Kitabı oku: «Der große Aschinger», sayfa 9

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Sie wurden unter den Blicken des Concierge und der Angestellten hinter dem rotbraun blitzenden Tresen vom Geschäftsführer zum Fahrstuhl geführt. Die Gäste an der Rezeption sahen sich wegen des Auftriebs nach ihnen um.

Sie wurden zur Präsidentensuite geführt, die an der Fensterfront zum Place Vendôme lag. Wenn Sebastian durch Aschingers Haus und den Fürstenhof schon an einigen Luxus gewöhnt war, so wurde der von diesem hier im Ritz noch übertroffen. Die Räume sahen aus, als hätte man das Schloss Versailles hierher versetzt. Die Suite glitzerte golden und silbern, und ein Kristallkronleuchter von der Größe eines Wagenrades ließ, verstärkt durch die Spiegel, den Salon wie einen Diamanten aufleuchten. Überall standen mächtige Blumenbouquets in hüfthohen chinesischen Vasen. Auf den Tischen mit den goldverzierten Füßen lockten riesige Schalen mit Obst. Sie gingen auf teuren türkisfarbenen Teppichen aus Isfahan. In den Vitrinen stand kostbares Porzellan aus Limoges.

Aschinger nickte gleichmütig. »Schön, alles wie gehabt.«

»Wenn irgendetwas fehlt, sag es bitte!«

»Es ist alles in Ordnung, mon ami. Johnny, deine Suite ist nebenan. Wir treffen uns in einer halben Stunde unten am Empfang.«

Der Hoteldirektor führte Sebastian nach draußen an das Ende des Korridors und schloss eine kleine Suite auf. »Ich hoffe, Sie werden sich bei uns wohl fühlen«, sagte er und wies mit einer Verbeugung auf das mit Stilmöbeln eingerichtete Zimmer.

Sebastian ging ans Fenster. Er sah auf einen kleinen Innenhof, in dem Kastanien standen. Seitlich hatte er einen Blick auf Napoleon, der – als Cäsar verkleidet – als Statue über dem Place Vendôme thronte.

»Ich hoffe, es entspricht Ihren Wünschen«, sagte der Geschäftsführer.

Sebastian nickte. »Es ist alles bestens.«

Der Geschäftsführer gab ihm den Schlüssel. »Ich zeige Ihnen noch die anderen Räume. Dort links ist das Schlafzimmer, und hier gegenüber ist das Bad.«

»Sehr schön«.

»Sie sind Herrn Aschingers Sekretär?«

»Ja, sein Privatsekretär«, wiederholte Sebastian automatisch, immer noch ganz gefangen von der Pracht. So wohnten Könige – und er, ein Bauernjunge aus dem Brandenburgischen, wurde gefragt, ob es seinen Wünschen entsprach! Er hätte sich vor kurzem nicht einmal im Traum vorstellen können, dass man solche Wünsche haben konnte. Er besichtigte das Schlafzimmer, dessen Bett so breit war, dass drei Personen darin schlafen konnten. Auf dem Tisch im Salon stand ein Kübel mit Champagner. Das Bad war ähnlich prächtig wie im Palais Aschinger. Mit einer Verbeugung verabschiedete sich der Geschäftsführer und wünschte ihm einen schönen Aufenthalt.

Sebastian nahm die Flasche aus dem silbernen Kübel, öffnete sie und goss sich einen Kelch ein. Im Spiegel prostete er sich zu. »Auf dein Wohl, Sebastian Lorenz, Bauernjunge, Notariatslehrling, Zapfhilfe in der Bierquelle und Sekretär des großen Aschinger! Weit hast du es gebracht!« Doch wenn er aufwachen würde und alles wäre vorbei? Würde er sich jemals wieder an die kleine Stube in Schönberg gewöhnen, an den verschmutzten Hof, an den Geruch von Pferdeäpfeln oder an die trockene Luft, wenn Korn gedroschen wurde und kleine Strohhalme durch die Luft flogen? Wer einmal von goldenen Tellern gegessen hat, gab sich nicht gern mit einem Blechnapf zufrieden. Ihm fiel ein, dass er Damrow anrufen wollte, und ging zum Telephon. Dem guten Harry fiel ein Stein vom Herzen, als Sebastian ihm sagte, dass Aschinger einverstanden sei. Ehe er sichs versah, war die halbe Stunde vorbei. Er stürzte aus seiner Suite und fuhr in die Empfangshalle hinunter. Aschinger und die Baroness warteten bereits auf ihn.

