Kitabı oku: «Das Wunderjahr (1566)», sayfa 9
IX
. . . Unwürdige Gemeine,
Welch bittrer Haß verzehrt das Mark Dir der Gebeine,
Wo reißt der Wahn Dich hin? . . .
Joost van Vondel.
Alles war vorbereitet zum Umsturze der Spanischen Herrschaft. Einige unter den Antwerpischen Geusen, meist Edelleute, wollten nur die Ausländer bekämpfen; doch noch eine andere und zahlreichere Partei war unter den unruhigen Schaaren verbreitet. Es war die des Hasses, den Viele gegen die Kirchenbilder hegten. Peter Herman hieß der Prediger, der dazumal zu Antwerpen mit der größten Leidenschaft gegen diese eiferte. Er hatte durch den Mißbrauch seiner Rednergabe großen Einfluß über die Mißvergnügten gewonnen. Und sich desselben bedient, um sie von der Römischen Kirche abwendig zu machen. Daß das gemeine Volk sich von seinem Hasse gegen die Spanier hatte verführen lassen, haben die folgenden Jahre bewiesen; denn die Leute kehrten früher oder später aus ihrer Verirrung in den Schooß der heiligen Kirche zurück. Zu jener Zeit aber waren sehr Viele den Geistlichen feind und eifrige Beförderer der Glaubensänderung.
Am 19. August, dem gestrigen Tage, hatte eine außergewöhnliche Predigt statt gefunden. Eine große Menge Volkes war gegenwärtig gewesen. Der Regen, der in heftigen Güssen auf den freien Platz niederstürzte, zwang sie, den Ort zu verlassen. Es erhob sich unter ihnen die Rede, daß sie auch einen Tempel haben müßten; und dieses Begehren wurde mit Fluchen und Schwören bekräftigt. Herman, der gewahrte, daß die Zeit gekommen sei, an seinem Ziele anzulangen, gebot seinen Anhängern in einiger Entfernung vom Kipdorpthore Halt, und bestieg die Treppe einer Windmühle. Das Volk horchte begierig auf. Da rief Herman ihm die übermüthigen Worte zu:
»Morgen, um acht Uhr, Predigt in Unser lieben Frauen Kirche.« – Und unter dem Jubelgeschrei: »Es leben dir Geusen!« stieg er von der Mühltreppe herab . . .
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Dieser morgige Tag des Schreckens erschien dämmernd im Osten. Von Westen her erhob sich sein dicker grauer Nebel dem Morgenlichte entgegen und bedeckte bald die Sonne mit einem undurchdringlichen Schleier. Es war, als wollte diese herrliche Perle an der Krone Gottes ihre Strahlen nicht über solche Gräuel ergießen und als hätte sie die kalten Dünste zum Schirme vorgenommen. Den ganzen Tag war das blaue Himmelsgewölbe unsichtbar, die Luft war wie geschwängert mit Staubregen – und in der Natur bereitete sich einer jener Tage, an welchen die Thiere der Erde, gleich als wäre es Nacht, sich verkriechen.
Die Thüren und Fenster gingen knarrend auf. Der friedsame Tagwerker ging eilig an seine Arbeit, seinen Bündel mit dem täglichen Brode gefüllt; die Kaufleute legten ihre Waaren aus; die Hausfrau streute sorgfältig den weißen Sand vor ihre Thüre; denn Keines wußte um das, was da kommen sollte.
Um die achte Stunde verwandelte sich dieser friedliche Zustand der Stadt in ein stürmisches Schauspiel, indem das Volk, wie die Wellen der ungestümen See, auf- und abströmte. Von Neugier angezogen, verließen die Arbeitsleute ihre Werkstätten, die Bootsleute ihre Schiffe, die Väter ihre Familien, – und über diese fluthenden Menschenköpfe ragten die Gewehre der Waffenbrüder blinkend hinaus. Nichts deutete an, daß Greuelthaten bevorständen; denn ein solches Auf- und Abströmen des Volkes sah man damals fast jeden Tag in unserer Stadt. Hie und da ließ ein vorwitziger Mund den Ruf: Es leben die Geusen! vernehmen – und dann erhob sich wirres Geschrei und durchlief alle Straßen der Stadt. Der meiste Zulauf war auf dem großen Markt; dort standen unzählige Gewaffnete vor dem Rathhaus aufgestellt. Wohl mochten die wohldenkenden Rathsherren etwas von dem Vorhaben der Geusen inne geworden seyn; denn noch niemals war das Rathhaus mit so vielen Kriegsleuten besetzt gewesen.
