Kitabı oku: «Das Feuer», sayfa 3

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– Schon, aber wenn einer an sich denkt, dann ist es immer auf Kosten von andern. Wenn einer von der Mannschaft das beste Stück oder den besten Platz wegnimmt, dann müssen eben die andern dran glauben, philosophiert Volpatte.

– Ich, meint Lamuse, ich hab mich oft gedrückt vor dem Schützengraben, ich kann's schon gar nicht mehr an den Fingern abzählen wie vielmal; das muss ich schon zugestehn. Aber wenn die Kameraden in Gefahr sind, dann drück ich mich nicht mehr. Dann vergess ich die Uniform, dann vergess ich alles. Ich sehe nur Leute vor mir und drauf los. Aber sonst, weisst du, da denk ich an meine Wenigkeit …

Was Lamuse behauptet, sind keine leeren Worte. Er ist allerdings ein Virtuos im Sichdrücken; daneben aber hat er Verwundeten das Leben gerettet, die er unter dem Kugelregen hervorholte.

Er erzählt das ohne jede Prahlerei:

– Wir lagen auf dem Bauch im Gras. Es knallte. Pam! pam! Zim, zim … da sah ich sie umfliegen und bin aufgestanden, obwohl mich die andern anbrüllten: »leg dich hin!« Aber ich konnte sie einfach nicht liegen lassen. Ich hab kein weiteres Verdienst dabei, ich konnte eben nicht anders handeln.

Fast alle von der Korporalschaft haben eine Heldentat zu verzeichnen, und nach und nach haben sich Kriegskreuz an Kriegskreuz auf ihrer Brust angereiht.

– Ich, sagt Biquet, hab keine Franzosen gerettet, aber Deutsche hab ich eingeheimst.

Letzten Mai bei der Attacke hat man ihn vorstürmen und dann wie ein Pünktchen verschwinden sehn; darauf kam er mit vier bemützten Kerlen zurück.

– Ich hab welche getötet, sagt Tulacque.

Vor zwei Monaten hat er mit einer stolzen Koketterie neun vor den eroberten Schützengraben nebeneinander hingelegt.

– Aber, fügt er hinzu, auf die deutschen Offiziere hab ich's besonders abgesehn.

– Ha, die Ochsen!

Der Ausruf liess sich von verschiedenen Seiten zugleich vernehmen und tönte aus tiefster Ueberzeugung.

– Ach »Alter«, sagt Tirloir, man spricht von der schmutzigen Boche-Rasse. Die Mannschaft, weiss nicht, ob's wahr ist oder ob man uns auch in dem Kapitel einen Bären aufbindet; vielleicht sind es doch Leute ungefähr wie wir.

– Wahrscheinlich sind sie auch nicht anders wie wir, macht Eudore.

– Müsste man noch wissen! … platzt Cocon heraus.

– Jedenfalls, was die Mannschaften angeht, ist man noch nicht orientiert, fährt Tirloir fort, aber die deutschen Offiziere, nein, nein und abermals nein! Das sind keine Menschen, das sind Ungeheuer. Weiss Gott, es ist schon ein Spezial-Ungeziefer; Kriegsbazillen nenne sie meinetwegen. Von nahem muss man die Kerle gesehen haben, lang, mager, dünn wie Nägel, und doch mit dicken Kälberfratzen.

– Haufenweise haben sie Schlangenmäuler.

Dann fährt Tirloir wieder weiter:

– Ich hab mal einen gefangen gesehn nach dem Gefecht. Das gemeine Biest! Ein preussischer Oberst mit einer Prinzenkrone, wie ich hörte, und einem goldnen Wappen auf dem Lederzeug. Hat der Kerl nicht reklamiert, als man ihn durch den Schlauch führte, weil sich einer erlaubte, ihn zu streifen! Und auf alles hat er runtergeguckt von der Höhe seines Kragens herab. »Warte du, Alter, ich will dir!« hab ich gedacht. Ich nicht faul, hinter ihm her und jag dem Kerl mit ganzer Kraft einen Tritt in den Arsch. Jawohl, umgefallen ist er, halb erstickt.

– Erstickt?

– Jawohl, vor Wut, als ihm die Situation klar wurde, nämlich dass ihm sein adeliges Offiziersgesäss von einem gewöhnlichen benagelten Kommisabsatz demoliert war. Dann ist er ab, und hat geschrien wie ein altes Weib und rumgefuchtelt hat er wie ein Epileptischer …

– Ich, meint Blaire, bin kein schlechter Kerl. Hab Kinder zu Hause, und daheim, wenn ich ein Schwein, das ich kenne, abschlachten muss, geht's mir durch die Gedärme, aber so ein Kaliber, dem würd ich mit Wonne so eins – dzing – in die Brustkommode jagen.