»Na, das dauert aber bei dir!«, sagte Aschinger vorwurfsvoll.

»Ich musste mich erst einmal an die schöne Umgebung gewöhnen. Es ist wundervoll hier!«

Sie traten auf den Platz. Aschinger stutzte. »Wartet hier!«, sagte er kurz und ging nebenan in ein Juweliergeschäft mit dem Namen Van Cleef & Arpels.

Sebastian hatte nun Zeit, die Harmonie des Platzes zu bewundern. Er hatte in Berlin den Gendarmenmarkt ins Herz geschlossen und einige Male, wenn es seine Zeit erlaubte, dort gegessen und auf der Terrasse des Restaurants zu den Löwen mit den Engeln hinübergesehen. Der Place Vendôme gehörte auch zu den Orten, die Verzauberung auslösten. Er atmete tief ein, schloss die Augen und sah nun Kutschen mit livrierten Dienern vorfahren und Perückenträger in reichen, goldbestickten Gewändern aussteigen. Er hörte das Klimpern eines Spinetts und wünschte sich, dass der Besuch in Paris nicht aufhören würde.

»Er kauft mir sicher noch ein paar Diamanten«, sagte die Baroness gleichmütig.

»Er ist sehr glücklich«, stimmte Sebastian zu.

»Sieht ganz so aus, nicht wahr?«, sagte die Baroness. »War er noch nie verliebt?«

»Ich glaube nicht«, erwiderte Sebastian, erstaunt über die Frage, die ihm ungehörig erschien. So sprach man nicht von dem Mann, mit dem man gerade die Nacht verbracht hatte. Und erst recht nicht zu einem Angestellten dieses Mannes, den man außerdem kaum kannte.

»Aber es wird doch sicher viel über ihn geklatscht. So ein Mann wie Fritz wird doch von allen Leuten beobachtet. Über mich wird ja auch viel geklatscht, viel zu viel!« Sie seufzte.

»Herr Aschinger lebt sehr zurückgezogen, soviel ich weiß.«

»Loyal in jeder Beziehung, nicht wahr, Johnny?«

»Ich verdanke Herrn Aschinger sehr viel. Er ist ein großartiger Mensch und Chef.«

Aschinger kam vergnügt lächelnd aus dem Juweliergeschäft Van Cleef & Arpels heraus. »Kommt, gehen wir zu deinem Café de la Paix!« Er hakte sich bei ihr ein und pfiff dabei Ach, du lieber Augustin.

Dann saßen sie im Café de la Paix mit Blick auf die Opéra, aßen Austern und tranken dazu Champagner. Sieglinde von Weinberg erzählte von den Ballett- und Opernaufführungen, die sie hier schon erlebt hatte. Während sie von Wagner, Mozart und Tschaikowsky erzählte und unentwegt von der Pracht des Konzertraumes schwärmte, beobachtete Sebastian die vorbeieilenden Menschen. Sie waren in der Regel besser gekleidet als in Berlin. Er sah Männer in dunklen Anzügen wie er, Mädchen in großer Garderobe, aber auch in billigen Fähnchen, die sie mit einer Anmut trugen, als wären sie aus den besten Modegeschäften in Paris. Doch dann entdeckte er ein abgehärmtes Gesicht, die Kleider vielfach geflickt, die Schuhe abgetreten und die Augen voller Angst. Auch hier in der wundersamen Stadt gab es Armut. Farbige Menschen aus den Kolonien kehrten die Straße und sahen mit stumpfen Augen zu ihnen im Café de la Paix hinüber. Ihre Chance, hier einmal zu frühstücken, war nicht sehr groß.

Danach schlenderten Aschinger, die Baroness und Sebastian durch die Rue Saint-Honoré. Vor einem Herrengeschäft blieb Sieglinde von Weinberg stehen und klatschte in die Hände.

»Was für schöne Krawatten! Kaufen wir doch für Johnny ein paar neue! Er blamiert sich ja im Ritz mit seiner grässlichen Krawatte.«

Sie gingen hinein, sie ließ sich eine Menge Krawatten zeigen und tippte auf eine blaugestreifte sowie zwei rot-blau gestreifte. »Die hier sind richtig, sie sehen sehr britisch aus. Findest du nicht auch, Fritz, dass Johnny ein britischer Typ ist?«

»Ein britischer Typ aus der Mark Brandenburg!«, spottete Aschinger. Aber er schien sich zu amüsieren. Ihm gefielen ihr Schwung, ihre Atemlosigkeit, ihr Enthusiasmus.

»Er braucht noch einen Sommermantel sowie einen für den kommenden Winter«, brummte er gutmütig.

