Kitabı oku: «Rayan - Zwischen zwei Welten», sayfa 6

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September 2014 – London - Nächtliche Treffen

Rayan und Hanif ließen sich ihren sportlichen Audi vom Hotelangestellten bringen und fuhren ins nächtliche London. Kurz vor ihrem Ziel hielt Rayan das Auto abrupt am Straßenrand an. Er wandte sich Hanif zu und sagte ernst zu ihm: „Hör zu, wir werden jetzt in einen Club gehen – eine Bar. Ich werde dort eine Rolle spielen, verstehst du mich? Wenn du kannst, spiel mit, ansonsten bist du still. Kein Wort - verstanden? Ich werde dort einen sehr gefährlichen, aber überaus einflussreichen Mann treffen. Auch wenn er nicht den Anschein macht, dieser Mann ist wichtig für uns. Klar?“

Und Hanif nickte überzeugend: „Klar.“ Aber in Wirklichkeit fühlte er sich verloren und klar war ihm überhaupt nichts. Welche Rolle? Wofür brauchten sie diesen Mann? Warum fuhren sie nicht einfach los und suchten Jassim?

Wenige Minuten später hielten sie wie angekündigt vor einer Bar an und es wiederholte sich das Spiel, das Hanif nun schon kannte: Ein Mann, der für das Parken der Autos zuständig war, kassierte einen größeren Schein, um das Auto zu versorgen.

Kaum öffnete Rayan die Türe, um hineinzugehen, empfing sie laute Musik. Der Raum war nur schlecht beleuchtet und voll von Leuten, die saßen oder standen. An Tischen, in den Ecken, oder einfach an Säulen gelehnt.

Rayan drängte sich zur Theke durch. Hanif warf einen Blick auf die Uhr, die über dem Spiegel hinter dem Tresen hing: Es war 00.45 Uhr. Als sich der Barkeeper ihnen endlich zuwandte, hörte er aufgrund der Musik kaum, was Rayan für sie bestellte. Kurz darauf stellte der Barkeeper vor ihm eine Cola ab und er war Rayan dankbar dafür, denn zu seinem Entsetzen sah er, dass Rayan für sich selbst eine goldene Flüssigkeit mit Eiswürfeln bestellt hatte.

Rayan nippte an dem Glas, ohne mit der Wimper zu zucken. Hanif überlegte verwirrt, ob er diese Person noch wieder erkannte. Nicht nur, dass er sich perfekt mit allen Gepflogenheiten auszukennen schien, er trank offenbar auch noch regelmäßig Alkohol.

Doch sein Gedankengang fand ein abruptes Ende, als sich Rayan plötzlich von der Theke löste und mit dem Glas in der Hand auf einen Mann zusteuerte, der gerade zur Tür hereingekommen war und im hinteren Teil der Bar Platz nahm.

Hanif war unschlüssig, ob er mitkommen sollte, doch nach kurzem Zögern folgte er Rayan an den Tisch. Der Mann hatte ganz in der Ecke, an der Wand Platz genommen, Rayan setzte sich ihm gegenüber hin. Hanif nahm den Stuhl vorn am Kopfende des Tisches, der eigentlich Platz für fünf Personen bot.

Aufgrund der lauten Musik und der englischen Sprache verstand Hanif nur einen kleinen Teil des Gespräches, aber immerhin so viel, dass Rayan dem Mann offenbar erklärte, dass er diesmal nicht geschäftlich, sondern rein privat hier sei. Was auch immer geschäftlich zu bedeuten hatte. Hanif beschloss, dass er das gar nicht wissen wollte. Der Mann war nicht übermäßig erfreut Rayan zu sehen, das war unübersehbar, aber sie schienen zu einer Einigung zu kommen.

Beim Aufstehen sagte er zu Rayan: „Ich warne dich! Ich will keine Sauerei. Eine saubere Rettungsaktion, ohne größeres Aufsehen, dann bist du wieder weg. Ich decke dich bei Problemen, aber mein Verständnis hat Grenzen. Haben wir uns verstanden?“ Als Rayan nur nickte, packte er ihn am Kragen seines Hemdes – „Haben wir uns verstanden?“ und zu Hanifs Entsetzen sagte Rayan nur zahm und fast etwas unterwürfig: „Ja, klar, kein Problem Mister Smith. Ich danke ihnen für ihre Unterstützung. Sie haben etwas gut bei mir.“ Der Andere schien zufrieden und nickte nur: „Gut. Wir haben einen Deal – braver Junge.“ Und als er dann noch Rayan herablassend auf die Wange tätschelte, sprang Hanif mit geballten Fäusten auf. Rayan, der die Gefahr im letzten Moment erkannte, fuhr Hanif auf Englisch an: „Setz dich hin und halt den Mund. Misch dich nicht ein.“

