Kitabı oku: «Der große Aschinger», sayfa 8

Yazı tipi:

»Dafür muss ich auch ganz schön kuschen«, klagte Sebastian. »Jetzt muss ich ihm Tag und Nacht zur Verfügung stehen.« Er erzählte, wo er gerade gewesen war und wie herablassend ihn die Baroness und Aschinger behandelt hatten.

»Aber dafür darfst du in einer Welt leben, die uns Sterblichen verschlossen bleibt.«

»Ich bin nur der Zuschauer ihres Lebens und darf ihnen applaudieren, und sie ziehen mich hinein, wenn es ihnen gerade in den Sinn kommt.«

»Verstehe. Sie leben in einer Welt, in der es für sie selbstverständlich ist, reich zu sein, und in der sich alle ihre Wünsche erfüllen.«

»Ja, sie sind wie die Götter der Griechen, launisch, skrupellos und kindisch. Und sie spielen mit uns wie die Kinder mit Bausteinen.«

»Liest du neuerdings Nietzsche?«, fragte der Onkel lachend und spielte ein paar Takte aus Tristan und Isolde.

»Nee, dazu brauche ich den ollen Wanderer im Engadin nicht.«

»Du wirst also das Zimmer hier aufgeben?«

»Nein, ich würde es gern behalten. Die paar Reichsmark für das Zimmer kann ich mir leisten.«

»Ach ja, ich vergaß, dass du jetzt zu den Großverdienern gehörst.«

»Meine Zimmer bei Fritz Aschinger sind wie die in einem Schloss. So unwirklich. Wer weiß, wie lange es dauert, und er ist meiner über. Hier hätte ich ein Refugium, wo ich mich auch mal zurückziehen kann. Und wenn er mich rausschmeißt, habe ich eine Zuflucht.«

»Du traust deinem Aufstieg noch nicht so ganz, stimmt’s?« Der Onkel hörte auf zu klimpern und sah ihn mit seinem gütigen Uhugesicht verständnisvoll an.

»Es ist wie in einem Traum, und alles geht in einem unheimlichen Tempo. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Alle bei Aschinger grüßen mich achtungsvoll. Manche fürchten mich sogar. Ich bin jemand und bin doch nichts. Ich bin nur das Sprachrohr des Fritz Aschinger. Sein Domestik, eine Puppe, die an seinen Strippen tanzt.«

»Nun übertreib mal nicht! Es ist nur natürlich, dass du Angst hast. Vor ein paar Monaten warst du noch in Schönberg, und deine Zukunft sah düster aus, nun aber bist du der persönliche Sekretär des reichsten Mannes von Berlin. Das kann einen schon durcheinanderbringen.«

»Es kann morgen alles zu Ende sein, wenn er es will.«

»Du musst dich Aschinger unentbehrlich machen. Eines Tages wirst du wissen, was du alles kannst, und dich dann von ihm lösen. Du bist ein Rosenstein, und die sind eigentlich nicht dafür geschaffen, Befehle entgegenzunehmen. Du wirst es schaffen, ich bin mir da ganz sicher.«

Am nächsten Morgen meldete sich Sebastian leicht verschlafen, jedoch pünktlich bei Aschinger. Dieser wirkte verknittert, war aber blendender Laune und sprühte vor Energie.

»Wir haben heute einen hektischen Tag vor uns, Johnny. Wir müssen das Pensum für die nächsten drei, vier Tage schaffen, denn heute Abend fahren wir nach Paris.«

Sebastian sah erstaunt den Chef an. Aschinger sah zwar aus, als sei er durch die Heißmangel gedreht worden, aber seine Augen leuchteten glücklich.

»Sieglinde kommt mit«, fügte Aschinger hinzu. »Wir werden mal ein paar Tage ausspannen.«

Es war also passiert. Die Hessin hatte ihm die Freuden der Liebe gezeigt. Das Arbeitstier, das nur an seine Geschäfte dachte, an die Geldvermehrung, an die Verbesserung des Speiseangebotes, vergaß dies alles und folgte dem Ruf der Sirene nach Paris. Er, der jede Frau in Berlin haben konnte und dennoch auf ihre Avancen bisher nie reagierte, ließ sich in einer einzigen Nacht becircen und umkrempeln. Ein notorischer Junggeselle spielte plötzlich den Lebemann.

»Ich habe meinen Schneider ins Kontor bestellt. Er wird mit dir nachher Frack und Anzüge anprobieren. Bei deiner Figur brauchst du ja keine Maßanzüge. Schließlich wollen wir uns unter tout Paris nicht blamieren. Die Franzosen blicken ohnehin auf uns Deutsche ein wenig hochnäsig herab.«

»Ich soll mit nach Paris?«, staunte Sebastian.

