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2.1.1 Zur Ausgangssituation – die Erforschung von Teilnehmerinnen in Frauenliturgiegruppen

In Arbeiten aus den Bereichen von Religionssoziologie und Theologie lassen sich inzwischen vielfältige qualitative und quantitative Studien zur Erforschung individueller und kollektiver Religiosität von Frauen und Mädchen finden (vgl. Franke 2002; Matthiae 1999; Augst 2000; Klein 2000; Könemann 2002). Zentraler Gegenstand der Untersuchungen sind dabei vielfach die religiöse Verortung der Einzelnen oder eine Typologie religiöser Phänomene. Dabei zeigt sich, dass einem Punkt in den Forschungen bislang wenig Bedeutung beigemessen worden ist, nämlich der Tatsache, dass Frauen, wenn sie religiös interessiert sind, sich vielfach in Gruppen zusammenschließen, Gemeinschaften bilden und sich mit den anderen Frauen auf den Weg nach eigenen und ansprechenden Formen des Glaubens und der Spiritualität begeben.

Die Frage nach innovativen kirchlichen Frauengruppen wurde in den 80er Jahren in einer Untersuchung von Ingrid Lukatis und Anna Barbara Naß gestellt (vgl. Lukatis/Naß 1981) und Ende der 90er Jahre von Sabine Federmann (Federmann 2001) aufgegriffen und weiter bearbeitet. Ziel dieser Arbeit war es, herauszufinden, warum Frauen sich in religiös geprägten Gruppen engagieren, „was sie in die Gruppen einbringen, was sie an Resultaten erwarten, welche Entwicklungen sie im Verlauf der Gruppenprozesse nehmen und welche Formen religiöser Praxis durch die Gruppen geprägt werden“ (Federmann 2002, 99). Forschungsgegenstand waren ausgewählte Gruppen zu folgenden Bereichen: Weltgebetstag der Frauen, das Frühstückstreffen (eine evangelikal geprägte Veranstaltung) und Projektgruppen zur Vorbereitung und Durchführung feministischer Gottesdienste.

Die vorliegende Untersuchung fragt nicht danach, warum Frauen sich in religiös motivierten Gruppen engagieren, sondern der Fokus dieser Arbeit ist auf die spirituelle Praxis von Frauen in sogenannten Frauenliturgiegruppen oder -ritualgruppen gerichtet. Es geht dabei um die Klärung ihres kirchlich-religiösen Ortes. Alle befragten Frauen kommen aus dem Bereich der katholischen Kirche, wobei in der Bearbeitung der Fragestellung auch einer weltkirchlichen Perspektive nachgegangen wird, indem Frauen aus einer Frauenliturgiegruppe in Brasilien in das Sample aufgenommen wurden. Folgende Aspekte sind in dieser Arbeit von Interesse: Warum schließen sich Frauen in Frauenliturgiegruppen zusammen? Was erleben sie und wie prägt es ihren Glauben und ihr Handeln? Welche Entwicklungen durchlaufen die Frauen und welche Formen religiöser Praxis entwickeln sie? Die weltkirchliche Perspektive spielt in diesen Zusammenhängen eine bislang untergeordnete Rolle. Eine Ausnahme stellt die Publikation von Teresa Berger „Dissident Daughters“ dar, die allerdings bislang nicht ins Deutsche übersetzt ist (Berger 2001). In dieser Publikation wird deutlich, dass es nicht nur in Europa und Nordamerika eine liturgische Bewegung von Frauen gibt, sondern auch in Südamerika, Afrika und Asien. In der Zusammenschau von 14 Liturgiegruppen wird sichtbar, dass sich alle Gruppen vor allem mit zwei Aspekten auseinandersetzen: „There are two major aspects of the liturgy that need to be liberated – its language and its leadership“ (ebd., 5). Die Auseinandersetzung und Bearbeitung dieser Gesichtspunkte haben dazu geführt, dass Frauen „moved from liturgical consumption and reproduction to production […]“ (ebd., 14). Weltweit nehmen Frauen für sich in Anspruch, eine eigene liturgische Praxis zu entwickeln. Damit beanspruchen sie für sich auch „liturgische Gestaltungs- und Definitionsmacht gegenüber einer androzentrisch eingeschränkten Liturgiepraxis“ (Enzner-Probst 2004, 310 f.).