Lodewyk, Van Halen, Schuermans und ihre Freunde waren ebenfalls dort anwesend. Einige unter ihnen hatten sich unkenntlich gemacht. Schuermans trug das dicke Wams und die blauen-Hosen eines Schiffers; die anderen trugen den weiten Mantel um die Schultern und den breiten Hut auf dem Kopfe.
Eben waren sie in der Berathschlagung begriffen, wie sie sich verhalten sollten, als sie alles Volk nach der Hauptkirche strömen sahen. Aengstlich besorgt um die Erhaltung dieser, drangen sie mit Gewalt durch die dicht geschlossenen Haufen, bis in die Mitte des heiligen-Tempels. Das Haus Gottes wurde durch die Flüche und Schwüre des Pöbels entehrt, Waffen klirrten gegen die marmornen Säulen, und die Gräber der Heiligen wurden von gottlosen Füßen getreten.
»Die Predigt! die Predigt! ward nun gerufen.
Doktor Herman bestieg die Kanzel, die Bibel in der Hand. Er mochte wohl denken, daß er nicht ruhig da bleiben werde; denn in die andere Hand nahm er eine geladene Pistole, und rief, er werde sie gegen den losbrennen, der ihn zu stören wagte.
Lodewyk und seine Gefährten hatten dieß ungeduldig mit angesehen.
»Da habt Ihr einen der vornehmsten Aufwiegler,« sprach der Jüngling.
» Wollt Ihr sehen, Lodewyk, daß ich seiner im Nu Herr werden will?« frug Schuermans.
Auf ein bejahendes Zeichen des Junkers rannte er die Kanzel hinauf. Ehe Herman es gewahr ward, hatte ihm Schuermans die Pistole aus der Hand gewunden, und weit fort auf den Boden der Kirche geschleudert.
»Hinunter von hier, Ketzer!« rief er, »oder ich werfe; Euch, wie einen Hund, der Ihr seid, zu Boden!«
Doktor Herman wollte nicht weichen. Auf seinen Anhang bauend hieß er Schuermans festnehmen; aber dieser faßte den Prediger um den Leib und warf ihn wie einen Steinblock mitten unter die Menge, die schreiend auseinander fuhr. Viele Bewaffnete griffen Schuermans an, um die Kränkung, die er ihrem Meister angethan, zu rächen. Wahrscheinlich hätten sie den muthvollen Antwerpener unbarmherzig erwürgt, wären seine Freunde ihm nicht zu Hilfe geeilt.
Jetzt begann ein schreckliches Handgemenge. Die Bilderstürmer wollten die Kanzel behaupten, und schimpften die Gegner als Spanische. – Doch da sie wußten, daß dem nicht so sei, machten sie von den Dolchen nicht Gebrauch. Als Waffen dienten nur ihre kräftigen Sehnen und schweren Fäuste.
Dieses Handgemenge hatte einige Zeit angedauert, als ein übermüthiger Ausländer einen Dolchstoß gegen Schuermans führte und ihn etwas am Arm verletzte. Einige Tropfen Blut rannen ihm über die Finger. Bei diesem Anblick ergrimmten seine Freunde und alle die Dolche kamen blinkend zum Vorschein; ein blutiges Gefecht schien unvermeidlich; Viele liefen in Verwirrung und schreiend zur Kirche hinaus.
Dadurch wurde auf einmal die Menge, welche am Eingange stand, mit unwiderstehlicher Gewalt in’s Innere der Kirche gedrängt; es schien, als müsse die Kanzel unter dem Andrange aus ihren Grundfesten weichen. – Wolfangh, kam mit einem Haufen von zwanzig wohlbewaffneten Räubern wie wüthend in die Kirche herein. Bei dem Anblicke dieser unbekannten Männer, die mit so kecken Blicken das Volk anstarrten und den Tempel schienen zur Mörderhöhle machen zu wollen, wurde das Handgemenge eingestellt. Niemand wagte mehr, sich zu regen.
»Lodewyk!« rief Wolfangh, »was ist Euer Befehl?« und schwang seinen Degen drohenden Blickes üben den Bilderstürmern umher. Ehe Lodewyk ein Wort sprach, lagen ihrer drei schon verwundet am Boden.
»Halt ein! halt ein!« sprach der Jüngling, »kein Blut vergossen! Wir sind zu gering an Zahl, um das Predigen zu hindern; eilen wir lieber aufs Rathhaus, um Beistand zu begehren. Mit einer guten Schaar Kriegsleuten wollen wir wieder kommen, und die Gottlosen zur Kirche hinaustreiben. Kommt geschwinde.«
Sie gingen fort in der Meinung, während ihrer Abwesenheit würde das Predigen fortgesetzt werden. Doch kaum hatten sie sich entfernt, so erfüllte das Geschrei: die Götzen nieder! in Stücke die Götzenbilder! als Losungswort der Verwüstung die Kirche.