»Natürlich, was dachtest du denn? Kannst du ein bisschen Französisch?«

»Nein«, gab Sebastian zu.

»Na, das macht nichts. Wir steigen im Ritz ab, da kommt man auch mit Deutsch und Englisch zurecht.«

Dann wurde es turbulent. Die Post wurde diesmal im Eiltempo durchgegangen, und eine Sitzung jagte die andere. Der übliche Mittagstisch wurde durch ein mit Buletten belegtes Brötchen ersetzt. Am Nachmittag kam Harry Damrow zu ihm.

»Ich habe ein Anliegen«, begann er vorsichtig.

»Es tut mir leid, wir haben heute wenig Zeit.«

»Bitte, wirf nur einen Blick darauf! Ich halte die Idee für knorke, aber Herr Aschinger hat sie im Frühjahr verworfen. Er hielt sie für zu unseriös und albern. Aber sie ist emotional, lustig und kann zu einem Begriff werden.«

Nun war Sebastian doch neugierig geworden. Außerdem mochte er Harry Damrow, der ganz in seinem Beruf aufging und oft gute Einfälle hatte. »Na, dann zeig mal her!«, forderte er ihn auf.

Harry Damrow öffnete die Mappe und legte die Entwürfe auf den Tisch. Sie zeigten eine Straßenbahn ohne Fahrer, ein Fußballtor ohne Torwart, ein Taxi ohne Chauffeur, eine Braut ohne Bräutigam, immer mit der Unterschrift: Wo ist Otto? Unter der mit ein paar Strichen hingeworfenen Zeichnung stand: Er isst bei Aschinger.

Sebastian dachte an das, was er gelernt hatte, an die Maxime der unablässigen Wiederkehr des Gleichen, an das Gesetz der Vertrautheit durch ständige und doch nuancierte Wiederholung, und nickte. »Das ist eine gute Idee«, lobte er. »Die Zeichnungen müssen sich immer ähnlich sehen, und die Leute müssen süchtig darauf warten, wo Otto nun wieder nicht am Platz ist. Ich werde mit Herrn Aschinger reden. Bereite eine große Kampagne vor, und beleg in den nächsten Tagen alle Berliner Zeitungen! Wir trommeln jeden Tag und in der ersten Woche dreimal täglich in jeder Zeitung. Wenn wir die Botschaft in der Bevölkerung durchhaben, reicht eine Anzeige pro Tag. Mach Sie zweispaltig, fünf Zentimeter hoch mit etwas Freiraum drumherum.«

»Knorke, ich wusste doch, dass es dir gefallen wird!«, freute sich Damrow. Besorgt setzte er hinzu: »Aber es wird viel Geld kosten.«

»Das weiß ich doch. Ich berede das mit Herrn Aschinger. Wir fahren heute Abend nach Paris. Lass mir die Entwürfe hier, dann nehme ich sie mit und rufe dich aus Paris an. Ich werde ihm schon klarmachen, dass dies eine großartige Idee ist.«

»Aber er hat es damals kategorisch abgelehnt.«

»Wir kriegen das schon hin. Wie bist du nur darauf gekommen?«

»Ich war im Kranzler, als neben mir ein Mädchen ihre Begleiterin fragte: Wo ist Otto?, worauf diese sagte, der sei sicher noch beim Aschinger und frühstücke. Da habe ich gedacht, das ist es: Wo ist Otto? Er isst bei Aschinger.«

»Die besten Sachen sind immer ganz einfach.« Sebastian schickte einen glücklichen Menschen hinaus. Er musste sich noch einen neuen Koffer besorgen, denn sein alter war gar zu schäbig, und die neuen Anzüge passten nun wirklich nicht zu dem Pappkoffer aus Schönberg. Da er das Kontor nicht verlassen konnte, schilderte er Elly Proske sein Problem. Diese, eine mütterlich aussehende Mittvierzigerin, die ihn wegen seines Eifers, seiner Höflichkeit und zurückhaltenden Art ins Herz geschlossen hatte, nickte nur.

»Da machen Sie sich keine Sorgen! Ich rufe bei Wertheim an. Man wird Ihnen unverzüglich einen guten Koffer bringen. Wenn Sie mit Herrn Aschinger verreisen, sollte es schon ein Lederkoffer sein.«

»Wie dem auch sei, Sie werden schon das Richtige besorgen.«

»Mach ich, Johnny! Übrigens, bei der Gelegenheit, Sie sollten zu meinen Mädchen im Sekretariat strenger sein.«

»Warum?«, fragte er verblüfft.

