Kitabı oku: «Das Holly Summer Lesebuch», sayfa 4

Yazı tipi:

Schnell besinne ich mich wieder darauf, wo ich mich befinde, und die unverschämten Worte eines mir völlig Fremden.

Wenn ich ihm gehören würde? Was fällt diesem eingebildeten, arroganten Arsch eigentlich ein? Seit wann gehört ein Mensch einem anderen? Vielleicht sollte ich ihm klar machen, dass die Sklaverei schon vor über 100 Jahren endgültig abgeschafft worden ist. Seine Augen bohren sich hypnotisierend in meine. Oh Gott, diese Augen, sie scheinen mich verschlingen zu wollen. Warum stehe ich nicht einfach auf und sage ihm, was er mich mal kann? Damit habe ich doch sonst kein Problem. Warum kommen mir bei ihm keine coolen Sprüche über die Lippen?

Ich bin unfähig, mich zu bewegen. Das Einzige, was ich wahrnehme, ist mein Herzschlag, der sich von Sekunde zu Sekunde beschleunigt, je länger er mich ansieht, und das ärgert mich. Ich öffne den Mund und bewege die Lippen, ohne ein Wort herauszubringen, was ihm wiederum ein angedeutetes Lächeln entlockt. Er hält mir die Hand hin und zieht mich vorsichtig nach oben. Als ich vor ihm stehe, wird mir seine männliche Ausstrahlung erst recht bewusst. Er ist mindestens 20 Zentimeter größer als ich. Ich muss den Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht zu schauen. Seine Haut glänzt noch leicht vom Schweiß, aber er riecht gut. Verdammt, riecht er gut ... Es ist eine Mischung aus frischem Aftershave und seinem Körpergeruch. Wie kann ein Mann, der Sport treibt, dabei noch so gut riechen? Und warum kann ich den Blick nicht von seinen sinnlichen Lippen nehmen? Kurz flackert der Gedanke in meinem Kopf auf, von diesen Lippen geküsst zu werden. Wie mag sich der Dreitagebart auf meiner Haut anfühlen, wenn er mich damit an Stellen berührt, die ... Sunday, deine Fantasie geht mit dir durch. Reiß dich gefälligst zusammen, ermahne ich mich stumm. Er hält mich immer noch am Arm fest, während ich in seinen Augen zu ertrinken drohe. Dann streckt er die Hand aus und ich weiche unwillkürlich zurück. Aber er lässt sich von meiner Reaktion nicht beirren und wischt zärtlich über meine Wange.

»Was soll das?«

Er zuckt nur die Achseln. »Da war ein Schmutzfleck«, rechtfertigt er sein Verhalten. Und wieder sind es seine Worte, die mir noch im Kopf herumspuken. Da er nichts sagt, greife ich das Thema noch einmal auf.

»Ich gehöre Ihnen aber nicht«, kommt es jetzt doch über meine Lippen. »Im Grunde gehört kein Mensch einem anderen. Es gibt Gesetze, die die Menschenrechte ganz klar definieren«, setze ich noch bestimmt hinzu, als würde ich gerade ein Referat halten. Warum ich noch einmal auf dieses Thema eingegangen bin, weiß ich eigentlich nicht. Aber irgendwie beschäftigt es mich. »1804 hat Massachusetts die Sklaverei abgeschafft und bereits 1773 fing alles mit der Boston Tea Party an«, sprudelt es aus mir heraus. »Das ist alles rechtlich geregelt.«

Jetzt lacht er mich doch tatsächlich aus. Aber dieses Lachen ist nicht provozierend oder anmaßend, es wirkt versöhnlich und liebevoll.

»Okay, kleine Lady. Nicht im rechtlichen Sinne, aber auf eine andere Art. Eine freiwillige Art. Außerdem hatte ich nicht vor, Ihnen die Ohren abzuschneiden. Ich zwinge auch niemanden mit Mitteln zur Disziplin, die menschenunwürdig sind«, sagt er kopfschüttelnd. Als er die Mundwinkel nach oben zieht, zeigt sich wieder das kleine Grübchen.

Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich annehmen, er hätte Interesse an mir. Welcher Art dieses Interesse sein soll, kann ich aber nicht sagen. Irgendetwas Magisches liegt zwischen uns in der Luft.

»Eine freiwillige Art? Was meinen Sie damit?«, stoße ich empört aus. Wer will schon freiwillig einem anderen Menschen dienen? Wir befinden uns nicht mehr im Mittelalter, sondern im 21. Jahrhundert. Wofür gibt es Menschenrechte und Gesetze? Er unterbricht meine Gedankengänge, als er zu meinen Händen greift und die Handflächen nach oben dreht.

»Vergessen Sie es. Es ist nicht wichtig. Reinigen Sie die Wunden gut. Es sind zwar nur kleine Kratzer, doch auch damit sollte man vorsichtig sein. Sind Sie geimpft?«

Seine Stimme nimmt jetzt einen neutralen Ton an. Die provozierende Haltung ist völlig verschwunden, was ich fast ein wenig bedaure. Selbst die aufgeladene Atmosphäre zwischen uns hat Normalität Platz gemacht. Ich ziehe meine Hände aus seinem Griff, als hätte ich mich verbrannt, und wische die letzten Reste Erde an meiner Jeans ab.

»So schlimm ist es nicht«, wehre ich ab.

»Sagen Sie das nicht. Es gibt Menschen, die sind schon wegen kleinereren Kratzern an einer Blutvergiftung gestorben.«

»Ich glaube, jetzt übertreiben Sie.«

»Mein bester Freund ist Arzt. Sie können mir also glauben.« Dabei greift er wieder nach meinem Arm, um sich meine Kratzer anzusehen. »Wissen Sie, wie gefährlich Bakterien sind und was sie im Blutkreislauf anrichten können?«

Als hätte mir der Tag heute nicht schon genug schlechte Überraschungen gebracht; ich brauche jetzt nicht auch noch eine Lehrstunde in medizinischer Hygiene. Und doch lässt er mich nicht kalt. Im Gegenteil, sein Interesse an mir ist nicht gespielt, als würde er sich aufrichtig Sorgen machen.

Das laute Kreischen einiger Kinder, die auf dem Weg zur Schule sind, lässt mich aus meiner Benommenheit erwachen, die mich bei seiner Frage wieder überkommen hat, sodass ich nicht gezwungen bin, auf seine Äußerung einzugehen. Abrupt gibt er mich frei, tritt einen Schritt zurück und bückt sich, um das Rennrad vom Boden aufzuheben.

»Passen Sie das nächste Mal besser auf«, belehrt er mich in einem ruhigen, versöhnlichen Ton und schiebt das Rad neben mich.

Ein letzter Blick in seine verführerischen Augen und er ist weg. Ich drehe mich um und starre ihm nach, wie er schnell um die nächste Biegung joggt. Aber er wendet sich nicht mehr um und dann ist er aus meinem Blickfeld verschwunden. Als hätte ich etwas verloren, stehe ich stumm da und schaue auf den leeren Weg, in der Hoffnung, ihn wiederzusehen. Doch nur die Blätter, die der Wind von den Bäumen gerissen hat, wirbeln über den sandigen Boden. Ich möchte ihm am liebsten nachlaufen, ihn nach seinem Namen oder seiner Telefonnummer fragen, aber das ist unmöglich. Resigniert schnappe ich mir das Rennrad und schiebe es den Weg entlang.

Was meinte er damit, ›nicht im rechtlichen Sinne‹, sondern auf eine andere Art? Welche Art sollte das sein? Auf dem restlichen Weg zum Büro lässt mich dieser Gedanke nicht mehr los. Er beherrscht mich regelrecht, sodass ich gar nicht mitkriege, dass ich schon vor dem Firmengebäude angekommen bin. Die einzige Verbindung, die für mich akzeptabel ist, ist die einer aufrichtigen Beziehung, in der Vertrauen und Liebe die Basis bilden, rede ich mir ein, während die Eingangstür des Bürokomplexes geräuschvoll hinter mir ins Schloss fällt.

