Kitabı oku: «Die Dorf-Plage», sayfa 5
IV
Es war ungefähr zehn Uhr des Morgens, als Torfs sein Haus verließ, um sich den Feldweg entlang nach der neuen Wohnung des Jan Staers zu begeben.
Kaum hatte er eine Schußweite Weges zurückgelegt, sah er aus der Ferne Clara ihm entgegenkommen. Das Mädchen schien aufgeräumt und heiterer Laune zu sein, denn sie trug den Kopf gerade und kam leichten Schrittes herangeschritten.
Der Greis schloß hieraus auf einen günstigen Verlauf seiner Angelegenheit, und fröhlichen Sinnes sah er das Mädchen auf sich zukommen.
– »Nun, Clara, hat euer Vater sich geduldig in sein Unglück geschickt?« fragte er. »Ist er vernünftiger geworden?«
– »Sonderbar«, erwiederte die Jungfrau, »aber es ist mit ihm eine merkliche Umwandlung vorgefallen. Es war noch früh, – als er gestern Abend von der Stadt zurückkehrte, und er muß nicht getrunken haben, denn er hat sich durch den Feldschützen ohne Einwendung in unsere neue Wohnung führen lassen. Dann sagte er mir einige stille freundliche Worte und forderte mich auf, ruhig ins Bett zu gehen. Ich schlief wenig, denn ich hörte, daß mein Vater wach war, und in seiner Kammer auf— und abging. Als ich aufstand und hinunterging, fand ich ihn in einer Ecke sitzen, die Arme über die Brust verschränkt und die Augen nach dem Boden gerichtet. Ich erschrak darüber und faßte ihm weinend die Hand; doch er tröstete mich mit Sanftmuth und bat mich um Vergebung für das Böse, das er, wie er sagte, mir angethan habe.«
« – »Es ist freilich zu verwundern. Also er will sich bessern?«
– »Er hat hoch und theuer versprochen, nie wieder ein Wirthshaus betreten, noch starke Getränke, ja keinen Tropfen, mehr kosten zu wollen. Er ergiebt sich demüthig in sein Geschick und sagt, er wolle als Tagwerker auf die Arbeit gehen, um uns Beiden die Kost zu verdienen.«
– »Und ihr glaubt, daß er es wirklich aufrichtig meint?«
– »Ich zweifle nicht daran, denn er hat schon beim « Holzschuhmacher« einen Spaten geborgt und seit diesem Morgen in aller Frühe ist er mit dem Umgraben des kleinen Gärtchens hinter unserem Hause beschäftigt. Vater Torfs, ich sollte über das, was uns betroffen, traurig gestimmt sein, aber ich weiß nicht wie, ich bin so sehr von freudigen Gefühlen bewegt, daß mir das Herz fast springen will. Mein Vater nicht mehr trinken, und wären wir so entblößt wie diese Steine, es wäre dieß allein noch immer ein großes Glück . . . Und wenn wir nun Beide recht arbeiten, so werden wir wohl hinreichend – verdienen, um die Miethe zu bezahlen und erträglich unser Leben zu fristen. Ich fühle mich so frisch und muthig, daß ich es nicht aussprechen kann; ja ich möchte fast dem lieben – Gott danken, daß er uns so tief ins Unglück gestürzt hat!«
Der Greis, bedenklich den Kopf schüttelnd, murmelte vor sich hin:
– »Hm, hm, es ist freilich gar so plötzlich!«
Zum Mädchen sich wendend, sprach er sodann:
– »Also er hat gesagt, daß er nicht wieder trinken und sich als Tagelöhner durchhelfen wolle? Es ist das ein guter Entschluß und darüber wollte ich eben mit ihm sprechen.«
Das Mädchen wies nun mit der Hand in der Richtung des Häuschens und sagte:
– »Seht dort hinter der Hecke den Vater, wie er frisch weg mit dem Spaten arbeitet.«
– »Ihr habt ihm doch meine Ankunft angekündigt?«
– »O gewiß, und er wird euch ehrerbietig anhören; er hat es mir versprochen.«
– »Nun, Clara, geht einstweilen, bis ich wieder zurückkehre zur Mutter Bethe; ich muß mit eurem Vater allein reden. Fasst Muth; denn wenn es sich so verhält, wie ihr sagt, so werden wir noch alle nach der Kirche gehen, um für Gottes wunderliche Fügung andächtig zu danken.«
Vater Torfs und Clara trennten sich und Vater Torfs trat in den, Garten des kleinen Hauses.