»O ja, wir machen aus ihm einen richtigen Gentleman!« Sie klatschte in die Hände und rief dem Verkäufer etwas zu, worauf dieser Mäntel für alle Jahreszeiten herbeischleppte. Sie wählte für Sebastian einen dunklen Kaschmirmantel und einen leichten blauen Regenmantel.

Sebastian zog die Mäntel mit verlegenem Gesicht über und ließ sich von beiden begutachten.

»Ja, so gefällt mir Johnny!«, rief sie und klatschte wieder in die Hände.

»Wenn du so weitermachst, hat er bald mehr Mäntel als ich«, knurrte Aschinger. »Bringen Sie das Zeug ins Ritz!«, rief er dem Verkäufer zu.

»Aber die rot-blaue Krawatte muss er gleich umbinden. Weg mit dem scheußlichen Ding!«, antwortete sie streng, nestelte an Sebastians Kragen und zog ihm die alte Krawatte ab. Sie band ihm die neue um, knotete sorgfältig einen Windsorknoten und betrachtete ihr Werk mit geneigtem Kopf. »So, nun sieht er aus wie ein Gentleman. Den dunklen Übergangsmantel zieht er gleich an.«

»Mach so weiter, und im Ritz halten sie ihn für den Herzog von Windsor!«, setzte Aschinger ironisch hinzu.

Der Bückling des Verkäufers konnte nicht tiefer ausfallen. Sie gingen hinaus, kamen aber nicht weit. Vor dem Schaufenster mit den neuesten Kreationen von Coco Chanel blieb sie stehen und hielt Aschinger am Arm fest.

»Sieh dir das an, Fritz! Das kleine Schwarze und dann das blaue Abendkleid mit den schmalen Trägern, sind die nicht wundervoll?«

»Dann gehen wir doch hinein!«, sagte Aschinger gutmütig lächelnd. Sie wurden von einer eleganten Dame empfangen, die wohl gleich erkannte, dass hier ein gutes Geschäft zu machen war. Ein dicklicher Herr im mittleren Alter und eine wesentlich jüngere Begleitung ließen immer auf ein gutes Geschäft schließen. Sieglinde von Weinberg zwitscherte mit ihr, und die Madame, die sich als Direktrice vorstellte, hieß sie auf Englisch, Platz zu nehmen.

Während Aschinger in der Vogue blätterte, ging die Baroness von einer Modepuppe zur anderen. Ihnen wurde Champagner gereicht, und bald erschienen Mannequins und führten Abend- und Tageskleider vor. Sieglinde von Weinberg benahm sich wie im Rausch, schlug ein um das andere Mal die Hände zusammen und rief: »Oh, sieh nur, Fritz, was für ein Traum!«

»Du hast eine Menge schöner Träume«, sagte Aschinger nach einer Weile und blätterte lustlos in der Vogue. Aber es blieb ihm nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen, wobei dies von ihrer Seite weder böse gemeint war noch als Spiel. Es war ihr Leben. Lustvoll gab sie sich dem Kaufen hin und machte sich keine Sorgen über die Preise.

Nach zwei Stunden hatte sie sich für das kleine Schwarze, ein helles Kostüm, einen Hut, der in Ascot und nur dort nicht auffallen würde, und das blaue Abendkleid mit den schmalen Trägern entschieden. Sebastian war der Meinung, dass man zu dieser Entscheidung auch in wesentlich kürzerer Zeit hätte kommen können. Aschinger bekam eine Rechnung präsentiert, gegen die sich die Aufwendungen bei dem Herrenausstatter wie ein Trinkgeld ausnahmen. Aber Aschinger bezahlte mit erleichtertem Grinsen, wenn er auch den Kopf dabei schüttelte.

»Wer hätte gedacht, dass dieses bisschen Stoff so wertvoll sein kann! Wir beide sind in der falschen Branche, mein Lieber«, sagte er zu Sebastian.

Doch damit war die Ausplünderung der Läden auf der Rue Saint-Honoré noch nicht zu Ende. Denn jetzt mussten zu den neuerstandenen Kleidern natürlich auch noch passende Schuhe und Handtaschen gekauft werden. Gegen Mittag gingen sie erschöpft und doch zufrieden ins Fouquet auf den Champs Élysées und aßen eine Ente, die selbst Fritz Aschinger zufriedenstellte. Beschwingt durch einen guten Margaux Rothschild, führte Sieglinde von Weinberg sie danach über die Pont Alexandre mit den vergoldeten Engeln.