– Ich auch!

– Abgesehn davon, sagt Pépin, dass sie Silberdeckel auf dem Schädel tragen und Revolver, die du zu jeder Zeit für hundert Franken verkaufen kannst, und Prismengucker haben, die unbezahlbar sind. Was hat ich doch am Anfang für Gelegenheiten verpasst; gekonnt hätt' ich; es geschieht mir recht, aber nur keine Bange: was den Silberhelm betrifft, sag ich dir, hör nur zu, einen krieg ich schon noch. An der Haut allein ist mir nicht gelegen, die Kleider eines kaiserlichen Offiziers muss ich haben. Hab nur keine Sorge, bevor der Krieg fertig ist, werd ich das schon noch deichseln.

– Glaubst du dran, dass der Krieg mal aus sein wird? fragt einer.

– Nur keine Sorge, antwortet der andre.

*

Unterdessen hört man rechts von uns ein lautes Durcheinander und sieht plötzlich einen lauten Menschentrupp, der sich vorwärts bewegt und dabei schwarze Gestalten sich unter die Uniformen mischen.

Was ist das Teufels?

Biquet hat sich zur Orientierung hinausgewagt. Als er zurückkam, deutete er mit dem Daumen über die Schulter nach der bunten Gesellschaft:

– Hola! Kameraden, guckt euch mal das an, die Leute.

– Leute?

– Ja, Herren, Zivilisten mit Generalstabsoffizieren.

– Zivilisten! Wenn sie nur durchhalten!

Es ist zwar bereits eine traditionelle Phrase, und obgleich man sie schon hundertmal gehört hat, reizt sie doch wieder zum Lachen; und obwohl der Soldat ihr mit Recht oder Unrecht einen andern Sinn unterschiebt und sie als einen ironischen Hieb auf sein entsagungsreiches und gefährdetes Leben auffasst, so lacht er doch darüber.

Man sieht zwei jener Herren hervortreten; sie tragen Ueberzieher und Stock, ein anderer steckt im Jagdkostüm mit einem Samthut und einem Feldstecher.

Zartblaue Waffenröcke mit gelbem oder schwarzem Glanzleder folgen als Begleitung hinterdrein.

Ein Hauptmann mit einer seidnen, mit goldnen Pfeilen bestickten Armbinde, macht auf die Schiessbank vor einer alten Scharte aufmerksam und lädt die Besucher ein, hinauf zu steigen und sich die Gegend zu betrachten. Der Herr mit dem Reiseanzug stemmt sich hinauf und stützt sich dabei auf seinen Regenschirm.

Da meint Barque:

– Hast du den Bahnhofsvorstand in der Sonntagsuniform gesehn, der dem reichen Jägersmann eine erste Klasse auf dem Nordbahnhof anweist, am Tag der Jagderöffnung: »Bitte, Herr Gutsbesitzer.« Ueberhaupt, wenn die grossen Tiere nagelneu ausstaffiert sind mit Leder und Blechzeug und wichtig tun mit ihrem Kaninchen-Schiesszeug!

Drei oder vier Soldaten, die ihr Lederzeug abgelegt hatten, sind unter die Erde gekrochen. Die andern rühren sich nicht, wie vom Schlag getroffen, dass die Pfeifen sogar ausgehn und man nur das Wortgesumse der Offiziere und ihrer Gäste hört.

– Das sind die Schützengraben-Touristen, meint Barque halblaut. Dann mit etwas lauterer Stimme: »Bitte, meine Herrn und Damen!«

– Halt's Maul! flüsterte ihm Farfadet ins Ohr, denn er befürchtete, Barque würde mit seiner »frechen Schnauze« die Aufmerksamkeit jener einflussreichen Leute auf sich ziehn.

Einige Gesichter werden auf uns aufmerksam; ein Herr mit weichem Filzhut und wehender Kravatte tritt heran. Er trägt einen kleinen, weissen Spitzbart und sieht wie ein Künstler aus. Hinter ihm her kommt ein zweiter mit schwarzem Ueberzieher, schwarzem, steifem Hut, schwarzem Bart, weisser Halsbinde und einem Zwicker.

– Aha! macht der erste, da sind »Poilus« … waschechte »Poilus«, tatsächlich.

