Kitabı oku: «Heute beißen die Fische nicht», sayfa 3

Yazı tipi:

JOEL

Ich versuche zu leben wie sonst, obwohl ich jeden Tag hier wegwill. Früher hätte ich am liebsten das ganze Jahr über auf der Insel gewohnt. Auch dieser Traum wurde nun getestet und für schlecht befunden. Neue Träume habe ich mir noch nicht überlegt, dafür ist derzeit kein Platz. Unser Leben ist gestoppt worden, als hätte jemand die Pause-Taste gedrückt, und ich weiß nicht, was als Nächstes passiert. Dennoch ist es meine Aufgabe, so zu tun, als wäre die Lage unter Kontrolle, als wäre alles gut und normal. Wir machen etwas länger Sommerurlaub als sonst, wir bewegen uns nirgendwohin, sind aber keine Gefangenen auf der Insel. Ist nun mal ein Inselsommer. Es werden auch wieder bessere kommen – man muss nur daran glauben.

Natürlich halte ich wegen Fanni an dem Rollenspiel fest, aber ich weiß nicht, ob sie es mir abnimmt. Fanni hat eine außergewöhnlich feine Intuition, sei es aufgrund ihrer Herkunft oder wegen ihres Charakters. Sie bräuchte kein weiteres Drama in ihrem Leben.

Warum fahre ich nicht weg? Ich fürchte, dass Emma sich endgültig in ihre Vorstellungen verstrickt und etwas Unwiderrufliches tut, wenn ich fortgehe und Fanni mitnehme. Durchaus möglich, dass sie ihren Halluzinationen folgt, ins Meer geht und sich vorstellt, Virginia Woolf zu sein. Jemand muss auf sie aufpassen. Und dieser Jemand bin ich.

Fanni kann ich nicht bei ihr lassen, das wäre verantwortungslos. Fanni hält Emma in der Realität, gerade noch so. Als Mutter ist sie in einzelnen Augenblicken noch die Frau, die ich kenne. Oder kannte. Wenn Fanni weg ist, kann es sein, dass Emma vollkommen verschwindet. Aber ich weiß nicht, ob sie sich noch als Mutter für Fanni eignet.

Wegen Fanni bemühe ich mich auch, an unseren Gewohnheiten festzuhalten. Wir machen mit dem Boot einen Ausflug zu der Schäre, die wir jeden Sommer besuchen, um dort zu grillen. Es ist eine von den äußeren Schären, von den Felsen aus blickt man aufs offene Meer, selten gleitet ein Segelboot vorbei. Fanni ist begeistert und hilft, das Essen zuzubereiten, Emma kommt mir seit Langem mal wieder normal vor. Wir überlegen, an welcher Stelle man am besten zum Schwimmen ins Wasser gehen kann, das Meer hat siebzehn Grad, anderswo gibt es schon erste Anzeichen von Blaualgen, aber hier noch nicht.

Ich denke, dass wir es vielleicht doch schaffen. Vielleicht erholt sich Emma allmählich, dann können wir nach Hause zurückkehren, und sie kann womöglich sogar irgendwann wieder arbeiten. In einem anderen Job, einem gewöhnlichen, einem, bei dem man davon ausgehen kann, dass sie abends lebend nach Hause kommt.

Zufrieden fange ich an zu grillen, Fanni hüpft endlich mal wieder ausgelassen und fröhlich über die Felsen, ohne sich Sorgen um ihre Mutter zu machen. Doch plötzlich wirkt Emma abwesend.

Ich bemühe mich, nicht darauf zu achten, aber wenig später macht sie sich auf den Weg zum Ufer. Dort liegt angeblich ein Boot. Ein Boot, das ihr wichtiger ist als ihre Familie, obwohl es nicht einmal existiert.

Es wäre leichter, wenn sie einen Geliebten hätte, mit dem sie heimlich Textnachrichten austauschen würde. Dann könnte ich ihr das Handy abnehmen und es ins Meer werfen, dann könnte ich dem anderen einen Besuch abstatten und ihm auf die Schnauze hauen. Mir meine Frau zurückerkämpfen.

Aber wie gegen etwas kämpfen, das man nicht sieht? Dessen Existenz einzig und allein in Abwesenheit besteht, in Unsichtbarkeit, und das doch ebenso stark ist wie ein heimlicher Liebhaber, oder noch stärker.

