Kitabı oku: «Das Wunderjahr (1566)», sayfa 8
»Lodewyk!« sprach er, »ich gebe Euch meine Gertrud zum Lohne Eurer Liebe zu ihr und Eurer Liebe für das Vaterland, die so heiß in Eurem Herzen glüht. Gertrud, sei Deinem Gatten treu und liebevoll. Ich flehe zu dem Allmächtigen, daß Er seinen Segen dem meinen beigeselle, und Euer Beider Loos versüße! Lodewyk, mein Sohn, jetzt will ich Euchs etwas verkünden, das Euch mit Freude erfüllen wird . . . merkt wohl auf. Ich habe Euch gezwungen, den Namen eines Geusen anzunehmen; ich habe Euch, wider Euren Willen, mit Menschen verkettet, deren Gesinnungen die Eurigen nicht waren. Ihr habt mir gehorsamt, obschon Ihr in Eurer Seele das Wert verdammtet, an welchem ich Euch arbeiten hieß . . . Doch des Grabes Nähe hieß den Schleier von meinen Augen fallen: ich glaube, wir vertheidigten unser Vaterland, und ach! wir vertheidigen und beschirmen die Ketzerei und das Verderben der Kirche. Von nun an widerrufe ich alle Befehle, die ich Euch, Lodewyk des Aufstandes halber mag gegeben haben. Vielleicht ist es noch Zeit, den Glauben, den wir in Gefahr gebracht, vor einem tiefen Fall zu bewahren. Handelt fortan nach den Eingebungen Eures rechtschaffenen und frommen Herzens!«
Der Junker äußerte seinen freudigen Dank und frug zuletzt:
»Aber, Godmaert, wie fangen wir es an, um die Folgen unseres eignen Thuns zu hindern? Unsere Verbündeten wollen schon morgen die Empörung beginnen; sie kommen um Mitternacht in dieser Absicht zusammen.«
»Morgen? oh das darf nicht geschehen! . . . morgen ist es auch, daß Hermann Stuyk in der Hauptkirche predigen will . . . Der Aufstand wird den Ketzer in seinem verruchten Anschlag fördern? Unterlasset nicht, mein Sohn, in die Versammlung zu gehen. Macht ihnen begreiflich, daß die Empörung ausgesetzt werden mußt: stelle ihnen vor, daß sie die Religion zuverlässig in Gefahr setzen . . . Ich weiß Euer Herz wird Euch beredt machen in dieser Sache! Steht nun auf, meine Kinder! Ich fühle mich durch Eure Gegenwart wunderbar gestärkt. Mir ist, theure Gertrud, als hätten an Deiner Brust meine Glieder sich erwärmt!«
»Liebster Vater!« reif Gertrud, »ja, Ihr werdet genesen! gewiß werdet Ihr genesen! Wäret Ihr mit mir zu Hause, wie bald solltet Ihr Euch erholen! Hier erstarrt ihr vor Kälte; Ihr liegt auf der harten Erde . . . Euer Kind ist nicht allzeit bei Euch, zum Euch zu, pflegen und über Euch zu wachen; – ihre Liebe die bittende, ihr-Wort, das tröstende entbehrt Ihr . . . Armer, unglücklicher Vater!«
Sie drückte ihn begeistert an ihren Busen, als wollte sie die Wärme ihres jungen Lebens in die Brust des Greises ergießen.
»Gefangenenwärter!« rief Lodewyk »hundert Kronen sind Euer, wenn Ihr uns Euren Gefangenen mit uns nehmen lasset.«
»Nein, Junker!« erwiederte der Kerkermeister, »um nichts in der Welt!«
»Fünfhundert! – Tausend!«
»Wahrlich nein, ich darf und kann es nicht thun, ich mein Leben um Gold verkaufen?«
»Mein Gut bei Verchen will ich Euch zu eigen schreiben. – Fordert noch mehr, fordert Alles, so Ihr Godmaert freilasset.«
»Nein, Junker; Eure Anträge sind lockend, aber mein Leben kann ich dafür nicht in die, Wagschale legen.«
»Ach ja, Herr Kerkermeister!« Ihr sollt reich werden. Wollt Ihr nie eine menschliche That vollbringen?" Warum wollt Ihr meinen Vater nicht freilassen? Hat er nicht schon genug gelitten, sprecht! – Hier! hier habt Ihr das Halsband meiner Mutter! – Hat Euch denn, mein Vater etwas zu Leide gethan?« fuhr das Mädchen fort. »Ihr habt ja keinen Groll auf ihn – O laß ihn doch mit uns gehen – seht, dann könnte er ausruhen. Ihr lächelt . . . o das ist häßlich; könnt Ihr über ein so trauriges Schauspiel lächeln?«
»Jungfrau, ich meine Pflicht nicht weiter vergessen. Ich habe Euch eine Zeit lang Euren Vater trösten lassen: begnügt Euch damit. Nun ist’s nahe an Mitternacht; noch einige Stunden!«
Gertrud eilte zu ihrem Vater, und fuhr, unter Lodewyk’s Beistande, ihm so lange zu liebkosen, bis die Uhr der Schloßkirche zwölfmal erschallte. Lodewyk sprach einige Augenblicke mit dem Priester.