Dann tritt er auf uns zu, schüchtern wie ein Tiergarten-Besucher, und reicht dem ersten etwas linkisch die Hand, wie man einem Elefanten ein Stück Brot hinreicht.

– So, so, sie trinken den Kaffee, konstatiert er kurz.

– Man sagt »Schlamm«, berichtigt der schwarze Herr.

– Schmeckt's, was?

Der Soldat, an den sich die Frage richtet, und der selbst durch die fremden und exotischen Erscheinungen etwas eingeschüchtert ist, brummt etwas hin, lacht und errötet; dann sagt der Herr: »He! He! worauf er mit dem Kopfe ein wenig nickt und sich rücklings zurückzieht.

– Brav, brav, meine Freunde. Ihr seid tapfere Leute!

Darauf setzt sich der Menschenknäuel, der aus neutralem Zivilgrau und bunten Militärfarben besteht, wie mit Geranium und Hortensienblumen auf einem schwarzen Grund, wieder in Bewegung, drückt sich vorbei und verschwindet wieder auf der Seite, von der er gekommen war. Noch hörte man einen Offizier zu ihnen sagen: »Bitte die Herren Journalisten, wir haben noch vieles zu sehn.«

Als aber die vornehme Gesellschaft verschwunden war, schauten wir uns an. Diejenigen, die in den Schlupfwinkeln verduftet waren, kriechen einer nach dem andern wieder hervor. Die Leute finden sich wieder und zucken mit den Achseln.

– Das sind Journalisten, meint Tirette.

– Journalisten?

Na ja, die Bonzen, die die Zeitungen machen; kapierst du immer noch nicht, du Dickschädel! Oder meinst du, die Zeitungen, das geht so ganz von selbst?

Also das wären jetzt die, welche uns den Schädel mit ihrem Zeug vollpfropfen? sagt Marthereau.

Barque aber holt seine Fistelstimme vor, hebt die Hände hoch als halte er ein Stück Papier vor die Nase und rezitiert:

– »Der Kronprinz ist verrückt geworden, nachdem er gleich zu Kriegsbeginn getötet worden war und hat unterdessen alle erdenklichen Krankheiten. Wilhelm stirbt heute oder morgen. Die Deutschen haben keine Munition mehr und futtern Holz: nach den massgebendsten Ansichten können sie nur noch bis Ende der Woche stand halten. Man wird sie kriegen, sowie man nur will, Gewehr bei Fuss. Wenn man die Sache bis jetzt noch verschiebt, so geschieht das nur, weil wir uns von unserm lieben Schützengraben nicht trennen können; es ist nämlich so gemütlich darin, mit Wasser, Gas und Brausebad auf jeder Etage. Das einzig störende ist im Winter die allzugrosse Hitze … Was die Oesterreicher betrifft, so halten die schon lange nicht mehr stand … sie stellen sich nur so, als ob …« Fünfzehn Monate schon geht das in dem Ton weiter und meint der Direktor zu seinen Schreibern: »So Jungens, jetzt heisst's die Geschichte breit treten, dass die verfluchten vier weissen Blätter, die man zu verdrecken hat, voll werden.«

– Tja ja! macht Fouillade.

– Na was denn sonst, Korporal, du lachst; hab ich Recht oder nicht?

– Etwas Wahres ist schon dran, aber ihr macht die kleinen Kerle doch ein wenig zu schlecht; wenn ihr um eure Zeitung kämt, wärt ihr die allerersten, die 's Maul verziehn würden … Jawohl, wenn der Zeitungsverkäufer kommt, was schreit ihr dann einer wie der andre: »Mir! Mir!

– Und überhaupt kann dir das alles doch Wurst sein! ruft der alte Blaire. Schreit sich der Kerl die Kehle heiser über die Zeitungen; mach's wie ich und denk einfach nicht dran.

Ja, schon gut, Maul halten! Buch zu, Eselsrüssel!

Die Unterhaltung lässt nach, die Aufmerksamkeit verfliegt. Vier Leute machen sich zu einem Kartenspiel zusammen, das bis zum Abend dauern wird und man die Karten nicht mehr unterscheiden kann. Volpatte hascht einem Zigarettenblättchen nach, das ihm aus den Fingern geflogen ist und an der Grabenwand wie ein fliegender Schmetterling hin- und herflattert.

Cocon und Tirette kramen Kasernen-Erinnerungen aus. Die Dienstjahre leben in unverwischbarer Erinnerung in den Geistern fort; man war so sehr daran gewöhnt seit zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahren in dieser reichen, stets offenen und freigebigen Fundgrube Unterhaltungsstoff zu schöpfen, dass man nach anderthalb Jahren allseitiger Kriegserfahrung immer noch darauf zurückgreift.

