Kitabı oku: «Der große Aschinger», sayfa 10

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»Ach, sei doch nicht so bärbeißig!«, schalt ihn Sieglinde.

»Dieser junge Mann scheint dir ja mächtig zu gefallen«, grollte Aschinger.

»Wir sind gute Freunde«, sagte sie leichthin und sah dabei interessiert den Tanzpaaren zu.

»Wohl sehr gute Freunde …«

»Hör auf, Fritz!«, fauchte sie. »Ich habe vor dem großen Aschinger auch schon ein paar gute Freunde gehabt.«

»Ist ja gut«, knickte Aschinger sofort ein.

»In dieser Bar sollen Ernest Hemingway und Scott Fitzgerald so manche Flasche Whisky getrunken haben«, warf Sebastian ein, um die beiden abzulenken.

Sie gingen nicht darauf ein. Aschinger schenkte sich immer wieder Whisky nach, und Sieglinde von Weinberg kommentierte die Toiletten der anwesenden Damen. Schließlich zog sie Sebastian auf die Tanzfläche.

»Kommen Sie, Johnny! Fritz ist heute unleidlich. Ich will mir nicht den Abend verderben lassen. Paris ist keine Stadt für Trübsinn und Zankerei.«

Sebastian sah ratlos Aschinger an. Dieser wedelte wegwerfend mit der Hand, und Sebastian nahm dies als Einverständnis. »Was soll das heute Abend werden?«, fragte er auf der Tanzfläche.

»Was meinst du?«

»Sie wissen genau, was ich meine.«

»Hör auf, Johnny, ich weiß es doch auch nicht.«

»Er ist jedenfalls auf hundertfünfzig.«

»Dafür gibt es keinen Grund.«

»Wirklich nicht?« Sie schwieg.

Nun erschien Dieter von Staufenfels mit seiner Begleitung. Die Baroness winkte ihm zu und wies auf den Tisch.

»Ach, gehen wir zurück zum Tisch, Johnny!«, sagte sie. »Wer weiß, was Fritz sonst noch anstellt.«

Der Kellner brachte zwei Stühle, und so konnten Staufenfels und die Battenberg neben ihnen Platz nehmen.

»Es sieht doch immer wieder lächerlich aus, wenn die Alten ihre Jugend zurückholen wollen, indem sie sich die Jungen kaufen«, sagte Staufenfels mit zynischem Lächeln, nachdem er das Publikum taxiert hatte.

Aschinger zuckte zusammen, tat aber so, als studiere er die Karte, und bestellte nach einem fragenden Blick zur Baroness noch eine Flasche Champagner. Als der Klavierspieler einen Charleston spielte, zog Sieglinde von Weinberg den jungen Grafen auf die Tanzfläche, und sie legten einen wilden Tanz hin, worauf alle auf der Tanzfläche zu tanzen aufhörten, einen Kreis um sie bildeten und im Takt klatschten. Ihre Fröhlichkeit, ihre Ausgelassenheit und ihre Jugend nahmen alle gefangen und machte das Paar zum Mittelpunkt der Bar. Selbst die Kellner hörten einen Moment zu servieren auf und sahen den beiden zu. Als der Klavierspieler zu einem Paso doble überleitete, mimte Sieglinde von Weinberg eine Flamencotänzerin. Staufenfels umkreiste sie wie ein Torero den Stier, und die Baroness rief »Olé!« und schwenkte das Abendkleid, das Aschinger ihr am Nachmittag gekauft hatte, dabei sah sie noch schöner aus als die Pola Negri. Aschinger verfolgte das Bild mit brennenden Augen.

Außer Atem kamen sie an den Tisch zurück. Nach einer eleganten Verbeugung zu seiner Partnerin sagte von Staufenfels: »Lasst uns ins Fuego gehen! Die haben eine phantastische Zigeunerkapelle und richtige Flamencotänzerinnen, die von einer Grazie sind, wie man es sonst nur in Sevilla sieht.«

»Himmlisch!«, stimmte Sieglinde von Weinberg sofort zu und klatschte in die Hände.

»Ich bin müde«, wehrte Aschinger ab. »Hier im Ritz gefällt es mir am besten. Die Getränke sind wenigstens anständig.«

»Sei kein Frosch, Fritz, tu mir den Gefallen!«, drängte die Baroness und zog Aschinger hoch.