»Gertrud,« rief er erfreut, »Pater Franciscus bleibt bei Eurem Vater.«
Das bange Mädchen küßte voll Dankes die Hände des Mönchs.
»Mäßigt Euch, Fräulein,« sprach der Geistliche, seine Hand zurückziehend, »geht Getrost nach Hause. Vertrauet auf den, der dem Unglücklichen Trost und Wonne bescheeren kann. Betet zu Gott und weint nicht mehr!«
Sie mußte, trotz ihres Bittens, den Kerker verlassen. Sie drückte noch einen langen Kuß auf ihres Vaters Antlitz presste ihn noch einmal an ihre Brust, und entfernte sich mit dem sinnenden Jünglinge.
Sobald dieser die Geliebte in ihre Wohnung und zu Therese gebracht hatte, nahm er Abschied, um in die Geusenversammlung zu gehen, und trat ab.
VIII
Vos enim in libertatem vocati epis, fratres; tantum ne libertatem in occasionem detis carnis . . .
Manifesta sunt autem opera carnis; quae sunt . . . idolorum servitus, veneticia, inimicitiae, contentiones, irae, rixae, dissensiones, sectae . . .
Gal. Cap. V. v. 13, 19, et 20 . . .
Es war Ein Uhr nach Mitternacht. Obschon es in einigen Straßen ausnehmend dunkel war, denn die Lampen an den Heiligenbildern hatten ihr Oel aufgezehrt, war es dennoch in Antwerpen nicht so stille, wie sonst gewöhnlich um diese Stunde. Ueber die ganze Stadt schwebte gleichsam ein Nebel von verworrenen Tönen, die gleich einem brandenem Meere mit schauerlichem, ängstigendem Brausen an das Ohr schlugen. Dazu das Bellen der Hunde, die widerhallenden, Tritte der Wachen, der eintönige Ruf der Nachtwächter, – und dieß alles wiederholt und vervielfältigt durch das dumpfe: Echo der Nacht; – endlich Leute, die wie schwarze Schemen an den Häusern heimlich hinschlüpften, – das waren die Vorzeichen der Empörung.
Die Geusen waren in großer Zahl bei Mutter Schrikkel zu dieser-Stunde versammelt; kaum faßte sie der Saal. Alle schienen voll; Zorns; Flüche und Verwünschungen waren das Einzige, was man aus ihren Worten verständlich heraushörte.
Der Tisch, mit seiner gewöhnlichen Verzierung von Dolchen, Kannen und Gläsern, stand in der Mitte, und weil um ihn herum nicht für Alle Platz war, hatte man die meisten Stühle in ein anderes Zimmer getragen. Die Geusen waren stehend und ohne Ordnung in den Saal vertheilt. Ihre Mantel hatten sie nicht abgelegt und man konnte die an ihrer Brust hängenden Dolche nicht sehen.
So fuhren sie fort mit verwirrtem und unordentlichem Geschrei, bis einer ihrer Verbündeten eintrat.
»Nun, Houtappel,« riefen ihm mehrere Stimmen zu, »was habt Ihr vernommen? Wie steht es um Godmaert?«
»Ihr Geusen!« antwortete der Eintretende in schneidendem Tone,« Ihr werdet mir nicht glauben, wenn ich Euch die volle Wahrheit sage. Der Henker selbst schien entrüstet, als er mir die unmenschliche Geschichte erzählte . . . mir dreht sich noch das Herz um . . . «
»So sprecht!« fiel ihm Schuermans grimmig in die Rede, »sagt an, was wisset Ihr?«
»Also,« fuhr Houtappel fort,« sie haben den edlen Godmaert wie wilde Thiere zerfleischt; auf der Folter aus tausend zuckenden Wunden sein Blut abgezapt; und seine Glieder wie Stricke ausgereckt! Die allerschrecklichsten Martern haben sie mit Wollust ihm angethan, bis die grauen Haare seines Hauptes sich vor Schmerzen sträubten. – Und das warum? – weil er, wie Ihr alle, ein Vlämischer Patriot ist.«
Die Geusen hörten mit geballten Fäusten und knirschenden Zähnen zu, aber keiner redete.