Nun fingen die Ketzer an, allen Schimpf gegen die Bilder auszustoßen und sie mit Unrath zu bewerfen. Noch hatten sie nichts zertrümmert, als einer von ihnen, der vor St. Rochus stand, laut ausrief: ins-Gotteshaus gehört kein Thier! Er riß den marmorenen Hund von dem Fußgestelle zu Boden. Ein Anderer faßte den Heiligen bei den Füßen und, weil die Statue an der Mauer befestigt war, und nur mit Gewalt zerstückt werden mochte, riß er mit solcher Macht an derselben, daß ihm die zwei Füße in der Hand blieben. Der Ketzer stürzte rücklings zu Boden. Dass Blut floß ihm aus Mund und Ohren.
»In Stücke die Götzenbilder! In Stücke die Abgötter!« riefen tausend Stimmen »Es leben die Geusen!« – und im Nu hatten sie sich an Seilen, Beilen und Aexten andres Werkzeug verschafft.
Nun liefen sie wüthrnd an die Kirchenwände, und hieben Alles nieder, was nur einem Bilde gleich sah. Die vielerlei kostbaren Altare, die Gemälde, die marmonen Verzierungen, Alles wurde unter gotteslästerlichen Geschrei zu Boden geworfen und mit Hämmern zerschlagen. Den heiligen Leib des Herrn verschonten sie so wenig, als den todten Marmor. Sie streuten die Hostien auf die Erde, und traten sie mit Füßen.
Es schien, der allmächtige Gott halte seinen Arm zurück, um das Maaß des Gräuels desto reicher zu stillen, und die Strafe über ihrem Haupte sich sammeln zu lassen.
Bis hierher hatten sie die Bilder und Alles, was sie zu erreichen vermochten, zerstückt und verwüstet. Ein-Gemälde hing noch an der Mauer. Christus, am Kreuze für uns sterbend, war darauf kunstreich abgemalt. Manche von den Bilderstürmern hatten gierige Blicke auf dasselbe geworfen; doch keiner von ihnen wagte diesem noch übrig gebliebenen Gemälde zu nahen. Ein Mann, mit grauem über seine Schultern herabfallenden Haaren stand vor demselben: den, Kolben einer Pistole vor der Brust, bereit, seine Waffe gegen Jeden loszubrennen, der ihm zu nahe kommen würde.
Endlich kamen die Kirchenschänder in großer Zahl auf, den Künstler zu, und warfen Trümmer der zerstörten Bildwerke nach ihm, um ihn weichen zu machen; doch er bewegte sich nicht, und schien fühllos für ihre bösen Worte und Thaten. Plötzlich rannte Einer hinter den Maler und riß ihn, rücklings zu Boden. – Der Lauf ging los, und Einer der Stürmenden empfing die Ladung in die Brust.
Da erhob sich der Ruf: Schlagt ihn todt! schlagt ihn todt! durch die ganze Kirche.
»Mein Bild!« rief der Maler, »o mein Christus!« und streckte die Arme flehend gen Himmel. Er sah das Gemälde, zerbrochen und in Fetzen zerrissen, neben sich niederfallen und in demselben Augenblicke durchbohrte der Dolchstich eines Geusen sein Herz. Der unglückliche Künstler sprang mit einem letzten Schwunge seiner Sehnen auf, und stürzte der Länge nach über die Trümmer seines Werkes hin, so wie er vordem zu Lodewyk gesagt; sein Blut strömte, der Kunst ein Opfer, über die Schöpfung seiner Hände.
Die Bilderstürmer ließen Van Hoort’s Leiche liegen, und machten sich aufs Neue an das Zerstörungswerk. Die zwölf Apostel standen herrlich und erhaben auf den Pfeilern, die das Gewölbe stützten. Man stellte hohe Leitern daran und mit Hacken und Seilen ward so lange gearbeitet, bis alle diese Marmorbilder zertrümmert am Boden lagen. Viele wurden durch den Sturz derselben verwundet und überall s in der Kirche ertönte Wehklagen. Aber nichts hielt sie auf: Wahnsinn hatte sie ergriffen. Alles war in Stücke geworfen: der Boden mit Köpfen, Füßen und anderen Theilen der Bildwerke dergestalt bedeckt, daß man nur mit Mühe darüber wegkam.
