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Kitabı oku: «Das Wunderjahr (1566)», sayfa 10

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Verzweifelnd, rathlos, wie er den Priester retten könne, beugte Lodewyk sich über ihn und deckte ihn mit seinem – eignen Leibe. Unaufhörlich flogen Steine gegen ihn und preßten ihm manchen Schmerzensruf aus. In dieser Stellung möchte er noch lange verharrt haben: doch ein Theil des Gesindels stellte sich an eine andere Seite und warf, so daß sie öfters den Priester trafen. Dieser, aus seiner Ohnmacht erwachend, suchte Lodewyk mit Gewalt von sich zu entfernen:

»Laßt mich sterben,« sprach er, »laßt mich zum Märtyrer werden – stellt Euch nicht länger bloß um meinetwillen . . . Ich will für Euch beten dort im Himmel. – Kommt mein tapferer, biederer Sohn, gebt mir den Abschiedskuß . . . «

Lodewyk antwortete nicht; er merkte nur auf die fliegenden Steine; seine einzige Sorge war, mit seinen Armen und Schultern den Leib des Priesters wie mit einem Schilde zu beschirmen. Doch endlich mehrte sich die Zahl der Gegner so, daß Lodewyk den Priester nicht mehr frei machen konnte. Er warf seine beiden Arme um Pater Franciscus Hals und drückte sich fest an dessen Brust:

»Hier ist der Kuß, den Ihr verlangt habt, Vater,« rief er aus, »aber es ist kein Abschiedskuß . . . Nein, laßt uns zusammen für unsern Gott in den Tod gehen . . . O, auch ich werde zum Märtyrer werden . . . wie schön ist diese Gewißheit . . . ! «

Seine Stimme sank und er barg sein Haupt an Pater Franciscus Busen.

Er schien entschlossen, in dieser Stellung den Tod zu erwarten; doch ein schwerer Stein, der an Pater Franciscus Leibe anprallte, entriß seiner Brust einen lauten Schrei. Lodewyk raffte sich auf, sprang entsetzt vor, und schaute, unter einem Hagel von Steinen, in die Straßen hinunter, ob denn keine Hilfe zu finden sei. Plötzlich sah er von ferne in der Thorstraße einige Gestalten, die ihm bekannt waren, herbeikommen . . .

Ein Zug der Freude flog über sein Gesicht, und mit fast übermenschlicher Stimme schrie er:

»Wolfangh, Wolfangh!«

Und bedeckte den Priester wieder mit seinem Leibe.

Bei dem Namen Wolfangh schienen die Steine in den Händen der Werfer wie gebannt; sie starrten sich fragend an und schauten umher, ob sie wirklich den Mann erblicken sollten, der den allgefürchteten Namen Wolfangh trug.

Alsbald kamen etwa zehn Männer aus Lodewyk zu: es waren seine Freunde, die er beim Rathhause verlassen hatte.

»Wolfangh! Schuermans!« rief Lodewyk und trat von Pater Franciscus weg, »seht, so behandeln sie den Besten aller Menschen . . . einen siebzigjährigen Priester!«

»Ha! « rief Wolfangh entsetzt, »es gibt bösere Menschen, als mich! Das Blut der Mörder soll fließen!«

Er warf einen mitleidigen Blick ans Pater Franciscus, maaß mit dem Auge die, so ihn mißhandelt hatten; er ergriff mit jeder Hand einen Dolch, senkte das Haupt zwischen die Schultern . . . aus seiner Brust dröhnten Laute wie aus der Kehle eines wilden Stieres . . . Und einem Sturmbocke gleich, stürzte er vorwärts . . .

Noch ehe Schuermans und die Anderen ihm folgen konnten, lag schon mancher Bösewicht in seinem Blute zappelnd da, und nach einigen Augenblicken war in allen angrenzenden Straßen kein Mensch mehr zu sehen: bloß in der Ferne hörte man das Geschrei: Wolfangh! Wolfangh! als Schreckensruf erschallen.

Drauf kehrte Wolfangh zurück zu Pater Franciscus mit tiefem Grimme betrachtete er das edle Antlitz des Priesters, wie es vor Schmutz und Blut unkenntlich geworden den war; nachdem er eine Weile wie betäubt dieses Schauspiel angestarrt, verließ er Lodewyk und seine Freunde – und eilte auf das Thor des gegenüberstehenden Hauses zu. Trotz Klopfens und Rufens wurde es nicht aufgethan.

