Kitabı oku: «Rayan - Zwischen zwei Welten», sayfa 3

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September 2014 – Tal von Zarifa – Ende einer langjährigen Freundschaft

Als Rayan ihre Verachtung sah, sagte er nur traurig: „Warum, Sachra? Damals vor so vielen Jahren warst du es, die mir das Leben gerettet hat, zusammen mit Ibrahim. Ich dachte, du bist meine Freundin? Was glaubst du würde dein Ehemann dazu sagen, wenn er davon wüsste? Er hat sein Leben für meines gegeben - Dein Verrat entehrt seine Heldentat!“

„Sprich du nicht von Ehre! Du Monster hast mir alles genommen. Meine besten Jahre und nun auch noch die Liebe meines Lebens.“

Rayan sah sie verständnislos an, was ihr die Zeit gab weiterzusprechen: „Warum bist du nicht dort geblieben, wo auch immer du dich verkrochen hattest? Sedat war ein zahnloser Tiger, harmlos auf seine alten Tage. Dann bist du gekommen und hast uns „gerettet“ – die wundersame Auferstehung. Dass ich nicht lache! Und seitdem hatte Ibrahim keine Augen mehr für mich. Es hieß nur noch: ‚Rayan dies, Rayan das. Unser Heilsbringer!‘ Und ich habe hier auf meinen Mann gewartet, stundenlang, wochenlang. Ich wusste niemals wann und ob er überhaupt zurückkehren würde. Bis neulich, als es dann wirklich soweit war.“ Sie hielt kurz inne, Tränen waren in ihre Augen getreten. „Und weißt du, was das Schlimmste ist? Die Gewissheit, dass Ibrahim ein großer Wunsch erfüllt wurde: Er konnte das Leben seines Helden retten. Was mit mir ist, hat sich niemand gefragt!“

Rayan konnte Sachra nur anstarren. Er hatte geglaubt, sie seit Jahren zu kennen. Noch vor wenigen Wochen war er bei ihr gewesen und sie hatten über Ibrahims Tod gesprochen. Mit keiner Miene hatte sie ihre Gefühle für ihn verraten – so viel Hass!

Er dachte bei sich, dass es wieder einmal ein Beweis war, dass niemand einen anderen Menschen vollständig kennen konnte. Das war früher schon immer seine Devise gewesen, als er sich jahrelang geweigert hatte, irgendjemandem außer sich selbst zu trauen. Erst im Laufe der Jahre hatte er etwas Zutrauen in andere Menschen gefasst. Wie zum Beispiel in Julie und Jack, seine Adoptiveltern. Die Gesinnung von Sachra warf ihn auf dem Weg zum Vertrauen in Andere erneut zurück und er beschloss für sich, wieder vorsichtiger zu werden.

„Was haben sie dir dafür versprochen?“, fragte er Sachra leise. Diese lachte höhnisch: „Nur deinen Tod. Deinen langsamen, qualvollen Tod. Ich habe ihnen vorgeschlagen, sie sollten da weitermachen, wo die Männer deines Vaters damals versagt hatten.“

Rayan war erschüttert, Sachra war bei seiner Misshandlung vor so vielen Jahren Zeugin gewesen – wie konnte sie ihm das noch einmal wünschen? Wie sehr hatte sie sich verändert, und das quasi vor seinen Augen, ohne dass es ihm aufgefallen war.

Er zwang sich, ruhig zu bleiben: „Wie bist du an diese Menschen gekommen?“ Es blitzte in Sachras Augen und triumphierend sagte sie: „Durch das Internet. Ich sitze Wochen und Monate alleine hier herum – da musste ich mir doch eine Beschäftigung suchen? Ibrahim hat sich gefreut, dass ich so aktiv war. Immer wenn er an ein Terminal gekommen ist, haben wir uns geschrieben. Dabei bin ich auf sie gestoßen. Sie haben mich irgendwann einfach kontaktiert. Es hat mich einige Zeit gekostet, sie von meiner Echtheit und vor allem davon zu überzeugen, dass ich dich wirklich tot sehen will, aber seitdem sind wir gute Freunde.“ Sie lachte wieder höhnisch.