Als Jan Staers seinen alten Nachbar herannahen sah, überflog ein heftiges Roth sein Gesicht und seine Lippen zogen sich zu einem sonderbaren Ausdruck zusammen. War es die Scham über seine elende Lage oder verhaltener Zorn? – Der Greis dachte nicht weiter darüber nach, und sagte sich, es sei im Grunde ganz natürlich, daß Clara's Vater durch das über ihn hereingebrochene Begegniß zum mindesten von einer vorübergehenden Aufwallung befallen werde.
Jan Staers hatte seinen Spaten in die Erde gesteckt und die Arbeit verlassen. Nach etwas düsterer und kalter Begrüßung trat er mit Pächter Torfs in das Häuschen.
Nachdem er dem Alten einen Stuhl vorgerückt hatte, sprach er mit etwas verlegenem Ausdruck: – »Pächter Torfs, ihr habt die Güte gehabt, mir eine Wohnung zu besorgen: ich danke euch im Namen meiner Tochter.«
– »Im Namen meiner Tochter?« wiederholte Torfs.
– »Ja, denn für mich habt ihr's gewiß nicht gethan.«
– »Nachbar, so dürft ihr die Sache nicht auffassen,« bemerkte der Alte mit Nachdruck. »Wohl gestehe ich, daß ich lange böse auf euch zu sprechen war, und wahrhaftig, es war auch nicht leicht, kaltblütig mit anzusehen, wie ihr leichtsinnig euer Erbtheil aufzehrtet und euer eigenes Kind unglücklich machtet; aber glaubt mir, wenn ihr von eurem Laster euch losreißen und auf ewig den starken Getränken entsagen wollt, dann sollt ihr erfahren, daß ihr keinen besseren Freund habt, als mich.«
– »Möglich; immerhin werde ich es so einrichten, daß ich aus Niemands Hand zu essen brauche,« murrte Jan Staers mit einer Geberde verhaltenen Aergers. »Ich werde die Miethe dieses Häuschens bezahlen; so braucht ihr dem Jan Staers kein Almosen zu reichen.«
Er legte einen bissigen Nachdruck auf das Wort ihr, als wollte er dadurch zu erkennen geben, daß er von jedem Anderen eher sich helfen lassen würde, als vom Pächter Torfs, und es lag etwas Gereiztes und Feindschaftliches in seinen Worten.
– »Nachbar, Nachbar,« bemerkte der Greis unter Kopfschütteln, »der Hochmuth ist ein schlechter Rather. Ich hatte mir vorgenommen, euch Dinge vorzuschlagen, die einzig und allein das Glück eures Kindes und euer eigenes Wohl zum Ziele haben; aber ich sehe wohl, daß euch das Unglück nicht gebessert hat. Das betrübt mich sehr; aber ich kann doch auch nicht das Unmögliche thun. – In Gottes Namen denn!«
Er stand auf, als wollte er wieder aufbrechen und seufzte mit tiefer Wehmuth:
– »Arme Clara!«
– Da schlug sich Jan Staers plötzlich die Hände vor die Augen und fing an bitterlich zu weinen. Als ob ihm dieser gewaltsame Bruch seines Hochmuthes die Nerven auseinander gerissen hätte, es zuckten alle Glieder an ihm und ein schreckliches Geröchel drang aus seiner wie zusammengeschnürten Kehle hervor.
Vater Torfs schaute ihn eine Weile sprachlos an. Dann, von tiefem Mitleid ergriffen, legte er seinem Nachbar die Hand auf die Schulter und sagte in tröstlicher Weise:
– »Jetzt, Jan Staers, mäßigt euren Trübsinn; hört mich an, ich will euch sagen, was ich euch vorschlagen wollte.«
– »Ach ich bin ein verächtliches Geschöpf, ein giftiges Ungeziefer, ein gottverlassener Bösewicht!« rief Jan Stäers verzweiflungsvoll aus. »Für mich bleibt nichts übrig als in die Hölle zu sinken, um ewig darin zu verbrennen wie ein Teufel, als welcher ich stets gelebt habe. Diese ganze Nacht habe ich nicht geschlafen; denn zum ersten Mal seit langer Zeit hatte ich, nicht einen einzigen Schluck getrunken. Vater, Mutter, Frau, sie alle erschienen mir aus ihrem Grabe vor die Augen, schalten mich über mein ehrloses Betragen und beschuldigten mich, daß ich ihnen das Leben so bitter gemacht und die Ursache ihres frühen Todes gewesen.«
– »Ihr faselt; macht euch nicht schuldiger in euren eigenen Augen, als ihr wirklich seid,« murmelte der alte Torfs.