»Haben Sie nicht bemerkt, dass alle meine Stenotypistinnen bis über beide Ohren in Sie verknallt sind?«

»Nein«, staunte Sebastian, »ich bin doch nur höflich zu ihnen. Ich bin ja auch nur ein Angestellter.«

»Das sind Sie eben nicht nur. Zudem sind Sie jung und sehen gut aus, da fiebern die doch regelrecht nach einem Wort und einem Lächeln von Ihnen. Sie müssen Abstand wahren, das sind Sie Ihrer Position schuldig. Sie sind für die Mädchen ein Chef, und das müssen die spüren, sonst machen sie sich nur Gedanken, wie es ihnen gelingen könnte, einen solchen Goldfisch einzufangen. Das bringt mir die ganze Abteilung durcheinander.«

»Ich werde mich bemühen, etwas griesgrämiger zu sein und nicht mehr mit ihnen zu lachen«, erwiderte Sebastian und lachte doch, und die Proske stimmte mit ein.

»Es ist sicher alles sehr neu für Sie, nicht wahr?«, fragte sie mitfühlend.

»Ja, manchmal ist es sehr verwirrend. Und jetzt fahre ich ins Ausland, dabei kannte ich vor kurzem nicht einmal Berlin.«

»Sie haben einen guten Einfluss auf den Chef. Er ist nicht mehr so nervös, seit Sie hier sind. Machen Sie weiter so!«, sagte die Proske, zwinkerte ihm zu und ging hinaus.

Am Abend stand er mit dem neuen Koffer wie verabredet am Anhalter Bahnhof. Er hatte sich einen der neuen Anzüge angezogen und fühlte sich so vornehm wie die Reisenden, die mit ihm auf dem Bahnsteig standen, und er merkte, dass ihn manch nachdenklicher Blick traf. Fritz Aschinger war noch nicht da, also ging er zum Bahnhofskiosk und kaufte sich eine Zeitung. In großen Lettern verkündete sie die gewaltigen Zugewinne der Nationalsozialisten bei den Herbstwahlen. Wann wird Hitler Reichskanzler?, fragte die Schlagzeile. Es geht nicht mehr ums Ob, sondern nur noch um das Wann, dachte Sebastian entsetzt. Wenn er weiterhin so Stimmen dazugewinnt, wird dieser unselige Mensch tatsächlich noch Reichskanzler. Er sah nun Fritz Aschinger mit einem Gepäckträger und Toni, dem Chauffeur, herankommen. Neben ihnen trippelte Sieglinde von Weinberg und schwenkte ihre Handtasche.

»Gut siehst du aus, Johnny! Was dir fehlt, ist ein Mantel. Man geht nicht ohne Mantel auf Reisen. Wir werden dir in Paris einen kaufen«, rief Aschinger mit unternehmungslustig blitzenden Augen.

»Ich werde ihm ein paar Krawatten aussuchen. Die mit den Blumen sieht gar zu scheußlich aus. Aber sonst sieht er aus wie ein richtiger Herr«, fügte die Baroness hinzu und warf ihm einen koketten Blick zu.

Nun fuhr der Zug ein, und der Geräuschpegel verstärkte sich. Es kam Bewegung in die wartende Menge. Rauchwolken hüllten sie ein. Der Lautsprecher schepperte. Erregt drängte alles zu den Abteilen. Züge hatten Sebastian schon immer fasziniert, und auch er ließ sich von der Aufregung anstecken. Schon bald würde er in Paris sein, das er nur aus den Büchern von Balzac und Zola kannte. Der Gepäckträger und Toni gingen ihnen mit den Koffern voran. Die Proske hatte Schlafwagenabteile für sie gebucht. Aschinger winkte dem Schaffner, gab diesem ein großzügiges Trinkgeld und bat darum, dass sie nicht gestört wurden und ein Tisch im Speisewagen für sie bereitstand. Das Trinkgeld musste sehr reichlich ausgefallen sein, nach den Verbeugungen des Schaffners zu urteilen. Nachdem der Gepäckträger und der Chauffeur die Koffer verstaut hatten, machten sie es sich im Abteil gemütlich.

Aschinger zog sein Jackett aus, was ihn alles andere als attraktiv aussehen ließ, denn mit den Hosenträgern und dem nun sichtbaren Hängebauch wirkte er nicht gerade wie ein Adonis. Sebastian bemerkte den leicht pikierten Blick der Baroness.