Es war Hanif, der nun nicht mehr ruhig bleiben konnte: „Und wer sind ‚sie‘? Was wollen diese Leute?“

Sachra zuckte die Achseln. „Keine Ahnung. Das war mir egal. Rache so wie ich, vermute ich.“

Auf einmal mischte sich Julie wütend ein und keifte Sachra an: „Du herzloses Miststück, diese Menschen bedrohen meinen Enkel! Und Jassim auch – willst du diese beiden auch tot sehen?“

Doch Sachra zuckte nur die Achseln: „Das ist ein bedauerlicher Nebeneffekt. In jedem Krieg gibt es Opfer. Und der große Jassim wird sicher genauso erfreut sein wie Ibrahim, für seinen ‚Helden‘ zu sterben.“ Das Wort „Held“ betonte sie höhnisch.

Julie wollte auf sie losspringen, doch Rayan rief mit klirrender Stimme: „Julie!“, und sofort hielt die ältere Frau inne. Etwas sanfter fuhr Rayan fort: „Reiß dich zusammen. Sie will dich doch nur provozieren.“

Hanif, der emotional am wenigsten von allen betroffen war, stellte die entscheidende Frage: „Was machen wir denn nun mit ihr?“

Noch bevor Rayan etwas erwidern konnte, antwortete satt dessen Sachra: „Ihr macht überhaupt nichts mit mir. Wenn ich nämlich nicht regelmäßig weiter meine E-Mails beantworte und Statusinformationen durchgebe, sterben sie alle beide. Richtig?“

Und eiskalt antwortete Rayan: „Falsch!“ Dann schoss er seine Armbrust ab, und gleich zwei der vergifteten Pfeile trafen Sachra in die Brust.

Alle drei starrten Rayan entsetzt an, Sachra zusätzlich mit einem ungläubigen, verwirrten Gesichtsausdruck. Sie griff sich mit der linken Hand an die Eintrittswunden der Pfeile, hob die Hand dann vor ihr Gesicht und starrte noch immer ungläubig auf ihr eigenes Blut. „Aber …?“ Dann begann das Gift zu wirken und sie brach lautlos in sich zusammen. Es wirkte so schnell, dass sie bereits tot war, bevor sie auf dem Boden aufschlug.

Nun schauten alle drei auf die Tote. Rayan mit grimmigem Gesicht, aber auch mit einer gewissen Genugtuung, Julie und Hanif sprachlos.

Julie fasste sich als Erste: „Yasin was tust du? Wie sollen wir nun verhindern, dass die Hintermänner Jassim und vor allem Tahsin töten?“ Vor lauter Aufregung hatte sie nicht gemerkt, dass sie den amerikanischen Namen, unter dem sie Rayan kennengelernt hatte, verwendete, so sehr war sie von den Ereignissen der letzten Minuten mitgenommen.

Hanif riss sich nun ebenfalls aus seiner Starre: „Sie hat recht, Herr, was sollen wir nun tun?“

Rayan lächelte nur kalt, was Hanif einen Schauer über den Rücken jagte: „Julie wird die E-Mails beantworten.“

Seine Adoptivmutter war entsetzt: „Ich? Wie denn? Nein, nein, ich kann das ganz bestimmt nicht.“

Doch Rayan ignorierte ihre Bedenken einfach. Er trat an den Computer, der auf einem Schreibtisch in der rechten hinteren Ecke des Raumes stand. Ihm war vorher bereits aufgefallen, dass der Computer eingeschaltet war. Als Experte für Sicherheit wusste er, welche Einstellungen er verändern musste, um zu verhindern, dass sich das Terminal in Ruhemodus begab oder ein Passwort beim nächsten Mal notwendig wäre. Dann sahen sie gemeinsam eine ganze Zeit lang den ein- und ausgehenden Mailverkehr durch. Zum Glück hatte Sachra keinen Code verwendet, um mit den geheimnisvollen Hintermännern zu kommunizieren. Julie willigte letztlich ein, die Stellung am Terminal zu übernehmen. Schließlich musste sie nicht die ganze Zeit hier bleiben, sondern nur ab und zu nachzuschauen, ob neue E-Mails eingegangen waren. Sachra schien jeden Abend um etwa 20 Uhr einen Einzeiler gesendet zu haben. Zusätzlich hatte sie nur geschrieben, wenn es neue Ereignisse gab. Unter anderem hatte sie am Nachmittag eine triumphierende Mail abgesendet, nachdem Carina aufgebrochen war. Die Mail, die Cho zurückverfolgt hatte.