Aber welche Garantie gibt es schon? Bin ich nicht erst vor kurzem mit der harten Realität konfrontiert worden? Ich sollte diesen Typen schnellstens aus meinen Gedanken streichen. Ein Mann mit diesem Aussehen kann nicht der Richtige sein. Niemals! Schöne Männer hat man nie für sich allein. Da brauche ich nur an Sean zu denken. Schwanzgesteuert, alle!

Ich drücke auf den Aufzugknopf und warte.

Jetzt bereue ich es fast, dass nicht mehr passiert ist, denn dann hätten wie unsere Personalien austauschen müssen. Über mich selbst und meine hirnrissigen Gedanken den Kopf schüttelnd steige ich in den Aufzug und fahre in den zweiten Stock. Ich muss doch härter mit dem Kopf aufgeschlagen sein, als ich dachte. Habe ich nicht gerade erst eine beschissene Beziehung hinter mich gebracht? Daraus sollte ich doch gelernt haben.

Es ist zehn Minuten nach neun, als ich den Gang bis ans Ende hechte, die Büroräume von Fullerton & Fullerton Immobilien betrete und Elijahs Fahrrad im Flur in die Ecke schiebe. Mein Chef steht mit einer Tasse dampfenden Kaffee in der Hand in seiner offenen Bürotür und schaut provozierend auf seine Armbanduhr, die er von seinem Vater geerbt hat. Innerlich mache ich mich schon für eine Auseinandersetzung bereit.

Mister Fullerton Senior ist vor einem Jahr verstorben, sein Bild hängt neben dem von Fullerton Junior im Foyer und darunter ein kleines Schild mit seinem Namen und der Information, dass er der Gründer der Immobiliengesellschaft war. Jetzt wird die Firma ganz allein von seinem Sohn geführt.

Nicht zum ersten Mal bedauere ich den Tod von Mister Fullerton Senior. Er war ganz anders als sein Sohn, hatte immer ein offenes Ohr und stand loyal zu seinen Mitarbeitern. Bei ihm florierte das Geschäft trotz der Konkurrenz, was man heute nicht mehr behaupten kann. Sonst hätte Mister Fullerton Junior Adam und Mia nicht entlassen müssen. Wie ich diesen Sack von Juniorchef hasse. Nicht, weil er einen pedantischen Stil verfolgt und auf Pünktlichkeit und Ordnung Wert legt, das tue ich auch. Es ist vielmehr sein Charakter, der mich ihn hassen lässt. Vor kurzem, als ich wieder einmal Überstunden machen musste und wir allein im Büro waren, drückte er sich von hinten an mich, bis ich seinen harten Schwanz durch seine Hose an meinem Po gespürt habe. Sein schneller Atem, der mir signalisierte, wie scharf er auf mich war, trieb mir vor lauter Ekel eine Gänsehaut über den Körper. Als ich mich erschrocken zu ihm umdrehte, leckte er sich gerade mit der Zunge über die schmalen Lippen und ein wenig Speichel klebte in seinem Mundwinkel. Mich schüttelt es jetzt noch, wenn ich daran denke. Unangenehm berührt wandte ich mich einfach ab und gab der ganzen Situation etwas Belangloses, um ihn nicht bloßzustellen.

Am Ende machte er mich dafür verantwortlich, ich hätte ihn mit meiner engen Jeans gereizt und angemacht. Natürlich entsprach das nicht der Wahrheit. Was bildet sich dieser Mensch nur ein? Er ist an die 60, ich bin 27. Außerdem ist er verheiratet und wirklich nicht das, was ich als attraktiv einstufen würde. Er wirkt schwammig, hat mindestens 20 Kilo Übergewicht, leidet an Bluthochdruck und ist Choleriker.

Ich hätte mir nach diesem Vorfall einen anderen Arbeitgeber suchen sollen, aber nach der Trennung von Sean hatte ich einfach nicht die Energie dazu. Nur weil ich nicht auf seine Annäherungsversuche eingegangen bin, versucht mein Chef jetzt, mich zu tyrannisieren, wo er nur kann. Als sein Vater noch lebte, hätte er sich solche Unverschämtheiten nicht herausnehmen dürfen.