»Nun, Sieglindchen, noch eine Nacht, und morgen früh sind wir in Paris. Du hattest ja recht, man muss auch einmal ausspannen. Dafür, dass du mich aus dem Trott gerissen hast, bin ich dir dankbar. Ich werde mich mit einer tollen Idee revanchieren.«

»Was für eine Idee?«, fragte Sieglinde von Weinberg beunruhigt, und ihre Augenbraue hob sich.

»Lass dich überraschen!«

»Ich mag keine Überraschungen!«, schmollte sie.

Der Zug fuhr an, und Sebastian konnte es nicht fassen. Er würde die Stadt von König Heinrich sehen, der den Franzosen versprach, dass sie jeden Sonntag ein Hühnchen im Topf hätten. Er würde die Stadt Rastignacs kennenlernen. Wie schön und wundersam war doch das Leben!

Kapitel 8

Der Zug nahm Fahrt auf und rauschte, an endlosen Mietskasernen vorbei, aus Berlin heraus. Sebastian nahm seine Zeitung und faltete sie auseinander.

Aschinger merkte auf. »An Hitler führt wohl kein Weg mehr vorbei«, brummte er, als er die Schlagzeile sah.

»Mein Vater hält nicht viel von diesem Schreihals«, gab Sieglinde von Weinberg kund und schaute um sich, als habe sie ein allgemeingültiges Urteil abgegeben, das alle zu teilen hatten.

»Na ja, immerhin würde er uns die Kommunisten vom Hals schaffen«, erwiderte Fritz Aschinger nachdenklich, holte ein Zigarrenetui hervor und steckte sich eine Havanna an. »Aber er ist natürlich ein Prolet«, dozierte er weiter, dabei das Streichholz auswedelnd, »ein Mensch aus der Gosse.«

»Mein Vater sagt, dass er uns alle ins Unheil stürzen würde«, verstärkte die Baroness ihr Urteil.

»Ach, die Reichswehr wird uns wohl vor dem größten Unglück bewahren. Da mache ich mir keine Sorgen.«

»Mich widern die Kerle an. Alle um diesen Hitler sehen aus wie Gangster. Die gleichen brutalen Gesichter wie in einem amerikanischen Gangsterfilm. Wenn ich nur an diesen Röhm denke oder an den Giftzwerg Goebbels …« Sie schüttelte sich, was sie Sebastian nun fast sympathisch machte. »Es sind keine Herren, es ist ein Pack aus den Hinterhöfen«, sagte sie bestimmt.

»Ach Sieglindchen, natürlich sind sie etwas vulgär, in der Politik ist für Gentlemen nun mal kein Platz. Aber Hitler will den Versailler Vertrag aufkündigen, der uns Deutschen noch bis in die achtziger Jahre dieses Jahrhunderts Reparationen auferlegt, und er will die Arbeitslosigkeit beseitigen. Manches, was er vorhat, ist gar nicht so schlecht.«

»Dafür ist anderes sehr schlecht«, trotzte Sieglinde von Weinberg.

»Was ist mit uns Juden? Für ihn sind wir doch nur Bazillen.«

»Man darf das alles nicht so ernst nehmen, meine Liebe«, versuchte Aschinger sie zu beruhigen. »Wenn er erst einmal in der Verantwortung ist, wird sich das schnell geben. Die Anforderungen und die Würde des Amtes werden ihn recht bald zähmen. Das Gegeifer über die Juden ist doch nur Propaganda. Ich jedenfalls komme gut mit den Juden zurecht.« Er blinzelte ihr zu und lachte gönnerhaft.

Aber die Baroness war mit seinen Beschwichtigungen nicht zufrieden. Verärgert sah sie aus dem Fenster. Aschinger bemerkte nicht einmal, dass seine Flamme mit ihm unzufrieden war und sein gönnerhaftes Benehmen dazu beigetragen hatte. Um beide auf ein anderes Thema zu bringen, zog Sebastian die Entwürfe aus der Aktentasche, die ihm Harry Damrow überlassen hatte.

»Diese Vorschläge hat mir Harry gezeigt. Ich finde sie verdammt gut, geradezu phänomenal.«

Fritz Aschinger warf ihm einen verärgerten Blick zu, beugte sich vor und begutachtete die Entwürfe. »Ach das! Die hat er mir auch schon versucht anzudrehen. Ist doch lächerlich, das Ganze! Wo ist Otto? – Er isst bei Aschinger. Das ist doch Stammtischniveau! Er soll stattdessen lieber unser Essen ausloben, die günstigen Frühstückspreise sowie unser Geflügelangebot.«

»Das tun wir ja auch. Aber es geht doch darum, den Leuten einzuhämmern, dass alle Leute selbstverständlich bei Aschinger essen – egal, ob es nun ein Schornsteinfeger ist, ein Siemens-Arbeiter oder eine Angestellte bei Wertheim.«

»Ich mag das Zeug nicht!«, sagte er unwillig und schob die Entwürfe zurück.