Rayan machte der Inhalt und der Tonfall dieser Notiz so wütend, dass er Sachra am liebsten zusätzlich noch erwürgt hätte, wäre sie nicht ohnehin schon tot gewesen.

Er riss sich zusammen und zischte nur angewidert: „Armer Ibrahim, er würde sich im Grabe umdrehen, wenn er davon wüsste.“ Hanif sah in etwas verständnislos an, aber er wusste, dass sein Herr ab und zu christliche Vergleiche nutzte, was an seinen langen Aufenthalten in Amerika lag und daher fragte er nicht weiter.

Rayan fuhr fort: „Wir dürfen Ibrahims Andenken nicht schmälern, indem wir bekannt geben, was seine Ehefrau verbrochen hat. Ruf Dr. Scott an, er soll kommen. Ein Notfall. Sie hat etwas Falsches gegessen. Nahrungsmittelvergiftung. Soll vorkommen.“ Und diesmal war es Rayan, der höhnisch lachte.

Der Arzt war Engländer und seit dem Krieg 2001 in Zarifa. Nach den Kämpfen hatten er und seine Frau beschlossen, sich in Zarifa zur Ruhe zu setzen. Rayan hatte seiner Bitte damals stattgegeben, weil er wusste, wie wichtig ein guter Arzt und Chirurg für sein Volk war. Er war sich sicher, dass der Doktor ihr Geheimnis über die wahren Umstände der Ereignisse für sich behalten würde. Sie erklärten ihm das Nötigste und er versprach, zusammen mit Julie, Sachras Ableben unauffällig und als natürliche Todesursache zu tarnen.

Rayan und Hanif jedoch hatten nun keine Zeit mehr zu verlieren. Sie waren frei zu gehen, niemand würde ihre Abreise mehr verraten. Julie würde ihnen den Rücken durch belanglose E-Mail Nachrichten frei halten. Sie machten sich auf den Weg.

September 2014 – Tal von Zarifa – Aufbruch in der Nacht

Die Vorbereitungen für Rayans und Hanifs Abreise waren schnell erledigt. Sie ruhten sich noch ein wenig aus, doch keiner von beiden konnte nach den Ereignissen des Tages wirklich schlafen. Und so kleideten sie sich eine Stunde nach Mitternacht in ihre Gewänder für den längeren Aufenthalt in der Wüste, verabschiedeten sich von Julie und ritten los. Via Satellitentelefon hatten sie die Möglichkeit sowohl mit Julie, als auch mit Nihat jederzeit Kontakt zu halten. Letzteres war wichtig, um nicht dem kleinen Trupp um Carina in die Arme zu laufen, der nun schließlich nur wenige Stunden vor ihnen in die gleiche Richtung ritt.

Wiederum zog Rayan kurz in Erwägung, statt sie zu umreiten, sie einzuholen und Carina einzuweihen. Doch er war sich nicht sicher, ob die Erpresser nicht noch andere Spione an den Flughäfen platziert hatten, und er nahm sich vor, mit Carina zu sprechen, sobald es gewiss war, dass Tahsin und Jassim in Sicherheit waren. Mit etwas Glück war das bereits in wenigen Tagen. Solange musste er seine Ungeduld noch zügeln. Doch er hatte ein ungutes Gefühl dabei. Er glaubte Carina inzwischen gut genug zu kennen, um zu wissen, dass diese zu allerlei Kurzschlusshandlungen imstande wäre.

Diese Gedanken gingen ihm durch den Kopf, als er durch das Tal von Zarifa zum Felsdurchbruch ritt. War es erst heute Nachmittag gewesen, dass er Carina bei ihrem Aufbruch auf derselben Strecke beobachtet hatte? Er konnte es kaum glauben. Seine Gedanken schweiften zu Sachra zurück. Sachra! Sie war damals wie eine Schwester für ihn gewesen. Die Eifersucht konnte schon seltsame Dinge mit den Menschen anstellen. Bei diesem Stichwort fiel ihm seine erste Begegnung mit Hanif ein, als dieser ebenfalls aus Eifersucht versucht hatte, Rayan zu töten. Ohne das beherzte Eingreifen seines Vaters wäre ihm das auch gelungen.