Emma kommt nicht vom Ufer zurück, sie hat uns vergessen. Fanni und ich essen schweigend, ich versuche, über etwas zu reden, aber Fanni ist nicht mehr in Plauderstimmung. Ständig blickt sie auf den Rücken ihrer Mutter, die am Ufer sitzt.

Mir fehlt die Energie, Emma zum Essen zu holen. Fanni füllt ihr einen Teller, aber als Fanni nicht hinsieht, kippe ich das Essen in die Komposttüte.

Wir haben schon fast den heimischen Steg erreicht, als Emma plötzlich zu sich kommt.

»Ich glaube, ich habe vergessen zu essen«, sagt sie und greift nach meinem Arm. »Entschuldige«.

»Bitte Fanni um Entschuldigung«, erwidere ich. »Wegen ihr haben wir den Ausflug schließlich gemacht.«

Emma sagt nichts. Sie kann nicht einmal mehr streiten. Ich würde sie am liebsten anschreien, einen richtigen Streit provozieren, so wie früher, einen, bei dem man sich laut anbrüllt und anschließend versöhnt. Das reinigt die Luft. Aber Emma streitet nicht mehr, es ist sinnlos, mit ihr zu diskutieren: Wenn sie Nein sagt, begründet sie es nicht weiter und verschließt sich danach. Wenn ich mich einmal aufrege und sie anschreie, kann es sein, dass sie danach tagelang stumm in ihrer eigenen Welt bleibt.

Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal am allermeisten Emmas Temperament und unsere Streitereien vermissen würde. Wir gehen wortlos schlafen, so wie immer, die interessantesten Gespräche hat Emma wieder einmal mit ihrer Vergangenheit in ihrem Kopf geführt. Mir hat sie nichts mehr zu sagen.

EMMA

Plötzlich scheint sich der Wind zu legen, es wird ruhig und sonnig, ein wolkenloser Morgen folgt dem anderen, und keine Boote sind in Sicht. In diesem Stadium des Sommers sind die Segler weit draußen, bei Jurmo und Kökar oder den Åland-Inseln. Dort wäre auch Joel am liebsten, wehmütig späht er zum Horizont und geht ruhelos auf der Insel hin und her.

Schließlich bricht er mit Fanni für einen ganzen Tag zum Fischen auf dem offenen Meer auf. Ich selbst rechne mit Gewitter, ich weiß, dass das Wetter überraschend und ohne Vorwarnung umschlagen kann, wir hören uns nicht einmal den Seewetterbericht im Radio an. Ich warne die beiden, zu weit hinauszufahren, aber Joel macht sich nicht die Mühe, mir zu antworten. Zu dem übrigen Proviant im Boot lege ich noch eine zusätzliche Wasserflasche und eine Banane.

Die Kopfschmerzen hämmern wieder mit scharfen Spitzen in meinen Schläfen. Ich setze mich auf die Terrassenstufen und ziehe spontan einen Joint aus der Tasche. Ich habe keine Lust, mich damit im Wald zu verstecken, jetzt, da Fanni weg ist und vor allem Joel mit seiner mürrischen Miene.

Großvater erscheint nach seinem Mittagsschlaf auf der Terrasse, als ich noch rauche. Zuerst will ich den Joint intuitiv ausdrücken, aber dann rauche ich doch ruhig weiter. Die befreiende Gleichgültigkeit ist bereits bis in mein Gehirn vorgedrungen, und die Kopfschmerzen sind bald nicht mehr als ein mattes Rauschen. Ich will mir keine Gedanken machen. Großvater setzt sich neben mich auf die Stufen.

»Ich kiffe gegen die Kopfschmerzen. Das ist das Einzige, das hilft. Hoffentlich stört es dich nicht«, sage ich, nachdem wir eine Weile die Seevögel beobachtet haben, die sich auf einer Klippe scharen.

»Mich stört es nicht«, sagt Großvater ruhig. »Stört es Joel?«, fragt er dann.