Die Gräfin Battenberg schien auch nicht viel Lust zu haben, dem Vorschlag ihres Begleiters zu folgen. Erst auf einen energischen Blick Staufenfels’ hin willigte sie schließlich seufzend ein. Sie mussten zwei Taxis nehmen. Sieglinde von Weinberg schlug mit bewusst arglosem Lächeln vor, dass sie und Staufenfels im ersten, die Gräfin mit Aschinger im zweiten Taxi fahren sollten, denn sie und Dieter hätten sich so viel zu erzählen.

»Wir nehmen Johnny als Anstandswauwau mit«, sagte sie lachend. Sebastian fühlte sich während der Fahrt nach Montparnasse ungemütlich, aber die beiden beachteten ihn überhaupt nicht und erzählten sich Begegnungen und Ereignisse aus ihrer Jugendzeit und konnten sich vor Lachen kaum halten, während sie über Bekannte und Freunde herzogen. Sie kannten eine Menge wichtiger Leute mit großen Namen. Sie fuhren am Louvre vorbei, durch die Rue de Rivoli über den Place de la Concorde, wo die Fontänen wie silberne Säulen in der Nacht standen, und über die Brücke auf das linke Seineufer. Schon bald waren sie in Montparnasse, wo das Fuego dem Café Rotonde und dem Coupole gegenüberlag. Es war eine Kellerbar. Durch einen dunklen Schlauch ging es in einen Raum, dessen Wände mit spanischen Fahnen und roten Tüchern dekoriert war. Die Sitzgelegenheiten bestanden aus mit Stierhäuten überzogenen Bierfässern. Auf der Bühne neben der Bar zeigte eine Gruppe von Mädchen in prächtigen roten, grünen und blauen Kleidern, wie man in Andalusien Flamenco tanzt. Der Sänger stieß Schreie wie ein Muezzin aus.

Als die Tanzfläche für die Gäste freigegeben wurde, nahm Dieter von Staufenfels die Baroness wie selbstverständlich an der Hand, und beide stampften im Rhythmus des Flamenco auf den Boden. Man sah, dass sie sich prächtig amüsierten. Aschinger hatte für die Damen Champagner und für sich, den Grafen und Sebastian Whisky bestellt.

Wenn er so weitertrinkt, ist er bald hinüber, dachte Sebastian besorgt. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis es zur Katastrophe kommen würde. Da Fritz Aschinger keine Anstalten machte, die Gräfin von Battenberg auf die Tanzfläche zu führen, und selbstquälerisch die beiden jungen Leute verfolgte, forderte er die Gräfin von Battenberg auf, als ein langsames Stück gespielt wurde. Er sah nun, dass Sieglinde von Weinberg ihren Kopf auf die Schulter des jungen Grafen gelegt hatte. Wie musste dies Aschinger kränken, der sich mit ihr an diesem Abend hatte verloben wollen! Die Gräfin von Battenberg verfolgte das Pärchen mit ähnlichen Blicken wie Aschinger.

»Es ist ungehörig, wie die sich an Dieters Hals schmeißt!«, zischte sie böse.

»Sie kennen sich eben seit Kindertagen«, versuchte Sebastian sie zu beschwichtigen.

»Sie benimmt sich wie ein Flittchen. Nun ja, was kann man schon von einer Jüdin erwarten … Der Adelstitel ist nur gekauft. Es war ein Fehler von unserem Kaiser, so viele Parvenus, nur weil sie Geld hatten, in den Adelsstand zu erheben. Das Blut lässt sich nicht verleugnen.«

»Sie sind doch nur junge Leute, die fröhlich sind.«

»Sie hat es auf Dieter abgesehen.«

Da nun ein weiterer Flamenco folgte und Sebastian sich nicht blamieren wollte, führte er nach einer Entschuldigung die Gräfin an den Tisch zurück. Besorgt sah er, dass Aschinger sich mittlerweile die halbe Flasche Whisky einverleibt hatte. Sein Blick war unstet, und er drehte das Glas so krampfhaft mit den Händen, als könne er sich nur mühsam dazu zwingen, sich nicht auf Staufenfels zu stürzen.

Als dieser und die Baroness endlich außer Atem und lachend zurückkamen, sagte Fritz Aschinger: »Sagen Sie mal, Herr von Staufenfels, was für einen Skandal wollen Sie eigentlich anzetteln?« Seine Augen waren blutunterlaufen, und die Zigarre hatte Flecke auf seinem Smokinghemd hinterlassen. Er nahm einen weiteren Schluck aus dem Glas und starrte den Graf herausfordernd an.

»Wie soll ich das verstehen? Was für einen Skandal?«

»Sie poussieren mit meiner zukünftigen Frau!«

»Was soll der Unfug, Fritz? Wir sind weder verlobt noch einander versprochen. Du bist betrunken!«, fuhr Sieglinde von Weinberg dazwischen.