Stattdessen traf die Kugel Sedat, was dann vier Jahre später zu dessen Tod führte. Basierend auf dieser Schuld hatte Sedat Hanif gezwungen Rayan lebenslange Treue zu schwören – ein Leben für ein Leben. Die Alternative wäre Hanifs Hinrichtung gewesen und daher blieb ihm keine Wahl als den Treueeid zu leisten. So hart waren die Gesetze nun einmal.

Damals hatte Rayan gedacht, sein Vater hätte den Verstand verloren, ihn mit dem „Anhängsel Hanif“ zu belasten. Doch schon bald hatte er gemerkt, wie nützlich dieser für ihn war. Heute betrachtete er ihn eher als seinen Freund, denn seinen Untergebenen. Er merkte, dass er ihn vermisste, wenn er alleine unterwegs war. Wenn Hanif nur nicht immer so steif wäre. Rayan wusste, dass sein Begleiter von einem unglaublichen Stolz besessen war, und das machte es manchmal schwierig mit ihm. Eigentlich war wohl eher das Problem, dass sie sich beide manchmal ZU ähnlich waren, musste Rayan vor sich selber zugeben. Er selber war auch oft schwierig, nur hatte er den Vorteil, dass sich die Anderen in der Regel nach ihm richten mussten.

Weiter überlegte Rayan, wie es mit Hanif wohl in England sein würde. Er selbst war bereits viele Male geschäftlich dort gewesen und wusste daher, wie er sich zu verhalten hatte, um nicht aufzufallen. Hanif dagegen war seinem Wissen nach überhaupt noch nie im Ausland gewesen. Es würden ihm einige Überraschungen bevorstehen. Bei dem Gedanken daran musste Rayan grinsen. Doch dann fiel ihm der Grund ihrer Reise ein und das kurze Gefühl des Vergnügens verging ihm wieder. Hoffentlich kamen sie nicht zu spät!

Hanifs Gedanken waren mit ähnlichen Themen beschäftigt. Er hatte Sachra erst nach ihrer Rückkehr aus der Wildnis kennengelernt, als Sedat sie freisprach und ihnen erlaubte, wieder in Zarifa zu leben.

Ibrahim hatte er besser gekannt, da dieser sie oft auf ihren Reisen begleitet hatte. Er hatte ihn immer für seine Hingebung zu Rayan beneidet. Er selbst war der ewige Zweifler, der dauernd kritische Fragen stellte.

Einmal hatte er Ibrahim nach den Narben auf Rayans Rücken gefragt, und wie es zu dem Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn hatte kommen können, doch Ibrahim hatte nur den Kopf geschüttelt. Er würde über diese Ereignisse nicht sprechen, wenn dann musste Rayan selbst darüber berichten.

Andererseits war Hanif stolz darauf, dass Rayan, immer wenn er eine andere Meinung hören wollte, zu ihm kam, und nicht zu Ibrahim. Vielleicht war es also gerade sein kritisches Hinterfragen, was er benötigte und wollte.

Auch Hanif sinnierte über ihre bevorstehende Reise: Wie würde England sein? Er war noch niemals dort gewesen. Er hatte überhaupt das Land noch nie verlassen. Immerhin sprach er leidlich gut Englisch, was er seinem Vater zu verdanken hatte. Der hatte dafür gesorgt, dass er zwei Jahre lang in Rabea Akbar zur amerikanischen Schule gegangen war. Sein Vater war Händler gewesen und überzeugt, dass Sprachen die Zukunft seien. Hanif hatte seinen Vater damals nicht verstanden, jetzt dagegen war er froh, dass er zumindest in dieser Hinsicht nicht ohne Wissen dastehen würde.

Er wusste, dass Rayan meist nicht sehr gesprächig war und wenn er auf seinen Willen ihm etwas zu übersetzen angewiesen wäre, würde er vermutlich lange warten. Schließlich war Rayan der Herr und Hanif der Untergebene, und nicht umgekehrt.

Insgesamt war Hanif also mehr als gespannt, was die kommenden Tage bringen würden.

