Kitabı oku: «Rayan - Zwischen zwei Welten», sayfa 5

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Mai 2002 – Große Wüste – Die Spur ist noch heiß

Die Räuber und vor allem Entführer hatten fast einen kompletten Tag Vorsprung. Doch hatten sie ihre reichliche Beute dabei, die sie verlangsamte. Daher schätzte Rayan die Chance gut ein, dass sie der Spur problemlos würden folgen können.

Er verabschiedete sich von Aiman Abdullah, der ihn segnete und für die Jagd Erfolg wünschte.

Und tatsächlich waren die Hufabdrücke der Pferde und Kamele nicht allzu schwer zu verfolgen.

Ibrahim, Hanif und Rayan ritten dem Trupp voran und besprachen, welche Stadt oder Oase wohl das Ziel der Entführer war. Wo konnte dieser Markt stattfinden?

Sie versuchten, aus ihren Karten Informationen zu ziehen, doch die gaben hier inmitten der Rub’al Khali keine allzu verlässlichen Angaben preis. Dies war die offene Wüste. Es gab Oasen, die bereits Morgen versandet und nicht mehr zu gebrauchen waren. Entsprechend zogen die Menschen dann weiter und gründeten die nächsten Ansiedlungen mehrere Kilometer weiter, sofern es dort Wasser gab. Es gab Ansiedlungen von Nomaden, die jeweils nur wenige Tage oder Wochen an der gleichen Stelle verblieben und stets der Spur des Wassers folgten.

Während der Nacht hielt der Rettungstrupp nur kurz an, um möglichst viel von ihrem Rückstand gutzumachen. Zwar kamen sie erheblich schneller voran, als die Räuber mit ihren Schätzen, aber an manchen Stellen war der Untergrund steinhart und wie gebacken von der Hitze. Sie mussten genau aufpassen und immer wieder absteigen, um den Boden aus der Nähe zu betrachten, um die Spur nicht zu verlieren.

Die Verbrecher waren schlau genug, ihr Ziel nicht in direkter Linie anzureiten. Auf den Böden, die am wenigsten Abdrücke zuließen, führten sie Richtungsänderungen durch, um eventuellen Verfolgern das Leben schwer zu machen.

Trotzdem gelang es Rayan und seinen Reitern, die Spur immer wiederzufinden, vor allem, nachdem sie den Trick der Entführer einmal durchschaut hatten.

Am dritten Morgen nach ihrem Aufbruch sahen sie am Horizont eine Stadt auftauchen.

„Kennt jemand diese Stadt?“, fragte Rayan in die Runde, doch keiner der Männer bejahte die Frage, einige zuckten die Achseln, andere schüttelten den Kopf.

„Also gut. Hier ist der Plan: Du, Mohammed“, Rayan deutete auf einen seiner Männer, „reitest voraus in die Stadt. Bleib möglichst unauffällig. Wenn einer fragt, gibt dich als Besucher des Marktes aus. Du suchst eine Sklavin. Schau dir genau die Befestigung der Stadt an. Und halt‘ die Augen nach unseren Männern offen. Komm so schnell du kannst zurück, vor allem aber vor dem Abend, denn vermutlich werden sie nachts die Stadt abriegeln. Wir werden hier erst einmal außer Sicht der Stadt das Lager aufschlagen.

Wenn wir alle dort gemeinsam ankommen, sind wir zu auffällig. Falls die Diebe bemerkt haben, dass wir ihnen folgen und eine Falle aufstellen, reiten wir mitten hinein. Diese Männer machen das nicht zum ersten Mal, und wie wir an ihrer Art die Richtung zu wechseln gesehen haben, sind sie nicht dumm.“

Mohammed verbeugte sich und ritt los.

Die anderen waren eine Zeit lang mit den üblichen Tätigkeiten wie Aufstellen der Zelte und Versorgen der Pferde beschäftigt, doch dann ging das Warten los.

Eine kleine Felsformation bot ihnen Sichtschutz, sodass man ihr kleines Lager selbst mit einem Fernglas von der Stadt aus nicht würde sehen können. Selbst abends, wenn sie Feuer machten, um zu kochen.

Es war fast schon dunkel, als Mohammed zurückkam.