Ein prachtvolles Gebilde allein» stand noch unversehrt über diesem Schutthaufen von Heiligthümern. Es war das wunderthätige Bild Unser lieben Frauen von Antwerpen. Sie war noch im Prachtgewande, wie man sie zwei Tage vorher bei der Procession herumgetragen hatte. Eine Krone aus den kostbarsten Diamanten schmückte ihr Haupt. Ein Mantel von Goldstoff, mit glänzenden Perlen durchzogen, wallte an ihr in vielfachen kunstvollen Falten herab. Das göttliche Christuskind trug die schwere silberne Weltkugel auf der Hand.
Warum dieß Bild noch nicht zerstört war, ist schwer zu sagen. Alle hatten es gesehen, denn es stand mitten in der Kirche auf einer prachtvollen Tragbahre Wohl muß man denken, daß keiner der Gottlosen es auf sich zu nehmen wagte, die Anderen zur Zerstörung dieses Bildes anzuspornen.
Jetzt, da Altes verwüstet war und Hacken und Beile ruhten, begannen sie allmählig sich der Mutter Gottes zu nähern. Mit fragenden Blicken sahen sie einander an. In diesem Augenblicke kam einer von ihnen, der betrunken war, denn er konnte sich kaum aufrecht halten, herbeigelaufen.
»Auf, Ihr Männer! rief er, »ist Euch bange vor diesem Stück Holz, oder fürchtet Ihr Euch vor den Glöcklein, die ihr am Leibe hangen? Kommt her, kommet her, werfet die . . . zu Boden! – Ein so schreckliches Lästerwort kam über seine Lippen, daß seine Gesellen sich davor entsetzten.
»Vive les Gueux! mußt du rufen, oder du gehst in Trümmer!« brüllte er nochmals. Und sofort ließ er die That den Worten folgen, faßte die Tragbahre mit beiden Händen, wandte sie um und warf die Mutter Gottes auf den Boden. – Die Juwelen wurden geraubt, der Mantel zerrissen, die Krone zertrümmert, und das Bild blieb nackt und entstellt liegen.
Hatten Wolfangh’s Genossen ihren Hauptmann verlassen, um sich unter die Bilderstürmer zu mischen? Es schien so; denn unter denen, die zuerst an die Juwelen der Mutter Gottes Hand anlegten, waren vier oder fünf Bursche, die eine Stunde früher mit Wolfangh ausgezogen waren.
Nachdem die Ketzer einige Zeit lang sich nach Bildern, die sie noch zerstören könnten, vergeblich umgesehen hatten, machten sie sich an’s Plündern. Sie nahmen die geweihten Kelche, die Monstranzen, Leuchter, Kreuze; was nur irgend Werth hatte, wurde geraubt. Die Sakristeithüre wurde gesprengt, und die Elenden, nicht zufrieden des Raubens und Stehlens, vermummten sich spottweise in Priestergewänder und sangen rohe Lieder statt Lobpsalmen höhnend gen Himmel.
All dieß geschah ohne allen Widerstand. Lodewyk war mit Wolfangh nach dem Rathhause geeilt, und hatte den Bürgermeister aufgefordert, eine Zahl Schützen mit ihm in die Kirche zu senden: allein, eine andere Gefahr hielt die Obrigkeit ab, diesem Verlangen zu entsprechen – Man hörte in der Richtung des Spanischen Viertels ein heftiges Gewehrfeuer, ein verwirrtes Kriegsgeschrei und alle Zeichen eines blutigen Kampfes. Viele Schützen hatten ihre Reihen verlassen, um zu Hause ihre eigene Habe vor Plünderung zu beschirmen, so daß der Bürgermeister die wenigen übrigen nicht vom Rathhause wegzuschicken wagte.
Der Lärmen und das Schießen, das man hörte, war durch einen Ueberfall Houtappel’s und seiner Freunde gegen das Spanische Viertel verursacht.
Die Spanier hatten diesen Angriff erwartete und ihre Diener bewaffnet längs ihren Häusern in der Klosterstraße aufgestellt. So fanden die Geusen, als sie zuerst erschienen, kräftigen Widerstand, und mußten mit einem Verluste von vier Mann zurückweichen. Doch dieser Unfall steigerte nur ihre Wuth. Houtappel hielt seinen Genossen eine Anrede und stürmte mit ihnen aufs neue heran . . . «
Da hörte man auf dem großen Markt das wechselnde Gewehrfeuer und das Tosen der Schimpfreden, die beide Theile sich einander fechtend zuschrie. Die Geusen behielten dießmal bedeutend die Oberhand über ihre Gegner, denn an Zahl und Muth waren sie diesen überlegen; sofort stürzten sie sich mitten unter die Spanier, tödteten jeden, der Gegenwehr leistete, und trieben die andern in die Flucht; so daß sie zuletzt des Kampfplatzes Meister blieben.