»Er hat Angst, dass Fanni es sieht, und will auch nicht, dass sie es weiß. Für Joel ist das natürlich eine Flucht vor den Problemen. Aber er weiß nicht, was es heißt, ständig Schmerzen zu haben. Es ist ein Medikament, das muss auch er einsehen. Ich höre sofort damit auf, wenn es mir irgendwann einmal besser geht. Ich werde davon nicht sonderlich high, aber die Kopfschmerzen werden schwächer. Und aus irgendeinem seltsamen Grund verschwinden auch die Halluzinationen, obwohl es eigentlich umgekehrt sein sollte. Ich habe das Gefühl, dass ich einen klaren Kopf bekomme, wenn ich kiffe, und irgendwie wird auch mein Gedächtnis besser.«

Großvater schmunzelt.

»In den Siebzigerjahren habe ich ein paarmal LSD probiert. Die Erfahrung war so großartig, dass ich damit aufhören musste. Großmutter hat damals ziemlich viel gekifft, das war sehr in Mode. Aber dann kam Joel auf die Welt, und die Party war vorbei. Mit dem Ausprobieren hatte es sich. War bestimmt auch ganz gut so. Vielleicht sehe ich deshalb heutzutage diese Engel. Manchmal spüre ich sie nahe bei mir, aber vielleicht ist das nur ein Nachhall der LSD-Trips. Eine tolle Zeit war das schon, das muss ich zugeben, frei und revolutionär.«

Ich kann dazu nichts sagen. Mit dem eigenen Schwiegervater über Drogen zu reden, ist etwas, das ich mir in meinem früheren Leben und zu Hause nicht hätte vorstellen können. Auf der Insel ist alles anders. Wir befinden uns außerhalb von Gesetz und Ordnung, in unserem eigenen Reich, wo die Normen gewöhnlicher Gespräche und Verhaltensweisen gedehnt werden.

In Ermangelung von Worten biete ich ihm einen Zug an.

»Aha«, sagt er. »Vielleicht sollte ich doch mal.«

Er nimmt ein paar genussvolle Züge. Von Stille erfüllt sitzen wir nebeneinander, weiche Watte hüllt mein Gehirn ein und dämpft das Hämmern so weit, dass es aus meinem Bewusstsein verschwindet. Ich schließe die Augen in der Sonne, hoffe, dass Joel und Fanni lange wegbleiben, lausche dem unablässigen Rauschen der Insel wie einem Atmen: ein und aus. Wir werden von hier verschwinden, aber die Insel wird bleiben. Dieser Gedanke hat etwas Tröstliches, das ist Großvaters Einfluss auf mich. Er ist voller Trost, er ist der Einzige von uns, der noch an das Leben glaubt.

EMMA

Joel überredet mich nach langer Zeit zu einer gemeinsamen Einkaufstour. Normalerweise macht er sich zufrieden summend mit der Einkaufsliste allein auf den Weg, das bedeutet Abwechslung, und er kommt für eine Weile von seiner Familie los, oft ist er den ganzen Tag unterwegs. In den Schären wird er lockerer und sozialer, er kennt alle Einwohner des Dorfes und unterhält sich mit ihnen über das Wetter und über Boote.

Aber jetzt besteht er darauf, dass Fanni und ich mitkommen, er sagt, auch Fanni müsse ab und zu unter Leute und ein Eis essen. Ich willige ein, um einen Streit zu vermeiden.

Das hätte ich nicht tun sollen. Auf dem Weg vom Anleger zum Laden verkrampft sich Fanni, die zwischen uns geht. Schon von Weitem sehe ich eine Familie, deren Mutter uns schiefe Blicke zuwirft. Ich umfasse Fannis Hand fester. Fanni merkt es und blickt zu Boden, sie versucht, so zu tun, als wäre sie unsichtbar.

Ich versuche zu bremsen, aber Joel zieht uns weiter. Der älteste Sohn der Familie schlurft hinter seinen Eltern her, wirft uns einen Blick zu, und ich grüße ihn fröhlich. Er lächelt und sagt hei, sein Lächeln ist übermütig. Seine Mutter dreht sich um und äußert vernehmlich: »Komm jetzt, Lauri, wir spielen nicht mit Negerkindern.«

Wut schäumt in mir auf. Ich halte Fanni weiterhin fest an der Hand und blicke auf Joel, dessen Mund zu einer straffen Linie zusammengekniffen ist.

Dann betrachte ich die Kinder: Sie haben Kartoffelnasen, matte, wimpernlose, tief liegende und kleine Augen, blassrosa Haut und dünnes Haar. Neben Fanni sehen sie mit ihrem anämischen Weiß eigenschaftslos aus, wie aus Hefeteig geformte, unfertige Figuren, bei denen der Künstler die Farben vergessen hat.