„Die Stadt ist unglaublich gut befestigt. Keine Chance da rein oder raus zu kommen, wenn sie die Tore erst einmal dichtmachen. Sie sind Fremden gegenüber ziemlich misstrauisch, denn sie wissen wohl genau, dass die Herkunft der einen oder anderen Frau und auch der Waren nicht rechtlich einwandfrei sein kann. Andererseits treiben sich viele Fremde aufgrund des anstehenden Marktes zurzeit dort herum. Aber wenn wir alle auf einmal dort hinkommen, passiert genau das, was ihr, Herr“, er verneigte sich kurz in Richtung von Rayan, „gestern schon vermutet habt – dann schlagen sie Alarm. Wenn, dann können wir da nur einzeln hin.“

Mohammed holte einen Moment Atem; er war schnell geritten, um noch vor der Dunkelheit wieder bei ihnen zu sein. „Der Markt ist übrigens morgen früh. Die Sklavinnen werden auf einem kleinen Platz am Südtor angeboten, das ist das Tor auf der von uns abgewandten Seite.“ Hanif schnaubte laut vernehmlich, am liebsten wäre er mit brennenden Fackeln sofort losgezogen. Rayan legte ihm beruhigend die Hand auf seinen Arm.

Mohammed fuhr fort: „Dort lagern übrigens auch unsere Räuber. Sie sind wohl ebenfalls misstrauisch, was passieren könnte, wenn sie mitten in der Stadt sind. Jemand hat mir erzählt, dass sie einmal im Jahr kommen, immer um diese Zeit. Und jedes Mal lagern sie einige Hundert Meter vor dem Südtor. Dann haben sie es am betreffenden Tag nicht so weit und können auch schnell wieder heraus.“

Rayan nickte Mohammed lobend zu „Ich danke dir, das hast du sehr gut gemacht!“

Der Angesprochene richtete sich stolz auf, seine Augen leuchteten im Feuerschein. Was für eine Auszeichnung vor Allen anderen von ihrem Herrn so herausgestellt zu werden!

Einen Moment lang dachte Rayan nach. Dann fasste er seinen Entschluss: „Mohammed, du gehst morgen mit zwei weiteren Männern voran. Danach gehst du, Ibrahim, ebenfalls mit zwei weiteren Männern. Ich reite zusammen mit Hanif direkt außen herum zum Südtor. Dabei können wir einen Blick auf das Lager unserer ‚Freunde‘ werfen. Wir sind dann drinnen zu acht. Wir sollten uns verteilen, dann können wir uns im Notfall den Weg freikämpfen.“ Er hielt kurz inne. Es war von hier aus schwierig abzuschätzen, ob der Plan im Ernstfall wirklich erfolgreich wäre, doch er versuchte, Zuversicht auszustrahlen. „So und nun lasst uns essen und so schnell wie möglich schlafen gehen, wir müssen früh raus.“

Er ging schon ein Stück in Richtung zu seinem Zelt, dann wandte er sich an seinen Leibwächter: „Ibrahim du teilst wie üblich die Wachen ein, dann kommst du noch einmal zu mir.“

Rayan war aufgefallen, dass Ibrahim während der Einteilung der Teams für den morgigen Tag die Augenbrauen in die Höhe gezogen hatte. Ihm war klar gewesen, dass es seinem Freund nicht gefallen würde, nicht selbst mit Rayan zu reiten, doch er hatte vor den Männern nichts sagen wollen. Das war auch besser so, denn wenn man Rayan eine Schwäche vorhalten konnte, war es seine Empfindlichkeit, wenn Untergebene ihm in der Öffentlichkeit widersprachen. Er unterstützte, dass seine Männer, vorwiegend seine Gruppenführer, ihm ihre Meinung offen sagten. Doch immer unter vier Augen, niemals vor den anderen.

Rayan hob abwehrend die Hand, als Ibrahim wenig später förmlich ins Zelt gestürzt kam. „Ich weiß, ich weiß, du willst lieber mit mir reiten. Das geht aber nicht. Hast du nicht gesehen, wie Hanif sich schon die ganze Zeit benimmt? Er ist eine tickende Zeitbombe. Die Erinnerung an seine Vergangenheit macht ihm wohl zu schaffen. Am liebsten würde ich ihn morgen ganz hierlassen, aber das ist dann auch keine Garantie, dass er nicht doch noch etwas Dummes macht. Ich will ihn im Auge behalten. Also werde ich morgen mit ihm reiten – alleine! Und ihm auf dem Weg noch einmal ins Gewissen reden.“

Ibrahim war noch immer nicht überzeugt, gab sich aber geschlagen. Er hasste es, wenn Rayan ohne ihn loszog. Rayan lächelte. Manchmal fühlte er sich fast ein wenig zu sehr bemuttert durch seinen alten Freund.