Seine Stimme holt mich aus meinen Gedanken und katapultiert mich zurück in die Wirklichkeit.

»Schön, dass Sie sich auch zu uns gesellen, Miss Anderson, dann können wir endlich mit unserer Besprechung beginnen. Wir warten bereits seit zehn Minuten auf Sie.«

»Tut mir leid, ich hatte einen Unfall«, verteidige ich mich reserviert, obwohl jeder sehen kann, was passiert ist. Meine Hose ist total verschmutzt und zerrissen, meine Haare haben sich aus dem Zopf gelöst und auch mein Gesicht dürfte immer noch einige Schmutzspuren aufweisen. Meine Kollegin kommt auf mich zu.

»Sunday, was ist denn passiert?«

Ich winke ab. »Ich bin auf dem Weg hierher mit einem Jogger kollidiert und vom Fahrrad gefallen.«

»Wie lange wollen Sie meine Zeit noch strapazieren? Erzählen Sie Ihre Geschichten jemand anderem, aber nicht mir«, grunzt der Alte.

Manchmal könnte ich ihn in der Luft zerreißen. Seine Besserwisserei und Arroganz gehen mir schon lange auf die Nerven. In gewisser Weise unterstellt er mir, ich wäre eine Lügnerin. Da kann ich nur lachen: Er betrügt seine Frau seit Jahren. Ich sollte ihn wirklich bei der nächsten Gelegenheit in die Pfanne hauen, aber am Ende werde ich es doch nicht tun. Meine Kollegin wirft ihm einen vernichtenden Blick zu.

»Gehen Sie schon und machen sich frisch. Ich erwarte Sie in zehn Minuten in meinem Büro«, teilt uns mein Chef noch mit, bevor er seine heiligen Hallen betritt und die Tür geräuschvoll hinter sich schließt.

»Was hat der Alte denn?«, frage ich Jessy auf dem Weg zum Waschraum.

»Du kennst ihn doch. Heute ist er besonders schlecht drauf. Keine Ahnung, was los ist. Vielleicht hat seine Frau ihn wieder mal abgewiesen und was Neues hat er nicht in Aussicht«, mutmaßt sie belustigt.

»Ich weiß nicht. Irgendetwas stimmt nicht.»

»Ach was, er ist schrecklich wie eh und je.«

Ich zucke mit den Achseln.

»Soll ich dir helfen? Du hast noch Schmutz an der Wange.«

Wir betreten den Waschraum und ich nehme meine Wechselklamotten aus der Tasche, während Jessy einige Tücher aus dem Spender zieht und sie mit Wasser und Seife befeuchtet.

»Hier, bitte.«

Sie reicht mir die Papiertücher, damit ich mir vor dem Spiegel das Gesicht reinigen kann.

»Du solltest dir diese Unverschämtheiten von Fullerton wirklich nicht gefallen lassen«, redet Jessy auf mich ein.

»Ich weiß. Aber solange ich keinen neuen Job in Aussicht habe, werde ich mich zurückhalten.«

»Suchst du eigentlich nach einem neuen Job?«, will Jessy wissen und grinst mich an.

»Lass mich erst mal die Sache mit der Wohnung in Angriff nehmen.«

»Tut mir leid. Erzähl, was war denn heute Morgen los?«

»Durch den verdammten Stromausfall war mein Wecker aus und du weißt doch, dass mein Auto in der Werkstatt ist. Es kommt immer alles zusammen«, erkläre ich ihr die Situation, während wir uns im Spiegel anschauen und ich die Schmutzstreifen aus meinem Gesicht wische.

»Du Arme hast es wirklich nicht leicht in letzter Zeit.«

»Das kannst du laut sagen.« Dabei schlüpfe ich schnell aus der zerrissenen Hose, streife mir die Bluse von den Schultern und ziehe mir mein Etuikleid über.

»Und wie ist das passiert?« Dabei deutet sie auf meine zerrissene Jeans.