Ich lausche mit einem Ohr der Unterhaltung und errate das übrige, übrigens sind es stets dieselben Anekdoten, die der Exmilizer aus seiner militärischen Vergangenheit hervorholt: das eine Mal hat einer einem lästigen Vorgesetzten durch eine freche aber witzige Antwort das Maul gestopft. Er, er hat's gewagt, er hat es ihm laut und deutlich gesagt! … ich vernehme einzelne Bruchstücke der Unterhaltung:

– … und als Nenoeil mich verklatscht hatte, jawohl, nicht einen Augenblick hab ich mit der Wimper gezuckt. Die andern hatten alle 's Maul verpappt; aber ich hab ihm's raus gesagt: »Herr Adjutant, hab ich gesagt, schon möglich, aber …« (der Rest des Satzes ist mir entfallen) … Jawohl, dem hab ich die Meinung gesagt. Er war mäuschenstill. »Schon gut, schon gut,« hat er gebrummt und hat sich gedrückt. Platt war er, sag ich dir.

– Grad wie ich, damals mit dem Adjutant vom 13., als ich auf Urlaub war. Der Hund. Jetzt ist er Aufseher im Pantheon. Er konnte mich nicht riechen. Und dann …

So holt ein jeder seine berühmten Aussprüche aus der Sammlung seiner Erinnerungen hervor.

Und sie sind einer wie der andere: aber keiner ist unter ihnen, der nicht behauptete: ich bin nicht einer wie die andern.

*

– Der Wagenmeister!

Ein grosser, breiter Kerl mit dicken Waden, gut gekleidet und geschniegelt wie ein Polizeisoldat.

Er ist schlechter Laune. Neue Befehle sind ausgegeben worden und so muss er alle Tage zum Kommandoposten des Obersten die Briefsachen bringen. Er flucht auf diese Verordnung, als sei sie ausschliesslich gegen ihn gerichtet.

Aber nichtsdestoweniger spricht er gewohnheitsgemäss mit dem einen oder dem andern im Vorübergehen und ruft die Korporale zur Verteilung der Briefe. Trotz seiner schlechten Laune packt er alle Neuigkeiten aus, mit denen er frisch beladen hergekommen war; und während er die Schnur löst, die die Briefe zusammenhält, verteilt er den Vorrat seiner mündlichen Neuigkeiten.

Zunächst verrät er, im Rapport stehe das ausführliche Verbot, Kapuzen zu tragen.

– Hörst du? sagt Tirette zu Tirloir. Kannst darauf hin deine schöne Kapuze wegschmeissen.

– Fällt mir im Traum nicht ein, geht mich nichts an, antwortet der Kapuzenmann, dessen Ehre und Behaglichkeit zugleich auf dem Spiele stehn.

– Befehl des Armee-Kommandanten.

– Dann soll der General zuerst das Regnen verbieten; der Rest geht mich 'n Dreck an.

Die meisten Befehle, selbst die minder aussergewöhnlichen, werden nie anders aufgenommen … bis man sich ihnen fügt.

– Der Rapport befiehlt auch, sagt der Briefmensch, dass die Bärte abzuschneiden seien, und die Haare mit der Maschine, glatt ab!

– Nur langsam, Alter! meint Barque, dessen Haarbüschel sich durch die Verordnung direkt bedroht fühlt, erzähl das deiner Grossmutter!

– Maul halten! Uebrigens mach's oder mach's nicht, geht mich 'n Dreck an.

Ausser diesen positiven, schwarz auf weiss festgenagelten Nachrichten, gibt es noch wichtigere, aber dafür auch weniger bestimmte und fantastischere Neuigkeiten: es heisst, die Division werde abgelöst und käme, entweder auf Urlaub – aber auf richtigen Urlaub, für sechs Wochen – oder nach Marokko, oder vielleicht nach Aegypten.

– Eh! … Oh! … Ah! …

Alles hört zu und lässt sich durch den Reiz der Neuigkeit und des Abenteuerlichen locken.

Einer jedoch fragt den Wagenmeister:

– Wer hat dir das gesagt?

Der Wagenmeister verrät seine Quelle:

– Der Adjutant und Kommandant der Landwehrabteilung, der im General-Quartier des Armee-Korps den Verwaltungsdienst versorgt.

– Wo?