»Ja, Ihr Herren,« fing Jener wieder an, »so sind sie mit unserm alten Obersten umgegangen; seinen ganzen Leib haben sie mit Schrammen bedeckt, und ihn, wie einen Hund, auf einem Bisschen Stroh dem Tod in die Arme geworfen. – Darf diese Schandthat ungerochen bleiben?«
»Rache! Rache!« erscholl es aus jedem Munde.
Eine wüthende Aufregung verbreitete sich unter den Geusen. Dolche erglänzten unter dem Scheine der Lampe, Degen fuhren klirrend aus den Scheiden; es war, wie wollte einer dem andern an’s Leben, doch so war es nicht gemeint: der allgemeine Ingrimm und durst nach Rache hatten ihnen unbewußt die Waffen in die Hände gegeben.
»Ueber die Bluthunde!« schrie Schuermans wie rasend. Er sank begeistert zur Erde, erhob den Dolch mit seiner Rechten und rief:
»Ich schwöre es bei dem Gott meiner Väter! Bei dem Gotte, der mich höret, dieser Stahl soll an Spanier-Herzen stumpf werden; mein Leben weihe ich der Rache; mit Spanischem Blute bedeckt will ich in’s Grab sinken!«
Die ungestüme Aufregung der Geusen läßt sich denken. Verwünschungen und Wuthgeschrei schlug an das Gewölbe des Saales; doch plötzlich wich dieses Getöse der tiefsten Stille und die Geusen wandten sich mit den Worten der Thüre zu:
»Ha! da kommt Lodewyk van Halmale!«
Der Junker begrüßte die Versammlung und näherte sich dem Tische, im Begriffe zu sprechen; doch ehe er begann, richtete Houtappel die Frage an ihn:
»Nun, Lodewyk, Ihr habt Godmaert gesehen: ist nicht sein Leib gemartert, liegt er nicht über und über im Blute?«
»Er ist gemartert und blutrünstig,« antwortete der Junker. »Aber, Ihr-Herren, was habt Ihr vor? beharrt Ihr bei dem Vorsatze, morgen einen Aufstand zu unternehmen?«
»Ja, ja!« riefen die meisten Stimmen.
Houtappel trat vor und sprach begeistert:
»Morgen soll kein einziger Spanier, und keiner von Allen denen, – die den Fremdlingen hold sind, am Leben bleiben. Ihr Blut soll fließen zur Vergeltung für die Leiden des Vaterlands, für Godmaert Leiden. Das ist beschlossen . . . Wir sind bloß hier, über die Mittels zu berathschlagen.«
»Wohlan, Ihr Herren,« rief Lodewyk mit lauter Stimme, »ich bin hierher gekommen, um zu sagen, daß ich nicht unter den Eurigen seyn werde . . . Und damit Ihr mich nicht der Falschheit beschuldigt, so erkläre ich hier, vor Euch allen, daß ich neben den Spaniern fechten werde, wo immer sie die Ketzer bekämpfen werden.«
Diese Worte brachten keine geringe Verwunderung unter den Geusen hervor: einige Gesichter drückten finsteren Blutdurst aus und die Vorwürfe: Feigling, Verräther! stürmten gegen Lodewyk. Van Halen allein schien gefasst.