»Ich wollte die Abkürzung durch den Park nehmen, da kam mir ein Jogger entgegen und eine Frau mit einem Kind, das einem Eichhörnchen oder so nachlaufen wollte. Wenn ich nicht eine Vollbremsung hingelegt und den Lenker zur Seite gerissen hätte, wäre das Kind mir direkt ins Fahrrad gelaufen. Also habe ich mich dafür entschieden, diesen tollen Typen einfach umzufahren, um so mit ihm anzubändeln.« Dabei rolle ich genervt die Augen.

»Ach, so kenne ich dich ja gar nicht«, wundert sich Jessy grinsend.

»Nein, wirklich, ich wollte ausweichen und habe stattdessen den Jogger über den Haufen gefahren.«

»Oh Gott, hoffentlich ist ihm nichts passiert! Und dem Kind?«

Ich schüttle verneinend den Kopf.

»Nein, alles okay. Ich war die Einzige, die etwas abbekommen hat. Aber am schlimmsten hat es Elijahs Rennrad erwischt. Ich weiß doch, wie sehr er an dem Teil hängt. Von diesen Rennrädern gibt es nicht viele.«

»Männer und ihre Spielzeuge«, sagt sie und grinst mich im Spiegel an. »Aber erzähl mal, sah er wirklich so scharf aus?«

Ich werfe das benutzte Papiertuch in den Abfalleimer und schaue auf.

»Wer?«

»Na, der Typ, den du umgefahren hast.«

Ich zucke mit den Achseln, um Gleichgültigkeit zu signalisieren. Leider ist er ebenso schnell wieder aus meinem Leben verschwunden, wie er mit voller Power hineingetreten ist. Zu schade, dass wir uns nicht unter anderen Umständen kennengelernt haben. Er war wirklich eine Sahneschnitte ...

»Lassen wir den Alten nicht unnötig warten«, entscheide ich, anstatt Jessys Frage zu beantworten, und stopfe die schmutzige Hose und die Bluse in die Tasche.

Fullerton sitzt mit ernster Miene wie eine Spinne im Netz in seinem Chefsessel hinter seinem Schreibtisch, während Jessy, seine Sekretärin und ich uns auf den unbequemen Stühlen davor niederlassen.

»Wir haben einige neue Objekte zum Verkauf bekommen. Die müssen sofort beworben werden«, bestimmt er. »Jessy, übernehmen Sie das?«

»Natürlich«, sagt sie reserviert.

Nach 20 Minuten weiterer Belanglosigkeiten zum Tagesgeschäft, fordert er uns auf, wieder an die Arbeit zu gehen.

»Sie nicht, Miss Anderson. Mit Ihnen habe ich noch etwas zu besprechen.«

Ich werfe Jessy einen genervten Blick zu, da ich genau weiß, um was es geht, und setze mich wieder. Als Jessy und die Sekretärin die Tür hinter sich geschlossen haben, wendet sich Mister Fullerton an mich und beugt sich über seinen Schreibtisch nach vorne, während er seinen silbernen Kugelschreiber durch die wulstigen Finger gleiten lässt. Diese Besprechung war so unnötig wie ein Kropf. Der kollektive Arschtritt, den er uns ab und zu verpasst, hat dazu beigetragen, mir den Tag so richtig zu vermiesen, und jetzt wird er das Fass zum Überlaufen bringen.

»Der nächste Punkt betrifft Sie, Miss Anderson. Ich brauche Sie in der nächsten Woche für einen Abend hier.« Ich schaue verwundert auf. »Für das Marketingkonzept, das ich ausarbeiten werde«, lässt er mich wissen. Als wäre ich diejenige, die Hintergedanken hat.

»Nächste Woche habe ich einige private Termine am Abend, Mister Fullerton«, will ich seinen Versuch, mich nach Büroschluss hierzubehalten, abwehren.

Er tippt auf seiner Computertastatur und ruft eine Excelliste auf.