Ich schaue Fanni an: dickes, lockiges Haar, große dunkle Augen mit langen Wimpern, runder, schöner Mund und kupferfarbene Haut. Fanni ist ein schönes Kind, selbst ein Rassist kann diese Tatsache nicht leugnen.

Ich atme tief ein und aus, Fanni darf meine Wut nicht bemerken. Sie muss lernen, dass solche Menschen egal sind, sie muss sie ignorieren, über ihnen stehen, jedenfalls solange wir in diesem Land leben. Ich muss ihr mit gutem Beispiel vorangehen. Mit Hass erreicht man nichts, ich muss Großvaters Lehren von der Liebe und der Gelassenheit, die sich auf alles erstreckt, befolgen. Diese Leute sind es nicht wert, von mir gehasst zu werden.

Letzten Endes können diese Kinder ebenso wenig für ihr Wesen und ihren familiären Hintergrund wie Fanni. Es ist nicht ihre Schuld, dass ihre Eltern Idioten sind. Wir alle versuchen, unsere Kinder zu schützen und sie nach unserem eigenen Weltbild zu formen, und glauben dabei auch noch, richtig zu handeln. Aber wer kann das wissen? Wer weiß, welche Farbe die Welt einmal annehmen wird, wer die künftigen Klimakatastrophen überlebt, ob die Grenzen fallen oder zuwachsen, ob Fanni und die sogenannten Arier lernen müssen, einträchtig zusammenzuleben oder in separaten Bunkern und im Krieg gegeneinander?

Es scheint, als gehörte diese blasse Familie mit ihrer glotzenden Mutter einem untergehenden Volk an, um das wir uns eigentlich nicht zu scheren brauchen. Jedenfalls nicht jetzt und auch nicht auf der Insel.

Also streiche ich einem der Kinder übers Haar, seine Mutter zuckt zusammen, als ich es anfasse, vielleicht glaubt sie, ich wollte es schlagen, aber ich lächle das Kind an und sage: »Vielleicht wirst du einmal klüger sein als deine Mutter.«

Joel starrt die Mutter an und sagt vernehmbar zu mir: »Was hier wieder für ein Pack herumläuft.«

Der Familienvater hat sich bereits in den Laden geflüchtet. Als wir hineingehen, versteckt er sich zwischen den Regalen und sorgt dafür, dass er immer anderswo ist als wir. Als seine Frau nicht hinsieht, versucht er mich versöhnlich anzulächeln. Ich wende den Blick ab.

FANNI

Ich hab dich mehr lieb, als ins Universum reinpasst, sagt Fanni beim Angeln zu Großvater. Dann fügt sie hinzu: Aber am meisten lieb hab ich Mama.

Auch ich hab dich unheimlich lieb, antwortet Großvater. Und Mama und Papa muss man am meisten lieb haben, so gehört sich das.

Fanni ist einen Moment still.

Ellen hat im Kindergarten gesagt, dass Mama mich nicht lieb hat.

Wie kommt sie denn darauf, fragt Großvater leicht empört.

Sie hat gesagt, sie ist nicht meine richtige Mutter und kann mich deshalb nicht lieb haben. Ellen ist der Meinung, dass meine richtige Mutter in Afrika ist und mich mehr lieb haben würde, wenn ich zu ihr könnte.

Ellen weiß gar nichts, sagt Großvater, und seine Stimme zittert ein wenig. Wer ist diese Ellen eigentlich, ist sie deine Freundin?

Ja, ich glaub schon, antwortet Fanni.

Für mich klingt das nicht nach einer echten Freundin, sondern nach einem ziemlich dummen Mädchen. Die müsste die Rute zu spüren bekommen, sagt Großvater außer sich vor Wut.

Was ist die Rute, will Fanni wissen.

Na, das ist eine Strafe, allerdings eine ziemlich schlechte. Ich habe als Kind die Rute bekommen, wenn ich etwas angestellt hatte. Deinem Papa habe ich sie nur ein Mal gegeben, und auch das tut mir leid. Man darf natürlich keine Kinder schlagen, das ist mehr so eine Redensart. Ellen plappert wahrscheinlich nach, was ihr die Erwachsenen beigebracht haben, und versteht ihr Gerede selbst nicht. Sag es sofort der Kindergärtnerin, wenn Ellen wieder so einen Unfug redet, ja?