Wolfangh entbrannte in Wuth; vor Ungeduld drehte er den eisernen Thortlöppel krumm; sein unzähmbarer Sinn übermannte ihn da plötzlich: alsbald stand er vor der Thüre mit einem steinernen Thürpfosten, den er von dem abgebrochenen Hause geholt hatte. »Schloß und Riegel sprangen ab. Die Thüre fiel krachend auf den Boden.

Bald kam Wolfangh aus dem Hause zurück gerannt: in einer Hand hielt er ein Becken mit Wasser und in der andern einige leinene Tücher. Er kniete nebenden Priester hin, wusch sein Haupt und Angesicht und verband seine Wunde mit so viel Geschick, wie nur ein Arzt es gekonnt hätte.

Jetzt konnte man wahrnehmen, welche schreckliche Veränderung mit Pater Franciscus vorgegangen war. Der Blutverlust hatte alle seine Kraft verzehrt, sein eingefallenes Gesicht war mehr als blaß; es war aschenfarben, gelb und durchscheinend, sein Mund hatte die Farbe, wie die herumliegenden mörderischen Schiefer. Und dennoch leuchtete über seinem Antlitze ein himmlischer Ausdruck der Ergebung in den Willen des Herrn: ein Lächeln, wie das eines Engels.

Lodewyk kniete gleichfalls neben Pater Franciscus und half Wolfangh bei dem Verbinden der Wunde. Auf Lodewyk hielt Pater Franciscus zumeist sein schwindendes Auge gerichtet.

»O Ihr werdet gerettet werden, guter Vater,« sprach der Jüngling zärtlich, »Eure Wunde wird heilen . . . Noch lange werdet Ihr unser Schutzengel seyn können.«

»Lodewyk, mein theuerer Sohn,« seufzte der Priester, »der Herr hat über mich geboten; Er hat mir die Märtyrer-Krone vergönnt. Ich werde sterben . . . Nicht an der Wunde, die Ihr verbindet; sondern der Stein – der letzte – hat meine Brust erdrückt. Ich fühle es in mir; meine Seele kämpft, sich loszureißen; sie trachtet himmelwärts; doch weinet nicht um mich: mein Loos ist schön . . . «

Lodewyk antwortete nicht: nur starre Blicke heftete er aus des Priesters Angesicht.

»Ihr liebt mich also sehr?« sprach Pater Franciscus, und drückte Lodewyk’s Hand.

Diese Worte entlockten strömende Thränen den Augen Lodewyk’s.

»O ja, Ihr liebt mich sehr! « wiederholte der Priester, »Ich werde für Euch beten, Lodewyk.«

Jetzt wurde Pater Franciscus von Wolfangh und Schuermans behutsam aufgehoben, sorglich unterstützt und langsam in die Kaiserstraße geführt, indeß Van Halen und Lodewyks übrige Freunde sich bereit hielten, den ersten Spottenden um’s Leben zu bringen.

Endlich erreichten sie Godmaert’s Haus und wurden durch Therese eingelassen.

X

Gloria in altissimis Deo, et in terra pax hominibus bonae voluntatis.

Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.

Luc. Cap II v. 14.

Godmaert und seine Tochter saßen beisammen im Büchersaal: sie waren in dem Zustande der Unthätigkeit, der Bangigkeit und der Erwartung, wo alle Denkkraft des Menschen auf einen einzigen Punkt gerichtet ist. Seit einer halben Stunde hatten sie nichts gesprochen; es war, als schliefen sie mit offenen Augen. Schon wußten sie, wie alle Tempel beraubt, ausgeplündert und entheiligt waren; wie man die Geistlichen verjagt und mißhandelt hatte. Godmaert weinte im Innersten seines Herzens über den Beistand, den er den Ketzern ehedem geliehen; er dachte mit Schrecken an Pater Franciscus, von dessen Schicksal er nichts wußte.

Nicht minder wurde Gertrud von schmerzlichen Gedanken gefoltert. Seit voriger Nacht hatte sie Lodewyk nicht mehr gesehen. Niemand hatte ihr Kunde von ihm geben können. Pater Franciscus war in ihrem Hause nicht erschienen, er, der sonst bei jedem traurigen oder gefahrdrohenden Ereignisse, ein Schutzengel ihr zur Seite gestanden war! Ihre angstvolle Besorgniß, ihre drückenden Gefühle lösten sich oft in die Seufzerworte auf: Ach! sie sind todt! sie sind todt!