Smith lachte meckernd: „Wen hast du da mitgebracht? Brauchst du seit Neuestem einen Wachhund? Wirst wohl alt, was?“

Alle drei standen inzwischen neben dem Tisch. Da blitzte es kurz in Smiths Augen auf und es kam, was Rayan befürchtet hatte: Smith musste seine Macht beweisen. Zu Hanif gewendet sagte er: „Hör zu Wachhund – hier wird gemacht, was ich sage, hast du das verstanden?“ Und um seine sogenannte Überlegenheit zu demonstrieren, legte er Rayan die linke Hand leicht auf die Schulter, als wollte er ihm Mut machen. Doch dann holte er mit der rechten Hand aus und schlug Rayan brutal in den Magen. Der hatte den Schlag kommen sehen, und war in der Bewegung mitgegangen. Außerdem verhinderte ein Anspannen seiner Bauchmuskeln einen schlimmeren Impact. Hanif war blass geworden. Noch nie hatte er erlebt, dass ein Mensch auf Erden es wagte, mit seinem Scheich derartig respektlos umzugehen. Smith sah seinen Gesichtsausdruck, grinste gemein, und schlug nochmals zu. Diesmal konnte Rayan den Schlag nicht mehr abfangen. Er knickte in den Knien ein, und nur Hanif war es zu verdanken, dass Rayan nicht zu Boden ging. Smith nutzte die Gelegenheit, sich ohne weiteren Gruß davon zu machen. Jeder weniger trainierte Mann wäre nach diesem direkten Treffer erst einmal ausgeschaltet, jedoch war Rayan fit und erfahren im Kampf. Trotzdem setzte er sich einen Moment hin, um sich zu sammeln. Er hatte weniger mit seinen körperlichen Schmerzen, als mit seinem Ego zu kämpfen. Was bildete sich dieser Smith eigentlich ein? Dieses arrogante Arschloch!

Vor allem, dass Hanif seine Demütigung miterlebt hatte, missfiel ihm. Mit einem Zug trank er seinen Whisky aus. Dann sprang er ruckartig auf und raunzte Hanif an: „Lass uns gehen.“

Er war wütend. Richtig wütend. Seine dunkelblauen Augen waren fast schwarz geworden. Nie ein gutes Zeichen. Der Gedanke, dass Hanif seine Demütigung miterlebt hatte, führte ihn sogar noch zu einem weiteren Gedankengang: Hanif war es, der diese Demütigung überhaupt erst verursacht hatte. Verdammt! Er wusste gleich, dass es ein Fehler gewesen war, ihn mit hierher zu nehmen. Na warte, dem würde er etwas erzählen, sobald sie im Auto waren!

Hanif spürte die Stimmung seines Herrn und hatte zeitgleich in etwa die gleichen Schlussfolgerungen gezogen. Rayan hatte ihn doch gewarnt, dass dies eine Rolle wäre - wie ein Schauspiel. Warum hatte er nur so heftig reagiert? Erst seine Reaktion war es gewesen, die den Anderen herausgefordert hatte. Verdammt. Warum hatte er dann nicht ihn, Hanif geschlagen? Doch die Antwort lag auf der Hand: weil es so viel mehr Wirkung gezeigt hatte. Bei beiden. Wie sagte man hier: „Shit! Bloody Shit!!“

Ein wenig bekam er es mit der Angst zu tun, als sie die Bar verließen. Er wollte Rayan weiter stützen, doch der schüttelte wütend seine Hand ab. Der Mann auf der Straße musterte sie vielsagend, sie boten wohl ein etwas derangiertes Bild.

Wortlos nahm er den Schlüssel und warf dabei dem Mann einen Blick zu, dass diesem das Grinsen im Gesicht erstarb. Er knallte die Türe des Autos zu und raste los, sodass Hanif kaum noch Zeit hatte, die Türe auf seiner Seite noch rechtzeitig zu schließen.