»Feigling?« versetzte Lodewyk. »Es gehört Muth dazu, meine Herren, Euren schmähenden Vorwürfen entgegen zu gehen, und Eurer Wuth zu trotzen. Allein mich treibt die Liebe zu meinem Vaterlunde, und . . . «
»Euer Vaterland!« rief ein Geuse mit verächtlichem Spotte. »Euer Vaterland? Sagt lieber, Euch sei Angst, in die Hölle zu kommen, Junker. Diese saubere Vaterlandsliebe hat Euch wohl Eure Muttter eingegeben!«
Einige lachten über diese Rede. Dunkle Röthe überflog Lodewyks Angesicht; man sah, wie tief dieser Hohn ihn verletzt hatte; wohl am tiefsten, daß der Name seiner verklärten Mutter darein gemengt worden. Doch schnell erinnerte er sich des Zieles, das ihm Vorschwebte, und suchte sich zusammen zu nehmen. In einem Tone, der noch herbe Entrüstung verrieth, sprach er:
»Ja, ich liebe mein Vaterland, – freilich nicht wie Ihr, die Ihr das Vaterland dem Triebe der Rache opfern wollt; nicht wie Ihr, die Ihr das Vaterland verwüsten und, in ein Blutbad stürzen wollt, der Ketzerei zum Besten – einzig der Ketzerei, versteht Ihr mich? Ja, Ihr täuscht Euch nicht; es war meine Mutter, die mir jenes Gefühl eingeflößt hat . . . «
»Aber Lodewyk,« rief Schuermans, »warum meint Ihr denn, daß wir den Ketzern Vorschub leisten?«
»Warum? Seid Ihr nicht täglich zur Predigt bei Herman gegangen? Habt Ihr nicht das Volk aufgestiftet, in Waffen hin zu gehen? Habt Ihr die Befehle der Statthalterin und des Markgrafen nicht durch Euern Widerstand vereitelt? Unter wessen Schutze lästern die Ketzer unsere Religion? Unter wessen Schutze betreiben sie ihre Anschläge? – Unter dem Eurigen, Ihr Herren! – In solcher Weise verstehe ich die Liebe zum Vaterlande nicht. In meinen Augen macht die Religion einen Bestandtheil von dem Erbe unserer Väter aus und ist, gleichwie die Freiheit, von dem Lande unserer Geburt untrennbar. Meine Ueberzeugung ist, daß der alte Glaube die Stütze und der Schutzgeist Niederlands bleiben muß, und wer anders denkt, ist mein Feind . . . «
Einige von den Geusen standen betroffen und sprachlos da, doch die Meisten hörten mit Entrüstung und Zähneknirschen zu.
»Der Wind hat sich etwas schnell gedreht!« rief Van der Voort, »gestern Geuse, heut Papist!«
»Nein, nein,« rief Lodewyk, »ich habe mich mit nichten geändert. Habe ich geschworen, mit Euch gegen die Spanier gemeinsame Sache zu machen, so geschah es unter dem Beding, daß man von mir nichts gegen die Religion verlangen dürfe, und ich hätte ihn nicht geleistet, diesen Eid, der mir so schwer auf dem Herzen lag, wäre es nicht, um dem Begehren Godmaerts zu folgen, geschehen. Ihr, meine Herren, seid die, die sich geändert haben. Ihr habt den Glauben Euerer Voreltern verlassen, um ein neues Bekenntniß anzunehmen.«
»Dem ist nicht also!« fiel van Halen ihm in die Rede. »Ich bin der wahren Kirche treu!«
»Was werdet Ihr dann morgen thun?« frug der Junker.
»Morgen,« antwortete van Halen, Lodewyks Hand drückend, »morgen werde ich Euch zur Seite stehen, und mit Euch gegen die Zerstörer kämpfen.
Ein allgemeiner Schrei des Abscheues erhob sich unter den Geusen:
»Noch ein Feiger! noch ein Verräther! fort mit den, Fantasten! Weg mit den Spanischgesinnten! Hinaus!«
Die ganze Versammlung gerieth in Aufruhr, die Dolche wurden gezückt und man ging daran, die Drohung: hinaus mit ihnen, ins Werk zu setzen, als Mutter Schrikkel, außer sich und mit aufgehobenen Armen, in den Saal trat und heulend ausrief:
»Geschwinde, geschwinde, meine Herren, flieht! – auf den Speicher – in den Keller – die Wache kommt – das Haus ist von Bewaffneten umgeben! – Geschwind, geschwind!«
Die Geusen warfen auf Lodewyk drohende Blicke, als hielten sie ihn nun wirklich für den Verräther; keiner von ihnen that, was Mutter Schrikkel so ängstlich angerathen. Im Gegentheil sie stellten sich in einen Halbkreis zusammen, spannten ihre Pistolen, zogen ihre Degen und Dolche, und standen da, bereit, sich tapfer zu wehren.
Die Thüre ging auf – und ein Mann von ungemeiner Größe und Stärke trat ein. Ein mächtiger Schnurrbart fiel an seinen Wangen herab: Waffen mancherlei Art hingen an seinem Gürtel.
»Wolfangh!« riefen die Geusen überrascht, während sie ihre Degen und Dolche einsteckten.
»Ihr Herrn,« sprach Wolfangh, indem er den Hut abnahm, »was ist das? – was bedeutet diese Kampfstellung? Kommt herbei,« rief er, gegen die Treppe gewendet, »herbei, meine Mannen!« Einige zwanzig Räuber drängten sich in den Saal, und befanden sich mitten unter den Geusen, die sich mit Widerwillen von ihnen entfernten.
Schwere Tritte von Leuten, die etwas Gewichtiges zu, tragen schienen, ließen sich auf der Treppe hören.
»Was bringt Ihr uns denn?« frug Lodewyk.