– Im General-Quartier des Armee-Korps … Und er sagt es übrigens nicht allein. Der andere da, weisst du, der Kerl, von dem ich den Namen vergessen habe: der, der dem Galle so ähnlich sah und doch nicht der Galle ist. Ich weiss nicht mehr, wen er in der Familie hat, der irgend was Teufels ist. Aber der konnte es von dem ganz genau wissen.

– Und dann?

Und sie stehn im Kreis, mit gierigen Blicken, um den Geschichten-Erzähler.

– Nach Aegypten, sagst du? … kenn ich nicht. Weiss nur, dass es dort Pharaonen gab, als ich noch klein war und in die Schule ging. Aber seither! …

– Nach Aegypten …

Der Gedanke bohrt sich allmählich in die Köpfe ein.

– Nein, sagt Blaire, ich hab die Seekrankheit Aber schliesslich die Seekrankheit, das dauert nicht lange … Schon, aber was würde meine Alte dazu sagen?

– Was soll sie auch? Sie wird sich schon damit zurechtfinden!

Aber Neger werden wir sehn; und grosse Vögel laufen dort auf den Strassen herum, wie bei uns die Spatzen.

– Hiess es denn nicht, wir kämen nach dem Elsass?

– Doch, sagt der Wagenmeister. Im Tresor glauben es einige.

– Mir wär's schon recht …

… Aber der gesunde Menschenverstand und die Erfahrung haben bald wieder die Oberhand gewonnen und verjagen die Träume. Wie oft hat man nicht bestimmt behauptet, dass man weit weg käme; so oft hat man es geglaubt und jedesmal wurde man enttäuscht! Dann ist es einem, als erwache man plötzlich wieder.

– Das ist alles Schwindel! Wie oft hat man uns angeschmiert. Warte erst ab, bevor du's glaubst, und zerbrich dir den Schädel nicht darüber.

Sie kriechen in ihre Ecken zurück, der eine da durch, der andere dort durch und ihre Hände halten das schwere oder leichtere Paket der Briefe.

– So! sagt Tirloir, ich muss schreiben, ich muss alle acht Tage geschrieben haben, da kannst du nichts dagegen machen.

– Ich auch, sagt Eudore, muss meiner kleinen Frau schreiben.

– Wie geht's der Mariette.

– Gut. Hab nur keine Bange wegen Mariette.

Einige haben sich schon zum schreiben fertig gemacht. Barque benützt sein Notizbuch als Unterlage. Er schreibt stehend auf einer Unebenheit der Grabenwand und scheint dabei das Opfer einer Inspiration; er schreibt und schreibt, den Kopf schief auf der Seite, angespannten Blickes und mit vollster Aufmerksamkeit wie ein Reiter in gestrecktem Galopp.

Dem Lamuse hingegen fehlt die Phantasie; er hat sich hingesetzt, das Brieftäschchen auf den Gipfel seines ausgepolsterten Knies gelegt und den Tintenstift angefeuchtet; nun liest er die letzterhaltenen Briefe wieder durch und weiss nichts anderes zu schreiben, als das, was er schon einmal geschrieben hat und doch versteift er sich darauf, etwas neues zu finden.

Eine süsse Gefühlsstimmung liegt über dem kleinen Eudore; er sitzt zusammengekauert in einer Art Erdnische und sammelt seine Gedanken, den Bleistift in der Hand, die Augen auf dem Papier; er blickt verträumt und schaut süsse Bilder und man errät jenen andern Himmel, der ihn erstrahlen lässt und wohin sein Blick schweift, weithin bis in seine Heimat …

Während des Briefschreibens ist man am ehesten wieder, was man früher war. Mehrere unter den Soldaten geben sich der Erinnerung an jene Vergangenheit hin und erzählen einander zunächst vom Essen.

Andere lassen in unbeholfener und unklarer Form einen vergangenen Traum wach werden, wo das einst Gewesene wie helle Lichtstrahlen aufleuchtet: der frühe Sommertag, wenn das frische Grün des Gartens in die weisse Bauernstube leuchtet, oder der Wind, der über die Ebenen weht und die Kornfelder wiegt in behäbigen und festen Rhythmen, und daneben das Haferfeld, das mit zappeliger und weiblicher Beweglichkeit im Winde erzittert; oder die Winterabende, wenn die lieblichen Frauen um den Tisch sitzen, im sanften Schein der Lampe.

Papa Blaire hat einen begonnenen Fingerring vorgenommen, hat das unfertige Aluminium-Ringlein über einen Holzzapfen gezogen und bearbeitet es mit einer Feile. Mit ganzer Seele ist er bei der Arbeit und strengt seine volle Geisteskraft an, wobei zwei tiefe Runzeln sich in seine Stirn graben. Zeitweise hält er inne, hebt den Kopf hoch und betrachtet den kleinen Gegenstand mit Liebe, wie wenn auch sie dabei wäre und es besähe.