Nach etwa zehn Minuten aggressiver Autofahrt hielt Rayan das Auto abrupt in der Nähe des Flusses Themse an. Er stieg aus und ging ans Wasser. Hanif folgte wenig später und stellte sich neben ihn. Er wusste, es hatte keinen Sinn, das Thema noch weiter hinauszuzögern.

Rayan hatte die Arme vor dem Körper verschränkt und starrte ins pechschwarze Wasser des Flusses. Hanif stellte sich neben ihn und wagte nicht zu sprechen, bevor Rayan ihn dazu auffordern würde.

Rayan seufzte. Die Autofahrt hatte ihm geholfen, einen Teil seiner Wut zu kanalisieren.

Daher sagte er relativ ruhig, aber doch mit höhnischem Unterton, vor allem bei den ersten beiden Worten: „Vielen Dank – ich denke, dir ist klar, dass es deine Reaktion war, die ihn dazu provoziert hat.“

Hanif nickte, dann merkte er, dass Rayan das vermutlich im Dunkeln nicht sehen konnte und antwortete: „Ja. Es tut mir leid! Ich wollte nicht …“, ihm fehlten die Worte.

Rayan atmete tief durch und sagte dann mit immer noch leicht gereiztem Unterton: „Ach, lass es gut sein! Vermutlich habe ich dich auch mit diesem Treffen überfordert. Du hättest im Hotel bleiben sollen. Aber andererseits bist du in letzter Zeit ja reichlich stur, was das Befolgen meiner Befehle angeht, was?“

Er lachte humorlos, aber es löste ein wenig die Spannung zwischen ihnen.

Hanif schwieg, denn er wusste nicht, was er hätte sagen sollen.

Nach einer ganzen Weile, als Hanif sich schon zu fragen anfing, ob Rayan nicht fror bei dieser erbärmlichen, feuchten Kälte, fuhr Rayan ruhiger fort: „Wir sind hier nicht daheim. Hier ist alles anders. Hier bestimmen Politik und andere Regeln das Spiel.“ Er schien einen Moment nachzudenken, wie er Hanif die Situation erklären sollte, dann fuhr er fort: „Du weißt genau, dass ich diesem Clown in der Bar problemlos die Kehle hätte aufschneiden können. Ohne eine Sekunde Mitleid mit ihm zu haben. Selbst mit bloßen Händen hätte ich ihm seinen Hals ohne Umstände umdrehen können.“ Wieder hielt er einen Moment inne, und Hanif hatte das Gefühl, Rayan stellte sich gerade vor, wie es wäre, wenn er genau das getan hätte. Dann fuhr er fort:

„Körperlich ist Smith schwach. Das ist genau der Grund, warum er so auf sein bisschen Macht steht, das er ausüben kann. Ich hatte mit ihm in der Vergangenheit schon öfter zu tun. Im Grunde hasst er mich abgrundtief. Ich bin alles, was er nicht ist. Ich sehe – vergib mir das Eigenlob – erheblich besser aus als er, bin körperlich fit und kann kämpfen. Viel besser als ihm lieb ist. Das weiß er genau. Denn er ist sehr schlau. Unterschätze niemals seine Intelligenz. Allerdings hat er keine Ahnung von meiner Identität Zuhause. Er kennt mich nur als den Amerikaner. Und das soll auch so bleiben. Das ist mein Ass, das ich im Ärmel habe. Ich lege niemals alle meine Karten auf den Tisch. Irgendwann kommt er aufgrund seiner Tätigkeit zu uns nach Arabien, dann kommt meine Zeit!“ Rayan knirschte tatsächlich kurz mit den Zähnen.

Dann atmete er wieder tief durch. „Hier aber hat er die Macht. Wenn wir morgen nach Tahsin und Jassim suchen, können wir jegliche Rückendeckung brauchen, die wir kriegen können. Er wird uns die Polizei vom Leib halten. Zumindest bis zu einem bestimmten Grad …“

Nach dieser Erklärung legte er Hanif seine rechte Hand auf dessen Schulter und brachte ihn so dazu, ihm direkt in die Augen zu sehen: „Im Grunde ist es nicht deine Schuld, sondern meine! Du wolltest mich verteidigen, wie du es von Daheim kennst. Mach dir keine Sorgen. Ich überlebe die Schläge – zumindest körperlich. Da hat man mich schon viel schlimmer verwundet …Ob ich die Schmach allerdings psychisch überlege, bin ich dagegen nicht so sicher …“ Er grinste Hanif an.