»Also, mein Lieber, ich finde auch, dass du Herrn Aschingers Begleiterin etwas mehr respektieren solltest!«, stand die Gräfin von Battenberg Aschinger bei.

»Was haben wir denn getan? Wir haben doch nur getanzt!«, wehrte sich der Graf. »Schließlich sind wir hierhergekommen, um uns zu amüsieren.«

»Dieter und ich sind gute Freunde. Und du hast keinen Anspruch auf mich, und schon gar nicht lasse ich mir von dir vorschreiben, mit wem ich tanze!«, rief die Baroness erregt Aschinger zu.

»Sie haben mir den ganzen Abend verdorben«, grollte Aschinger.

»Ein kleines Gräflein mit einer Raubritterburg, der noch die Eierschalen hinter den Ohren hat.«

»Raubritterburg!«, entfuhr es dem Grafen, und er sprang auf, bereit, die Ehre der Ahnen und den Stolz des deutschen Adels zu verteidigen. »Wir sind Reichsritter seit dem fünfzehnten Jahrhundert – und wer sind Sie? Ein Besitzer von Gaststätten, den Raubtiermethoden zum ersten Kneipier Berlins gemacht haben. Ich kann auch austeilen!«

»Nun hört auf!«, schrie die Baroness und hielt sich die Ohren zu.

»Ich kann das nicht mehr hören!«

»Kneipier? Sie wissen nicht, mit wem Sie reden! Jedes meiner Hotels ist mehr wert als Ihr Steinhaufen am Rhein. Ich brauche keine Ahnenreihe, um zu wissen, dass ich mich nicht zwischen zwei Menschen drängen darf, die vorhaben, sich zu verloben. Jawohl, Sieglinde und ich lieben uns!«

»Das tun wir nicht! Hör auf!«, kreischte die Baroness.

Das war für Aschinger, für seinen benebelten Kopf und seine Wut zu viel, zu sehr brannte der Verlobungsring in seiner Jackentasche.

»Du degenerierter Abkömmling eines Raubritters!«, brüllte er und stand auf, holte aus und schlug nach dem Grafen.

Wenn er getroffen hätte, wäre der Kampf anders ausgegangen. Aber er bewegte nur die verräucherte Luft. Der Graf schlug seinerseits zurück und traf Fritz Aschinger am Kinn, worauf dieser vom Bierfass fiel und über den Boden rutschte. Mühsam rappelte er sich auf und stürzte sich auf den Grafen. Dieser gab ihm einen Schlag gegen die Schläfe, und Aschinger fiel wie ein Sack zusammen, knallte auf den Tisch, rollte gegen die Wand und blieb liegen.

»Wie peinlich!«, zischte die Gräfin von Battenberg. »Das kommt davon, wenn man sich mit solch einem Volk einlässt!«

Sebastian kümmerte sich um Aschinger und tätschelte seine Wange. »Herr Aschinger, so wachen Sie doch auf! Wie geht es Ihnen?«

»Ich gehe auf der Stelle. Kommst du mit?«, kreischte die Baroness. Staufenfels sah einen Augenblick unsicher zur Battenberg hinüber, und deren Augen wurden immer größer. »Nimm ein Taxi!«, sagte der Graf zu ihr und warf Geld auf den Tisch, nahm die Hand der Baroness und lief mit ihr hinaus.

»Du kannst mich doch hier nicht … Das ist doch unmöglich!«, rief ihm die Battenberg hinterher. »Was für eine Schande, incroyable

Sebastian half Aschinger, der endlich wieder die Augen offen hatte, hoch. Mit müden Bewegungen klopfte er sich den Smoking ab.

»Schon gut, Johnny, es ist alles in Ordnung«, murmelte er und schien wieder nüchtern geworden zu sein. Er winkte den Kellner heran und gab ihm mehr Geld, als die Zeche betrug, und entschuldigte sich für den Wirbel, den er verursacht hatte. Der zigeunerhafte Kellner sagte, dass doch nichts passiert sei, und machte eine tiefe Verbeugung. Für ein solch üppiges Trinkgeld, mochte er denken, konnte sich Aschinger hier jeden Abend verprügeln lassen.

»Wir fahren Sie nach Hause«, sagte Aschinger zur Gräfin.

Von seiner Trunkenheit war nichts mehr zu spüren. Seine Augen waren zwar noch blutunterlaufen, blickten aber klar, und seine Bewegungen waren nicht mehr unsicher. Die Gräfin nickte kurz, und sie gingen hinaus. Von Sieglinde von Weinberg und dem Grafen war nichts mehr zu sehen. Sie nahmen eines der Taxis vor dem Coupole und brachten die Gräfin ins Grand Hotel an der Opéra.