»Was ich Euch bringe, Junker? – Godmaert.«
»Godmaert!« riefen Alle verwundert.
Vier Mann trugen den greisen Godmaert auf einem Federbette herein und setzten ihn sachte auf den Boden.
»Freunde!« sprach er, »mich erfreut es, daß ich Euch noch einmal wiedersehe! – Wer will mir die Hand drücken?«
Lodewyk hatte sie schon gefasst und küßte sie liebevoll. Die Geusen nahten einer um den andern, und schlossen den Greis theilnehmend in die Arme. Alle betrachteten ihn schweigend und tief ergriffen.
Wolfangh!« frug Schuermans, »wie habt Ihr doch unsern Meister frei gemacht?«
»Meine Herren,« antwortete der Räuber, »das hat wenig Mühe gekostet. Ich hatte es schon gestern im Sinne,, und wollte Euch eine angenehme Ueberraschung bereiten, Ich meinte jedoch, Godmaert in einem bessern Zustande zu finden . . . Nun also, ich ging mit meinen Gesellen sachte aus das Gefängniß zu. Wer da? rief ein Kriegsknecht, der mit vielen andern an der Pforte stand. Wolfangh! antwortete ich mit donnernder Stimme; und ehe ich noch vor das Gebäude trat, waren sie alle über die Palingbrücke und den Fischberg hinuntergerannt. Der Kerkermeister wollte nicht aufmachen; doch sobald er die Pforte unter den Schlägen unserer Axt und unter der Gewalt unserer Hebebäume wanken sah, ließ er uns schnell ein und bat um sein Leben. Wir ließen uns dann von ihm in die Mördergrube führen, wo wir Godmaert liegend fanden. Darauf haben wir den edlen Gefangenen von seiner Streu erhoben, das Bett des Kerkermeisters als Tragbahre gebraucht, und ihn auf sein Verlangen hierher gebracht.«
Wolfangh wandte sich zu Lodewyk und frug leise:
»Junker, wie heißt der Priester, der bei Godmaert war?«
»Pater Franciscus vorn Predigerkloster.«
Der Räuber drückte den Finger an seinen Kopf, wie Einer, der seinem Hirn etwas einprägen will, um es nicht zu vergessen.
»O! wüßte Godmaert’s Tochter, daß ihr Vater dem Gefängniß entrissen ist, welche Freude wäre das für sie!« seufzte Lodewyk.
»Pater Franciscus hat diese Botschaft übernommen,« antwortete Wolfangh. »Ihr Männer,« fuhr er, zu seinen Gefährten gewendet fort, » jeder begebe sich nun an seinen Lagerplatz. Morgen um acht Uhr! – Ihr bleibt hier,« sagte er zu denen, die das Bett getragen hatten.
Die Räuber verließen den Saal; Godmaert empfing noch viele Freundschafts- und Theilnahms-Bezeigungen von den Geusen, und wurde dann gefragt, ob man beginnen solle. Die Stühle wurden herbeigeholt und so gestellt, daß Alle sich um den Greis niederlassen konnten. Dieser, durch die Ruhe; und durch die Gegenwart seiner Freunde etwas gekräftigt, vermochte nun schon seine Arme zu bewegen, und Lodewyk gewahrte mit hoher Freude, daß ihn der Tod nicht übermannen werde. Sein Herz schlug nach seiner geliebten Gertrud; ihn schmerzte, daß jene Botschaft ihr durch einen Andern verkündet worden.
»Ihr Herren,« sprach Godmaert, nachdem er durch ein Zeichen seiner Hand Stillschweigen geboten, »ich habe mich in Eure Versammlung bringen lassen, um mit Euch zu berathschlagen, was zu thun sei. Habt Ihr schon über die Sache verhandelt?«
Houtappel warf einen höhnischen Blick auf Lodewyk, trat zu Godmaert vor, und sprach:
»Morgen um acht Uhr werden wir uns auf dem großen Marktplatz einfinden – das ist beschlossen. Mit dem Rufe: Es leben die Geusen! werden wir das Volk in Bewegung setzen; Herman’s Predigt in der Hauptkirche wird große Aufregung in der Stadt verursachen; davon wollen wir Nutzen ziehen. Sodann nach dem Rathhause; alle Spanier und Spanischgesinnten festgenommen, die Stadt mit Bewaffneten besetzt und unsern Freunden in Brüssel und in der Nordprovinz Nachricht von dem gelungenen Unternehmen gegeben. Dann neue Rathsherren ernannt, das Volk ausgesendet, um die Städte und Flecken zu durcheilen und die Spanier allenthalben zu vertreiben. Dieser Plan hat sicherlich Euren Beifall?«
Godmaert blieb einen Augenblick in tiefen Gedanken. Die Geusen warteten gespannt auf seine Antwort, wiewohl sie nicht zweifelten, der alte Kriegsmann werde ihr Vorhaben freudig gutheißen.