In diesem Sinn werden in der vorliegenden Arbeit exemplarisch auch die Erfahrungen brasilianischer Frauen in den Blick genommen. Vor diesem weltkirchlichen Hintergrund können signifikante Aussagen über das Verhältnis von Frauen und Kirche gemacht werden, die den deutschsprachigen Kontext überschreiten. Mit einem solchen Ortswechsel im Untersuchungsraum lässt sich belegen, dass es sich nicht nur um ein westeuropäisches (bzw. nordamerikanisches) Phänomen und Bestreben von Frauen handelt, sondern dass es von weltkirchlicher Tragweite ist.

Die Fragestellungen der Untersuchung wurden vor dem Hintergrund entwickelt, dass sich die Realität der katholischen Kirche (weltweit) wandelt. Als Religionsgemeinschaft verliert sie mehr und mehr an Macht. Eine ehemals auf Machterfahrungen hin ausgestattete Größe sieht sich mit Ohnmachtserfahrungen konfrontiert (vgl. Sander 2002). Das, was sie zu sagen hat, verliert immer mehr an Bedeutung im Leben von Menschen und den Gesellschaften, in denen sie leben. Die Stimme der Religionsgemeinschaft katholische Kirche ist inzwischen eine Stimme unter vielen anderen Religionsgemeinschaften und Sinnanbietern.

Dabei ist zu beachten, dass es auch innerhalb der Religionsgemeinschaft unterschiedliche Gemeinschaften gibt. Diese Gemeinschaften haben nicht die institutionelle Macht, aber sie sind dennoch bedeutsam. Sie untersuchen das, was es hier und heute gibt, auf Tatsachen, die für die Rede von Gott bedeutsam sind. Sie untersuchen die Zeit auf ihre Zeichen hin. „Diese Zeichen bieten sich als Alternative zum Subjekt an, um den Glauben der Kirche in den pluralen Realitäten von heute zu repräsentieren. Wer von ihnen ausgeht, um das Evangelium zur Sprache zu bringen, hat keine selbstverständliche Macht von Einzelnen oder von Gemeinschaften im Auge, sondern setzt auf eine Macht aus jener Ohnmacht, in die die heutigen Subjekte geraten. Diese Zeichen der Zeit bedeuten Differenzerfahrungen und stellen Machtprobleme dar. Sie gehören zu den Ereignissen und Entwicklungen, in denen Menschen um die Anerkennung ihrer Würde ringen müssen. Einer Kirche, die sich mit allen Menschen solidarisch erklärt hat, welche sich auf den Weg zu ihrer Menschwerdung machen, wird zugemutet, in diese Differenzerfahrungen und Machtprobleme hineingezogen zu werden“ (Sander 2002, 121).

In den Zeichen von Religions- und Pastoralgemeinschaft zeigt sich, dass die Kirche von sehr differenten Erfahrungen durchdrungen ist. Sie ist nach wie vor eine Macht, die immer wieder auch eine große Öffentlichkeit herstellen kann, wie es sich z. B. beim Tod des Papstes Johannes Paul II. im April 2005 und auch beim Weltjugendtag in Köln im August 2005 gezeigt hat. Sie ist eine Macht über Jahrhunderte hinweg. Aber das ist nur die eine Seite. Die Religionsgemeinschaft erschöpft sich nicht in den Zeichen ihrer Macht. „Die Macht der Religionsgemeinschaft kann nicht ausschöpfen, was Kirche ist und wozu ihre Existenz dient. […] Anders als die Religionsgemeinschaft Kirche ist die Pastoralgemeinschaft Kirche nicht mit dem zu greifen, was Kirche vor den anderen darstellt und was ihr gut tut, sondern erschließt sich über das, was die anderen für die Kirche darstellten und was ihr Not tut. Diese Gemeinschaft ist ebenfalls mit Macht verbunden, aber mit der Nicht-Form dieser Macht, der Ohnmacht. Diese beiden Gemeinschaftsformen finden sich in der Kirche; es gibt sie nicht nur in der einen oder anderen Form“ (Sander 2002, 14). Kirche ist immer beides, Religions- und Pastoralgemeinschaft, und beide Gemeinschaftsformen stehen in je eigener Weise vor der Aufgabe, das zum Tragen zu bringen, worauf sie von Christus und den Menschen her angelegt ist (vgl. ausführliche Beschreibung in Kapitel 4.4).