Als die Battenberg ausstieg, sagte Aschinger: »Es tut mir leid, dass der Abend so einen Ausgang genommen hat.«

»Vielleicht war er für uns beide eine heilsame Erfahrung«, erwiderte sie.

Als sie schließlich vor dem Ritz anlangten, bezahlte Aschinger das Taxi. Sie stiegen aus und atmeten die kühle Luft ein.

»Wir hätten das Ritz nie verlassen sollen. Hier hätte ich ein Heimspiel gehabt, dann wäre alles anders gekommen.«

Sebastian korrigierte ihn nicht. Er wusste nur zu gut, dass der Baroness der Zwischenfall gelegen gekommen war, um dem drohenden Antrag zu entgehen.

»Gehen wir hinein und trinken noch einen Absacker an der Bar!« Sie gingen den langen Flur mit den Vitrinen entlang, in denen Schmuck, Uhren und Nippes angeboten wurden. Sebastian staunte, wie nüchtern Aschinger jetzt wirkte, als hätte er nicht viele Gläser Champagner, Wein und Whisky getrunken. Die Bar war zu dieser Stunde fast leer. Sie setzten sich an den Tresen, und Aschinger bestellte zweimal Tomatensaft mit Gin.

»Sie wird wiederkommen und sich entschuldigen«, sagte er nach einer Weile. »Du glaubst doch auch, dass sie wiederkommen wird? Sie hat nur zu viel getrunken. Vielleicht hat sie Angst vor der Verlobung bekommen? Ja, das wird es gewesen sein. Für so ein junges Mädchen ist das natürlich ein Wendepunkt im Leben, und da ist sie in Panik geraten und hat Unsinn gesagt. Das glaubst du doch auch, Johnny?«

Er glaubte es nicht. Er war sich sogar sicher, dass es vorbei war. Aber er nickte. Fritz Aschinger tat ihm leid, denn der hatte nicht begriffen, dass er sich an ein Mädchen hängen wollte, deren Leben aus einer Perlenkette von Leichtsinn, Übermut und Lebenslust bestand, und die sich ihm hingab, ohne darin eine Verpflichtung zu sehen.

»Sie wird wiederkommen«, wiederholte Aschinger. »Sie hat ja noch ihre Kleider in meiner Suite. Ganz bestimmt.«

»Ganz bestimmt«, murmelte Sebastian.

»Morgen wird alles wieder in Ordnung kommen«, brummte Aschinger, trank das Glas leer und bestellte zwei Whisky.

»Wir sollten jetzt nach oben gehen. Es war ein anstrengender Tag für uns«, mahnte Sebastian vorsichtig.

Aschingers Augen wurden wieder verschwommen und seine Bewegungen fahriger. »Du musst das verstehen, Johnny. Ich habe mir bisher wenig aus Frauen gemacht. O ja, ganz Berlin will mir seine Töchter andrehen! Die meisten waren dumme Gänse, die nur auf mein Geld aus waren. Aber die Sieglinde, die ist frisch wie eine Morgenbrise, sie ist so lebendig. Sie lässt mich ein ganz anderer Mensch sein. Was würde Teichmann lachen, wenn er von dem heutigen Abend erfährt! Du darfst ihm nichts davon sagen, Johnny, hörst du? Kein Wort zu Teichmann!«

»Selbstverständlich, Herr Aschinger, von mir erfährt er kein Wort.«

»Teichmann hat kein Blut in den Adern. Und wenn, dann ist es das kalte Blut eines Fisches. Aber er ist ein brauchbarer Mann. Ohne ihn wäre ich aufgeschmissen. Wir beide, Johnny, sind keine kalten Fische, wir sind Träumer. Wir beide lieben Balzac und Zola und die ganzen ollen Franzosen, nicht wahr?« Er legte Sebastian den Arm um die Schulter und stammelte weiter: »Ich werde die Sieglinde bekommen. Trotz allem. Und du, mein lieber Johnny, wirst unser Trauzeuge sein, und wir werden eine Hochzeitsfeier haben, von der ganz Berlin sprechen wird. Ich sollte abnehmen, hat Sieglindchen gesagt. Das werde ich tun, und ich werde so schlank werden wie dieser Staufenfels. Es kommen harte Zeiten auf meinen Magen zu.«

Das trunkene Gerede ging noch lange weiter. Schließlich waren sie die Einzigen in der Bar. Endlich hatte Sebastian Aschinger überzeugt, dass es Zeit war, zu Bett zu gehen. Er musste ihn stützen, damit sie die Bar verlassen konnten. Im Fahrstuhl fiel Aschinger immer mehr zusammen, und letztendlich musste ihn Sebastian zu der großen Suite schleifen, ihn aufs Bett legen und ausziehen.