– Verstehst du, sagte er mir eines Tages wegen eines andern Ringes, gut oder nicht gut, darauf kommts nicht an; Hauptsache ist, dass ich's für meine Frau gemacht habe, verstehst du? Wenn ich so nichts zu tun hatte und mir die Faulheit in den Knochen lag, betrachtete ich dieses Bild (dabei zeigte er die Photographie einer dicken, pausbäckigen Frau) und dann ging's mit diesem verfluchten Ring wie geschmiert. Wir haben ihn miteinander gemacht, kann man sagen, verstehst du? Beweis dafür ist, dass er mir Gesellschaft leistete und dass ich von ihm Abschied genommen habe, als ich ihn meiner Alten schickte.

Jetzt macht er einen andern mit Kupfereinlage und arbeitet fleissig dran. Sein ganzes Gefühl möchte er so gut als möglich hineinlegen und übt sich darin wie in einer Art Kaligraphie.

In den nackten Erdlöchern, in denen diese Menschen ehrfurchtsvoll über leichte, elementare Schmucksächelchen gebückt sitzen, über jene Gegenstände, die so winzig sind, dass die harte, schwere Hand sie mühevoll hält und gleiten lässt, bei dieser Arbeit erinnern sie noch mehr an Wilde und scheinen primitiver und menschlicher noch als sonst.

Man denkt dabei an den ersten Erfinder, den Vater aller Künstler, der es versuchte, dauerhaften Gegenständen die Form des Gesehenen zu verleihen und sein eigenes Erleben hineinzulegen.

*

– Achtung, es kommen welche, kündet Biquet an, der immer in unserm Grabenabschnitt die Rolle eines Hauswärters vertritt, ein ganzer Zug.

Im gleichen Augenblick erscheint ein Adjutant mit geschnürtem Bauch und Kinn, und schwingt die Säbelscheide.

– Platz da! Teufel nochmal, Platz, wenn ich's sage! Liegt ihr auf der Bärenhaut? … Vorwärts, drückt euch, das letzte Mal, dass ich euch auf der Passage erwische, verstanden!

Die Leute folgen langsam. Einige drücken sich träge in die seitlichen Löcher.

Es ist eine Kompagnie Landwehrleute des Sektors, die die Erdarbeiten in der zweiten Linie zu besorgen und die hinteren Laufgräben instand zu halten haben. Sie marschieren mit ihren Geräten, in elender Kleidung und müden Schrittes an.

Man betrachtet sie, einen nach dem andern, jeden einzelnen, wie er herankommt, vorbeigeht und verschwindet. Kleine, alte und zusammengeschrumpfte Leute, mit aschgrauen Backen, oder dicke, asthmatische Kerle, eng eingeschnürt in ihre abgeschossnen, ausgefranzten fleckigen Mänteln, an denen die Knöpfe fehlen.

Tirette und Barque, die beiden Spassvögel, stehn mit dem Rücken an der Erdwand und betrachten sie zunächst ohne Bemerkungen. Dann lächeln sie.

– Strassenkehrer-Défilé, meint Tirette.

– 's gibt was zu feixen für drei Minuten, kündet Barque an.

Einige jener alten Arbeiter sehn in der Tat komisch aus. Da kommt zum Beispiel einer, dem die Schultern herabhängen wie bei einer Flasche; er hat eine ausserordentlich schmächtige Brust und dünne Beine und ist trotzdem wohlbeleibt.

Barque kann den Mund nicht mehr halten:

– He! sag mal, Dubidon!

– Dünner Ueberzieher, meint Tirette zu einem vorübergehenden Mantel, der mit Flicken in allen blauen Schattierungen besetzt ist.

Er ruft den Veteranen an:

– He! du Mustermappe … he, horch mal, du, ruft er nachdrücklich.

Der andre dreht sich um, macht den Mund auf und guckt ihn an.

– Sag mal, Alterchen, sei so freundlich, gib mir doch deine Schneider-Adresse in London, sei so gut.