>– »Ich fasele?« wiederholte Staers mit bitterem Scherz. »Fünfzehn Jahre habe ich zur Schande des ganzen Dorfes wie, ein Vieh hingelebt; meines Vaters Schweiß, meines Kindes Erbe verpraßt; geschwelgt, geflucht, gelästert, als wollte ich aus dem Moderpfuhl meiner Säuferexistenz gegen Gott selber in den Kampf treten. Ja, ich habe die Sorgen, die hingebende Liebe, den Kummer Clara’s mit Gefühllosigkeit, wie ein gefräßiger Schlemmer, hingenommen . . . ihre Jugendblüthe unter der Schande welken machen . . . und zum Lohne sie endlich niedergeworfen auf das Stroh der Armuth, in den Abgrund der entsetzlichsten Demüthigung. Fluch über mich! meine Seele ist dahin; nichts bleibt zurück in meinem Herzen als ein ekelhaftes Gemisch von thierischem Triebe, von Selbstsucht, Feigheit und Hochmuth . . . Ihr kommt mich aus diesem Zustand herauszureißen; meine Clara wieder glücklich zu machen und aus dem Staube wieder emporzuheben . . . und ich, fluchwürdiges Ungeheuer, habe nicht einmal die Kraft über mich selbst, um dankbar zu sein. Ja vielmehr, es sträubt sich mein niederträchtiges Gemüth gegen die Wohlthat und empört sich gegen eure Großmuth, als gegen eine Verletzung meiner Würde. Ja verlaßt mich, ich bitte, ich bin eurer Güte nicht werth. »Gott hat seinen Fluch über mich ausgesprochen!«
Der alte Torfs konnte sich bei dieser Selbstanklage eines verzweifelnden Sünders der Thränen nicht enthalten. Nach einer Weile setzte er sich wieder neben Staers und sagte, ihn freundschaftlich bei der Hand fassend:
– »Jan, keine Schuld ist so schwer, daß sie durch Reue nicht wieder gebüßt werden könnte. So sehr mich euer Kummer auch schmerzt, so freut es mich über die Maßen, daß ihr über euer früheres Betragen endlich die Augen geöffnet habt. Es ist das schon viel gewonnen. Laßt mich nun einige Fragen thun; wir werden vielleicht schnell zu einem Entschlusse kommen. – Sagt mir, wie viel bleibt euch noch von dem Erlös eurer Kuh?«
– »Nichts,« antwortete Staers, »ich habe es dem Rendanten unseres Eigenthümers zugestellt, und erst, nachdem er es in eine Kasse verschlossen hatte, sagte er mir, daß das Austreibungsurtheil dennoch zur Ausführung kommen würde.«
– »Das ist gleich; eure Schulden sind um so viel verringert . . . Clara hat mir gesagt, daß ihr den Entschluß gefaßt habt, nicht wieder zu trinken. Ist dieß ernstlich und unwiderruflich gemeint?«
– »Wenn ich je wieder ein einziges Glas über die Lippen bringe,« rief Jan Staers mit geballter Faust, »dann soll mich . . . «
– »Nur keinen Schwur,« unterbrach ihn der Alte, »euer Versprechen genügt für den Augenblick vollkommen.«
– »Trinken?« begann der Andere aufs Neue. »Mein Entschluß steht so fest, daß ich nicht um einen Haufen Goldes je wieder einen Fuß in ein Wirthshaus setzen würde. Niemals, niemals!«
– »Das ist brav, Nachbar . . . Und weiter, höre ich, seid ihr gesonnen zu arbeiten, wie es die Pflicht eines gesunden Mannes mit sich bringt?«
– »Ich weiß nicht, Vater Torfs, ob ich es euch sagen darf; aber was ich am liebsten möchte, das ist sterben, weil doch mein Tod allein mein Kind glücklich zu machen vermag. Und so, in dieser guten Absicht, will ich meinem schuldvollen Leben ein Ziel setzen . . . «