»Sie wird zurückkommen!«, murmelte Aschinger noch, bevor er zu schnarchen anfing.

Sebastian nickte seufzend, fuhr dann mit dem Fahrstuhl hinunter und ging aus der Halle auf den Place Vendôme. Er war zu aufgewühlt, um schlafen zu können. Die Laternen brannten noch rund um den Platz, aber die Statue des Napoleon war nur noch ein Schatten. Jetzt im Halbdunkel war der Platz noch schöner, weil keine Automobile mehr vorbeikamen und er leer und geheimnisvoll vor ihm lag.

»Eine schöne Nacht, nicht wahr?«, sagte jemand hinter ihm mit englischem Akzent.

Er drehte sich überrascht um. Er erinnerte sich, der Mann hatte, bevor sie ins Fuego gingen, in der Ritzbar neben ihnen gesessen. Er war in seinem Alter, trug einen gepflegten Schnurrbart und hatte ein breites Gesicht mit roten Haaren. »Ja, in der Tat, für eine Herbstnacht ist es erstaunlich mild. Sie sind Engländer?«

»Ja, ich komme aus Kent. Ich bin Viscount Burnberry, meine Freunde nennen mich Jack.« Er reichte Sebastian die Hand.

Dieser stellte sich ebenfalls vor und fügte hinzu, dass er der Sekretär des Fritz Aschinger sei.

»Der Aschinger aus Berlin?«

»Ja, genau der. Sie haben von ihm gehört?«

»Aber ja! Wer kennt nicht den Namen? Ist es der kleine, dicke Kerl mit diesem viel zu jungen schönen Mädchen?«

»Ja. Leider ist sie nicht nur schön, sondern auch sehr kapriziös.«

»Ja, das sind schöne Frauen meistens. Sie scheinen sehr tüchtig zu sein, wenn Sie in Ihrem Alter bereits Sekretär eines so berühmten Mannes sind.«

»Vor kurzem war ich noch ein Bauernjunge, der nicht wusste, was er mit seinem Leben anfangen sollte.«

»Erstaunlich! Das spricht für Sie. Schade, dass ich den Aschinger nicht persönlich kennengelernt habe. Wie soll man auch darauf kommen, dass der kleine, dicke Deutsche neben einem in der Ritzbar der große Aschinger ist! Wir haben auch ein Hotel in London. Es ist zwar nicht das Ritz, aber es hat eine gute Lage, gegenüber dem St. James’s Park. Es war früher einmal das Stadthaus der Burnberrys, in den guten alten Zeiten. Mein Vater, der Earl, muss ganz schön knapsen, damit wir heute über die Runden kommen.«

»Aber das Ritz in Paris können Sie sich noch leisten!«, erwiderte Sebastian lachend.

»Ja, dafür reicht es noch«, stimmte der Viscount lachend zu. »Aber über kurz oder lang werde ich reich heiraten müssen – oder meine Pferde gewinnen in Newmarket oder Ascot.«

»Sie züchten Pferde?«

»Was soll ein Gentleman sonst tun? Wir leben nicht mehr in den Zeiten der guten Queen Victoria. Selbst eine Karriere in der Army ist heute kaum noch erstrebenswert, dafür gibt es zu wenig Kriege.«

»Gott sei Dank! Nach dem Weltkrieg sollte man sich Krieg in Europa nicht mehr wünschen.«

»Euer Hitler scheint da wohl anderer Meinung zu sein. Eine Zigarette?« Er hielt Sebastian ein silbernes Zigarettenetui hin.

Sebastian schüttelte den Kopf. »Das Laster habe ich mir noch nicht angewöhnt.«

»Sehr löblich! Ich komme ohne die Glimmstängel nicht mehr aus.« Er zündete sich die Zigarette an und stieß den Rauch aus.