Für beide Gemeinschaftsformen der Kirche gilt, dass sie Rituale ausbilden. Diese sind von ihren jeweiligen Grammatiken geprägt und in unterschiedlicher Weise von den Koordinaten der Macht und Ohnmacht durchzogen. Die Gemeinschaften sind Ritualgemeinschaften im Zeichen der Ohnmacht. Sie teilen ihre Ohnmachtserfahrungen mit Jesus am Kreuz und mit vielen Menschen in der Welt von heute. Es sind ihre Ohnmachtserfahrungen, die sie hellhörig machen für die Nöte und Sorgen, Freuden und Hoffnungen der Menschen. In dieser Hellhörigkeit und Wachsamkeit bieten sie den Glauben an. Die Religionsgemeinschaft ist sehr stark von Ritualen im Zeichen der Macht durchzogen, wie sich z. B. an Pontifikalämtern und Fronleichnamsprozessionen zeigt.

Die Rituale, die Frauen in Liturgiegruppen entwickeln und feiern, sind Zeichen der Pastoralgemeinschaft Kirche. Frauen suchen angesichts der Erfahrungen, die sie machen, der Lebensformen, die sie gewählt haben, der Orte, an denen sie leben und arbeiten, nach spirituellem und rituellem Ausdruck. Sie haben erkannt, dass Rituale in den unterschiedlichsten Situationen des Lebens ein Segen sind.

Dies zeigt sich besonders in jenen Situationen, die mit Übergangsprozessen, mit Liminalität (vgl. Turner 2000) verbunden sind, in prekären Situationen. Für besonders heikle Liminalitätsprozesse wurden und werden Rituale entwickelt: Geburt, Familie, Eheschließung, Amtsantritt, Tod. Rituale markieren Schwellen, den Übergang. An der Schwelle, im Übergang bilden sich oftmals Gemeinschaften (vgl. ebd.; Kapitel 4.3). Wenn Frauen Liturgien entwickeln und feiern, ihre eigene spirituelle Kompetenz entfalten, dann tun sie etwas Unerhörtes. Sie beanspruchen für sich, dass Rituale heil machende, befreiende und segnende Zustände menschlicher Existenz und menschlichen Zusammenlebens vorwegnehmen und erfahrbar machen. Durch ihre Rituale und Liturgien wird es ihnen möglich, neue soziale Orte zu erobern. Frauen benennen auch immer wieder tabuisierte und verdrängte Themen in ihren Feiern (Ende einer Beziehung, Gewalterfahrungen, Frühgeburt). Die Inhalte, die sie benennen, verstören.

Zugleich gelingt es ihnen aber, Zeichen auszubilden, die Schritte ins Leben weisen. Dies ist das Ziel einer jeden Liturgie. Sie will den Alltag und seine Logik durchbrechen und Orientierung geben. Sie erinnert und orientiert sich an Jesu Ohnmacht am Kreuz und damit an der Macht, die aus der Ohnmacht kommt (vgl. Sander 2001, 93). Sie spricht von den Zumutungen des Glaubens und der Tatsache, dass Menschen der Ohnmacht ihrer eigenen Existenz nicht ausweichen können. Sie wirft die Frage nach den Sehnsüchten und Hoffnungen auf und damit nach dem Unerhörten, dem man sich nicht entziehen kann. In der Ohnmacht und im Unerhörten stecken Lebenskräfte, sie sich jenen erschließen, die diesen Zumutungen nicht ausweichen. Die Liturgien der Frauen weichen diesen Zusammenhängen nicht aus. Deswegen sind sie in der Lage, die Lebenskraft des Unerhörten zu entdecken und für das Leben produktiv zu machen. Insofern hat das, was in ihren Liturgien und Ritualen geschieht, auch eine ekklesiologische Bedeutung. Teile des Volkes Gottes versammeln sich und begeben sich auf die Suche nach neuen Orten, an denen sie Bestärkung erfahren und Kraft sammeln können.