Die Todten und Verwundeten wurden aufgehoben und in der Hochstraße untergebracht. Sobald die Verwundeten verbunden waren, kehrten die übrigen Geusen in die Klostergasse zurück, erbrachen die Thore der spanischen Häuser, und fuhren in diesem Geschäfte so lange fort, bis kein Feind mehr zu entdecken war.
Während dessen trieben die Bilderstürmer das Verwüsten und Rauben in der Frauenkirche noch immer. Doktor Herman, der sie nicht verlassen hatte, munterte sie auf, mit dem Sturm gegen die Abgötter, wie er sich ausdrückte, fortzufahren, und brachte sie noch zu dem verruchten Unternehmens die anderen Pfarrkirchen der Stadt auf dieselbe Weise zu schänden.
Mit Fahnen, Standarten, silbernen Laternenstangen und Kreuzen, wie sie sie geraubt hatten zogen sie darauf in Prozession aus der Kirche. Viele von ihnen hatten Meßgewänder, Stolen und andern geistlichen Ornat an. Sie sangen mit verworrenen Stimmen Clement Marot’s gereimte Psalmen, die kostbaren Kirchfahnen schwenkten sie, zum Gräuel der erschrockenen Bürger, im Kothe herum, und hoben sie dann wieder, schmutzig und unkennbar, in die Höhe.
Das Geschrei: Hoch leben die Geusen! ließen sie unaufhörlich erschallen.
Lodewyk und Wolfangh und etliche zehen ihrer Freunde standen beim Rathhause und sahen trostlos auf die heillose Kirchenschänderei; noch einmal bemühten sie sich, die Amtleute zu einem Angriffe gegen die Bilderstürmer zu bewegen; allein es gelang ihnen nicht, da die Stadtoberen es gerathener fanden, die wenigen Kriegsknechte, die ihnen noch treu geblieben waren, nicht in Gefahr zu setzen.
Lodewyk lehnte entmuthigt und fast weinend an einem Pfeiler auf den Marktplatz; seine Blicke irrten mit Schauder und Zorn zwischen den entweihten Fahnen umher, und lange wäre er vielleicht so bewegungslos in sich vertieft geblieben; aber bei einem Anblicke, der sich ihm jetzt darbot, sprang er auf, wie von einem erschütternden Schlage berührt. Er drückte beide Hände vor seine Augen, um nichts mehr zu sehen; erhob jedoch schnell wieder das Haupt, und rief seinen Freunden zu:
»O Himmel! O der unerhörten Bosheit! Seht, sie haben da das heilige Sakrament! Unsern lebendigen Gott wagen sie zu verspotten! Jetzt halte uns nichts mehr zurück . . . Laßt uns als Christen sterben, weil es so seyn muß. – Laßt uns wenigstens das Allerheiligste ihnen entreißen!«
Mit diesen Worten riß er seinen Degen aus der Scheide, und wollte mitten unter die Kirchenschänder stürzen; doch Wolfangh hielt ihn zurück, und sprach mit dumpfer Stimme:
»Seht mich an, Lodewyk. Steht mir das Blut in den Augen oder nicht? Glüht in mir die Wuth wie ein verzehrendes Feuer? Ja, nicht wahr? – Gleichwohl, dießmal will ich meinem Drange gebieten. Mir soll die Ehre werden, dieses heilige Werks zu vollführen. Ihr könnt es nicht leisten: Ihr seid zu erhitzt, zu unbehutsam: mit Gewalt ist hier nichts zu gewinnen: Laßt mich machen; bleibt stehen hier . . . und rührt Euch nicht . . . «
Wolfangh langte bei diesen Worten einen Dolch unter seinem Mantel: hervor, und prüfte mit dem Finger, ob die Spitze noch scharf sei. Dann schlich er sich; zwischen den Stürmern durch, und näherte sich allmälig demjenigen, der das hochwürdige Gut trug. Wie entbrannte sein Zorn als er in diesem Frevler einen Räuber von seiner Bande erkannte! Er blieb stehen, langte mit der Hand unter seinen Mantel und faßte den Dolch; doch ein rascher Gedanke hieß ihn denselben wieder loslassen. Er brachte seinen Mund, an das Ohr des Räubers und sprach mit scharfem Nachdrucke:
»Du bist des Todes, Bernhard. Mein Dolch zielt schon nach dem Flecke, wo er dich durchbohren soll.«
Der Räuber ward leichenblaß; er hatte die Stimme wohl erkannt. Ein Schauer überlief ihn.