– »Was, eurem Leben ein Ziel setzen,« rief der Greis zurückfahrend; »ihr seid von Sinnen, glaubt ihr denn nicht mehr, daß ihr eine Seele habt und daß ein Gott im Himmel ist? Unglücklicher, eure Worte machen mich schaudern.«
– »Ihr habt mich nicht recht verstanden,« bemerkte Jan Staers, »arbeiten will ich, so stark und unaufhaltsam arbeiten, daß ich endlich niedersinke . . . daß mein Körper erliege . . . «
– »Wenn ihr es also meint,« erwiederte Torfs beruhigt, »dann seid ohne Sorgen; die Arbeit, der man sich mit gutem Willen unterzieht, hat noch Niemand getödtet; sie macht im Gegentheil gesund und stark . . . Aber, Nachbar Jan, ihr habt Unrecht, so hitzig zu sein. Selbst im Guten muß man mit kalter Besonnenheit zu Werke gehen, und man kommt nur auf dem goldenen Mittelwege zu seinem Ziele. Wollt ihr wirklich euren unseligen Hang zum Trunke dem Glücke eurer Tochter opfern, dann fangt lieber damit an, eure Widerwärtigkeiten mit Geduld hinzunehmen und seht eurer Erniedrigung festen Muthes ins Angesicht. Werft euren Hochmuth von euch, denn er ist es, der euch so sprechen läßt und über euer unabwendbares Schicksal erbittert. Hört mir gelassen zu: ich will euch beweisen, daß ihr keine Gründe habt, an euch selber zu verzweifeln. – Gestern habt ihr euch gegen mich nicht schön benommen, und ich hatte beschlossen, nie wieder ein Wort mit euch zu wechseln. Aber der Schmerz, das Schamgefühl eurer Tochter, die weinend vor eurer Thüre saß, haben mich erweicht. Alles ist vergeben und vergessen. Die ganze Nacht habe ich darüber nachgedacht, wie ich euch und somit auch eurer Clara behilflich sein könne. Die erste Bedingung aber, die ich stelle, ist, daß ihr dem Trunke entsaget . . . denn wüßte ich, daß ihr nur ein einziges Mal wieder zum Branntwein gegriffen habt, unwiderruflich würde ich euch eurem Schicksal überlassen und mich eurer nicht weiter annehmen, als hätte ich euch niemals gekannt.«
Ein Ausdruck von aufwallendem Zorn zog über Staers’ Gesicht, aber er suchte ihn mit Gewalt zurückzudrängen. Doch verrieth sich derselbe noch in seinen Worten, da er sagte: »Ihr wollt Clara von der Armuth erretten? Nun so nehmt sie in euer Haus oder sorgt sonst für ihr Glück. Ich werde das Dorf verlassen und anderswo mein Brod sauer verdienen, bis daß ich dessen nicht mehr bedarf.«
– »Immer wieder der Hochmuth,« murmelte der Greis. »Nein, nein, es ist das nicht nöthig; denn wenn ihr nur ein einziges Mal wieder ans Trinken geriethet, würdet ihr doch wieder zurückkehren, und mir die Unannehmlichkeiten verursachen, denen ich eben ausweichen will und werde.«
– »Aber ich sage euch, daß ich nie, nie wieder trinken werde.«
– »Dieß eben müssen wir erst erproben, ihr so gut als ich. Man muß in Allem besonnen verfahren. – Hört daher mit Aufmerksamkeit und unterbrecht mich nicht. – Ihr besitzt nichts mehr, und wollt ihr nicht betteln, so müßt ihr natürlich arbeiten, auf den Tagelohn ausgehen. So seht denn, was ich euch vorschlage. Ihr sollt für mich arbeiten und ich gebe euch den höchsten Lohn, ohne weiter darauf zu achten, wenn ihr am Anfang nicht so rüstig zu Werke geht wie ein Anderer.«
– »Für euch arbeiten? als euer Taglöhner, euer Knecht?« murrte Jan Staers dumpf vor sich hin.