»Ich glaube nicht, dass Sie in der Position sind, Forderungen zu stellen«, wirft er beiläufig ein, ohne sich vom Bildschirm abzuwenden. Ich spüre, wie Wut in mir aufsteigt, und balle unbewusst die Hände zu Fäusten.

Am liebsten hätte ich laut aufgelacht. Was heißt hier Forderungen stellen? Er redet von Überstunden, die weit über mein Tätigkeitsfeld hinausgehen. Ich bin Immobilienmaklerin, ich zeige Kunden Häuser und hochwertige Wohnungen, fertige Verträge und Expertisen aus, aber ich bin nicht sein Mädchen für alles. Das sollte ich ihm endlich klar machen.

»Ich kann mich nicht erinnern, Forderungen gestellt zu haben«, antworte ich leicht angefressen. Aber er geht nicht weiter darauf ein. Im Gegenteil, jetzt kommt die Ansprache, die ihm schon die ganze Zeit unter den Nägeln brennt.

»Soweit ich sehen kann, haben Sie in der letzten Zeit nicht einen einzigen Abschluss getätigt. Was ist mit dem Grundstück in der Elm Street? Wieso sind die Interessenten abgesprungen? Sie hatten den Vertrag doch schon so gut wie unterzeichnet.«

»Sie wissen genauso gut wie ich, dass unser stärkster Konkurrent J. Edwards dazwischen gefunkt hat. Wie er es so oft tut«, verteidige ich mich. Fullerton winkt genervt ab.

»Sie machen es sich reichlich einfach, Miss Anderson. Setzen Sie Ihren Charme ein. Das können Sie doch.«

Ich ziehe entsetzt die Luft ein. Diese Anspielung hat gesessen und war obendrein vollkommen aus der Luft gegriffen. Ich sollte mir diese Unverschämtheiten nicht weiter gefallen lassen, also stehe ich jetzt entschlossen auf. Mein Stuhl rutscht dabei über den polierten Parkettboden nach hinten und kippt, aber ich kann ihn zum Glück noch davor bewahren, auf dem Boden aufzuschlagen.

»Ich habe nicht vor, mir weiter Ihre Frechheiten anzuhören«, kontere ich erhitzt.

Fullertons arrogantes Grinsen verschwindet augenblicklich aus seinem Gesicht. Dann bedeutet er mir, mich wieder zu setzen, und räuspert sich kurz.

»Ich kann mich nicht erinnern, Sie beleidigt zu haben«, zischt er durch die Zähne.

»Das sehe ich anders.«

»Dann tut es mir leid, wenn ich den Eindruck erweckt haben sollte. Bitte, setzen Sie sich.«

Ich nehme wieder Platz und verschränke die Arme vor der Brust. »Wenn Sie keine weiteren Themen haben, würde ich jetzt gerne anfangen zu arbeiten. Ich erwarte einen Anruf von einem Kunden«, lasse ich ihn wissen.

»Wir sind gleich fertig. Um auf die aktuelle Situation zurückzukommen: Wie stellen Sie sich eigentlich vor, wie ich weiter Ihr Gehalt finanzieren soll?«

Natürlich, er versucht wieder die alte Nummer. Er will mich einschüchtern. Aber dieses Mal werde ich ihm entschlossen entgegentreten. Das hätte ich schon längst tun sollen.

»Mister Fullerton, Sie wissen, dass es nicht an mir liegt. Ich habe jeden Tag mehrere Termine vereinbart und den Kunden die Häuser und Wohnungen gezeigt. Wieso wir den Abschluss am Ende nicht machen konnten, weiß ich nicht. Vielleicht arbeitet dieser Edwards mit Mitteln, die mir zuwider sind«, erkläre ich. »Ich konnte für nächste Woche einige Termine vereinbaren, die sehr vielversprechend klingen. Ich bin ganz sicher, dass ...«

Er unterbricht mich, indem er die Hand hebt.

»Also schön, verkaufen Sie das Watson-Anwesen«, bestimmt er.