»Die Brücke trägt den Namen zu Ehren von Zar Alexander. Es ist die schönste Brücke in Paris.« Sie standen am Brückengeländer, und die Baroness deutete mit dem Finger auf den Schatten am Ende der Seine. »Dort hinten, unter den weißen Wolken liegt die Notre Dame, die gewaltigste Kirche Frankreichs.«

»Die Kirche des Glöckners von Notre Dame«, ergänzte Sebastian ehrfürchtig. »Dort sah er vom Turm herab auf Esmeralda und verliebte sich unsterblich. Können wir nicht dorthin gehen?«

»Bloß nicht, das ist doch viel zu weit!«, murrte Aschinger, der sich bereits die Stirn wischte. »Wir könnten uns ein Taxi nehmen.«

»Nein, Paris muss man zu Fuß erleben!«, rief die Baroness. »Lass uns wenigstens bis zum Pont Neuf gehen! Wer weiß, wie lange sich das schöne Wetter noch hält. Danach sollten wir durch den Jardin du Luxembourg spazieren.«

Sebastian erinnerte sich, dass sich dort d’Artagnan mit den drei Musketieren getroffen hatte.

»Wir müssen doch nicht an einem Tag ganz Paris abklappern!«, murrte Aschinger.

»Aber wenigstens zum Pont Neuf will ich, meine zweitliebste Brücke. Dort steht das Denkmal von Henry IV. Ein König, der die Frauen liebte.«

»Meines Wissens liebten alle französischen Könige die Frauen und konnten davon gar nicht genug haben«, brummte Aschinger.

Am Seineufer entlang wurde es noch einmal ein langer Marsch. Aschinger blieb oft schnaufend stehen und wischte sich die Stirn. »So viel bin ich mein Lebtag nicht gegangen!«, stöhnte er.

»Du musst Sport treiben, Fritz, oder wenigstens viel spazieren gehen, damit du deinen Schmerbauch loswirst«, spottete die Baroness erbarmungslos.

Sebastian kam es so vor, als wolle sie Aschinger damit zu verstehen geben, dass sie trotz der gemeinsam verbrachten Nächte nicht so einfach zu erobern sei und Aschinger, um den Altersunterschied überbrücken zu können, mehr bieten musste als ein paar Kleider der besten Couturiers Frankreichs.

»Ich könnte wetten, du warst schon zigmal in Paris und hast außer dem Ritz und dem Place Vendôme oder der Rue de Rivoli nichts von Paris gesehen«, fuhr sie unerbittlich fort.

»Das waren auch Geschäftsreisen«, verteidigte sich Aschinger.

»Na, dann wurde es höchste Zeit, dass du einmal ohne deine dummen Geschäfte hierherkommst!«, antwortete sie schnippisch und zwinkerte dabei Sebastian zu.

Vor den mit rötlichen Steinen durchzogenen weißen Häusern hob sich an dem Pont Neuf das Standbild von Henri IV. ab, und es sah aus, als wäre er gerade dabei, in die Stadt einzuziehen, die ihm so lange getrotzt hatte.

»Die Häuser stammen aus der Zeit Richelieus oder Mazarins oder wie diese Kardinäle damals hießen. Fritz, Paris ist wundervoll!«

»Unser Potsdamer Platz ist auch ganz schön«, wehrte Aschinger ab. »Aber es stimmt schon: Wenn man dort, wo die Häuser sind, ein Hotel hinbauen würde, hätte man eine romantische Umgebung.«

»Untersteh dich, Fritz!«, entrüstete sich die Baroness. »Du kriegst es noch fertig und reißt die schönen Häuser ab, um dort eines deiner dummen Hotels hinzubauen!«

»Man könnte ja die Fassaden stehen lassen und …«

»Hör auf, Fritz!«

»Mach dir keine Sorgen! Lieber stelle ich noch ein Hotel am Kurfürstendamm hin. Die Ecke, wo das Café Kempinski ist, wäre dazu ideal.«