Erleichtert lächelte Hanif zurück. Er hatte in dieser für ihn neuen Welt noch so viel zu lernen.

Inzwischen war es weit nach ein Uhr und Hanif sehnte sich nach seinem Bett, doch Rayan war noch lange nicht dazu bereit.

„Wir fahren nach Eston Castle“, informierte er den erstaunten Hanif. Der war zwar nicht begeistert, aber da er froh war, dass Rayan seine Wut offenbar überwunden hatte, widersprach er nicht.

September 2014 – London – Unerwarteter Besuch

Bereits nach einer knappen Stunde waren sie mit dem R8 am Schloss außerhalb von London angekommen. Eine Fahrt, die unter Beachtung der Verkehrsregeln erheblich länger gedauert hätte.

Rayan hatte von Cho noch im Jet auf dem Flug hierher einen Plan mit dem Grundriss des Internats erhalten, den er sich eingeprägt hatte. Auch wo das Zimmer seines Sohnes sein musste, hatte Cho ihm markiert.

Vor Ort bat er Hanif, im Wagen zu bleiben. Alleine war er schneller und kam besser voran. Hanif stimmte ihm zu, er wollte nicht schon wieder eine Auseinandersetzung provozieren.

Daher schlich Rayan wenige Minuten später über das nächtliche Schulgelände. Aus seinem Spezialkoffer, den er aus dem Schließfach am Bahnhof mitgenommen hatte, war nicht nur eine Waffe, sondern auch ein Nachtsichtgerät zum Vorschein gekommen. Und außerdem Spezialwerkzeug zum Öffnen von Türen.

Hanif hatte nicht schlecht gestaunt und wieder zu sich selber gesagt, dass er am besten nicht genauer wissen wollte, welche Art von Geschäften sein Herr hier üblicherweise betrieb.

Die Gänge lagen verlassen da. Fast zu leicht kam er in den dritten Stock, in dem sich Tahsins Zimmer befand. Es handelte sich um ein Doppelzimmer und daher vermutete Rayan, dass auch der Mitbewohner schlafend in seinem Bett liegen würde. Er musste entsprechend absolut lautlos sein.

Als er leise die Türe öffnete und in das Zimmer schlüpfte, setzte sein Herz einen Schlag aus: Tahsin war nicht dort! Hatten die Gegner doch von seiner Reise Wind bekommen und bereits zugeschlagen? Einen Moment wurde ihm fast schlecht bei dem Gedanken. Dann zwang er sich, logisch nachzudenken. Auch der Zimmergenosse seines Sohnes war nicht da, beide Betten schienen unberührt.

Er war einen Blick zur Uhr: 2 Uhr 42! Wo konnten die Jungen sein? Tahsin war vierzehn Jahre alt und morgen war Unterricht - er sollte längst schlafen.

Dann kam ihm eine Idee und er rief Cho an. Der meldete sich bereits nach dem ersten Klingeln, denn er wusste, dass sie gerade im Internat waren, und war auf Stand-by.

„Kannst du mir Tahsins GPS anpeilen?“, fragte Rayan halblaut, wie üblich ohne Gruß oder einleitenden Satz. Für Cho war das vollkommen in Ordnung. Im Einsatz war keine Zeit für Höflichkeiten.

„Er muss im Stock über dir sein – im Eckzimmer in der südlichen Ecke.“ Rayan fluchte und legte auf. Was machte Tahsin dort mitten in der Nacht?

Dann verließ er das Zimmer ebenso leise, wie er eingetreten war, und schlich ein Stockwerk höher. Vor dem von Cho beschriebenen Zimmer blieb er stehen und hielt lauschend den Atem an. Doch durch die Türe konnte er nicht viel hören, offenbar waren diese gut isoliert.

Ihm blieb nichts anderes übrig, als auch diese Türe leise mit seinem Equipment aufzusperren. Schon als er sie einen Spalt von wenigen Zentimetern geöffnet hatte, hörte er gedämpfte Musik und ein unangenehmer Geruch dran in den Flur. Ihm schwante Fürchterliches und er schlüpfte schnell ins Innere, bevor noch jemand etwas hören oder riechen konnte.

Das Zimmer war einer der größeren Räume, die eine Art Vorraum oder Flur besaßen.

Zügig glitt Rayan völlig lautlos bis zur nächsten Ecke und spähte vorsichtig in das Zimmer.