»Was? Mister Fullerton, diese Immobilie wird nicht nur von uns offeriert. Auch J. Edwards hat sie im Angebot. Das Objekt ist das Hochpreisigste, das wir haben. Sie glauben doch nicht, dass Edwards sich dieses Geschäft von uns vor der Nase wegschnappen lässt!«

Mein Chef grinst mich falsch an, indem er die Lippen nach oben zieht. Er erinnert mich an eine Hyäne.

»Eben, zeigen Sie mal, was Sie können, und luchsen Sie ihm den Auftrag ab. Hängen Sie sich ans Telefon und bieten Sie diese Immobilie unseren Interessenten an.«

Ich spüre, wie mir die Felle wegschwimmen. Es ist so schon schwierig genug, gegen J. Edwards anzukommen, aber dieses Objekt ist eine allzu große Herausforderung. Wie Edwards die Abschlüsse für sich gewinnt, weiß ich nicht. Vielleicht verzichtet er auf Provisionen, macht seine Abschlüsse beim Golfspielen oder wendet irgendwelche skrupellosen Methoden an. Doch das ist nicht meine Art.

»Wie sieht es mit dem Haus auf der Washington Avenue aus?«, versuche ich, einen Kompromiss auszuhandeln. »Dafür hätte ich einen Interessenten. Ich bin sicher, dass er unterschreibt.«

Der Alte schüttelt den Kopf, bevor er antwortet. »Das ist Ihre letzte Chance. Wenn Sie diesen Auftrag auch nicht bekommen, dann können Sie sich nach einer neuen Stellung umschauen. Das ist alles, Miss Anderson.«

Er wendet sich wieder seinen Zahlen zu und ich bin entlassen. Dieser verdammte Mistkerl. Ich weiß genau, dass es nicht an meiner Arbeit liegt, sondern daran, dass ich ihn abgewiesen habe. Deshalb will er mich loswerden. Nur aus diesem Grund verlangt er das Unmögliche von mir. Sein verdammtes Ego ist angekratzt. Er selbst bekommt nichts auf die Reihe und mich stellt er hin wie einen Versager. Ich stehe wortlos auf und verlasse sein Büro.

Jessy schaut von ihrem PC auf, als ich unser Büro betrete. »Und, was wollte das Ekel von dir?«

Ich zucke mit den Achseln und lasse mich auf meinen Schreibtischstuhl fallen.

»Was wohl. Ich soll das Watson-Anwesen verkaufen«, stoße ich verärgert aus.

Sie lacht erstickt auf. »Das Haus wird auch von J. Edwards angeboten. Der hat doch schon längst seine besten Leute darauf angesetzt. Was erwartet diese Mistkröte denn eigentlich von dir? Soll er doch selbst versuchen, den Kasten zu verhökern.«

Ich fahre meinen PC hoch und gehe meine Adresslisten durch. Vielleicht ist wirklich ein Klient dabei, der sich dafür interessieren könnte. Am Nachmittag habe ich einen Termin für nächste Woche vereinbart, der sehr vielversprechend klingt.

»Ich habe einen Termin«, rufe ich Jessy zu.

»Gratuliere, ich hoffe, der Kunde nimmt das Ding.«

»Ich auch, sonst bin ich geliefert.«

Als ich am Abend nach Hause komme, sehe ich Skys Wagen vor dem Haus stehen. Sky ist Elijahs Ex. Die beiden haben sich vor einigen Wochen getrennt, doch wie es aussieht, haben sie wieder zusammengefunden. Da zumindest in dieser Richtung alles in Ordnung zu sein scheint, gehe ich etwas entspannter auf die Haustür zu und stecke den Schlüssel ins Schloss, als die Tür von innen geöffnet wird.

»Hi, Elijah, ist das Skys Wagen?«, frage ich und deute auf das Fahrzeug.

Er zieht mich rein und nickt. Ein Blick in sein Gesicht und ich weiß, dass ihm etwas schwer im Magen liegt.

»Was ist los?«, frage ich besorgt.