»Horch,« fuhr Wolfangh fort, »du sollst Gnade finden; ich will dich nicht morden; wenn du mir das, was du da trägst, übergibst, ohne daß es Jemand bemerkt.«
Der Räuber bückte sich, als wolle er etwas, das zu Wolfanghs Füßen lag, aufraffen. Dann stand er auf die Monstranz war verschwunden . . . Man konnte lediglich bemerken; »daß Wolfangh mit dem linken Ellbogen seinen Mantel in ungewohnter Haltung auswärts stemmte. Er ging nicht geradezu wieder zu Lodewyk hin, sondern wandte sich längs des Handschuhmarkts fort, und gelangte so zum Rathhause, wo die Monstranz dem Bürgermeister in Gewahrsam gegeben wurde.
Eine Stunde später verließ Lodewyk seine Freunde, angeblich um, nach Hause zu gehen; doch that er es, um trübsinnig und einsam in der -Stadt umher zu irren; er that es, um sich ganz dem Schmerz zu überlassen, den diese Schreckensscene ihm verursacht hatte. Erschüttert und außer sich schritt er langsam durch dies Straßen, und schien beinahe unbekümmert um Alles, was sich zutrug. Ein Gefühl von Beschämung hielt ihn ab, sich nach Godmaert’s Hause zu; begeben. Sollte er sagen, daß das Alles unter seinen Augen geschehen sei, ohne daß er etwas zu dessen Verhinderung habe thun können?
Die Stürmer, die jetzt des Unvermögens der Regierung und der Straflosigkeit versichert waren, fuhren fort, in der Stadt Alles in Trümmer zu werfen. Nicht das kleinste Bild ließen sie auf Thor oder Mauer unverletzt stehen. Und wo ein friedlicher Bürger sich ihrer Gewalttätigkeit widersetzte, ward er von den Bösewichtern grausam mißhandelt und mit allem Schimpfe überschüttet. Eine ansehnliche Zahl Einwohner, erschreckt durch solche Gottlostgkeit und Zerstörungswuth, fielen von den Neuerern ab.
Indessen war die Sonne aus den Wolken hervorgetreten. Herrlich und prachtvoll sandte sie ihre Strahlen über die Schutthaufen die auf den offenen Plätzen da lagen. Unzählige Schaaren von Leuten strömten mit Jubelgeschrei durch die Stadt.
»Heil! Heil!« schrien sie, wie von wahnsinniger Lust ergriffen. Beile, Leitern, Stricke und anderes Werkzeug trugen sie triumphierend umher. So oft sie bei diesem Umzuge auf irgend einem Hausgiebel noch ein Bild, so hoch es auch seyn mochte, entdeckten, stiegen sie unter dem Zujauchzen des Pöbels hinauf; und das Bild fiel unter dem Geschrei: Heil! Heil! krachend und zerschellend zu Boden.
Alle Laden waren geschlossen, alle Kirchen geplündert, die Giebel aller Wohnhäuser und öffentlichen Gebäude verunziert: Schutthaufen des köstlichsten Marmors sperrten die Kreuzstraßen. Es war, als wollten die Antwerpener in unsinniger Verblendung nicht länger in ihren Häusern wohnen, und ihre Vaterstadt eigenwillig vernichten.
Viele dieser Greuelthaten wurden in den Straßen verübt, wo Lodewyk vorüber ging. So sah er vor der St. Jakobs-Kirche einen großen Haufen Heiligenbilder, Kreuze und andere Heiligthümer, in einem großen Feuer, das die Stürmer angezündet hatten, zu Asche verbrennen.
Gegen Nachmittag kam er bei dem Minoritenkloster vorbei, wo man mit Plündern geschäftig war: die Brüder und Priester wurden mit Spott und Mißhandlung verjagt und verfolgt; dieser Anblick erschreckte Lodewyk heftig, denn er dachte an Pater Franciscus: erst jetzt erwachte er aus der Bewusstlosigkeit, die ihn den ganzen Tag zu einem unthätigen Wesen gemacht hatte. Er erhob sein Haupt, und wandte sich mit hastigem Schritte dem Fleischmarktplatze zu, um Pater Franciscus aufzusuchen und ihn wo möglich vor Mißhandlung zu schützen.
Dort angelangt, traf er vor dem Dominikanerkloster einen ungeheuren Haufen Bilderstürmer, die ihm den Durchgang versperrten. Mit vieler Mühe, durch vieles Schieben und Stoßen gelangte er endlich bis in das Kloster, das voller Diebe und Spitzbuben war. Er sah sie um die silbernen Leuchter kämpfen, hörte ihre schändlichen Fluche am Gewölbe widerhallen, und fand das Refektorium voll Betrunkener, die in unfläthigen Liedern und lästerndem Spotte sich ausließen.