Doch wie sehr waren sie überrascht, als Godmaert ihnen sagte:
»Nein, ich kann dieses Vorhaben nicht billigen. Die Zeit ist noch nicht gekommen. Wir dürfen jetzt gegen die Spanier nicht fechten.«
»Auch Ihr?« rief Houtappel voll Wuth. »Wohlan, meine Brüder, wir sind verrathen, aber noch nicht geliefert. Laßt uns, ohne die Feiglinge länger anzuhören, unser Werk vollführen. Laßt sie zusammen mit Spaniern, Nonnen und Pfaffen gen Himmel fahren!«
Godmaert verletzte dieser schlechte Witz; eine leichte Zorngluth färbte seine bleiche Stirne, und er sprach mit strenger Miene:
»Ihr mögt Euch dafür bedanken, Houtappel, daß mein Körper durch Leiden entkräftet ist, sonst hätte ich Euren ruchlosen Spott auf Eurer Zunge erstickt . . . Ruhig, Lodewyk, bezähmt Euch, mein Sohn!«
Houtappel getraute sich nicht weiter den Greis zu kränken. Er ergoß seitwärts unter seinen Gesellen seine Vorwürfe und seinen Haß im Stillen.
»Ha! jetzt sehe ich es ein!« sprach Godmaert für sich, »jetzt erkenne ich Euch. – Es ist wahr, was Pater Franciscus sagte, es gibt Ketzer unter uns!«
»Ihr Herren,« fuhr er kräftiger fort, » Euch, die Ihr meine Freunde seid, bin ich eine Erklärung über mein Handeln schuldig – Wir hassen allzumal die Spanier, die Einen aus persönlichen Gründen, Alle, weil sie Fremdlinge sind. Ich habe viel dazu beigetragen, diesen Haß unter Euch zu entzünden, doch jetzt beklag’ ich es . . . mir sind die Augen aufgegangen, und ich habe mit Leidwesen entdeckt, daß all unser Trachten, ohne mein und vieler der Unsrigen Wissen, gegen unsern Glauben gerichtet war. Darum, wie groß auch mein Haß gegen die Spanier sei, mit den Feinden meines Glaubens werde ich nie Gemeinschaft haben.«
»Was geht denn diese Beicht den Ausstand von morgen an?« schrie Houtappel aus einer Ecke des Zimmers.
»Was sie diesen angeht, wißt Ihr am besten; Ihr wißt, daß Herman Stuyk und seine Anhänger Unser lieben Frauen Kirche entweihen wollen; Ihr wißt, daß die Zerstörer eine Gelegenheit suchen, unsere Tempel zu verwüsten und die Heiligenbilder zu zerbrechen: und Ihr hofft, daß die morgenden Unruhen die Gelegenheit von selbst liefern werden. Mich schmerzt meine Unmacht: sonst würde ich Euch entgegen treten, Euch bekämpfen können in Euren gottlosen Anschlägen – Ihr aber, meine Freunde, die Ihr mich jederzeit aufmerksam angehört habt, Euch beschwöre ich, steht den Ketzern nicht bei; verschiebt den Aufstand, verlaßt die Reihen derer, die selbst in dieser Versammlung mit Spott über Dinge, die uns heilig sind, zu reden, sich nicht schämen.
Unter den Geusen hatte sich eine sichtbare Scheidung gebildet. In der Tiefe des Gemachs, um Houtappel und Van der Voort, standen diejenigen, die von keinem Aufschub hören wollten.
Godmaert war von Lodewyk, Van Halen, De Rydt und fast der Hälfte der Geusen umgeben. Schuermans lief hin und her und wusste nicht, auf welche Seite er sich schlagen sollte; Wolfangh betrug sich, wie ein der Verhandlung Fremder. Houtappel redete mit einigen seiner Genossen, und trat dann in die Mitte des Zimmers, und in einer herausfordernden Stellung, das Haupt emporgehoben rief er:
»Wir trennen uns von den Furchtsamen! Jeder, der den Namen eines Geusen lieb hat; jeder der mit uns gegen die Spanier streiten will, der folge uns . . . wir wollen an einem andern Orte unsere Berathschlagung fortsetzen. Verräther dürfen uns nicht zuhorchen.«
Ungefähr die Hälfte traten zur Thüre hinaus und verließen fluchend den Saal. Houtappel fand sich hoch betrogen, als er sah, daß Wolfangh sich nicht regte, ihnen zu folgen.