»Sie werden morgen und die ganze Woche in allen Tageszeitungen erscheinen. Ich habe die Entwürfe freigegeben und Anzeigen bei allen Berliner Zeitungen für die nächsten Wochen gebucht«, antwortete Sebastian.

»Du hast was ?«, fragte Aschinger und nahm die Zigarre aus dem Mund.

»Ich bin doch, wie Sie sagen, für die Werbung zuständig«, erwiderte Sebastian mit bleichem Gesicht. Er wusste, dass nun ein Gewitter auf ihn zukam. Immerhin hatte er Anzeigenraum für Tausende von Reichsmark gebucht. Was, wenn ihn Aschinger nun feuerte? Aber die Idee war doch gut. Man muss für das eintreten, von dem man überzeugt war. »Ich glaube, die Anzeigen werden das Tagesgespräch von Berlin und unsere Frage Wo ist Otto? – Er isst bei Aschinger! wird zum geflügelten Wort werden.«

»Mach das sofort rückgängig! Verdammt noch mal, bei Dingen, die ich schon einmal abgelehnt habe, hättest du natürlich erst einmal bei mir rückfragen müssen! Na gut, sicher hat dir dieser Damrow nicht gesagt, dass ich es schon einmal abgelehnt habe. Wenn wir zurück sind, wird der Kerl gefeuert.«

Sebastian empfand dies wie einen Schlag. Er durfte Harry nicht im Stich lassen. Wenn Harry Damrow auch eher ein Arbeitskollege denn ein Freund war, so fühlte er sich ihm doch verbunden und bewunderte ihn für seinen Enthusiasmus und Einfallsreichtum. »Er hat mich durchaus gewarnt«, gestand Sebastian schluckend. »Er hat mich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Sie die Kampagne nicht wollten. Aber ich finde sie richtig, und Sie haben mir die Verantwortung für die Werbung übertragen. Harry geht davon aus, dass ich Sie doch noch überzeuge. Ihn trifft keine Schuld.«

»Was? Und du hast trotzdem …« Aschinger starrte ihn mit hochrotem Kopf wütend an. Vielleicht hätte er Sebastians Eigenmächtigkeit nicht so ernst genommen, aber im Beisein der Baroness empfand er es als einen Verstoß gegen seine Autorität.

»Sie haben doch immer Eigeninitiative verlangt«, wehrte sich Sebastian, obwohl er wusste, dass ihm dieses Argument nicht viel helfen würde.

»Zeigen Sie mal!«, sagte die Baroness und nahm Sebastian die Entwürfe aus der Hand.

Sebastian erklärte ihr unter Aschingers bösen Blicken, wie die Anzeigen aussehen würden.

Die Baroness lachte. »Also, Fritz, ich finde das hervorragend. Das ist doch etwas anderes, als dauernd den Billigheimer zu spielen. Es ist witzig, intelligent und einprägsam. Sei froh, dass Sebastian das erkannt hat! Es ist doch toll, dass du Mitarbeiter hast, die Eigeninitiative beweisen! Du solltest ihm dankbar sein.«

»Glaubst du wirklich?«, brummte Aschinger und nahm ihr die Entwürfe aus der Hand und starrte diese an, als würde er sie zum ersten Mal sehen. »Nun, vielleicht bin ich tatsächlich zu sehr von meinem Geschmack ausgegangen, und solch ein Zeug ist wirklich richtig für die Massen.«

»Ganz bestimmt! Du lebst schließlich nicht in der Welt der einfachen Leute.«

»Aber du!«, gab er feixend zurück.

»Nein, aber ich weiß, was meine Zofe liest. Es ist entweder furchtbar kitschig oder aber witzig.«

»Na gut, Johnny, starte das Ding durch! Wenn wir es in den Bierquellen am Umsatz merken, nehme ich alles zurück, und ihr bekommt eine Prämie. Aber zukünftig merk dir, wenn ich einmal etwas beschlossen habe und du solltest anderer Meinung sein, dann frag gefälligst erst! Dann sehen wir, ob mich deine Argumente überzeugen.«

Sebastian nickte eifrig. Der Sturm war noch einmal an ihm vorbeigegangen, aber es war diesmal knapp gewesen.