Lodewyk eilte mitten durch diese gottlose Schaar und; merkte nicht auf ihre niedrigen Scherze: er stieg die Treppe hinauf, um sich in Pater Franciscus Zelle zu begeben, und betrat nun das erste Stockwerk, wo er wenig Leute traf.
Die Zellen standen offen, Alles war in, ihnen todtenstille; einige Thüren waren in Stücke gehauen, Anzeichen des hier vorgegangenen Frevels. Schon schlug dem Jüngling das Herz schwächer; sein Haupt senkte sich muthlos und wenig Hoffnung war in ihm, obschon er noch längs des Ganges fortschritt: da hörte er plötzlich einige Stimmen jubelnd rufen:
»Hier haben wir noch einen Pfaffen! werft ihn auf die Straße, den Hund!«
Lodewyk sprang hinzu, schleuderte drei oder vier Kerle, von der Thüre der Zelle weg und trat in das kleine Gemach, indeß die überraschten Stürmer sich fragend anschauten.
Pater Franciscus lag seiner ganzen Länge nach, das Gesicht an der Erde, vor einem Crucifix ausgestreckt; sein; Silberhaar berührte auf beiden Seiten den Boden. Von Zeit zu Zeit machte er eine Bewegung, wie um die Hände himmelwärts zu erheben, und einige begeisterte Worte, die aus seinem Munde drangen, zeigten ihn vertieft im Gebete.
Lodewyk ergriff der Gedanke, alle die Frevler, wies sie an der Thüre standen, umzubringen; er konnte es thun, denn es waren ihrer wenige und ohne Waffen; doch schnell verscheuchte er diesen Vorsatz, warf sich auf die Kniee neben Pater Franciscus, faßte eine seiner Hände, und sprach:
»Vater, hier bin ich, Euer lieber Sohn Lodewyk. Ich komme, Euch zu retten . . . «
Der Priester erhob sich auf die Kniee, betrachtete Lodewyk mit dankendem Blicke, und richtete seine Augen auf das Christusbild.
»Lodewyk, mein guter Sohn, ich danke Euch für Eure Liebe-; aber ich kann Euch nicht folgen. – Hier, in dieser Zelle will ich sterben, wenn Gott über mein Leben verfügt. – Laßt mich beten und stört mich nicht. Mit dem Namen Gottes auf meinen Lippen will ich diese Welt verlassen. Geht hin und denkt nicht an mich.«
Lodewyk schlang erschüttert seine beiden Arme um das Haupt des Priesters; Thränen brachen ihm aus den Augen und schluchzend rief er:
»Ihr sterben! Ihr, mein guter Vater! O, Gertrud, würde mich verwünschen, wenn ich Euch hier ließe! Kommt, die Gottlosen würden Euch mißhandeln, Euch morden; Es ist noch Zeit . . . ich werde Euch vertheidigen oder mit Euch sterben . . . »
»Lodewyk, mein wackerer Sohn, beruhiget Euch . . . Seht, die Krone des Märtyrerthums leuchtet mir entgegen, soll ich ihr ausweichen? Der Herr hat mir siebzig Jahre vergönnt . . . ich will nicht undankbar seyn! . . . «
Der Jüngling hielt seine Hand dem Greise vor den Mund.
»Eure Worte sind die eines Heiligen,« rief er, »aber sie brennen auf meinem Herzen wie Feuer! – O seht meine Thränen, denkt an Gertrud, an Godmaert Ihr allein vermöcht uns zu trösten; Euer Tod würde Euern alten Freund Godmaert das Leben kosten, denn jetzt darf ich es sagen, und Ihr wisset es, er würde sein Theil haben an dem Morde; Euer Blut würde auf sein Haupt zurückfallen . . . Er hat Eure Feinde aufgestachelt . . . Solltet Ihr grausam genug seyn, guter Vater! um ihn mit ewigen Gewissensbissen zu beladen, um Euer eigen Blut auf ihn zu werfen, und seine Tochter zur Anklage gegen ihn zu nöthigen? – Nein, nicht wahr, Ihr geht mit mir? Ihr seid zu edelmüthig, zu gut gegen Euren Nächsten, Euern Freund, um solches Unglück anzurichten?«
Während dieser Worte hatte Lodewyk den Priester mit Gewalt emporgehoben und zog, wie von Sinnen, an seiner Hand, um ihn aus der Zelle wegzuführen.