»Wieso können Sie so gut Deutsch?«

»Meine Mutter ist Deutsche, eine von Schulenfeld. Wir haben einige Güter in Mecklenburg, und ich bin wenigstens einmal im Jahr in Deutschland. Wir können uns ruhig duzen. Ich heiße Jack.«

Burnberry reichte ihm die Hand. Sebastian schüttelte sie erfreut, stellte sich vor und sagte: »Melde dich, wenn du mal in Berlin bist! Ich zeige dir das schöne Spree-Athen.«

»Mach ich, Sebastian! Und du meldest dich, solltest du mal in England sein.«

Als sie sich trennten, hatte er das Gefühl, einen Freund gewonnen zu haben. So geht es also auch, dachte Sebastian. Jack war der Sohn eines Earls und hatte keine Bedenken, mit ihm Freundschaft zu schließen. Er sah noch einmal zu dem Kaiser hoch, der seine Marschälle auch nicht nach der Ahnenreihe, sondern nach Verdienst gewählt hatte. Wenn Aschinger aufwachte, würde er sich der Tatsache stellen müssen, dass er sein Waterloo hinter sich hatte.

Kapitel 10

Die Sonne schien Sebastian ins Gesicht. Er erwachte und sah die türkisfarbenen Wände, den Kronleuchter an der Decke und wusste nun wieder, dass er im Ritz war. Er sprang aus dem Bett und ging ans Fenster. Der Place Vendôme lag im ersten Sonnenlicht, und die Fenster der gegenüberliegenden Ministerien funkelten, als würden sich dahinter die Schätze der großen Könige verbergen. Er öffnete das Fenster und ließ frische Luft herein. Er hatte sich gerade angezogen, als es klopfte. Er sah stirnrunzelnd auf die Uhr und öffnete die Tür. Sieglinde von Weinberg sah ihn trotzig an und drängte sich mit einem Koffer in der Hand an ihm vorbei in seine Suite.

»Ich wollte mich nur von dir verabschieden.«

»Was soll das?«, fragte er und deutete auf den Koffer.

»Es ist aus. Es war ein Fehler. Wie konnte ich mich nur mit dem alten Mann einlassen!«

»Das hörte sich schon einmal ganz anders an.«

»Ich war blöd. Es tut mir leid.«

»Er hatte den Verlobungsring bereits in der Tasche.«

»Ich weiß, er wird ihn ein Vermögen gekostet haben. Verachtest du mich?«

»Wer bin ich schon, dass ich Sie verachten darf ?«

»Du hältst in Nibelungentreue zu ihm, nicht wahr?«

»Ich bin ihm verpflichtet. Er ist mir fast wie ein Freund. Verlassen Sie ihn wegen Staufenfels?«

Sie zog einen Flunsch, ging zum Fenster und seufzte. »Wie schön doch der Platz ist! Ach, es ist alles so kompliziert! Ich weiß nicht, ob das mit Dieter etwas wird. Aber er ist lustig und jung und liebt das Leben wie ich. Aber das ist nicht das Ausschlaggebende. Gestern Abend wurde mir klar, dass ich mich nicht für kleines Geld hingeben sollte.«

»Kleines Geld? Er ist Aschinger! Wie reich muss ein Mann denn sein, dass Sie jemanden für großes Geld halten?«

»Ach, das meine ich doch nur im übertragenen Sinn. Geld ersetzt keine Herkunft, kein Charisma, keine Kultur. Fritz ist nicht eloquent, er ist nur dick und erfolgreich und ein netter Kerl. Er ist nicht einmal ein Eroberer, sondern hat alles geerbt. Er sieht nicht, wie golden und verheißungsvoll die Engel auf der Opéra oder auf dem Pont Alexandre funkeln, hört nicht das Rauschen ihrer Flügel und bemerkt nicht einmal das Lächeln des Henri Quatre am Pont Neuf, sondern …«

»… dachte nur an Sie und an den Augenblick, in dem er Ihnen den Ring von Van Cleef & Arpels an den Finger stecken kann!«, unterbrach sie Sebastian.

»Er wollte mich wie eine Trophäe an seinen Hut stecken.«

»Ich verstehe Sie nicht!« Er schüttelte den Kopf. Es war nicht nur die Solidarität gegenüber Fritz Aschinger, die ihn den Chef verteidigen ließ, sondern die Scheu vor dem Dunklen, die Ahnung, dass in diesen für ihn unerreichbaren Frauen in den eleganten Kleidern eine Grausamkeit lag, die ihm unverständlich blieb.

»Sie sind noch sehr jung, Johnny.« Sie strich ihm über die Wange.