Sie gingen in den Speisewagen. Der Ober schien Aschinger erkannt zu haben und kümmerte sich trotz der verärgerten Blicke der anderen Gäste sofort mit vielen Bücklingen um ihn. Aschinger bestellte Gänsekeule mit Kartoffelpüree und Rotkraut sowie einen kräftigen Rotwein. Die Baroness entschied sich für Fisch in Weißweinsoße. Sebastian wählte eine Bockwurst mit Kartoffelsalat. Ihm war die Aufregung auf den Magen geschlagen.

»Guten Appetit, Herr Aschinger!«, sagte der Kellner laut.

Die übrigen Gäste im Speisewagen merkten auf und warfen ihnen daraufhin die ganze Zeit verstohlene Blicke zu.

»Es schmeckt scheußlich!«, sagte Aschinger nach mehreren Bissen und warf das Besteck verärgert auf den Tisch. »Johnny, notiere einmal, dass wir uns, wenn wir aus Paris zurück sind, mit dem Generaldirektor der Reichsbahn treffen und ihm ein Angebot unterbreiten, dass Aschinger zukünftig die Reichsbahn beliefert. So etwas kann man doch nicht den Leuten in der ersten Klasse vorsetzen!«

Sebastian hatte sich angewöhnt, ständig ein kleines Notizbuch bei sich zu haben, um die Anweisungen seines Chefs, die täglich auf ihn einprasselten, nicht zu vergessen.

»Rede auch mit Teichmann! Er soll ein Angebot ausarbeiten, wie wir der Reichsbahn exzellentes Essen zu einem günstigen Preis anbieten können.« Aschinger war nun sehr zufrieden mit sich, hatte er doch vor den Augen seiner Angebeteten bewiesen, dass er die Zügel in der Hand halte.

»Du denkst wohl nur an die Arbeit?«, hauchte Sieglinde von Weinberg.

Aschinger schnurrte wie ein satter Kater und sagte selbstgefällig: »Ja, man muss immer auf dem Quivive sein, wie die Juden sagen. Die Welt steckt voller Möglichkeiten. Und, Johnny, notiere doch, dass wir uns mal mit den Nazigrößen in Verbindung setzen. Die können doch ihre Veranstaltungen auch bei uns im Haus Rheingold abhalten. Bei deren Durst wird das unseren Bierumsatz ganz schön in die Höhe treiben. Teichmann kennt doch den Goebbels. Er soll sich mal mit dem Herrn Gauleiter von Berlin zusammensetzen.«

»Ist schon notiert, Herr Aschinger.«

»Sehr schön! Unsere Fahrt nach Paris hat sich vielleicht auch schon geschäftlich gelohnt.« Er rieb sich die Hände.

»Pfui, vorhin fandest du die Nazis noch vulgär!«, maulte die Weinberg.

»Man kann sich im Geschäftsleben eben nicht immer seine Partner aussuchen. Man muss jede Möglichkeit nutzen. Deswegen trete ich noch lange nicht in die Partei ein.«

»Denkst du nur ans Geld?«, fragte sie missmutig.

»Das fragt mich eine Bankierstochter?«

»Mein Vater ist auch ein Zahlenmensch, aber mit diesen Leuten würde er niemals Geschäfte machen. Niemals!«

Aschinger lief rot an und ergriff ihre Hand. »Na gut, wenn es dir so viel bedeutet, verzichte ich auf das Geschäft mit den Nazis. Johnny, streich die Idee! Sollen die Nazis doch woanders schlechtes Bier trinken! Zufrieden, Sieglindchen?«

»Du bist ein Schatz. Danke dir!«

»Na, siehst du! Alles wieder gut?«

»Natürlich, Fritzchen!«

Johnny verfolgte dies mit offenem Mund. Er hatte noch nie erlebt, dass Aschinger auf ein sicheres Geschäft verzichtete. Sebastian schloss daraus, dass es Aschinger mit dieser Frau ernst war, und er machte sich Sorgen um ihn. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es mit dieser kapriziösen Frau und dem nüchternen Fritz Aschinger lange gutgehen würde.

Sie gingen in den Schlafwagen zurück, wo für jeden ein Abteil reserviert war.