Er sah genau das, was er anhand des Geruches schon befürchtet hatte: Alkohol und Joints.

Fünf Jungen lagen an verschiedenen Stellen des Zimmers, keiner von ihnen war nüchtern oder noch bei sich. Es gab nur schummriges Licht und es brauchte einen Moment, bevor Rayan erkannte, welche der Gestalten Tahsin war.

Als er ihn entdeckt hatte, ging er zu ihm, doch Tahsin reagierte noch nicht einmal, als Rayan ihn hochhob und aus dem Zimmer trug.

Er verschloss das Eckzimmer wieder in der gleichen Weise, wie er es vorgefunden hatte, und trug Tahsin vorsichtig nach unten. Sein Verstand arbeitete analytisch. Noch hatte er keine Zeit, das soeben Erlebte emotional zu verarbeiten.

Ein Stockwerk tiefer brachte er Tahsin in sein Zimmer. Er vermutete, dass einer der anderen vier Jungen oben der fehlende Zimmergenosse war. Ihm konnte es recht sein.

Er brachte Tahsin direkt ins Badezimmer. Inzwischen fing dieser an, sich wieder etwas zu regen. Er schien zu merken, dass etwas nicht stimmte, und begann die Augen zu öffnen. Rayan hielt Tahsins Kopf und steckte ihm über der Toilette den Finger in den Hals. Und der Körper reagierte wie erwartet mit einem Brechreiz. So zwang er ihn, zumindest den Alkohol wieder zu erbrechen.

Tahsin versuchte sich gegen diese unerwartete Misshandlung zu wehren, er wurde nun schnell munter, doch Rayan hielt ihn fest und führte die ganze Prozedur noch einmal durch. Er hatte nur bedingt Mitleid mit Tahsin; es hatte ihn schließlich niemand gezwungen sich derart daneben zu benehmen.

Im Anschluss packte er Tahsin noch in die Badewanne und begann ihn mit eiskaltem Wasser abzuduschen. Wie er war, samt seiner Kleidung.

Erst als Tahsin anfing zu schreien, ließ er ihn los.

Er war einige Minuten mit lallendem Schimpfen beschäftigt, weil er seine Freunde als Ursache für einen üblen Streich vermutete, erst dann erkannte er Rayan und verstummte abrupt.

„Vater? Was …? Wieso …?“ – es dauerte einen Moment, bis er in seinem vernebelten Gehirn die Situation verstand. „Wie kommst du hierher?“ Und dann schaute er eine ganze Weile auf seine Uhr, doch es dauerte, bis er erfasst hatte, dass es noch mitten in der Nacht war. „Was tust du hier um diese Zeit?“

Rayan antwortete auf keine seiner Fragen. Am liebsten hätte er ihn geohrfeigt und geschüttelt, doch er beherrschte sich.

„Du hörst mir jetzt zu! Es ist wichtig! Wir werden bedroht. Alle. Du, ich und Jassim auch. Wir wissen noch nicht einmal, ob er noch lebt. Hast du das verstanden?“

Tahsin sah ihn einen Moment lang mit offenem Mund an, doch dann drang es durch sein langsam arbeitendes Gehirn, dass dies kein Scherz war. Sein Vater war tatsächlich hier. In Eston Castle. Mitten in der Nacht. Es musste also tatsächlich etwas passiert sein.

„Ja, ich habe verstanden“, bestätigte er unendlich langsam.

Rayan fuhr fort: „Du wirst morgen ganz normal zum Unterricht gehen. Lass dir nichts anmerken! Schaffst du das?“

Erst als Tahsin wieder zögerlich genickt hatte, fuhr Rayan fort: „Bevor du zum Unterricht gehst, wirst du deine Sachen packen. Lass alle Kleidung und Schulsachen da, nimm nur die wichtigen Sachen mit: Ausweis, Schlüssel, Geld, falls du welches hast. Diese Gegenstände packst du in deinen Rucksack und lässt ihn nicht aus den Augen. Ich komme morgen Mittag und hole dich ab. Bisher ahnt noch niemand etwas - du bist also noch sicher. Sobald ich aber hier offiziell auftauche, muss es schnell gehen. HAST DU DAS VERSTANDEN?“, fragte er nochmals eindringlich.