Um qualifizierte Aussagen zu den Fragestellungen der Arbeit machen zu können, wurde das Forschungsdesign einer qualitativen Studie gewählt. Qualitative Sozialforschung will Bezüge aufdecken, während quantitative Sozialforschung das Messen unterschiedlicher Ausprägungen schon bekannter Bezüge zum Ziel hat und somit im Grunde nie mehr leisten kann, als schon Bekanntes zu erklären (vgl. Atteslander 2003, 238).17 Im Sinn des qualitativen Designs dieser Studie ist es das Ziel, die Frauen in ihren spirituellen und rituellen Anliegen zu verstehen. In der Anlage dieser Studie geht es nicht um quantitative, repräsentative Ergebnisse, sondern am exemplarischen Ausschnitt sollen Muster entdeckt und relevante Rückschlüsse gezogen werden. Mithilfe von Methoden aus dem Bereich der qualitativen Sozialforschung lassen sich in den individuellen Abbildern signifikante Aussagen in Bezug auf das Ganze machen. „Qualitative Sozialforschung geht davon aus, daß die von ihr untersuchte soziale Welt ihre Sinn- und Relevanzstruktur von den in ihr lebenden, denkenden und handelnden Menschen erhält. […] Deshalb bietet sich immer dann, wenn soziale und/oder individuelle Wahrnehmungen und Deutungssysteme untersucht werden, der Einsatz qualitativer Verfahren an. Kennzeichnend ist hier ein größerer Freiraum, der der Subjektivität der Befragten eingeräumt wird“ (Franke 2002b, 141). Qualitative Sozialforschung setzt im Konkreten an und blickt von da aus auf die gemeinschaftlichen Strukturen. Dabei zeigt sich, dass sich in der Exemplarität bedeutsame Fragestellungen und Aussagen in Bezug auf universale Zusammenhänge entdecken und formulieren lassen. „Dieser Untersuchungsperspektive liegt die These zugrunde, daß gesellschaftlich Verallgemeinerbares sich im individuell Besonderen auf spezifische Weise abbildet. Umgekehrt bedeutet die Annahme, daß durch die Untersuchung individueller Verarbeitungsmechanismen gesellschaftlicher Werte und Normen die dahinterliegenden Regel- und Normensysteme verdeutlicht und verallgemeinert werden können“ (Söderblom 2002, 55).

Methoden der qualitativen Sozialforschung sind davon geprägt, dass sie den Befragten einen großen Freiraum lassen und dass auf eine detaillierte Hypothesenbildung im Vorfeld der Untersuchung verzichtet wird. „Qualitative Verfahren ermöglichen demgegenüber, neue Hypothesen im Forschungsprozess selbst zu entwickeln, die dann sukzessive überprüft und modifiziert werden können“ (Franke 2002b, 141). Insofern kann gesagt werden, dass für die qualitative Forschung eine „enge Wechselbeziehung zwischen theoretischem Vorverständnis und empirischem Material und das Verfahren einer schrittweise vortastenden Klärung und Revision von Begriffen, Interpretationen und theoretischen Annahmen“ konstitutiv sind (Hopf 1993, 29).

Vor diesem theoretischen Hintergrund ist die Wahl der Methode dem Untersuchungsgegenstand angemessen und im Rahmen der Auswertung der Interviews wird noch zu klären sein, ob diese den allgemeinen Befund über das Verhältnis von Frauen zu Spiritualität, Liturgie und Ritual erhärten. Und erst auf dieser Basis sind dann die Konsequenzen für eine Pastoral am Ort der Frauen zu entwickeln.