Ja.

Deine Mutter ist deine Mutter und hat dich von allen auf der Welt am meisten lieb, mehr, als jeder andere Mensch dich lieb haben könnte. Ist es nicht so?

Doch. Bist du mir böse?

Natürlich nicht, aber auf Ellen bin ich ein bisschen sauer. Was für ein Blödsinn die Leute erzählen. Davon gibt es auf der Welt mehr als genug.

Stimmt. Heute beißen die Fische irgendwie nicht.

Anscheinend nicht. Gehen wir schwimmen?

Ja! Lass uns Mama fragen, ob sie mitkommt.

JOEL

Es ist nicht leicht, Emma von der Insel wegzulocken. Dennoch bin ich sicher, dass die Isolation sie nur noch ängstlicher macht und ihre Angst dann mit der Zeit auch Fanni ansteckt, falls das nicht schon geschehen ist.

Wir können nicht ewig auf der Insel bleiben. Wenn man Menschen lange meidet, wird es immer schwerer, ihnen gegenüberzutreten. Auch Fanni muss lernen, die Reaktionen und Beleidigungen der Leute zu ertragen und richtig mit ihnen umzugehen. Einen anderen Weg gibt es nicht, wir können das Verhalten der anderen nicht beeinflussen, lediglich Fanni stark genug machen, sodass sie damit leben kann, anders zu sein.

Ich selbst glaube schon aufgrund meiner Arbeit, dass Rassismus durch Begegnungen verschwindet, dadurch, dass sich die Leute an Menschen mit unterschiedlichem Aussehen gewöhnen und infolge ihrer eigenen Erfahrung sehen, dass die Hautfarbe keine Rolle spielt. Das hat auch Emma vor der Adoption geglaubt, wir sprachen ausführlich darüber und fragten uns, wie wir mit Rassismus umgehen würden, ob wir ihn ertragen könnten. Wir beschlossen, ihn zu ertragen, aber Emma hat unsere Abmachung nicht eingehalten. Inzwischen will sie Fanni nur noch vor der Welt verstecken. Oder will sie sich selbst vor der Welt verstecken, ist es das?

Schließlich halte ich den Stillstand auf der Insel nicht mehr aus und zwinge Emma, mit zum Einkaufen zu kommen. Eigentlich fahre ich gern allein zum Laden, aber ich will, dass Fanni mal von der Insel herunter und unter Leute kommt, damit sie sieht, dass es dort nichts zu befürchten gibt.

Fanni ist begeistert, dass sie uns begleiten darf und ein Eis bekommt, endlich vergisst sie einmal die Angst, die Emma um sie herum gesät hat.

Börje, der alte Ladeninhaber, begrüßt uns fröhlich. Er sieht aus wie sechzig, ist aber angeblich schon achtzig, bei den Schärenbewohnern ist das Alter schwer zu schätzen, sie werden schnell alt, hören dann aber mit dem Altern auf. Börje geht gebückt, ist jedoch flink und hat stets dieselbe abgewetzte Kapitänsmütze auf. Nur die Pfeife fehlt, oder aber sie ist sein geheimes Laster und wird erst hervorgeholt, wenn der Herbst kommt und die Sommergäste die Schären verlassen haben.

Er fragt mich oft nach Fanni und Emma, und ich behaupte jedes Mal, sie fühlten sich auf der Insel so wohl, dass sie zum Einkaufen nicht mitkommen wollten. Börje weiß, dass ich lüge, nickt aber höflich. Die Schärenbewohner gehören selbst zu einer Minderheit, wenn auch nur einer sprachlichen, sie würden Fanni nie schief anschauen. Es scheint, als würden sie ihre Hautfarbe nicht einmal bemerken. In den Schären kommen und gehen alle möglichen Leute, so ist es schon immer gewesen, hier ist das keine große Sache. Allen wird geholfen, alle sind auf die gleiche Art dem Meer ausgesetzt, und das Meer wählt nicht nach Hautfarbe aus, wer ertrinkt.

