkwürdige Frau im Begriff stand, sich unmöglich zu benehmen. ,Ihre Hand, die um mein Knie liegt, macht eine Anstrengung: kein Zweifel, sie stützt sich, und ihr eigenes Bein fängt an zu gleiten. Wenn ich nicht sogar eingreife, wird sie mir zu Füßen fallen.‘ Schnell erfaßte sie Jeanne beim Handgelenk.

„Madame, Sie denken von mir zu hoch. Ich bin vielleicht nur, was Sie ein getünchtes Grab nennen. Jedenfalls aber ist mein Bruder der König von Frankreich. Mein Vater war dasselbe – beide katholisch, und dies ist auch mein Glaube. Wir können es nicht ändern, selbst wenn ich möchte. Ich, die Tochter all der katholischen Könige, sehe mich nicht bei eurer Predigt. Deshalb aber muß Ihr Sohn noch nicht zur Messe gehen: ich werde duldsam sein.“

„Du willst mit ihm an diesem sittenlosen Hof bleiben?“ Jeanne sprach ernüchtert, kalt, und bei dem Du ließ sie es diesmal aus bloßer Geringschätzung. Den aufsteigenden Haß unterdrückte sie um ihrer höheren, unveräußerlichen Zwecke willen. Wer war dies Mädchen, das so aufdringlich nach Moschus roch? Was konnte ihr böser Wille aufhalten oder ändern?

„Oh!“ hauchte Margot, voll Nachsicht und sogar Mitleid für diese unglückliche Frau. „Ihr Sohn wird es gewiß bald lernen, sich am Hof zu bewegen. Ich bin ganz bereit, ihn zu beschützen. Zwar kann ich keine Protestantin werden, aber mit einem einfachen, rauhen Protestanten werde ich mich gut vertragen, das fühle ich.“ Sie sprach noch weiter, denn die Prinzessin von Valois beherrschte die Rede. Jedes ihrer Worte war unglücklich und erbitterte die Mutter Henris gegen sie; das konnte sie nicht wissen. Dagegen fiel ihr, einmal im Zuge, sogar die kleine Schwester ihres Verlobten ein, das unbedeutende Kind, an das sie sonst niemals dachte. Allerdings entsann sie sich seiner auch deshalb, weil die Tür nach dem Nachbarzimmer, oder vielmehr der gewirkte Vorhang über der Tür, sich leise ein wenig bewegte. Mit erhobener Stimme sagte Margot:

„Wenn ich nicht Ihren Sohn für meinen Freund und Herrn ansähe, Madame, dann würde doch sicher Ihre reizende. Tochter mich für ihn einnehmen. Wir haben kein solches Mädchen hier, zum erstenmal begegne ich einem Wesen ihresgleichen, und verzeihen Sie mir die gelehrte Erinnerung, eine der königlichen Hirtinnen des Altertums erscheint vor meinen Augen in der zarten Gestalt Ihrer Catherine.“

Worauf Catherine denn pünktlich und in Wirklichkeit eintrat. Ihre Mutter Jeanne, die den Florentiner Teppich und sein Schwanken nicht beachtet hatte, erschrak, ja, einen Augenblick glaubte sie an wunderbare Fähigkeiten ihrer Schwiegertochter, besonders, weil Catherine barfüßig ging und ihre aufgelösten Haare über ein weißes Nachtgewand fielen. Blond wie sie war und unschuldig von Gesicht, konnten die durch Margot berufenen Hirtinnen nicht anders aussehen. Margot ihrerseits stellte sich überrascht, wenn auch mit Geschmack und ohne Übertreibung. Sie stand nur auf und öffnete zum Empfang ein wenig die Arme, weil dieses Kind so lieblich war.

Die Königin Jeanne erkannte ein getünchtes Grab und sah entrüstet fort, weil sie es fast hätte bis zur Täuschung kommen lassen – indes ihre Tochter sich der bewunderten Margot vertrauensvoll mitteilte. „Ich huste etwas, heute muß ich im Bett liegen und Eselinnenmilch trinken. Madame, wenn Sie meinen Milchbruder, den kleinen Esel sähen, wie lieb er ist!“

„Und erst du, meine Kleine!“ rief Madame, umarmte ihre Schwägerin und gab ihr viele harmlose, für sie passende Worte. Vielleicht, daß Catherine sich freute. Jeanne jedenfalls hörte nicht mehr hin, sondern durchmaß mit ihren Blicken dies fremde gleichgültige Zimmer. Genau dies war überall! Dieselben bilderreichen Wandbekleidungen, geschnitzten Truhen, schwer herabdrückenden Decken, und das mit Himmel und Vorhang verdunkelte Bett und die Fenster am Rande tiefer Nischen: alles geheim, voll von Verstecken, unter Prunk und Zierat unheildrohend, wenn man es ein einziges Mal recht ansah – und so die Menschen! So die Menschen, fühlte Jeanne, schaudernd, sie wußte nicht warum.