»So jung und unverdorben und voller Ideale.«

»Wir sind gleichaltrig.«

»Frauen sind immer älter. Wir haben ein Wissen, das angeboren ist. Und das macht uns manchmal hart … und weise.«

»Sie hätten nicht mit ihm nach Paris gehen dürfen.«

»Das ist richtig«, stimmte sie zu, »ich hätte ihn nicht in meine Stadt bringen dürfen. Er gehört nach Berlin, zu den Preußen.« Sie krauste die Stirn und nahm den Koffer wieder auf. »Also, leb wohl, Johnny, und pass weiterhin auf Fritz Aschinger auf! Ich werde dich in guter Erinnerung behalten.«

»Haben Sie ihm wenigstens eine Nachricht hinterlassen, die ihm helfen kann, das alles zu verstehen?«

Ihre Fingerspitzen berührten noch einmal sein Gesicht, und sie ging hinaus. »Leben Sie wohl, Johnny.«

Die Tür fiel ins Schloss. Sebastian ging zum Telephon und wählte Fritz Aschingers Nummer. Aber der meldete sich nicht. Er überlegte, was er tun sollte, und entschloss sich, in den Frühstücksraum zu gehen.

Da es warm zu werden versprach, ging er in den kleinen Innenhof, in einen Garten mit üppig wuchernden Pflanzen, wo zum Frühstück eingedeckt war. Der Viscount Burnberry winkte ihm leutselig zu und wies auf einen freien Stuhl. Er war in Begleitung. Eine große Brünette mit feinen Gesichtszügen saß neben ihm, mit schulterlangem Haar und einem feingeschwungenen breiten Mund.

»Komm her, Sebastian!«, sagte der Viscount. »Darf ich dir Fräulein Maria Ruben vorstellen, eine Freundin?«

Die Frau gab Sebastian mit interessiertem, freundlichem Blick die behandschuhte Rechte. Ein fester Händedruck. Fasziniert starrte er in das längliche Gesicht mit der geraden Nase, die eine Winzigkeit zu lang war, und in die geheimnisvollen dunklen Augen. Er stellte sich mit einer leichten Verbeugung vor und setzte sich.

»Stell dir vor«, wandte sich Viscount Burnberry an Sebastian, »ich habe Maria gestern im Louvre getroffen. Ausgerechnet vor meinem Lieblingsbild, dem Bild des Johannes von Leonardo da Vinci.«

Da die anderen Tee tranken, bestellte Sebastian ebenfalls Earl Grey, dazu Toast und ein Omelett. Der Viscount schien ausgelassener Stimmung zu sein.

»Wir haben uns seit Jahren nicht gesehen. Es ist ein Wunder, wie es einem nur in Paris passieren kann.«

»Übertreib nicht! Wir haben uns vor zwei Jahren am Silvesterabend im Dorchester kennengelernt und uns vor sechs Monaten im Adlon wiedergetroffen.«

»Sie sind aus Berlin?«, fragte Sebastian erfreut.

»Nein, aus Warschau. Aber mein Vater ist mit Herrn Adlon befreundet. Wenn Sie schon einmal die berühmte Adlon-Ente gegessen haben, dann war sie von einem unserer Güter. Wir beliefern das Adlon mit Geflügel.«

»Sie sind Polin?«

»Ja und nein. Meine Mutter ist Deutsche. Ich bin so ein Mischmasch.«

»Ein bezaubernder Mischmasch!«, sagte der Viscount.

»Und woher kommen Sie?«, fragte Maria Ruben zu Sebastian gewandt. »Was machen Sie im schönen Paris?«

Ihre großen dunklen Augen waren so tief und unergründlich, dass Sebastian eine Gänsehaut auf seinen Armen spürte. Stockend antwortete er ihr, mit wem er im Ritz war.

»Wir wollen nachher nach Versailles fahren. Komm doch mit, Sebastian! Wir werden einen schönen Tag haben.«

»Es tut mir leid, ich muss Herrn Aschinger zur Verfügung stehen.«

»Schade!«, sagte Maria Ruben und lächelte warm.

Was sieht sie in dir?, fragte sich Sebastian. Einen Domestiken? Einen angenehmen Bekannten ihres Freundes? Er wollte für sie bedeutsam erscheinen und setzte hinzu: »Ich bin sein persönlicher Sekretär.«

»Hoffentlich trampelt er nicht auf dir herum!«, sagte Jack Burnberry stirnrunzelnd.

»O nein, er ist in Ordnung.«

»Du lernst von ihm sicher viel übers Hotelgeschäft?«, fragte der Viscount, zündete sich eine Zigarre an und warf das Streichholz auf den Fußboden. Er paffte große Wolken, die Maria Ruben mit komischer Grimasse wegwedelte.