»Komm, Wolfangh!« rief er. »Was wollt Ihr ’ bei diesen furchtsamen Leuten thun? Ihr paßt zu ihnen, wie ein Hund in’s Kegelspiel!«
Der Räuber ergriff ein Pistol und wollte Houtappel seinen Scherz mit dem Leben zahlen lassen, aber Lodewyk hielt ihn durch einen Wink zurück.
»Es ist Euer Glück!« rief Wolfangh, »geht, ich habe nichts mit Euch zu schaffen und laßt mich mit Frieden, oder ich will Euch spotten lehren!«
Houtappel stieg murrend die Treppe hinab. Im Saale blieb noch ein Geuse, der nicht wußte, was er thun sollte; er pochte sich mit der Hand an die Stirne, um einen Entschluß zu fassen; endlich rief er:
»So wollt Ihr denn morgen nicht kämpfen?«
»Ja, Schuermans,« antwortete Van Halen »gegen die Ketzer wollen wir kämpfen.«
»Ha, da bleib’ ich lieber bei Euch!«
»Ich begreife des edlen Godmaert’s Besorgniß gar wohl,« sprach De Rydt, »die verfluchten Prädikanten haben den Haß eines Theils vom Volke für sich benutzt und ihn für die Bilderstürmerei gewonnen. Indem sie Anfangs gleich uns die Spanier allein als die Feinde angaben, flößten die Verbreiter der neuen Lehre dem Volke Haß gegen die Kirche ein, und nun denkt es, Heiligenbilder und Spanier seien Eins.«
»Ich habe gehört,« sprach Van Halen, »sie wollen morgen etwas gegen Unser lieben Frauen Kirche unternehmen. Sie reden von nichts als Brennen und Verwüsten . . . Wie sollen wir die Heiligenschändung verhindern?«
»Ich habe zwanzig auserlesene Leute, « sagte Wolfangh, »sie sollen Eure Befehle pünktlich ausführen.«
»Hauptmann! « fiel Einer der vier Räuber ihm in die Rede, »wenn wir nicht plündern dürfen, müssen die Herren, Geusen auch Ihr Versprechen halten, oder . . . «
» Schweig, Bursche!« rief Wolfangh.
Der Räuber schwieg, in seinem Gesichte drückte sich aber schwerer Argwohn aus. Viele unter den Geusen waren über seine Worte betroffen; denn sie wußten nichts von jenem, Versprechen Godmaert allein wußte darum, denn er hatte es gegeben.
»Unsere Sache,« sprach dieser, »ist zu edel und zu erhaben geworden, um gedungene Leute für sie zu gebrauchen? Ihr sollt den versprochenen Lohn empfangen, doch von jetzt, an seid Ihr entlassen. Kehrt zurück nach Zoersel, wenn Ihr wollt.«
»Sie werden bleiben!« rief Wolfangh, mit einem Blitz im Auge. »Ich werde sie zwingen, Gutes zu thun . . . kein Wort mehr, Bursche!«
Der Räuber schlug vor der Drohung seines Hauptmanns die Augen nieder.
»Hört, meine Herren,« hob Godmaert wieder an, »seht da, was Ihr thun könnet! – Es gibt noch treue Bürger genug in unserer Stadt, wir kennen ihrer viele, die der Ketzerei abgeneigt sind. Ruft diese morgen zusammen, und verwendet sie, um alle Auswiegelung zu stillen und die Kirchen zu beschützen. Schuermans mag das Volk von Klapdorf mitbringen: Ihr, De Rydt, die Brauer von Nieuwstad: Lodewyk, unsere Freunde von Kipdorf; Van Halen die Bootsleute von der Burg und so fort, jeder von Euch die, so ihm zugethan sind. Ihr findet euch morgen auf dem großen Markt ein und unterstützt die Waffenbrüder, wenn es vonnöten. An Ort und Stelle werdet Ihr vielleicht besser Eure Maßregeln treffen – Das ist das beste Mittel, und Alles wird gut von Statten gehen.«
Godmaert hatte zweimal einen Becher Wein bis auf den Boden geleert, und war davon wundersam gestärkt; seine Wangen färbte schon: eine leichte Röthe. Lodewyk sah entzückt den gebesserten Zustand des Greises: er verließ ihn keinen Augenblick und zeigte sich ängstlich um ihn besorgt; auf den kleinsten Wink eilte er Godmaert’s Wünschen zuvor, lüftete dessen Haupt, deckte seine Glieder zu, oder reichte ihm das Glas, um den Freunden Bescheid zu thun.