Derart beschäftigt verging der Ritt durch die Berge hinab schnell. Kurz vor der Abenddämmerung machten sie Lager in den tieferen Ebenen von Zarifa. Bis zur Oase waren es nur noch wenige Stunden. Aber sie hatten ihre Reise mit Absicht zeitlich so gestaltet, weil Carina just in diesem Moment noch in der Oase weilte und erst am nächsten morgen früh von dort aufbrechen würde.

Mai 2002 – Große Wüste – Eigentlich Routine

Wie üblich zog Rayan seine Runden. Immer wenn er in der Wüste unterwegs war, waren alle seine Sinne geschärft. Er liebte die Wüste wie kein anderer. Aber genauso wusste er, dass sie ein Ort war, der keine Fehler vergab. Oft munkelte man, dass Rayan mit der Wüste sprach und noch viel wichtiger: dass sie ihm antwortete. Innerlich musste der Scheich grinsen, denn das war mystischer Blödsinn. Doch tat er nie etwas dazu, derartige Gerüchte zu zerstreuen. Im Gegenteil, wenn sich ihm eine Gelegenheit bot, bestärkte er sie noch.

Was allerdings stimmte, dass er ein Meister darin war, Hinweise zu deuten. Hier eine kleine Staubfontäne, die von einem Rudel Kamele oder anderer wildlebender Tiere stammte, dort eine Ansammlung von Kakteen. Die Art wie sich die Luft über dem Sand bewegte. Und daher wusste er, ja spürte er es, wenn ein Sandsturm kam. Oder er konnte mit Sicherheit sagen, wo sie Wasser finden konnten, auch wenn diese Quellen aufgrund ihrer Abgelegenheit in keiner Karte verzeichnet waren.

Aber es kostete ihm jedes Mal auch viel Kraft, den ganzen Tag über aufmerksam zu sein.

Anfangs hatten sich seine Männer gewundert, wieso er selten inmitten des Pulks blieb, sondern los ritt, um Spuren nachzugehen, die er bemerkt hatte. Er war morgens stets der Erste, der sein Pferd fertigmachte, noch während die anderen Männer mit dem Essen machen oder dem Zusammenpacken ihrer Habseligkeiten beschäftigt waren. Dann umrundete Rayan stets in einem weiten Bogen die Senke, in der sie ihr Lager aufgeschlagen hatten.

In der Wüste war es gut eine Senke zu wählen, auch wenn diese im Angriffsfall von Nachteil war. Aber zum einen war man so wenigstens ein bisschen vor dem Wind geschützt. Noch wichtiger aber war, dass das Feuer auf diese Weise nicht allzu weit zu sehen war.

Würde man mitten auf einem Dünenkamm ein Feuer entzünden, so könnte man das bereits aus vielen Kilometern Entfernung sehen. In einer Senke dagegen konnte es passieren, dass einem nachts ein anderer Trupp in kurzer Distanz passierte, ohne dass er das Lager überhaupt bemerkte. Da war es noch wahrscheinlicher, dass Gegner den Rauch rochen, den das Feuer verursachte.

Dafür war es aber umso wichtiger, am Rand der Senke Wachposten aufzustellen, die verhindern sollten, dass ein Feind, der sie trotzdem erspäht hatte, die Dünenränder besetzte und sie aus strategisch günstigerer Position angriff.

Während seiner Kontrollritte hielt Rayan oft an, stieg ab, um Tierfährten zu beobachten, aber auch die Windrichtung stets zu prüfen oder gar nach Spuren von Menschen oder Lasttieren Ausschau zu halten.

Auf die gleiche Weise beendete er den Tag. Es war bereits zwei- oder dreimal vorgekommen, dass er dem ganzen Trupp Reiter befohlen hatte, alles wieder einzupacken und nochmals weiterzuziehen. Das Murren der Krieger hatte er ignoriert. Vorsicht war das oberste Gebot.

Und schließlich hatten sich die Männer im Laufe der letzten Monate an die Eigenheiten ihres neuen Scheiches gewöhnt. Er war es schließlich gewesen, dessen Intuition und Einfallsreichtum sie damals gerettet hatte; wenn er also ihre aktuelle Lagerstätte als nicht geeignet empfand, so würde er schon wissen, warum.