Der Prinzessin Margot war mehr bekannt als ihr. Sie hatte manches erlauscht bei Hof und damit die Gesichter ihrer Mutter und ihres königlichen Bruders verglichen, wenn die beiden miteinander flüsterten. Während sie jetzt die unschuldige Catherine umarmt hielt, fühlte sie wunderbarerweise etwas sich regen, es konnte ihr Gewissen sein. Vielleicht war es im Gegenteil ein Stolz und Hochsinn, der nichts Tückisches kennen will. Catherine sang mit ihrem schwankenden Stimmchen, den hohen erschreckten Endsilben: „Sie sind so schön, Madame, heute müßte mein Bruder Sie sehen. Werden Sie ihm auch wohlgesinnt sein?“

„Ja, ja“, erwiderte Margot, dachte aber dabei mit ansteigender Empörung: ,Das darf nicht sein. Ich muß ihnen die Wahrheit sagen.‘

„Wo haben Sie Ihren kleinen Hund, Madame? Es ist der hübscheste kleine Hund, den ich kenne.“

„Ich schenke ihn dir.“ Margot ließ das Mädchen los. ,Ich muß sie warnen!‘

„Ich will Ihnen einen Rat geben.“ Margot neigte sich vor, um Jeanne dringend ins Auge zu fassen. Zum erstenmal verließen sie, bei ihrem außerordentlichen Vorhaben, die Gewandtheit und Ruhe. Sie setzte vergebens an, ihr Atem wurde hörbar, die Nase sogar erschien länger. „Aber Sie dürfen keinem sagen, daß ich es war!“

Geheim und unheildrohend unter Zierat – fühlte Jeanne. Sie sprach: „Ich weiß schon, daß ich hingehalten werde und daß man mich betrügen möchte.“

„Wenn es das nur wäre! Reisen Sie ab, Madame!“ rief Margot, schon kreischte sie, das war nicht Seelengröße mehr, wie sie gewollt hatte, nur noch nacktes Entsetzen. Plötzlich tonlos: „Hört uns auch niemand? Nehmen Sie dies süße Geschöpf, fliehen Sie nach Süden, wenn Sie es noch können! Um irgend etwas für sich zu erreichen, dürfen Sie nicht hier sein – und erst recht Ihr Sohn nicht!“

Eigensinn und Unglauben waren alles, was Margot in ihrem ehrlichsten Augenblick bei Jeanne fand. Jeanne hatte beschlossen, den Drohungen nicht zu glauben. Dies alte Gesicht konnte Margot nicht bewegen, daher tastete sie mit unsicheren Händen nach der andern Jungen, damit diese ihr helfe. Ihr Blick verließ Jeanne, er ging zu Catherine, blieb aber für Jeanne bestimmt. Die sollte sehen, wie Margot mit der Schwere ihrer schwarzen Augen in den hellen des Mädchens etwas hervorbrachte: es war Erkennen. Jetzt war es auch Erschrecken!

Indessen blieb Jeanne bei ihrer Ablehnung, und sie geriet vollends in Zorn, weil ihre Tochter erblaßt und auf den Füßen unsicher geworden war. „Genug!“ befahl sie. „Kehr in dein Bett zurück, mein Kind!“ Nachher erst, als die Tür sich hinter Catherine geschlossen hatte und der Florentiner Teppich nicht mehr schwankte, antwortete Jeanne auf den Rat und die Warnung der Prinzessin von Valois.

„Madame, ich habe alles verstanden. Sie sollen mich wankend und ängstlich machen, der Auftrag kommt von der Königin, Ihrer Mutter. Berichten Sie ihr, ob Sie mich niedergeschmettert gefunden haben! Meinerseits will ich Ihnen melden, daß der Herr Admiral beim König alles erreicht hat, was wir Protestanten wollten. Sie selbst brauchen hinsichtlich Ihres Glaubensbekenntnisses keine endgültigen Beschlüsse zu fassen, bevor Sie gesehen haben, daß dieser Hof den Krieg an Spanien erklärt. Sie werden sehen! Mein Sohn jedenfalls, Ihr Verlobter, wird hier erst eintreffen, wenn unsere Partei ganz groß dasteht.“

„Gewiß, Madame“, sagte Margot. Die arme Brust der Königin von Navarra bebte und rang bei ihren stolzen Worten; aber die Schwester Karls des Neunten, so kühl wie je, fand keinen Grund mehr, weder zu Gewissensregungen noch zum Edelsinn. Sie dachte, wie am Anfang dieser Unterredung: ,Gefährlich! Sie sind eine große Gefahr; meine Mutter hat recht, etwas Entscheidendes muß gegen sie unternommen werden. Aber sie verderben sich selbst: hier ist Schicksal im antiken Sinn!‘ dachte die Gelehrte.

„Gewiß, Madame“, sagte Margot. „Ich werde Ihre Worte bei mir erwägen.“ Tiefer Knicks. „Und habe ich mich erst überzeugt, daß Sie die Klügere waren, dann wird wohl auch Ihre Religion die meine werden müssen. Hoffentlich bringt der Herr Admiral den Prinzen, meinen Verlobten, mit, damit hier alle vereint sind.“ Tiefer Knicks – und der wehende Duft von Moschus, da war Madame Marguerite schon fort.

Jeanne ging zu ihrer Tochter, die ihr entgegensah mit aufgerissenen blauen Augen. Als Jeanne nahe genug beim Bett war, warf das Mädchen ihr beide Arme um den Nacken.

„Angst, Mama! Ich hab Angst!“

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Litres'teki yayın tarihi:
14 temmuz 2025
Hacim:
790 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9788726482874
Yayıncı:
Telif hakkı:
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