»Ich will Euch folgen,« sprach endlich der Pater, »aber merkt wohl auf diese Worte, mein Sohn; denn Ihr sollet ihnen wie einem unverbrüchlichen Gebote nachkommen; . . . Man wird mich verspotten und mißhandeln; Ihr sollt dulden mit mir, ohne Murren, ohne Gegenwehr; – was auch geschehen möge, und sollte man mir das Leben nehmen, so ist mein Wille: Ihr sollt nichts thun, um mich zu vertheidigen oder zu rächen . . . ich verbiete es Euch. Werdet Ihr den Muth hierzu haben? «
»Ja, ja, Vater; kommt mit! Ich will alles ertragen.«
Sie traten aus der Zelle, unter den Schmähreden der auf dem Gange Stehenden, und kamen in das Refectorium, wo sie durch einen Haufen Betrunkener schreiten mußten. Dieses erhoben ein wildes Geschrei, als sie den Priester erblickten.
»Ein-Pfaffe! ein Pfaffe!« hieß es.
Im Nu war Pater Franciscus von dem schlechten Gesindel umringt; mancherlei Lästerung ward gegen ihn ausgestoßen; der Eine zerrte an seiner Kapuze, der Andere spie ihm Bier in’s Gesicht, doch der Priester ging, gesenkten Auges, langsam dahin und schien all diese Frechheit nicht zu bemerken; sein Habit wurde in Fetzen zerrissen; Bier troff von seinem ehrwürdigen Haupte.
Lodewyk’s Züge wurden fürchterlich. Sie verriethen deutlich den Löwengrimm, der ihn verzehrte; das Weiße seiner Augen war oben und unten sichtbar, seine Zähne waren knirschend zusammengebissen, und er preßte unbewußt des Priesters Hand heftig zusammen. – Doch er gedachte des auferlegten Gebotes und machte keine Bewegung, die auf einen Widerstand deutete.
Nach vieler Unbill erreichten sie endlich den Fleischmarkt: doch hier wurde ihre Lage noch schlimmer. Eine unzählbare Menge folgte ihnen nach; viele drängten sich heran, um vor den Ohren des Mönchs die niederträchtigsten Reden, die blutigsten Gotteslästerungen auszustoßen; andere warfen mit Schlamm und Koth, daß Pater Franciscus’s Haare mit Sand und Schmutz besudelt waren.
Schon mehrmals hatte Lodewyk gebeten und gedrungen:
»O Vater, laßt mich sie niedermachen, oder mir bersten die Adern noch! – Ich kann nicht – nicht länger ruhig bleiben. O, um Gottes willen, laßt mich Euch rächen und sterben! «
Doch der Priester antwortete:
»Wie schön ist es Lodewyk, zu leiden um unserer Treue willen gegen Gott! Denkt an die christlichen Helden der alten Zeit; sie wurden gemartert, verbrannt, zerfleischt; aber mitten im siedenden Oele, unter den Klauen der Löwen kam aus ihrem heiligen Munde keine Klage kein feindseliges Wort; nur ihre Hände erhoben sie zu Gott, um Vergebung für ihre Henker zu erflehen. Ahmen wir ihrem Vorbilde nach, mein Sohn; vielleicht treten wir heute noch vor den Herrn mit der glänzenden Krone der Märtyrer!«
An der Ecke der Schwarznonnen-Straße, am Kühthore stand ein halbeingerissenes Haus, bei Welchem ein Haufen zerbrochener Schiefersteine lag.
Eben war Lodewyk einige Schritte daran vorübergegangen, als er ein Stück Schiefer an seinem Kopfe vorbeifliegen hörte. Bald flogen mehrere her, bis endlich eines davon Pater Franciscus nackte Stirne traf, und ihm eine starke Wunde beibrachte; Lodewyk sah das Blut über sein Antlitz fließen . . .
Jetzt kannte er keine Rücksicht mehr; jetzt vergaß er des Paters Befehl, und ohne sich weiter nach ihm umzuschauen, rannte er auf den, welchen er den Schiefer hatte werfen sehen, zu, und stieß ihm den Degen so wüthend durch den Leib, daß er zum Rücken wieder herausdrang; er schaute um sich, um noch weitere Schlachtopfer zu entdecken; aber alle die Frevler hatten sich in ziemliche Ferne laufend zurückgezogen.
Mittlerweile war Pater Franciscus auf der Straße zusammengesunken: der Wurf des schneidigen Schiefers hatte ihn so gewaltig getroffen, daß er ohnmächtig zu Boden gefallen war.
Lodewyk trat zu ihm mit einem angstvollen Schrei, hob ihn halb in die Höhe, und schleppte ihn bis zu der Mauer des Hauses, wo er ihn sitzend anlehnte. Inzwischen waren die Frevler mit neuer Wuth genaht, und warfen immer mehr mit Steinen, Schieferplatten und Schmutz.