Der Ladeninhaber tätschelt Fanni auf dem Anlegesteg freundlich den Kopf und fragt sie, ob sie schon fischen war. Sie unterhalten sich über die Fische, die Fanni gefangen hat, und darüber, wie man den Räucherkasten verwendet. Ich betanke das Boot und plaudere dabei mit Börje über das Knacksen des Motors und über eine Inspektion. Das Leben kommt mir endlich mal wieder normal und leicht vor. Fanni ist fröhlich und gesprächig, aber als wir in das Geschäft gehen, macht eine bescheuerte Frau eine Bemerkung über Negerkinder. Sie trägt zu enge Shorts und Schuhe mit hohen Absätzen. In den Schären!

Ich zügle meinen spontanen Impuls, der Frau auf die Schnauze zu hauen, und warte, dass Emma etwas Spitzes sagt, so wie es ihre Art ist. Aber Emma schweigt.

Das macht mich noch rasender. Wie kann sie darüber hinwegsehen, warum verteidigt sie Fanni nicht mehr und stopft den Rassisten nicht das Maul?

Ich schaue Emma zornig an und sage betont laut: »Hier in den Schären hat sich inzwischen jede Menge neureiches Pack eingenistet. Die sollten wieder verschwinden.«

Im Laden gehe ich zu dicht an der Frau vorbei und stoße sie an der Schulter an, während Emma und Fanni Gemüse holen. Als sich die Frau wütend umdreht, meine ich bloß: »Oh, sorry. Leuten, die hier nicht hergehören, stößt leicht mal etwas zu.«

Die Frau verlässt mit ihrer Familie so schnell wie möglich das Geschäft.

EMMA

Am Abend umrunde ich mit Fanni die Insel. Das ist eine gemeinsame Angewohnheit von uns geworden. Sie hüpft von Stein zu Stein, bleibt ab und zu stehen, um Fische und Schnecken in den Kuhlen zu betrachten, und dabei redet sie pausenlos über das, was sie sieht. Ich horche genau hin, ob sich der Besuch im Laden irgendwie auf sie ausgewirkt hat, ob sie über das, was passiert ist, sprechen will. Aber Fanni konzentriert sich darauf, ihre Umgebung zu beobachten, und scheint sich an den Vorfall gar nicht mehr zu erinnern. Ich will ihn ihr nicht unnötig ins Gedächtnis rufen. Jetzt sind wir in Sicherheit.

Ich freue mich an ihrem Geplapper, nicht immer habe ich den Nerv, mir alles anzuhören, aber wenn sie spricht, hält sie das Rauschen fern und hilft mir, die Kopfschmerzen zu vergessen.

Ich habe Angst vor dem Zeitpunkt, wenn das Geplapper aufhört. Wenn sich Fanni von uns zurückzieht, über ihre wichtigsten Gedanken nur noch mit ihren Freundinnen redet, ihre Zimmertür mit Schlüssel und Drohungen zusperrt. Wie schrecklich kurze Zeit sie so klein ist wie jetzt!

Hier aber gibt es nur uns. Diese Welt hat Grenzen. Hier das Land, dort das Meer. Niemand kommt ohne Erlaubnis und unbemerkt an diesen Ort. In der Ferne tuckert ein Motorboot, ich starre es eine Weile an. Es fährt vorbei, verschwindet zwischen den Inseln. Dann ist es wieder still.

Unsere Runden nennen wir Müllspaziergänge. Wir sammeln den Müll, der angeschwemmt worden ist, untersuchen Plastikstücke und überlegen, woher sie wohl kommen, wem sie gehört haben und warum sie ins Meer geraten sind. Oft gibt es überhaupt keinen Müll, aber bei starkem Wind kann man vor allem am Südufer alles Mögliche finden. Einmal ist ein kleiner Apparat aus Metall angetrieben worden, den Fanni zum Spielen mitgenommen hat. Gemeinsam mit Joel hat sie ein Spielfunkgerät daraus gebaut, mit dem sie Seenot spielt und den Schiffen Kommandos gibt. Sie hat noch immer weniger Ansprüche als die Kinder meiner Bekannten und ist deshalb ein Kind, das gut zu uns passt. Joel bastelt mit ihr neue Spielsachen aus aufgelesenen Plastikteilen und Schrott, und die seltsamen Konstruktionen sind für Fanni kostbarere Schätze als Mitbringsel von Reisen.

Fanni und ich kennen jeden Felsspalt am Ufer. Noch ist das Wasser klar, man sieht mehrere Meter tief bis auf den Grund. Fanni fragt besorgt, wann die Blaualgen kommen, ob es genau dann passiert, wenn das Wasser endlich schön warm ist.

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