Da kam plötzlich Therese in den Saal gelaufen und rief wie außer sich:

»Da sind sie, da sind sie! Lodewyk mit Pater Franciscus!«

Ein freudiger Ausruf Gertrud’s erwiederte diese Kunde. Die Jungfrau stand mit emporgehobenen Armen auf, sprang voraus nach der Thüre, die sich in demselben Augenblicke öffnete.

Aber als sie Lodewyks schmutzbefleckte Kleidung sah; als sie gewahrte, wie seine Hände von blutigen Rissen, bedeckt waren, und vor Allem, als sie mit erstarrendem Auge den Priester anblickte . . . Da war sie wie von einem Zauberschlage berührt. Bebend blieb sie in der Mitte des Zimmers stehen, stieß einen Schrei des Schmerzes aus, und sank, leblos nieder.

Godmaert drückte sich bei dem erschütternden Anblicks die Hände vor die Augen.

Der Priester war halbtodt; er wurde von Wolfangh und Schuermans mehr getragen und fortgeschleppt, als .gestützt; seine schwachen Beine schleiften am Boden, es fehlte ihnen die Kraft, einen Schritt zu thun. Nur sein Herz war noch nicht gebrochen, sein Geist noch nicht verdunkelt.

Man setzte ihn sorgsam in seinen gepolsterten Armstuhl, in den er schwer und regungslos niedersank.

Gertrud hatte nicht völlig das Bewußtseyn verloren, sie erwachte von selbst und stand auf. Sie behielt allein unter diesen Umständen die Gegenwart des Geistes, deren es bedurfte. Während alle Umstehenden schweigend ihre Blicke auf den Priester richteten, oder in lauten Tönen klagten, rief Gertrud alle Diener des Hauses herbei. Den Einen schickte sie um einen Arzt, den Andern um einen Wundarzt; die übrigen mußten Kissen und Leinenzeug holen oder Wein und stärkende Getränke herbeibringen.

Diese Befehle ertheilte sie bebend und wie vom Fieber ergriffen. Ohne Lodewyk oder sonst Jemand anzusehen, trat sie auf den Priester zu und wollte ihn auf ein gutes Lager bringen lassen, doch er lehnte dieß ab, faßte die Hand der Jungfrau und sprach, indeß ein heiteres Lächeln seine aschfarbenen Wangen erhellte:

»Meine theure Tochter, spart Euch diese Mühe, Euer guter Vater geht zu Gott. Pater Franciscus verläßt diese Welt; doch, warum solltet Ihr trauern über mich – während mich nie gekannte Freudigkeit erfüllt? Ich habe lange gelebt, mein Kind; der Herr hat mich mit Gnaden überhäuft, und jetzt, jetzt erzeigt er mir dem unwürdigen Sterblichen, die höchste Huld – ich darf sterben für seinen heiligen Namen!«

Anders, als man möchte erwartet haben, wirkten diese Worte auf die Jungfrau. Statt in Thränen auszubrechen, verklärte sich ihr Angesichts wie ein Lächeln verbreitete sich ein Zug über ihre Wangen; und wie in himmlischer Anschauung heftete sie die Augen aus den Priester. In den bleichen Gesichtszügen des Mönchs erschien ihr etwas Heiliges, Göttliches; seine Worte, himmlischer Wonne voll, zeigten ihr, daß ein solcher Tod, wem er zu Theile werde, wahrlich ein Glück und eine Gnade von Gott seyn müsse. So mächtig ward sie von diesem Aufschwung ihrer Seele hingerissen, daß jede Trauer aus ihrem Herzen verschwand, und in milde Fassung sich auflöste. Ohne Betrübniß erwiederte sie aufs die Worte des Priesters:

»Ja, ich verstehe Euch, guter Vater. Ja, Ihr dürft sterben! Ihr dürft diese Welt verlassen! Eure Gertrud wird nicht weinen, nicht klagen – denn ein schöneres Daseyn wartet Euer . . . der Himmel thut sich auf, Euch zu empfangen . . . «

In demselben Augenblick trat ein Arzt in das Gemach. Er ging stumm auf den Priester zu, faßte dessen Hand und betrachtete ihn aufmerksam.