»Sunday, Sky wird hier wohnen. Wir haben uns ausgesprochen. Aber wenn das ein Problem für dich ist, ich meine, falls es dir zu viel wird mit einem schwulen Pärchen unter einem Dach zu leben, dann ...«

Ich unterbreche ihn sofort und lege meinen Zeigefinger auf seine Lippen. Er wirkt verunsichert, etwas, das ich von ihm nicht kenne.

»Elijah, das ist dein Haus. Du kannst tun und lassen, was du willst. Ich bin dir unendlich dankbar, dass ich hier wohnen kann, und sobald ich etwas Passendes gefunden habe, bist du mich auch wieder los.«

»Hey, davon will ich nichts hören. Du kannst hier wohnen, so lange du willst, ist das klar.«

Elijah kann unwahrscheinlich beharrlich sein, wenn es darum geht, seine Interessen durchzusetzen. Scheinbar hat er sich wirklich Gedanken darüber gemacht, wie ich darauf reagieren werde, dass Sky hier mit einzieht. Aber das war vollkommen unnötig.

»Na gut, wenn du mir versprichst, die Schlafzimmertür zu schließen, sobald du und Sky dort drinnen seid, habe ich kein Problem«, spiele ich auf seine speziellen Sexpraktiken an.

Zwischen Elijah und Sky sind die Rollen klar verteilt. Elijah ist der Mann im Haus und gibt den Ton an, wohingegen Sky liebevoll und anschmiegsam ist. Manchmal tut er mir direkt leid, mit einem Alphatier wie Elijah zusammen zu sein. Mein Freund kneift mich liebevoll in die Wange und grinst mich an.

»Wer sagt denn, dass wir uns nur auf das Schlafzimmer beschränken? Du weißt, dass ich Sky quer durch das ganze Haus ficke, wenn mir der Sinn danach steht.«

Ich spüre die Hitze in meinen Wangen, ein sicheres Zeichen, dass ich rot werde, und schüttle den Kopf.

»Hör auf! Auf diese Art Kopfkino kann ich verzichten.« Dann fällt mir sein Rennrad ein, das beschädigt in der Garage liegt. »Elijah«, sage ich langsam zu ihm und starre auf seine Brust, die unter einem engen schwarzen T-Shirt verborgen liegt, dabei fahre ich mit dem Finger über den Stoff. Er neigt den Kopf zur Seite, fasst mich an den Armen und ermuntert mich, weiterzusprechen.

Gott, wie soll ich es ihm nur sagen? Das Rennrad bedeutet ihm so viel ... Aber was soll’s, einfach gerade raus. »Dein Rennrad ... aber das ist gar nicht so schlimm, das lässt sich alles wieder reparieren.«

»Was?«

»Ich hatte heute Morgen einen Unfall im Park, dabei bin ich gestürzt und dein Rad hat einiges abbekommen. Es tut mir wirklich leid, Elijah«, gestehe ich ihm zerknirscht.

»Ist alles in Ordnung mit dir, Sunday? Warum hast du mich nicht angerufen?«

Ich zucke mit den Schultern, als Sky uns entgegnen kommt.

»Hi, süße Prinzessin, du siehst wieder fantastisch aus«, begrüßt er mich mit einem Kuss auf die Wange. Ich lächle ihn an.

»Und du bist der charmanteste Lügner aller Zeiten.«

»Wo ist das Rennrad?«, unterbricht Elijah.

»In der Garage.«

»Mh, ich schaue es mir später an. Und dir ist wirklich nichts passiert?«

»Nein, nur ein paar Schrammen, nichts, was nicht nach ein paar Tagen wieder heilt.« Aber der unbekannte Fremde wird mir sicher noch einige Zeit länger im Kopf herumspuken. »Und du bist mir nicht böse?«

»Spinnst du? Natürlich nicht. Hauptsache, dir ist nichts zugestoßen.«

Körperlich ist mir nichts zugestoßen, bis auf ein paar Kratzer und vielleicht den einen oder anderen blauen Fleck. Aber was ist mit den aufwühlenden Gefühlen, die ich immer stärker empfinde, sobald ich nur an ihn denke?

Yaş sınırı:
18+
Hacim:
394 s. 25 illüstrasyon
ISBN:
9783958693135
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
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