Das alte und runzlige Gesicht lacht – und das Männlein, das auf den Anruf hin ein Weilchen stille stand, wird von dem nachfolgenden Zug angerempelt und wieder mitfortgerissen. »

Dann kommen ein paar weniger bemerkenswerte Statisten; dann aber erscheint wieder ein neues Opfer, das den Anspielungen als Zielscheibe dienen muss. Es trägt auf seinem rauhen, rötlichen Nacken eine Art schmutzige Schafswolle. Der Landwehrmann hat die Knie eingeknickt, den Oberkörper vorgebeugt und den Rücken gekrümmt und steht mit Mühe aufrecht.

– Guck da, schreit Tirette und zeigt mit dem Finger hin, der berühmte Harmonikamensch! Auf dem Jahrmarkt musste man Eintritt zahlen. Hier hat man's umsonst!

Und während der Angerufene Flüche ausstottert, lacht man hier und dort.

Mehr braucht es nicht, um beide Spottbrüder zu reizen. Der Wunsch, eine komische Bemerkung anzubringen, die ein wenig verwöhntes Publikum für lustig befindet, spornt die beiden an, sich lustig zu machen über die Lächerlichkeiten jener alten Waffenbrüder, die Tag und Nacht, am Rande des grossen Krieges, die Schlachtfelder mühsam vorbereiten und instand halten.

Auch die andern Zuschauer greifen jetzt ein; und diese Armseligen spotten jene aus, die noch armseliger sind als sie selbst.

– Schau dir den an! Und der erst!

– O verflucht, photographier mir doch einer den kleinen Floh-Arsch! He! du Erdhocker!

– Und der hört überhaupt nicht auf! Hast du Worte! Hui! der Wolkenkratzer!

Der, den's angeht, trippelt einher und hält seinen Spaten vor sich wie einen Kerzenstock, mit krampfhaft zusammengezogenem Gesicht und schiefem Körper, der im Hexenschuss erstarrt ist.

– He! Grossväterchen, willst du zwei Sous? fragt Barque, indem er dem Vorbeigehenden auf die Schulter klopft.

Der kahle Alte aber fühlt sich beleidigt und schimpft geärgert: »Scheisskerl!«

Dann wirft ihm Barque mit brüllender Stimme entgegen:

– Du, aber höflicher könntest du sein, altes Furzloch, du Scheissmühle!

Der Alte dreht sich völlig um und stottert in seiner Wut.

– Oho! schreit Barque und lacht, ich glaube, er röchelt, der Trümmerhaufen. Guckt, wie er rauflustig ist; wenn der Kerl sechzig Jahre jünger wär, wär er noch gefährlich.

– Und wenn er nicht besoffen wär, fügt billigerweise Pépin hinzu, der nach neuen Zielscheiben unter den neu Ankommenden sucht.

Dann sieht man die hohle Brust des letzten Nachzüglers, und bald verschwindet die Missgestalt seines Rückens. Und dem endenden Défilé jener verbrauchten, in den Gräben verdreckten Veteranen schauen die sarkastischen und beinahe böswilligen Blicke jener düstern Höhlenbewohner nach, die zur Besichtigung aus ihren Kotlöchern halb herausgetreten waren.

Unterdessen aber verstreichen die Stunden; der Abend taucht den Himmel schon in sein graues Licht, und in ihm werden die Dinge schwarz; er gesellt sich dem finstern Los und auch der dunkeln und unwissenden Seele jener Menge, die hier vergraben liegt.

Jetzt hört man im grauen Abend das trommelnde Geräusch nahender Schritte, und eine neue Abteilung bricht sich Bahn.

– Afrikaner!

Sie schreiten vorüber mit ihren gelben, hell- und dunkelbraunen Gesichtern; die einen haben spärliches, die andern dichtes und gewelltes Barthaar; ihre Mäntel sind grüngelb und man sieht auf ihren kotbespritzten Helmen einen Halbmond an Stelle unserer Granate. Ihre Augen leuchten wie Elfenbein- oder Onyx-Kugeln in ihren glänzenden, teils stumpfen, teils eckigen und spitzen Gesichtern. Von Zeit zu Zeit wiegt sich über dem Zug die schwarze Kohlenmaske eines Senegalesen, der die andern überragt. Hinter der Kompagnie flattert eine kleine, rote Fahne mit einer grünen Hand in der Mitte.

Man betrachtet die Leute schweigend und spricht sie nicht an; denn sie imponieren und flössen sogar eine gewisse Angst ein.

Und doch scheinen diese Afrikaner fröhlich und gut aufgelegt. Sie marschieren natürlich in die erste Linie. Dort gehören sie hin, und ihre Gegenwart ist das Zeichen eines nahe bevorstehenden Angriffes. Sie sind wie geschaffen für den Sturm.