Über den Pont Neuf ging es weiter auf das rechte Seineufer, und nun war es Aschinger zu viel. Er winkte ein vorbeifahrendes Taxi heran, und sie fuhren mit einer schmollenden Baroness zur Notre Dame. Dort stiegen sie neben dem Denkmal Karls des Großen aus und gingen in die Kathedrale, von der Sebastian ein wenig enttäuscht war. Gewiss, sie war riesig, und das Halbdunkel verbreitete eine feierliche Stimmung, aber das Gedränge der Touristen ließ doch keine rechte Andacht aufkommen. Da sich Aschinger weigerte, zum Dach hochzusteigen, nahmen sie erneut ein Taxi und fuhren über den Boulevard Saint-Michel an der Sorbonne vorbei zum Jardin du Luxembourg. Die Baroness musste ein paar Mal mit dem Fuß aufstampfen, ehe Aschinger ihr in den Park folgte. Sie gingen an den herrlich gefärbten Kastanien vorbei, die im goldenen Licht der Mittagssonne lagen. Vor dem großen Bassin setzten sie sich auf eine Bank und sahen den Kindern zu, die dort ihre kleinen Schiffe ins Wasser setzten. Aschinger kaufte eine Tüte Vogelfutter und beschäftigte sich mit den Tauben. Bald war ein ganzer Schwarm um ihre Bank versammelt. Die Baroness stand mit einem Seufzer auf und nahm Sebastian am Arm.

»Komm, Johnny, wir gehen einmal um das Bassin und sehen uns das Schloss an. Fritz, du kannst dich hier ausruhen«, kommandierte sie. Ehe Aschinger antworten konnte, zog sie Sebastian hoch und zum Bassin hin. »Ein goldener Herbsttag«, sagte sie andächtig, und ihr Blick streifte verträumt die Bäume. »Glaubst du, dass ich das Richtige tue?«, fragte sie unvermittelt.

»Was meinen Sie?«

»Er wird mir heute Abend einen Heiratsantrag machen. Deswegen war er bei Van Cleef & Arpels.«

»Hat er Ihnen das gesagt?«

»Nein, aber so etwas weiß eine Frau.«

Sebastian war über ihre Indiskretion erstaunt. Diese intimen Dinge gingen nicht einmal einen Privatsekretär etwas an. Wieso zog sie ihn da hinein? »Ich kann Ihnen dazu nichts sagen. Ich kenne Sie zu wenig. Fritz Aschinger mag Sie sehr, das ist jedenfalls gewiss. Und eigentlich sollten Sie mir in solchen Dingen keine Fragen stellen.«

»Ach, hör auf, Johnny, ich frage dich als Mensch. Wir sind doch im gleichen Alter! Fritz ist so seriös. Und dann der Altersunterschied! Gut, ich lasse mich von ihm verwöhnen – aber reicht das für eine Heirat? Ich habe viele andere Bewerber, doch hinsichtlich Reputation sind sie dem König von Berlin natürlich nicht gewachsen, verstehst du? Vater wäre natürlich froh und glücklich, denn eine Heirat mit dem großen Aschinger würde seine Geschäfte mit ihm absichern und wäre außerdem ein großer Prestigegewinn für die Bank. Er hat mich regelrecht bedrängt, mich mit ihm zu treffen. Und als ich ihm sagte, dass ich mit Fritz nach Paris fahre, war er schier aus dem Häuschen. Er, der sonst so auf Anstand und Sitte achtet! Das alles spielt plötzlich keine Rolle mehr. Ich komme mir vor wie ein Stück Vieh, das er an den besten Bieter verhökert, oder wie eine Geiß, die man als Köder auf die Weide stellt, damit sie den Löwen anlockt.«

»Dann verloben Sie sich doch nicht!«, rutschte es Sebastian heraus, obwohl er sich eigentlich nicht einmischen wollte und ihm dies auch wie ein Verrat an Aschinger vorkam. Hoffentlich erzählt sie ihm das nicht!, dachte er besorgt. Er würde Sebastian das nie verzeihen.

»Fritz ist gutherzig und auf eine seltsame Art naiv, fast lebensfremd. Er ist ein anständiger Mensch, erfolgreich und reich. Aber er ist manchmal auch ein bisschen langweilig, nicht wahr? Und wenn die Flitterwochen vorbei sind, wenn man sich an das Neue gewöhnt hat, dann ist es vielleicht nur noch langweilig. Dann wird mich seine Ernsthaftigkeit ersticken.«

»Fritz Aschinger ist nicht langweilig!«, versuchte Sebastian seinen Fauxpas ungeschehen zu machen. »Er ist Geschäftsmann und wird in der Firma von allen bewundert. Er ist gutmütig und spendabel. Unsere Frau Proske sagt immer, dass er eine Seele von Mensch ist.«

»Ich weiß, dass er ein guter Mensch ist, aber er hat keine Freude am Leben. Er liebt keinen Spaß und macht keine Verrücktheiten. Kannst du dir vorstellen, dass er mit mir den Kurfürstendamm heruntertanzt oder mit mir Karneval feiert?«