Überhaupt hatte sich in den letzten Monaten ihr Leben drastisch geändert. War es vorher von Langeweile und Nichtstun geprägt, so gab es nun täglich Trainingseinheiten, Waffenübungen oder Erkundungsaufträge.

Rayan war unermüdlich auf den Beinen, um die Beziehungen zu den umliegenden Stämmen in seinem Sinne zu beeinflussen. Alle hatten von ihm und seinen Taten während des Kampfes gehört, weshalb er von einigen bereits mit entsprechender Ehrfurcht empfangen wurde. Diejenigen, die misstrauischer waren, überzeugte er aber ebenfalls bald.

Sein Name war in aller Munde. Niemals zuvor war es einen anderen Scheich gelungen, so intensive Beziehungen zu seinen Nachbarn aufzunehmen.

Eine weitere bemerkenswerte Veränderung im Leben der Tarmanen war die Konsequenz, mit der ihr neuer Scheich seine Entscheidungen und Anordnungen durchsetzte. Ganz wie er es zu Anfang prophezeit hatte, hatte er strenge Regeln, auf deren Einhaltung er bestand. Zuwiderhandlungen wurden bestraft.

Interessanterweise sahen ihn seine Männer deshalb trotzdem nicht als Despoten an. Das lag zum einen an seiner Ausstrahlung, mit der es ihm gelang, innerhalb kürzester Zeit, die Krieger für sich einzunehmen. Zum Zweiten lag es daran, dass sie sahen, dass auch er nach den gleichen Regeln lebte. Er forderte nichts, was er nicht auch selbst leistete. Weil er stets auf ihre Sicherheit bedacht war und kaum zu schlafen schien, konnte es ihm niemand übel nehmen, dass er vor allem Nachlässigkeiten bei den Wachposten ahndete. Wehe demjenigen, der während einer Wache einschlief!

Den Tarmanen war auch klar, was sie Rayan in Bezug auf Kampffertigkeit zu verdanken hatten. Auf einmal hatten sie statt alter Gewehre völlig neue Waffen. Ihr Scheich gab sich viel Mühe, für jeden einzelnen der Männer die Waffe zu finden, mit der er am besten war. Und in fast allen Kampftechniken überragte er sie um Längen. Kein Wunder, denn in den letzten Jahren hatten sie selbst nur sehr wenig dazu getan, fit zu bleiben.

September 2014 – Irgendwo in den Bergen von Zarifa – Jede Minute zählt

Am folgenden Morgen standen Rayan und Hanif bei Tagesanbruch auf und ritten in Richtung der Oase von Zarifa.

Hanif hatte zuvor mit Nihat telefoniert, der ihm bestätigt hatte, dass sie ebenfalls im Morgengrauen aufgebrochen waren. Nihat wusste freilich nicht, warum er das so genau wissen wollte. Er hielt es für Besorgnis um das Wohlergehen Carinas. Vorsorglich hatten sie ihm nichts davon erzählt, dass sie nur wenige Stunden hinter ihnen ritten.

Die Männer, die derzeit Wache in der Oase hatten, staunten nicht schlecht, als so kurz nach dem Aufbruch ihrer Stammesgenossen mit dem wichtigen Gast des Herrschers, ihr Scheich selbst sie besuchen kam. Aber nachdem er ihnen gegenüber keine Rechenschaft abzulegen hatte, wagte es niemand, weiter nachzufragen.

Hanif und Rayan rasteten nur kurz, ab jetzt würden sie schnell sein müssen, um Nihats Trupp zu überholen. Dafür mussten sie die Pferde zum Äußersten antreiben.

Sie füllten beide ein letztes Mal ihre Wasserschläuche bis zum Äußersten und ritten dann in die bereits vor Hitze flimmernde Luft der Wüste hinaus.

Die übliche Mittagspause, die Nihat eisern einhielt, um sowohl Carina, als auch die Pferde zu schonen, sorgte dafür, dass Hanif und Rayan bald den Rückstand von wenigen Stunden aufgeholt hatten.