»O ja, ich bekomme einiges mit. Er bespricht mit mir alle Vorgänge im Konzern, die Möglichkeiten und was diese bewirken.«

»Wenn du einmal genug von Berlin hast, dann komm zu mir nach London! So einen wie dich könnten wir gut gebrauchen.«

»Du kennst mich doch kaum!«

»Ach, wer für einen Aschinger gut genug ist, wird auch für Hotel Burnberry gut genug sein. Du könntest neuen Schwung in den Laden bringen, ich bin ja ohnehin nur der Grüßonkel.«

»Vielleicht nehme ich dein Angebot tatsächlich einmal an. Aber im Augenblick bin ich bei Aschinger sehr zufrieden.«

»Überleg es dir! Ach, übrigens, ich habe mit Maria gerade verabredet, dass sie ein paar Tage auf unserem Schloss in Kent verlebt. Sicher hast du auch mal Ferien. Komm zu uns nach England!«

»Mein Vater liebt England«, warf Maria Ruben ein. »Deswegen verbringen wir jedes Jahr einen Monat auf der Insel. Erst ein paar Tage London und dann good old England auf dem Land. Ich kann mir vorstellen, dass es Ihnen auf Schloss Burnberry gefallen wird. Schade, dass Sie nicht nach Versailles mitkommen können!«

Sebastian sah darin eine Bestätigung, dass sie in ihm nicht irgendeinen Domestiken sah. »Vielleicht kann ich den heutigen Abend freimachen.«

»Na wunderbar! Wir wollen nach Montparnasse und vielleicht sogar hoch nach Montmartre. Paris hat im Nachtleben einiges zu bieten. Hinterlass an der Rezeption eine Nachricht! Bevor wir abrauschen, erkundigen wir uns, ob dein Brotherr dich entbehren kann.«

Das mit dem Brotherrn brachte Sebastian wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und verdeutlichte den Abstand zwischen ihnen. Sie waren unabhängig und frei, denn sie waren selbst Brotherren. Das war der Unterschied.

»Ein Gespräch für Sie!«, sagte der Kellner zu Sebastian und hieß ihn an die Rezeption kommen.

Es war Fritz Aschinger. »Wo zum Teufel steckst du, Sebastian? Ich habe schon zigmal bei dir angerufen. Komm sofort zu mir!«

Es knackte, und Sebastian legte auf. Als er zurück am Tisch war, sahen ihn Maria und Jack fragend an.

»Ärger?«, fragte Maria.

»Nein, aber Fritz Aschinger will mich sehen. Schade, ich wäre gern noch …«

»Schon gut. Hoffentlich sehen wir uns heute Abend!«, erwiderte der Viscount.

»Ich würde mich freuen, wenn es klappen würde«, setzte Maria Ruben hinzu.

»Also dann«, sagte Sebastian und warf die Serviette auf den Tisch, verbeugte sich und ging in die Halle zurück. Er fuhr in den zweiten Stock.

»Sieh dir das an!«, empfing ihn Fritz Aschinger stöhnend.

Er war noch im Pyjama, das Haar hing ihm wirr ins Gesicht, und er war unrasiert, was ihn krank und alt aussehen ließ. Er führte Sebastian ins Badezimmer und zeigte auf den Spiegel. Mit Lippenstift stand dort geschrieben:

Es war eine Amour fou. Nun ist es vorbei, was für uns alle besser ist. Lebe wohl, Fritz, sei mir nicht böse!

»Nicht einmal einen Brief hat sie mir geschrieben! Sie ist mit dem verdammten Staufenfels auf und davon und hat mich wie einen Stiefelknecht abserviert. Warum nur? Gestern Morgen haben wir uns noch … Ich verstehe die Welt nicht mehr! Heimlich hat sie sich davongeschlichen. Warum ist sie denn mit mir nach Paris gefahren?«

Sebastian wusste nicht, was er sagen sollte, ohne Aschinger weh zu tun. Er fand es auch kaltherzig, wie sich Sieglinde von Weinberg davongemacht hatte. Ein »Es tut mir leid« hätte Aschingers Kummer zwar auch nicht gemildert, aber es wäre anständig gewesen. Schließlich hatte sie sich von ihm einladen lassen und mit ihm geschlafen.

»Sie war Ihrer nicht wert!«, stand er Aschinger bei.

Dieser stutzte und sah hinüber in den Salon, zu dem goldverzierten Sekretär, auf dem das schwarze Abendkleid lag. »Du hast recht, so muss man es sehen. Sie war meiner nicht wert. Diese verdammte Hure! Wisch das Zeug vom Spiegel ab!«

Sebastian nahm einen Waschlappen und tat, was ihm Aschinger befohlen hatte. »Sie sollten sie auch aus Ihrem Gedächtnis wischen.«

Aschinger starrte ihn mit seinen immer noch rotunterlaufenen Augen an, nickte und schlurfte in den Salon zurück.

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