»Das sind doch Kindereien!«

»Ja, aber ich mag verrückte Dinge. Ich tanze gern, feiere gern, reise gern. Ich will leben.«

»Vielleicht können Sie ihn dazu bringen, das Leben ein bisschen zu genießen.«

»Himmel, ich weiß nicht, ob ich das schaffe! Ich habe Angst vor heute Abend. Er wird mir einen umwerfenden Verlobungsring überreichen. Wenn ich ablehne, schlage ich eine der besten Partien Deutschlands aus, und Vater wird verärgert sein. Sage ich zu, bin ich seine Gefangene. Dann ist in ein paar Monaten Hochzeit.« Sie sah ihn mit Tränen in den Augen an. »Sebastian, was ist richtig?«

In ihren Augen sah er Angst. Auch die reichen Mädchen hatten also ihre Probleme, stellte er fest. Aber helfen konnte er ihr wirklich nicht. Sie musste selbst entscheiden, ob sie erwachsen werden wollte. Er ahnte, dass noch am Ende dieses wundervollen Herbsttages die Erwartungen Aschingers enttäuscht und der Traum, endlich die Frau seines Lebens gefunden zu haben, sich in Luft auflösen würde.

Kapitel 9

Sie saßen im Restaurant des Ritz. Es war von Anfang an eine gespannte Atmosphäre. Sebastian wusste, wenn sich die Zweifel der Baroness nicht in Luft aufgelöst hatten, warteten auf Fritz Aschinger bittere Stunden. Ihr Gesicht hatte nichts verraten, als sie im Jardin du Luxembourg nach der Besichtigung des Schlosses zu seiner Bank zurückkamen. Als wären keine Worte des Zweifels gefallen und sie ganz von dem Herbsttag verzaubert, ließ sie es zu, dass Aschinger ihre Hand ergriff und mit ihr durch die Kastanienallee zum Ausgang des Parks ging. Sebastian war ihnen in einigem Abstand gefolgt. Dass seine Angebetete auf der Fahrt ins Hotel sehr still war, hatte Aschinger nicht einmal bemerkt. Er war nur froh, dass die Lauferei ein Ende hatte, und war schon wieder ganz in seinen Geschäften versponnen.

»Die Blumen machen den Unterschied aus. Auch wir sollten bei uns in den Hotels mehr Blumen in die Eingangshalle stellen und auch damit die Zimmer dekorieren. Wir müssen uns dazu eine passende Gärtnerei anschaffen. Schreib es auf, dass wir uns in Berlin darum kümmern!«

Dann war er mit der Baroness in seiner riesigen Suite verschwunden. Sebastian hatte sich auf seinem Zimmer in seine Bücher vertiefen können.

Nun saßen sie schweigend im Restaurant des Ritz, und das vorher so lebenslustige Mädchen schien jeden Schwung verloren zu haben. Das Restaurant mit der azurblauen Decke und den Stuckornamenten erinnerte Sebastian an eine riesige, im Meer schwimmende Muschel. Wie verzaubert sah Sebastian auf die Kristalllüster, die funkelnden Gläser und das silberne Besteck auf den Tischen, zwischen denen sich gemessen die Kellner bewegten.

Aschinger ließ es sich nicht nehmen, das Menü zusammenzustellen: Foie gras, Steinbutt – Turbot braisé au beurre blanc –, gefüllte Taube mit feiner Gemüseauswahl, dazu gab es ein Glas Sauternes zur Vorspeise, einen Pouilly fumé und einen Margaux Rothschild vom besten Jahrgang, doch vorher wurde alles mit dem Aperitif, einem Champagner von Taittinger, eingeleitet. »Dann wollen wir mal sehen, ob die Küche des Ritz ihrem Ruf entspricht!« Aschinger rieb sich die Hände und sah herausfordernd in die Runde. Doch seine hektische Röte, die Flecke auf den Wangenknochen verrieten, dass ihn auch noch ganz anderes beschäftigte.

Das Restaurant war gut besucht. Es gab nur noch einen freien Platz zu ihrer Rechten. Das Gespräch zog sich schleppend hin. Sebastian versuchte, es dadurch in Gang zu halten, dass er den Tag Revue passieren ließ.

»Am besten gefallen hat mir der Blick von der Place Concorde hoch auf die Champs Élysées zum Etoile hin. Es war, als würde man in den Himmel sehen und mit dem Arc de Triomphe das Tor zum Paradies erblicken.«

»Das kommt daher, dass die Champs ziemlich steil ansteigen. Man merkt dies erst so richtig, wenn man zu Fuß Richtung Arc de Triomphe geht«, stimmte die Baroness zu.