Alle Umstehenden erhoben sich aus ihrer Niedergeschlagenheit und näherten sich gleichzeitig dem Arzte; Godmaert selbst ließ den Stuhl, in dem er saß, hin zu dem Leidenden rollen.

Nach einer langen Pause allgemeiner Spannung richtete Lodewyk die Frage an den Arzt:

»Nicht wahr, Doctor Wallensius, es ist noch Hoffnung?«

Der Arzt antwortete nicht; doch als Lodewyk seine Frage bald darauf wiederholte, ließ er die Hand des Priesters sachte niedersinken und sprach in trockenem Tone:

»Noch eine halbe Stunde, zum längstens!«

Diesen Worten folgte eine Todtenstille Godmaert, der nun an Pater Franciscus Seite saß, schlang seinen Arm um den Hals seines leidenden Freundes und barg sein Angesicht an dessen Brust. Unter einer Fluth von Thränen, die ungesehen aus seinen Augen auf des Priesters Gewand flossen, sprach er seufzend:

»O mein Vater, mein Freund, wiederholt mir, daß Ihr mir vergebt, denn das Gewissen bedrängt meine Seele. Ich weiß, ein Theil Eures unschuldig vergossenen Blutes muß auf mich zurückfallen, wofern Euer Gebet es nicht von meinem Haupte wendet. Verzeihet mir! Ich habe die Tempel: meines Gottes verwüsten helfen; ich habe den alten Glauben mit verfolgt, an all der vorgefallenen Entheiligung habe ich ein schrecklich Theil – denn ich habe meine Mitbürger zu den Freveln angefeuert, die Euch das Leben kosten! O verzeiht mir!«

Godmaert schaute in diesem Augenblicke in des Priesters Antlitz: ein Engels-Lächeln strahlte ihm entgegen, ein Ausdruck, so sprechend und mild daß er Pater Franciscus kalte Hand an seine Lippen führte, und einen dankbaren Kuß auf sie drückte.

»O Ihr habt mir vergeben!« rief er entzückt.

Die Augen des Priesters fingen an, zu brechen; man konnte es sehen. Er antwortete Anfangs nicht auf Godmaert’s Klagen; doch dann bot er alle noch übrige Kraft auf, um sein letztes Wort zu sprechen. Er winkte, mit einer leichten Bewegung des Hauptes, Lodewyk und Gertrud herbei, und sprach, als sie neben ihm standen, mit schwacher Stimme:

»Jetzt, meine Kinder – jetzt sterbe ich – ich fühl’s.«

Der Ton dieser Worte ließ keinen Zweifel an ihrer Wahrheit Gertrud sank vor dem Priester auf die Knee und hieß Lodewyk dasselbe thun.

Der Sterbende fuhr fort:

»Godmaert, ja, Ihr habt geirrt—und gesündigt – aber Ihr bereuet es innig. – Im Namen des Gottes . . . dessen Diener ich bin – verzeih’ ich Euch! . . . Trauert nicht, aus Furcht, daß die Feinde unseres Glaubens siegen werden – die Kirche Jesu Christi . . . ist unvertilgbar . . . aus Verfolgung schöpft sie ihren Glanz, – aus Kämpfen – ihre Stärke; . . . Wolfangh, der Abt von St. Bernhards – wird Euch sagen – was Ihr thun müßt . . . Das Klosterleben wird Eure Leidenschaft zähmen; . . . – Ihr werdet Gnade finden vor dem Herrn! . . . Liebste Kinder! Habt Dank für Eure Liebe zu mir. – Wanket nie in Eurer warmen Liebe gegen Gott . . . in Eurer festen Treue gegen den allein selig machenden Glauben . . . Gertrud! Lodewyk! – Ihr werdet vereinigt werden . . . sobald die Kirche – ihr Trauergewand – abgelegt haben wird . . . Vom Himmel herab wird meine Seele über Euren Kindern wachen. Seid glücklich! . . . liebet . . . einander . . . «

Seine Stimme schwand und wurde unverständlich Mit der letzten Anstrengung seiner Lebenskräste erhob er seine Rechte über den Häuptern seiner knieenden Lieben und schien sie betend zu segnen. Bald sank seine Hand kraftlos nieder. Noch einmal hob er seine Augen gen Himmel, und gleich, einem Lichte, das erlöschend noch in hellerem Glanze aufflackert, sprach er, mit klarer Stimme, die schönen, erhabenen Worte:

»Gloria in altissimis Deo . . . et in terra pax hominibus!«