Rayan stellte für Tahsin den Wecker, um sicherzugehen, dass der in wenigen Stunden nicht verschlief. Zusätzlich würde er ihn dann anrufen. Aber er hatte das Gefühl, dass Tahsin den Ernst der Lage inzwischen verstanden hatte und sich damit auch der Nebel in seinem Gehirn zu lichten begann.

Er half seinen Sohn beim Ausziehen der nassen Kleider, die er achtlos auf einen Haufen in die Ecke des Badezimmers warf, und beim Anziehen seines Pyjamas.

Dann deckte er ihn zu und wartete, bis er bereits wenige Minuten später tief und fest eingeschlafen war. Er sah auf die Uhr: 3 Uhr 15. Mit einem letzten Blick auf Tahsin verließ er schweren Herzens das Zimmer. Er ließ ihn nicht gerne hier zurück. Aber wenn er ihn sofort mitnahm, würden die anderen unmittelbar Bescheid wissen, und Jassim töten. Das konnte er nicht riskieren.

Bis er die Schule wieder verlassen hatte und zurück zu Hanif geschlichen war und sie anschließend zurück im Hotel waren, war es nach 4 Uhr 30.

Hanif hatte gefragt, ob Rayan mit Tahsin hatte sprechen können, was er bestätigte. Von Tahsins Zustand erzählte er ihm nichts. Dann fügte er gähnend hinzu „Lass uns schlafen gehen, es war ein langer Tag.“

Und so fuhren sie in ihr Hotel, wo Hanif sich todmüde direkt ins Bett begab und sofort in Schlaf viel. Rayan dagegen setzte sich noch eine Weile im Dunkeln ans Fenster seines Zimmers, er hatte sich aus der Minibar noch einen weiteren Whisky eingeschenkt und genoss die Lichter der Stadt.

Eigentlich liebte er London, er hatte viele gute Erinnerungen an seine früheren Besuche hier. Doch dieses Mal war alles so anders. Mit Absicht verdrängte er Tahsins Zustand – „ein Problem nach dem anderen“, sagte er sich.

Er beschloss, Leila anzurufen. Es war hier fast fünf Uhr morgens, das hieß, Zuhause war es bereits fast neun Uhr. Viel zu früh für Leila. Trotzdem nahm sie sofort ab, als hätte sie seinen Anruf schon erwartet.

„London ist nicht dasselbe ohne dich“, meldete er sich ohne seinen Namen zu nennen. Und Leila lächelte, als sie antwortete: „Ich hatte gehofft, dass du anrufst.“

Er erzählte ihr einige Episoden ihrer Reise, wie üblich nicht zu viele Details.

Dann fragte er sie plötzlich ohne jeden Zusammenhang: „Du hast dich in ihn verliebt, nicht wahr?“ Eine Weile war es still am Telefon, dann sagte Leila leise: „Ich konnte dir noch nie etwas vormachen, nicht wahr? Du hast mich als Einziger immer sofort durchschaut.“

Rayan lachte leise: „Ach komm, das war ja wirklich nicht schwer. Ihr beide wart in diesem Hotelzimmer wie die Motte und das Licht. Hätten wir ein wenig mehr Zeit gehabt, hätte ich Euch gefragt, ob ich Euch einige Stunden alleine lassen soll.“ Er schwieg kurz, ob sie etwas dazu sagen wollte, aber verlegen blieb sie still und so fuhr er schmunzelnd fort: „Weißt du, ich bin ein Prinz und daher gewohnt, dass sich alle Aufmerksamkeit um mich dreht. Ich habe egozentrische Bedürfnisse! Ihr beide habt mich aber zeitgleich ignoriert, als wäre ich Luft.“

Nun lachte auch Leila, denn sie hörte an seinem Tonfall, dass er scherzte. „Du Armer. Mein armer Prinz!“.

Dann wurde er ernst: „Hör zu, sobald wir hier alles geregelt haben, sorge ich dafür, dass er zu dir kommt, einverstanden? Ich gebe zu, dass ich im ersten Moment sehr eifersüchtig war, aber ich gönne dir wirklich von Herzen, dass du glücklich bist. Und wenn du mit Hanif vielleicht endlich den richtigen Mann für dich gefunden hast, vergraule ihn nur nicht gleich wieder!“

Sie alberten noch eine Weile herum, dann beendete Rayan das Telefonat und ging ebenfalls ins Bett. Er mochte Hanif und wer war besser geeignet als er, sich um Leila zu kümmern? Mit diesem Gedanken schlief er ein, es würde ein anstrengender Tag werden.

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