»Bloß nicht!«, wehrte Fritz Aschinger ab.

»Jedenfalls weißt du jetzt, wie Paris aussieht.«

Dann verfielen sie wieder in Schweigen. Als die Baroness zwischen den Gängen sich die Nase pudern ging, beugte sich Aschinger zu Sebastian. »Was meinst du, Johnny, soll ich ihr nach den Gängen den Verlobungsring geben oder erst später, wenn wir an der Bar sind?«

»Haben Sie denn schon um ihre Hand angehalten?«

Aschinger stutzte. »Du meinst, ob ich sie gefragt habe? Nein, dazu ist es auf dem Zimmer nicht gekommen. Ich wollte es, aber sie hat mich immer wieder abgelenkt.«

»Ich würde abwarten. Wenn wir alle ein wenig getrunken haben, wird es Ihnen leichter fallen.«

»Sie wird doch annehmen, nicht wahr?«, flüsterte Aschinger, und seine Augen bettelten um Bestätigung.

»Sie wissen doch, dass ich für Frauen kein Experte bin. Schon gar nicht habe ich Erfahrung mit so reichen, vornehmen Frauen. Sie sind anders als die Frauen, die ich so kenne.«

»Wie anders?«

»Für sie ist alles wie ein Tanz, als wäre ständig Musik um sie herum und das Leben ein ununterbrochenes Fest.«

»Hm, sie ist noch jung«, brummte Aschinger stirnrunzelnd.

»Ja, das auch.«

»Du bist sehr offen. Immerhin sprichst du von meiner zukünftigen Frau«, sagte er unzufrieden. Was Sebastian gesagt hatte, war ihm offenbar zu respektlos. Als habe der bloßgelegt, was er auch schon gedacht hatte, sich aber nicht einzugestehen wagte.

»Sie haben mich nach meiner Meinung gefragt. Aber wie gesagt, geben Sie nicht allzu viel darauf, ich kenne mich in solchen Dingen nicht aus.«

»So sind sie doch alle – nur nicht so schön.«

»Ja, sie ist in der Tat sehr schön.«

»Gib es zu, Johnny, du bist auch ein wenig in sie verliebt! Jeder muss sich in sie verlieben.«

»Ja, das könnte das Problem sein.«

»Wie meinst du das?«

»Sie ist schön und nicht dumm, und ihre Erfahrung ist, dass sie alles bekommt, was sie will, was einschließt …«

»… dass sie jeden bekommt, den sie will!«, sagte Aschinger dumpf. Sebastian schwieg.

»So meinst du das doch?«

»Ich meine, dass es für schöne reiche Mädchen schwierig sein muss zu erkennen, welcher der Richtige für sie ist. Sie braucht ja nur ein wenig ihre Augen rollen zu lassen, und schon umringt sie eine Horde heiratswilliger Kandidaten mit nichts anderem im Sinn, als das wundervolle Wesen ihr Eigentum nennen zu können.«

»Du machst mir nicht gerade Mut.«

»Ich rede Unsinn, ich sollte mich mit dem Trinken zurückhalten.«

»Sie liebt mich. Wäre sie sonst mit mir nach Paris gekommen?«

Die Baroness erschien und setzte sich. Der erste Gang wurde serviert. »Warum macht ihr beide so ein ernstes Gesicht?«, fragte die Weinberg.

»Wir hatten ein philosophisches Gespräch«, erwiderte Aschinger.

»Aber doch nicht heute Abend!«, protestierte die Baroness. »Wenn ich mir den Himmel vorstelle, dann ist er wie das Ritz, und hier grübelt man nicht nach über das Warum, sondern genießt das Jetzt!« Plötzlich flog ein Leuchten über ihr Gesicht, aber es galt nicht ihrem Gegenüber, sondern einem jungen Mann, der mit seiner Begleitung wartend am Eingang stand. »Mein Gott, das ist doch Dieter von Staufenfels!«

Das junge Paar wurde nun von dem Kellner zu dem Tisch nebenan geführt. Die Baroness sprang auf, der neue Gast mit dem schmalen, gutaussehenden Gesicht stutzte und lächelte dann fröhlich.

»Das ist doch Sieglinde! Was machst du hier in Paris?« Er stürmte auf sie zu und umarmte sie. Es dauerte eine Weile, ehe sie voneinander abließen. Erst dann stellte er seine Begleiterin vor, eine Gräfin von Battenberg, eine melancholisch aussehende schwarzhaarige Frau mit einem stolzen Profil, die die Szene mit süßsaurem Gesicht verfolgt hatte. In ihrer Begrüßung zeigte sie die Herablassung, die ein altes Adelsgeschlecht dem Geldadel entgegenbrachte.