2.1.2 Zur Auswahl der Interviewpartnerinnen

Die Untersuchungsgruppe wurde so ausgewählt, dass Frauen interviewt wurden, die alle Erfahrungen im Kontext von Liturgie, Frauenliturgie- und/oder -ritualgruppen haben. Das Spektrum erstreckte sich von Frauen mit Erfahrungen aus dem Kontext einer kontemplativen Ordensgemeinschaft und eines Missionsordens über Frauen, die regelmäßig in einem privaten Kreis zusammenkommen, bis hin zu jenen, die sich im Rahmen eines kirchlichen Trägers zu Frauenliturgien treffen. Daneben kommen auch eine postchristliche Vertreterin zu Wort, die in ihrer Praxis für Psychotherapie und Spiritualität Rituale anbietet, und eine Frau, die keiner festen Gruppe angehört, aber schon über einen langen Zeitraum für sich persönlich Rituale entwickelt und durchführt. Die Interviews wurden nicht nur in Deutschland, sondern auch in Brasilien durchgeführt, um, wie bereits erwähnt, exemplarisch den weltkirchlichen Aspekt der Fragestellung bearbeiten zu können. Im Sample war folglich der maximale Kontrast ein wichtiges Kriterium. Neben den Frauen, die noch zum sozialen Kern der Kirche gehören, sollten auch Frauen zu Wort kommen, die zu diesen einen Gegenpol markieren. Damit soll gewährleistet werden, ein möglichst breites Spektrum von Frauen zu Wort kommen zu lassen und somit auch Anfragen an die kirchlich-pastorale Praxis aus unterschiedlichen Bezügen formulieren zu können.

2.1.3 Die Vorgehensweise und Kontaktaufnahme

Ein Teil der Interviewpartnerinnen wurde gefunden, indem auf die Hilfe einer der Interviewerin bekannten Gemeindereferentin zurückgegriffen werden konnte. Sie war es, die die Anfrage an Teilnehmerinnen in Frauenliturgie- und Ritualgruppen weitergegeben hat. Die Kontakte nach Brasilien wurden über eine missionarische Ordensgemeinschaft geknüpft, zu der es persönliche Bezüge gibt. Hier bestand eine Verbindung zu einer Ordensschwester, die wiederum vor Ort Frauen angefragt hat. Diese Vorgehensweise hat sich als sehr praktikabel erwiesen. So war es den Angefragten möglich, über die vertraute Kontaktperson Fragen und Informationen einzuholen. Nachdem Frauen ihre Bereitschaft erklärt hatten, war es hilfreich, eine kurze Zeit vor den geplanten Interviews in einen persönlichen Kontakt mit den Frauen zu treten. Dabei war es wichtig, deutlich zu machen, dass die Kontakte nicht instrumentell wahrgenommen wurden und es ermöglichten, dass die Interviews selber dann in einem gut bereiteten und schon etwas vertrauten Rahmen stattfanden (vgl. Matthes 1985, 321).

Persönliche Kontakte waren bei vier Interviewpartnerinnen vorhanden, wenngleich der Kontakt locker war bzw. für das Interview eigens neu aktiviert wurde. Die Gesprächspartnerin aus der kontemplativen Ordensgemeinschaft wurde über eine schriftliche Anfrage innerhalb ihrer Gemeinschaft gefunden. Im Vorfeld dieses Interviews gab es ein Vorgespräch mit der Äbtissin und der Schwester, die sie für das Gespräch vorgeschlagen hatte. In einem Fall fand das Vorgespräch in der Privatwohnung einer Frau statt. Für sie war das Vorgespräch sehr wichtig, weil sie sich erst auf der Basis dieses Gespräches definitiv für das Interview zur Verfügung stellen konnte. Mit allen anderen Frauen in Deutschland gab es im Vorfeld des Interviews einen telefonischen Kontakt, um über das Anliegen und die Intention des Projektes zu informieren, die Bereitschaft zur Teilnahme definitiv zu erfragen sowie Orte und Zeitpunkte für die Interviews zu vereinbaren. Mit den Frauen in Brasilien gab es im Vorfeld des Interviews ein gemeinsames Treffen, das nicht zuletzt auch dazu diente, einander kennenzulernen und vor allem den Brasilianerinnen einen Eindruck von der „Frau aus Deutschland“ zu ermöglichen.