Mit Hilfe von Cho, der sowohl ihren, als auch Nihats GPS Sender im Auge behielt, fiel es ihnen nicht schwer, in wenigen Hundert Metern an dem Trupp vorbei zu reiten. Sie hielten sich dabei im Schutze der großen Sanddünen, die in diesem Teil der Wüste stellenweise wie kleine Gebirge hoch sein konnten. Nihat bemerkte einmal eine Sandwolke zu ihrer Linken, doch konnten das auch wilde Kamele oder andere Tiere sein. Er würde für die Nacht zur Sicherheit die Wachen besonders sensibilisieren.

Wiederum war es Cho, der es ihnen sagte, als Nihat gegen Abend eine geeignete Senke zum Übernachten gefunden hatte und seine Begleiter anhalten ließ.

Dies nutzten Rayan und Hanif, um noch zwei Stunden weiter, bis in die Dunkelheit hinein, zu reiten. Das war ein gefährliches Unterfangen, da weder die Pferde noch die Reiter alles sehen konnten und die meisten Tiere der Wüste nachts aktiv waren. Aber Rayan und Hanif hatten beide diese Strecke schon des Öfteren zurückgelegt. Sie kannten sie daher sehr gut und auch das Licht des Mondes half ihnen.

Vorsichtshalber machten sie in dieser Nacht kein Feuer an und legten sich stattdessen nahe bei den Pferden hin, deren Instinkt durch das Leben in der Wildnis so gut ausgeprägt war, dass sie herannahende Gefahr viel besser wahrnahmen, als die Männer.

Bereits nach wenigen Stunden und weit vor dem Morgengrauen waren sie wieder unterwegs. Vor ihnen lag der vierte Tag seit dem Aufbruch von Carina aus Zarifa, seit dem Tag an dem Rayan die E-Mail bekommen hatte.

Der Tag verging ereignislos, sie trieben die Pferde an, so gut es ging. Eine Nachfrage bei Julie ergab erfreulicherweise keine Neuigkeiten, die Erpresser verhielten sich still und schienen den Wechsel des E-Mail-Verfassers nicht bemerkt zu haben. Cho berichtete, dass sie Nihat immer weiter abgehängt hatten, sodass das Risiko eines Zusammentreffens gegen null gegangen war.

Am Abend telefonierte Rayan mit Harun, der ihm den Plan für den folgenden Morgen nochmals bestätigte – alles war vorbereitet. Danach schliefen die beiden beruhigt wenige Stunden und ritten am fünften Tag erneut weit vor dem Morgengrauen los.

Bei Sonnenaufgang kamen sie in der Oase von Sabya an, die in etwa den halben Weg von Zarifa nach Alessia markierte. Dort warteten bereits zwei alte Bekannte auf sie: Haruns Bruder Sarif und sein treuer Freund Resul. Rayan hatte beide seit Längerem nicht mehr gesehen und staunte nicht schlecht. Vor allem freute es ihn, dass die beiden offenbar auch nach all der Zeit noch immer unzertrennbar schienen.

Sarif grinste, dass es Haruns Idee gewesen war, dass er und Resul hierher kommen sollten. Sie brachten frische Früchte und andere leckere Speisen mit, die die beiden Männer nach mehr als drei Tagen Datteln und Trockenfleisch mit großem Appetit aßen.

Doch die Zeit drängte und schon sahen sie den Helikopter der saudischen Armee herannahen. Es war Haruns Beziehungen zu verdanken, dass sie hier abgeholt wurden. Sarif und Resul würden ihre beiden Pferde mitnehmen und versorgen, bis sich eine Gelegenheit dazu fand, sie zurückzugeben.

Die Bell 205, die die saudische Armee überwiegend benutzte, hatte eine Reichweite von 500 km, und so war es kein Problem, sie von Alessia aus hier abzuholen.

Vermutlich hatte der Transport Harun ein Vermögen gekostet. Er hatte sich aber angesichts der Notsituation strikt geweigert, auch nur über Kosten zu sprechen. Das sei das Mindeste, was er für seinen langjährigen Freund tun könne.

Auf diese Weise landeten Rayan und Harun am fünften Tag seit der E-Mail nach etwas mehr als einer Stunde Flug auf dem Flughafen von Alessia.

Dort trafen sie sich mit Leila, die für sie bereits ein Zimmer im Airporthotel gemietet hatte.

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