»Geh schlafen, Johnny, wir sehen uns morgen früh. Du bist sicher müde.«

Aschinger schickte ihn mit einem freundlichen Klaps auf die Schulter in sein Abteil. Sebastian dachte über die vergangenen Stunden nach. Er mochte Fräulein Weinberg nicht. Sie war leichtsinnig und oberflächlich und glaubte, etwas Besonderes zu sein. Aber sowohl hinsichtlich der Nazis als auch der Werbekampagne hatte sie sich anständig verhalten. In Paris angekommen, würde er Harry Damrow anrufen und ihm mitteilen, dass Aschinger sein Einverständnis gegeben hatte. Der Zug jagte durch die Dunkelheit einem Ziel entgegen, das er nur aus Büchern kannte, ein Traumgebilde, das er so prächtig wähnte wie das alte Rom. Eingelullt von dem Schaukeln des Waggons schlief er ein und verschlief fast die Zeit. Er wusch sich nur kurz, rasierte sich, und als er an Aschingers Abteil klopfte, rief dieser: »Geh schon mal vor! Wir kommen in den Speisewagen nach.« Es scheint eine gute Nacht gewesen zu sein, nach seiner Stimme zu urteilen, dachte Sebastian belustigt. Er bestellte sich ein Omelett und eine große Tasse Kaffee und sah aus dem Fenster. Draußen flog eine flache Landschaft unter einem wolkenverhangenen Himmel vorbei. Sie waren bereits in Frankreich. Nicht viel anders als in Deutschland, dachte er enttäuscht. Er hatte Hügel erwartet mit prächtigen Schlössern darauf und vor ihnen grüne Wiesen, auf denen sich weiße Pferde tummelten. Fritz Aschinger und die Baroness kamen in den Speisewagen. Sieglinde von Weinberg nestelte an ihrem Haar und warf Sebastian einen herausfordernden Blick zu, als sie sich setzte. Er sah schnell zur Seite. Beide wirkten übernächtigt. »Könnte auch die Mark Brandenburg sein«, sagte Sebastian unzufrieden, nachdem er sie beide begrüßt hatte, und wies aus dem Fenster.

»Das ist die Champagne. Vor Paris, in der Île de France, wird die Landschaft lieblicher«, erklärte die Baroness.

»Wird hier der berühmte Champagner …«

»Sag mal, Johnny, hast du in der Schule ständig geschlafen?«, brummte Aschinger.

»Ja«, gab Sebastian zu, »ich war ein hoffnungsloser Fall. Bestimmt hatte ich gerade von d’Artagnan und Lady Winter geträumt.«

»Und so jemanden mache ich zum Sekretär!«, erwiderte Aschinger in gespielter Verzweiflung. Das Frühstück wurde gebracht, und Aschinger hatte daran einmal mehr etwas herumzumäkeln. Die Brötchen seien nicht frisch, die Wurst von zweifelhafter Qualität, und der Käse gehöre in den Abfall. »Es wird Zeit, dass wir den Laden übernehmen, Johnny!«

»Jetzt fangt nicht wieder an, von Geschäften zu reden! Es ist ja nicht zum Aushalten mit euch!«, schritt die Baroness ein.

Fritz Aschinger hob abwehrend die Arme. »Ist schon gut, Sieglindchen! Kein Wort mehr von der Arbeit, versprochen!«

Die Landschaft wurde hügeliger. Die Wolkendecke riss auf, und nun sah Sebastian zwar noch keine Schlösser, aber eine Landschaft, die den Zauber ausströmte, der mit seinen Tagträumen übereinstimmte. »Wunderschön!«, sagte er mit belegter Stimme. »Mir ist, als wäre ich schon hier gewesen, als wäre ich hier mit den Königen geritten oder hinter Napoleon mit der Grande Armée nach Preußen gezogen.«

»Hört euch das an!«, sagte Aschinger und blickte zur Decke. »Solch einen Spinner habe ich um mich!«

»Er ist ein romantischer Mensch«, verteidigte ihn die Baroness.

»Ihr ergänzt euch gut: Während du zu viel an Zahlen denkst, denkt er an Menuette, Degenkämpfe und die Prinzessin, die es auf einem weißen Pferd zu entführen gilt.«

Sebastian bekam einen roten Kopf. Hoffentlich trägt sie nicht noch dicker auf, sonst wird Aschinger noch eifersüchtig, dachte Sebastian.

Dann fuhren sie in Paris ein. Zuerst sah es nicht anders aus als in Berlin. Mietskasernen, baufällige Fabriken, schmutzige Hinterhöfe. Nur die Aufschriften an den Wänden – Dubonnet oder Châteauneuf du Pape – verrieten, dass man in Frankreich war. Am Bahnhof Gare de l’Est war Endstation. Auf dem Bahnsteig wurden sie bereits von dem Hotelpersonal erwartet, das das Gepäck übernahm. Der Geruch auf dem Bahnsteig war anders als in Berlin. Es roch nach verbranntem Gummi, nach Ruß, nach scharf geröstetem Kaffee, Knoblauch und schwarzen Zigaretten. Sie gingen, die Kofferträger als Vorhut, durch die drängenden Menschen hinaus auf den Vorplatz, wo auf der anderen Straßenseite die Bistros wie eine Perlenkette um den Bahnhof lagen. Die Sonne war herausgekommen und kündigte einen schönen Herbsttag an.