Es war insgesamt sehr erfreulich, dass es überhaupt keine Schwierigkeiten gab, sowohl in Deutschland wie in Brasilien Interviewpartnerinnen zu finden. Nachdem das Anliegen erläutert worden war, waren alle sofort bereit, an einem solchen Gespräch teilzunehmen. Die Interviewerin war für die Frauen eine Vertreterin der Kirche und wurde als eine Repräsentantin verstanden, die erstmals Interesse an ihren Erfahrungen bekundete. Dies öffnete im wahrsten Sinne des Wortes die Türen, zugleich wurde diese Tatsache vonseiten der Interviewerin auch als große Verantwortung für das Projekt erlebt.

In Bezug auf die Auswahl der Interviewpartnerinnen sollte eine möglichst große Variationsbreite bezüglich des Lebenskontexts (Single, Ordensfrauen, Selbstständige, hauptamtlich Beschäftigte in einem Bistum, Rentnerin, Erwerbstätige, Familienfrau) abgedeckt werden und verschiedene Altersgruppen sollten zu Wort kommen. Die jüngste Gesprächspartnerin war zum Zeitpunkt des Interviews 35 Jahre und die älteste 65 Jahre alt. Hinsichtlich der Altersstruktur der kirchlich orientierten und engagierten Frauen macht die Gruppe der über 40-Jährigen den größten Anteil aus (Hieber/Lukatis 1994, 16 f.). Auch in dieser Studie sind die meisten über 40 Jahre alt.

Dass die Altersspanne bei den interviewten Frauen zwischen 35 und 65 Jahren liegt, sagt meines Erachtens etwas über die Gruppen der Frauen aus, zu denen ein Kontakt hergestellt werden konnte. Es liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei ihnen um sehr nachhaltig agierende Ritualgemeinschaften mit einer hohen Bindungskraft handelt. Einige Frauen nehmen schon seit mehreren Jahren (Jahrzehnten) regelmäßig an den Treffen und Liturgien teil. Sie sind ein fester Bestandteil ihrer Glaubensbiografie geworden, ein Ort, den sie nicht missen wollen. Eine Interviewpartnerin sagt in diesem Zusammenhang in einem der Interviews: „Es würde mir also sehr schwerfallen, wenn ich jetzt wüsste, ich könnte da nicht mehr mitmachen, weil wir sehen uns ja wirklich nur das eine Mal im Monat, so zwischendurch treffe ich die Frauen sehr selten. Mh, mh. Oder auch privat treffen wir uns eigentlich nie, sondern wirklich nur an dem Abend und doch, das ist schon, finde ich, schon so ein Highlight und auch wirklich so ein Baustein für mich, wo ich, ja, denke, es ist meine, wir nennen diesen Ort doch Oase. Ja. Unsere Oase und meine Oase, die ich dann den Abend für mich habe und wo ich wieder Wasser trinken kann, schöpfen kann. Ja, ja. Doch“ (Martina Franz).18

Diese Treffen sind wichtige Anlaufpunkte im Alltag, im Jahreslauf und sie zeichnen sich durch eine hohe Verbindlichkeit aus. Dies gilt sowohl für die Treffen der offenen Frauenliturgiegruppen wie für eine der geschlossenen Gruppen. Die Frauen scheinen an diesen Orten und in den Zusammenkünften etwas zu erhalten, was sie nährt, ihnen Kraftquelle ist. Die Frauenliturgien sind für sie ein Lebensmittel. Diese Frauen und auch andere Menschen brauchen liturgische Vollzüge, um wirklich leben zu können (vgl. Wustmans 22005a, 239 f.).

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