– »Was liegt daran, für wen ihr arbeitet?«
– »Ich kann mir nicht helfen,« antwortete Jan Staers, »aber dieser Gedanke will mir nicht in den Sinn. Ich würde ja vergeben vor Schande.«
»Ich begreife: ihr seid stets gegen mich erbost gewesen, aber war es denn meine Schuld? habe ich euch je etwas zu Leide gethan?«
– »Nein,« rief Jan Staers, »es war der Neid, der mir im Herzen nagte. Euer glückliches Fortkommen war mir ein Aergerniß, weil es mir stets auf dem Gewissen lastete und mich an meinen eigenen verkehrten Lebenswandel mahnte . . . Und jetzt noch leide ich an diesem Neide, und ich würde viel lieber für irgend einen andern arbeiten.«
– »Das kann nicht sein; zu eurem eigenen Wohle ist es nothwendig, daß ich euch beistehe im Kampfe gegen euer verderbliches Laster. Seid nicht übermüthig; es ist gar leicht zu sagen: »Ich trinke nicht mehr;« das Versprechen ist noch nicht die Heilung selber. – Also, ihr sollt bei mir als Tagelöhner eintreten. Ich stelle diese Bedingung übrigens nur auf drei Monate, und zwar nicht, um euer Meister zu sein, sondern vielmehr ist es mir darum zu thun, während dieser Zeit allmälig euer Freund zu werden . . . Dabei ist es ernstlich ausgemacht, daß ihr unterdessen nie wieder ein Gläschen Branntwein zu euch nehmet. Denn seht, so fest auch eure Entschließung sein mag, laßt nur ein einziges Glas über eure Lippen kommen und der Teufel hat euch aufs Neue in den Krallen! . . .
Ein leichtes Lächeln bewegte die Lippen des Jan Staers und er antwortete:
– »Seid es überzeugt; ich trinke nicht wieder.«
– »Aber wollt ihr euch der Probe mit gutem Willen und in freundschaftlicher Gesinnung unterwerfen?«
– »Ja, da ihr es wollt.«
– »Nun, so will ich noch etwas Weiteres sagen. Wenn ihr Wort haltet, und drei Monate lang das Trinken vermeidet, dann werdet ihr stark genug geworden sein, um fortan als, ein ehrlicher Mann und als Vater euren Pflichten nachzukommen und mich habt ihr inzwischen auch zum Freunde gewonnen. Dann fangen wir an, über unsere Kinder zu sprechen und überlegen es uns, ob es nicht gut wäre, sie nach Ostern trauen zu lassen. Versteht sich, Staers, daß ihr von da ab nicht mehr Taglöhner bleibt. Mein Sohn nennt euch alsdann seinen Vater und ihr begreift, daß wir euch nicht unter solchen Umständen in einer untergeordneten Stellung beharren lassen werden. Mein erster, von euch verworfener Vorschlag käme dann wieder aufs Tapet. Wir würden unseren Kindern eine kleine Meierei einrichten und ihr zöget zu uns, nicht mehr als Arbeiter oder als Knecht, sondern als Anverwandter, als Glied der Familie.«
– Jan Staers sah den alten Torfs mit einem ihm ungewöhnlichen Ausdruck an; sein Gesicht war von einer sanften Rührung erheitert und bezeugte, daß jene Worte wohlthuenden Trost in sein Herz gegossen hatten.
Der Greis bemerkte diese günstige Umwandlung gar wohl und mit sanfterem, herzlicherem Tone fuhr er fort:
– »Jan, bis jetzt hat euch Jedermann im Dorfe verspottet und verachtet, ihr selbst habt bitter darunter gelitten und euch nur darum immer mehr dem Trunke ergeben, um die Stimme eures Gewissens zu ersticken, nicht wahr? Nun denn, führt euren Vorsatz aus, ihr sollt sehen, wie fröhlich und heiter das Leben sich für euch noch gestalten soll! Die Leute werden sich freuen über eure Besserung, euch hochschätzen für euren tugendhaften Entschluß. Mit der Zeit wird Alles vergessen sein, und in der Ueberzeugung, daß ihr nun eure Pflichten gegen Gott und Menschen wieder gehörig erfüllt, werdet ihr selbst Kraft und Muth schöpfen; aufrecht dürft ihr dann wieder einhergehen, und braucht vor Niemand mehr die Augen niederzuschlagen. Wir werden gute Freunde sein, für unsere Kinder arbeiten – denn sie müssen doch einmal uns beerben, – uns ihrer Liebe, ihres Glückes mit einander freuen . . . und wenn endlich der Herr des Himmels euch vor seinen Richterstuhl fordert, mit Vertrauen in seine Barmherzigkeit seinem Rufe folgen!«
Jan Staers war von dem seelenvollen Tone des Greises – zu Thränen gerührt, und sagte leise:
– »Ihr seid allzu großmüthig gegen mich, ich habe es nicht verdient.«
Und auf einmal freudig die Hände hebend, rief er aus:
– »Wie! ich soll mich also aus dieser Schande emporraffen können? Meine schwere Schuld, während so vieler Jahre angehäuft, kann noch abgebüßt werden? Eine Familie soll ich, finden, die mich liebt und verpflegt? Für meine Clara arbeiten dürfen und mich ihrer aufopfernden Liebe endlich würdig machen? Sie glücklich sehen? Oh, Torfs, edler Mensch, ihr schenkt mir das Leben zurück, die Ruhe meiner Seele, das Vertrauen auf Gott! Dank, tausendmal Dank.«
– »Gebt mir die Hand darauf,« sprach der Greis, »die Hand der Freundschaft und der Standhaftigkeit.«
Mit fieberhafter Wärme schlug Jan Staers ein und als ob er in Nichts mehr Maß zu halten vermöchte, überlud er seinen Wohlthäter mit so feurigen Dankesäußerungen, daß dieser, um diesen Bezeugungen ein Ende zu setzen, ihm in die Rede fiel und ernsten Tones sagte:
– »Jan, ich glaube an die Aufrichtigkeit und Festigkeit eurer Entschlüsse, aber laßt mich dennoch den Fall setzen, daß ihr nochmals der Verführung unterliegen konntet. – Was ich von euch verlange, ist der Preis für die Zukunft und das Glück eurer Tochter. Wenn ihr nur ein einziges Mal euch vom Trunke fortreißen lassen solltet, so würde ich ohne Gnade mit euch brechen und selbst meinem Sohne verbieten, Clara länger zu sehen, und müßte ich dazu von meinem väterlichen Ansehen Gebrauch machen. Und es fehlt mir nicht an Willensstärke; denn was ich einst nach reiflicher Ueberlegung beschlossen, das wird unfehlbar auch ausgeführt. Aber ich habe die Zuversicht, daß ihr nicht als ein unmenschlicher Vater das Leben eurer Tochter um eines unheilvollen Triebes willen zertrümmern wollt. Ihr müßt einsehen, daß vor euren Füßen ein Abgrund der Schande, der Armuth und des Fluches sich aufgethan; ihr werdet euch nicht blindlings hineinstürzen und euer Kind mit darein begraben wollen, jetzt da euch die Rettung und das Glück wieder zulächeln.«
– »Nein, nein, seid ohne Besorgniß,« antwortete Jan Stäers, »ich werde eurem Rathe folgen, mich leiten lassen, wie ein Kind, mich eurem Willen unterwerfen und euch dienen mit Dankbarkeit und Ehrerbietigkeit. Mehr kann ich doch nicht versprechen: die Worte fehlen mir, um euch das Gefühl der Erkenntlichkeit, das mich beseelt, in seiner ganzen Stärke auszudrücken. Aber seid es versichert, ich trinke nicht mehr, nichts Anderes mehr als Wasser . . . «
– »Und Kaffee und Kleinbier, die wir euch bereitwillig reichen werden. Ihr dürft in euren Vorsätzen nicht zu weit gehen, Nachbar, es ist dieß unklug und gefährlich. Wessen Pfeil zu weit über das Ziel hinausstiegt, verfehlt eben so sehr das Schwarze, als wer zu kurz schießt.«
Der Alte stand auf und dem Staers die Hand reichend, sagte er:
– »Ich bin zufrieden; eine fröhliche Hoffnung erfüllt mein Herz. Muth geschöpft, Nachbar, es wird schon gehen. Wir werden noch heitere Tage mit einander verleben. Nun, wann kommt ihr zu uns, um zu arbeiten?«
– »Morgen, wenn es euch recht ist.«
– »Morgen? Es wäre mir lieber gewesen, ihr kämet schon nach dem Mittagessen, denn seht, Jan, die Arbeit ist die stärkste Waffe gegen alle Schwachheiten, und es ist nicht gut, daß der Mensch zu lange mit seinen Gedanken allein bleibe. Im thatenlosen Zustand läuft neben dem Guten auch das Schlechte durch den Kopf.«
– »Nun, diesen Nachmittag; ich will Alles thun, was ihr für gut haltet.«
– »Wir werden zusammen etwas neues Korn dreschen, und ihr sollt sehen, wie das Arbeiten den Geist erleichtert und das Herz fröhlich macht. Also, bis sogleich!«
Pächter Torfs verließ das Häuschen mit fröhlichem Gemüthe. So sehr er Anfangs über den Erfolg seiner Bemühungen besorgt gewesen, frohlockte er nunmehr in seinem Innern über das gute Gelingen derselben. Der Gedanke, daß es ihm möglich geworden, seinem Nebenmenschen eine große Wohlthat zu erweisen, erfüllte ihn mit einer Art heiteren Selbstgefühls. Dazu gesellte sich die süße Genugthuung, daß er dabei auch das Glück seines Sohnes begründet und ihm viel Schmerz und Kummer erspart habe.