Da hörte man die Außenthüre öffnen, und das Rauschen seidener Gewänder ließ sich von der Treppe vernehmen. Einige Augenblicke, und Gertrud lag an der Brust ihres Vaters, weinend, nicht aus Schmerz, sondern vor Entzückung und Wonne.
»Vater, Vater!« rief sie, » seht Ihr, daß Ihr wieder auflebt. O, Ihr gewinnt schon wieder Farbe, und Eure Arme umfassen schon meinen Nacken. Laßt mich Euch küssen; Ihr wißt es, die Küsse Eurer Tochter sind heiß und stärkend. Vater, lieber Vater, Ihr lächelt mir zu! . . . « Ihre Hände faßten des Vaters Angesicht. Er fühlte gerührt die Liebkosungen der Tochter.
»Liebes Kindl« sprach er, »du bist mir ein Segen vom Himmel!« und er drückte sie zärtlich an sein Herz.
Die Umstehenden betrachteten in andächtigem Schweigen diese Scene. Schuermans und viele Andere wischten sich Thränen von den Wangen Wolfangh genoß den Lohn einer guten That, und hatte seine Augen mit den Händen bedeckt – er stand seitwärts in einer Ecke des Saals. Lodewyk, der kein Auge von Gertrud gewandt hatte, stand halb betrübt da – und beneidete Wolfangh im Innern. Doch diese Empfindung währte nicht lange; Gertrud faßte, seine Hand und drückte sie mit einem bedeutsamen Blicke. Der Jüngling verstand sie und ein heiteres Lächeln überzog sein Antlitz.
»Wolfangh! wo seid Ihr?« rief Gertrud, und blickte in dem Zimmer umher. »Ah! da seid Ihr, Befreier meines Vaters. Dank sei Euch . . . ich will für Euch beten . . . «
Des Räubers Augen glänzten von Thränen.
»Ich bin Eures Dankes nicht werth, edle Jungfrau,« sprach er, » doch schätze ich mich glücklich, etwas gethan zu haben, das Euch Vergnügen macht – Eure Freude ist mir ein süßer Lohn.«
»Herr Wolfangh!« versetzte Gertrud mit wehmüthiger, aber freundlicher Miene, »o, mich betrübt, daß ein, muthvoller Mann, wie Ihr . . . «
»Ich verstehe, Fräulein,« erwiederte der Räuber, »doch ist alle Hoffnung nicht verloren . . . Gedenkt meiner in Eurem Gebete.«
Indeß Gertrud mit Wolfangh fort sprach, stand die alte Therese, die mit dem Fräulein eingetreten war, bei ihrem alten Herrn und weinte. In mancherlei Ausrufungen machte sie ihrer Betrübnis Luft; denn sie sah ihn zum erstenmal, und so vermochte sie des Mädchens Freude nicht zu theilen. Hätte sie ihn dem Grabe so nahe gesehen, wie seine Tochter ihn erblickt hatte, so würde sie wohl auch vergnügt gewesen seyn. Auf Lodewyk Geheiß schwieg sie und weinte im Stillen fort.
»Vater!« sprach Gertrud, »laßt mich Euch in unser Haus bringen, damit Ihr ausruhen können und morgen wohlgemuth unter meinen Küssen erwachen.«
»Ihr Herren,« rief Godmaert, »ich verlasse Euch. Sorgt dafür, daß der heutige Tag keine Gräuel sehe . . . Kommt, noch einmal drücke ich Euch die Hand, Freunde, und Gott sei mit Euch!«
Alle drückten ihm nach der Reihe die Hand und sagten ihm ehrerbietig Lebewohl.
Wolfangh ließ die Tragbahre herbeibringen »Ihr Männer!« sprach er zu seinen Genossen, »schafft den edlen Godmaert in sein Haus. – Ihr sollt es bewachen, und mit Eurem Leben für Alles stehen, was ihm widerfährt.«
»Ich danke Euch, Herr Wolfangh,« sagte Gertrud, sich vor ihm verneigend.
Die vier Räuber hoben den Greis vorsichtig auf und, er verließ den Saal unter den Begrüßungen seiner Freunde.
»Lodewyk, wie gesagt, heut um acht Uhr!« rief Schuermans.
In weniger als einem Augenblicke war das Zimmer leer; noch vernahm man die Tritte der Abgehenden aus der Treppe; dann wurde das Außenthor hinter ihnen zugeschlossen.
»Jesus, Jesus! was wird’s morgen geben?» ächzte Mutter Schrikkel, und schob den letzten Riegel vor.