Sieglinde von Weinberg ließ sich dadurch keinesfalls einschüchtern und stellte Fritz Aschinger als einen guten Bekannten vor, Sebastian als einen vielversprechenden jungen Mann, und diesem war das die Bestätigung, wie der Abend enden würde. Keinesfalls würde er das Ergebnis bringen, das sich Aschinger erhoffte, sonst hätte sie bei der Vorstellung Aschingers andere Worte gewählt.

»Setzt euch doch zu uns!«, sagte die Baroness und sah dabei Aschinger an, damit dieser die Einladung wiederholte, und so blieb diesem, nach einem verstohlenen ratlosen Blick zu Sebastian hinüber, nichts anderes übrig, als ihrer Aufforderung Folge zu leisten.

»Selbstverständlich, lassen wir doch die Tische zusammenrücken!«

Auf einen Wink Aschingers kam der Ober diesem Wunsch nach.

»Dieter und ich kennen uns von den Reitturnieren. Er ist ein phantastischer Parcoursreiter. Aber eigentlich kennen wir uns schon seit Kindertagen. Wir und die Staufenfels’ haben uns jahrelang auf Sylt getroffen, wo unsere Familien nebeneinander ein Sommerhaus haben.«

Sofort tauchten die beiden, kaum hatten sie sich gesetzt, in die Kindheitserinnerungen ein, und die Baroness war wieder ganz das selbstverliebte, übermütige Mädchen wie am ersten Abend in Berlin. Aschinger und Sebastian waren für die beiden so interessant wie das Blumenbouquet auf dem Tisch. Selbst die Gräfin, die es sicher durch Herkunft und Erscheinung gewohnt war, im Mittelpunkt zu stehen, war abgemeldet, was diese mit blitzenden Augen beobachtete. Fritz Aschingers Miene versteinerte immer mehr. Der Verlobungsring musste ihm wie ein Stück glühender Kohle in der Tasche liegen. Schließlich wandte sich der elegante junge Mann mit jenem nachsichtigen Lächeln, das uralter Adel den gewöhnlichen Sterblichen entgegenbringt, wenn er zeigen will, dass man auch nichts Besseres sei, Aschinger zu.

»Und was machen Sie in Paris? Wollen Sie noch ein Hotel kaufen?«

»Nein, diesmal ist es rein privat.«

»So?«, sagte dieser stirnrunzelnd und warf Sieglinde von Weinberg einen irritierten Blick zu.

»Ich zeige Herrn Aschinger, wie schön Paris ist. Mein Vater hat mich darum gebeten. Sie sind gute Geschäftspartner«, erklärte sie schnell.

Sie hatte einen roten Kopf bekommen, und Fritz Aschinger lief ebenfalls rot an, um dann kreidebleich zu werden. Sie war also seine Touristenführerin.

»Wollen wir nachher nicht an die Bar gehen?«, schlug die Baroness hastig vor, um auf ein anderes Thema überzuleiten.

»Gute Idee!«, stimmte ihr Staufenfels zu.

»Geht nachher ruhig schon mal vor! Wir kommen nach. Dieter und ich haben noch was zu besprechen«, sagte die Gräfin kalt.

Dann sprach man ganz allgemein über die Sehenswürdigkeiten von Paris, wie oft man im Jahr im Ritz wohnte und dass der Bubikopf nicht mehr en vogue war und sich wieder eine fraulichere Note in der Mode abzeichnete. Nach dem Dessert, der Spezialität des Hauses, von dem Aschinger kaum etwas zu sich genommen hatte, unterschrieb er die Rechnung und erhob sich.

»Wir sehen uns nachher an der Bar«, zwitscherte die Baroness und winkte mit den Fingern.

In der Bar drängte sich am Freitagabend tout Paris , aber die Kellner waren wohl informiert, wer Aschinger war, und sie bekamen einen Tisch gleich neben dem Klavierspieler. Die Männer waren meist älter und die Frauen sehr jung. Aber es gab auch ältere Frauen mit zu jungen Begleitern, und ihr Schmuck zeugte davon, dass sie sich die jungen Männer leisten konnten. Aschinger bestellte eine Flasche Whisky und musterte seine Umgebung mit unzufriedenem Gesicht.

»Es ist heiß und stickig hier«, brummte er.

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23 aralık 2023
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9783955521844
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