Schnellen Schrittes wandelte er über die Felder nach seinem Hofe zurück, an dessen Hinterthüre er seine Frau mit Clara stehen sah, die erwartungsvoll nach ihm blickten und im Voraus sich an seinem heiteren Aussehen zu erfreuen schienen.
Beide liefen ihm entgegen und fragten ungeduldig nach dem Erfolg seines Besuches.
»Es ist Alles ganz nach Wunsch ausgefallen,« sagte der Greis, »es ist noch Gefühl, noch Tugend bei Jan Staers vorhanden, und ich habe Grund, die besten Hoffnungen zu schöpfen.«
– »Und hat er eure Vorschläge alle angenommen?« fragte die Mutter.
– »Ja. Zwar kostete es ihm im Anfang einige Mühe; aber man darf nicht zu viel verlangen von Jemand, der in einer so unglücklichen Lage sich befindet, wie Jan Staers. Köln und Aachen sind nicht in einem Tage gebaut worden. Es wird sich schon machen; ich bin nur froh, daß mir Gott diesen Gedanken eingegeben, denn es wird Gutes daraus folgen.«
Clara, die ihm zitternd jedes Wort ablauschte, bei der Hand fassend, sprach Vater Torfs mit freundlichem Tone zu ihr:
»Ihr müßt das Eurige dabei thun, liebes Kind, und durch Liebe euren Vater in seinen Vorsätzen stärken. Freut euch nur immer des bisherigen Fortgangs der Sache; die gestrigen Träume sollen noch Wirklichkeit werden. Ihr werdet uns ein theures Kind sein, und wir alle werden noch in Freundschaft und Fröhlichkeit heitere Tage mit einander verbringen.«
Das Mädchen senkte gerührt die Augen und suchte ihre Thränen zu verbergen.
Plötzlich schien ein ferner Lärm ihr Ohr betroffen zu haben, denn sie blickte auf und schaute über die Felder hin in der Richtung, von welcher der Knall einer Peitsche sich hatte hören lassen.
Mit einem Schrei der Freude hob sie die Hände über den Kopf und schwang sie in der Luft.
– »Was thut ihr, Clara?« fragte Mutter Bethe mit Verwunderung.
– »Seht ihr denn nicht?« rief die Jungfrau; »dort in dem Hohlweg kommt Lukas mit seinem Karren herangefahren. O wie wird er sich freuen?«
Sie fuhr noch immer fort, ihrem Geliebten zuzuwinken und rief:
»Ah, jetzt hat er mich gesehen. Hört, wie lustig er die Geißel knallen läßt! Er kommt, er kommt!«
Aergerlich rief nun der Vater, als er selber das Geschnalze gehört hatte:
– »Oh, der lose Schelm; er wird das Pferd noch zum Reißaus bringen und bricht sich selbst dabei Hals und Beine. Seht, wie der Wagen hin und her schaukelt; er kommt gewiß nicht mehr ganz in den Hof. Der muthwillige Wicht, er soll mirs bezahlen. Dieses junge Volk kann nichts als stürmen und toben und zertrümmern. Aber laßt ihn nur kommen!«
– »Ereifert euch nicht so, Vater Torfs,« bat Clara, »es ist ja nur Freude . . . Ich will ihm entgegen laufen und ihm sagen, daß er langsamer fahren soll.«
»Ja, ja, hört nur meinen armen Wagen, wie er rasselt und kracht,« murrte der Alte. »Der Schmied wird wieder sein Theil kriegen; wie kann der Junge mein schönes Geld so leichtsinnig verschleudern. Da, da, das Pferd jagt davon!«
Clara hörte diese letzten Klagen nicht mehr; pfeilschnell war sie davon und jauchzend und winkend lief sie dem Jüngling entgegen.