»Herrlich, wieder in Paris zu sein!«, rief die Baroness und wirkte nun nicht mehr müde und überanstrengt, sondern sah so frisch aus, wie es dem Morgen entsprach.

Sie stiegen in den riesigen Kraftwagen, den das Hotel geschickt hatte, und die Baroness sagte etwas auf Französisch zum Chauffeur. Dieser nickte eifrig.

»Ich habe ihm gesagt, dass er eine Runde um den Place de la Concorde machen und dann zurück am Palais Royal vorbei zur Opéra fahren soll«, erklärte sie. »Das ist zwar ein kleiner Umweg, aber jedes Mal, wenn ich in Paris bin, muss ich diese Runde drehen.«

Auf der Place de la Concorde sprangen die Fontänen. Die Champs Élysées mit dem fernen Arc de Triomphe sah aus wie eine Straße zum Himmel. Sie fuhren über die Rue de Rivoli am Hotel Regina mit der goldenen Jeanne d’Arc vorbei, ließen rechts das Palais Royal zurück, um dann auf die Oper zuzufahren, deren Engel glanzvoll von dem Zeitalter des letzten Kaisers kündete.

Sebastian starrte fasziniert auf die drängenden Menschenmassen auf den Bürgersteigen, auf die um sie herumwuselnden Automobile. Er war von Berlin, vom Potsdamer Platz mittlerweile Verkehr gewohnt, aber dort war bei allem Durcheinander doch eine gewisse Ordnung. Hier aber drängten sich die Wagen chaotisch durch die Straßen. Niemand hielt sich an die Verkehrsregeln, die durch die Hupen ersetzt wurden – und doch lief alles glimpflich ab. Er wusste nicht, wohin er zuerst sehen sollte. Paris schien hier in der Mitte der Stadt nur aus Palästen zu bestehen, die dem Aschinger-Palais nicht nachstanden.

Dann fuhren sie auf einen Platz, auf dem eine große Säule stand. Der Platz wurde von Häusern umsäumt, die allesamt wie die Wohnstatt von Königen aussahen.

»Der Place Vendôme«, sagte die Baroness seufzend. »Die Säule dort ist aus den erbeuteten Kanonen von Austerlitz gegossen worden. Der Cäsar dort oben soll Napoleon darstellen. Und das hier vor uns, Johnny, ist das berühmte Ritz, das beste Hotel der Welt!«

Aschinger brummte missvergnügt. Der Wagen hielt vor dem Hotel. Der Portier eilte herbei und riss die Wagentür auf.

»Willkommen im Ritz, Herr Aschinger!«, begrüßte er sie auf Deutsch. Es hatte sich bis nach Paris herumgesprochen, dass Aschinger der deutsche Ritz war. Sie brauchten nicht an die Rezeption zu gehen, der Geschäftsführer, der Aschinger gut kannte, empfing sie persönlich.

»Schön, Fritz, dich wieder einmal bei uns zu haben! Diesmal bist du früher dran als sonst.«

»Ja, diesmal wollen wir uns in Paris ein wenig amüsieren.«

»Großartig! Ob du ins Moulin Rouge oder in die Opéra willst, wir werden dafür sorgen, dass du die besten Plätze erhältst.«

»Darf ich dir meine Begleiterin, die Baroness von Weinberg, vorstellen?«, sagte Aschinger mit sichtlichem Stolz.

Der Geschäftsführer, ein schmaler, kleingewachsener Mann mit einem Menjoubärtchen, verbeugte sich zu einem Handkuss. »Madame, wir werden uns bemühen, Ihnen jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Die Freunde von Herrn Aschinger sind auch unsere Freunde. Sie werden sehen, dass wir es zu würdigen wissen, den König von Berlin und seine Begleitung bei uns zu haben«, sprudelte er, sichtbar angetan von der Baroness.

»Schon gut, mon ami «, sagte Aschinger und klopfte ihm auf den Rücken. »Heute Abend essen wir im Hotel. Für morgen Abend bestell bitte einen Tisch im Le grand Vefour. Dann sehen wir weiter.«

Sebastian wurde von Aschinger nicht vorgestellt. Er gehörte zu den Domestiken.

Türler ve etiketler
Yaş sınırı:
0+
Litres'teki yayın tarihi:
23 aralık 2023
Hacim:
730 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9783955521844
Yayıncı:
Telif hakkı:
Автор
İndirme biçimi:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

Bu kitabı okuyanlar şunları da okudu