– Sie und die Fünfundsiebziger-Kanone, das kann man sagen, denen haben wir schon was zu verdanken! Ueberall zuvorderst in den wichtigen Augenblicken stand sie, die Marokko-Division!

– Sie können sich nicht an uns anpassen. Es geht ihnen nie schnell genug. Unmöglich, die Kerle aufzuhalten …

Die einen haben ernste Gesichter unter diesen blonden, bronze- und ebenholzfarbnen Teufeln; ihr Blick ist beunruhigend, stumm wie die Falle, die man sieht. Die andern lachen; ihr Lachen aber tönt wie die bizarren Instrumente exotischer Musik und sie zeigen dabei die Zähne.

Man bespricht miteinander die Eigenarten jener Schwarzen: ihre Wut beim Ansturm, ihre wahnsinnige Vorliebe für's aufgabeln, ihre Art, kein Pardon zu geben. Man wiederholt die Geschichten, die sie selbst gerne erzählen, und alle ungefähr mit denselben Worten und denselben Gebärden: sie strecken die Arme hoch: »Kam'rad, Kam'rad!« »Nein, nix Kam'rad!« worauf sie das Spiel des Bajonetts nachmachen, das man in Bauchhöhe vorstösst und wieder herauszieht, indem man mit dem Fuss nachhilft.

Einer jener Schützen hört im vorübergehn, wovon die Rede ist. Er schaut uns an, lacht breit aus seinem behelmten Turban heraus und wiederholt mit dem Kopfe nickend: »Nix Kam'rad, nix Kam'rad! Kopf kaput!«

– Es ist doch eine ganz andere Rasse als wir, mit ihrer Zelttuchhaut, gesteht Biquet zu; und Biquet ist kein Hasenfuss. Die Ruhe können sie nicht leiden, sie leben nur für den Augenblick, in dem der Offizier seine Uhr in die Tasche steckt und sagt: »Vorwärts, los!«

– Es sind im Grunde genommen echte Soldaten.

– Wir, wir sind keine Soldaten, wir sind Menschen, sagt der dicke Lamuse.

Die Abendstunde hat das Land in Dunkelheit getaucht und doch wirft dieses wahre und leuchtende Wort einen lichten Schein auf jene Männer, die seit Monaten jeden Morgen hier auf den Abend warten.

Es sind Menschen; es sind ganz gewöhnliche Menschen, die man dem Leben plötzlich entrissen hat; wie beliebig aus der Masse herausgenommene Menschen sind sie unwissend, wenig begeistert, mit engem Horizont begabt und voll gesunden Menschenverstandes, der zwar zeitweise entgleist; sie lassen sich führen und geben sich her, das zu tun, was ihnen befohlen wird, ohne merklichen Widerstand, und sind fähig, lange zu leiden.

Es sind einfache Menschen, die man noch vereinfacht hat und bei denen notgedrungen die Urinstinkte in den Vordergrund treten: der Selbsterhaltungstrieb, der Egoismus, die hartnäckige Hoffnung immer wieder davonzukommen und dazu die Freude am Essen am Trinken und am Schlafen.

Mitunter aber bricht aus dem dunklen Schweigen ihrer grossen, menschlichen Seelen ein tiefer Schrei der Menschlichkeit.

Und dann, wenn im Abend alle Formen untergehen, hört man in der Ferne einen Befehl, der sich mählich nähert:

– Zweite Halbsektion! Antreten!

Und man tritt an in Reih und Glied; dann wird Appell gemacht.

– Vorwärts! sagt der Korporal.

Dann setzt man sich in Bewegung. Vor dem Gerätschuppen wartet und steht man herum. Jeder bekommt eine Schaufel oder eine Hacke. Ein Unteroffizier hält in der Dunkelheit den Leuten die Gerätstiele hin.

– Sie, eine Schaufel; vorwärts, ab! Sie, auch eine Schaufel, Sie, eine Hacke. So, vorwärts, Trab!

Dann geht's durch den Laufgraben, senkrecht zum Schützengraben, geradaus auf jene bewegliche, lebendige und schreckliche Grenze des Jetzt zu.

Und im grauen Einerlei des Himmels hört man in grossen absteigenden Kreisen den schnurrenden und mächtigen Atem eines Flugzeuges, das man nicht mehr sieht. Vor uns aber und rechts und links von uns, auf allen Seiten, speien Donnerschläge in den schwarzblauen Himmel kurze, breite Blitze.

*

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Yaş sınırı:
18+
Litres'teki yayın tarihi:
12 mayıs 2025
Hacim:
440 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9783849605438
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