September 2014 – Flughafen von Dubai – Mazin

Auch am Flughafen von Dubai wartete eine Überraschung auf Carina. Sie wollte achtlos durch die an der Ankunft wartenden Menschen gehen, als sie ihren Namen hörte.

Einen Moment dachte sie, es müsse jemand anderer gemeint sein, doch dann erkannte sie den Mann, der sie erwartet hatte.

„Was denn – es gibt Rundumbegleitung?“, dachte sie ironisch.

Jamal hatte ihr am Nachmittag ein Taxi gerufen, das sie zum Flughafen in Alessia brachte. Der Fahrer hatte kein Geld von ihr angenommen, alles sei bereits bezahlt. Ihr konnte es recht sein.

Nach ihrer Landung wollte sie eigentlich vom Flughafen Dubai ebenfalls per Taxi in ihr altes Hotel in der Nähe des Gewürzmarktes zurückkehren, um dort nach einem Zimmer zu fragen oder zumindest ihre dort eingelagerte Tasche zu holen. Doch offenbar hatte jemand eine andere Planung gemacht. Langsam fragte sie sich, welche Überraschungen es wohl noch geben würde.

„Mazin, was machen Sie denn hier?“, fragte sie höflich, als der Mann schließlich auf Sie zukam. Er war es gewesen, der ihr in Rayans Auftrag damals an diesem selben Flughafen ihre Kette mit dem Emblem von Zarifa überreicht hatte. Das schien Jahre her zu sein!

„Miss Carina- wie verändert sie aussehen. Ganz wunderbar!“, begrüßte Mazin sie und neigte kurz den Kopf zum Gruß.

„Und wie weit Sie herumgekommen sind - ich habe Ihnen doch gesagt, dass das Amulett ihnen helfen wird“, grinste er dann. Carina lächelte tapfer: „Und wie, ja“, aber sie dachte bei sich „und was habe ich nun davon?“

„Ich habe ein Hotelzimmer für Sie organisiert. Kommen Sie, ich bringe Sie hin.“

Carina wollte erst protestieren, aber dann sagte sie sich, dass sie so wenigstens sicher ein Zimmer hatte. Ihre Tasche lag nun bereits so lange in ihrem vorherigen Hotel, dass es auf ein paar Stunden auch nicht mehr ankam.

Mazin brachte sie zu seinem Fahrzeug, einem BMW 760iL, an dem bereits der Chauffeur ihr Kommen erwartete und ihnen eifrig die Türen aufhielt.

Sie fuhren ins Finanzzentrum der Stadt, Carina glaubte die Strecke zu kennen von der Taxifahrt, als sie damals den Anwalt Taib Riad besucht hatte.

Auf ihre Frage hin entgegnete Mazin: „Das ist richtig, Sie haben einen guten Orientierungssinn. Ja unser Freund Taib!“, er lachte. „Er hat mir von ihrem Besuch in seiner Kanzlei vor einigen Wochen erzählt. Er sagte, wenn Sie nicht das Amulett gehabt hätten, hätte er Sie postwendend wieder rauswerfen lassen und sich gar nicht erst die Mühe gemacht mit Ihnen zu sprechen. Er war ganz schön aufgebracht deswegen, denn die Kette war überhaupt der Grund, warum Sie bis in seine geheiligten Hallen gekommen sind. Sonst hätte Sie der Pförtner gar nicht erst in den Aufzug gelassen.“ Er lachte wieder zufrieden, als hätte er damals persönlich für ihren Zutritt gesorgt.

Carina war überrascht, sie hatte damals den Eindruck gehabt, als hätte das Amulett ihr kein bisschen geholfen. Sie fasste sich kurz an den Hals, um zu sehen, ob es noch an seinem Platz war. Nach ihrer überstürzten Abreise aus Zarifa wollte sie es zuerst wütend wegwerfen, hatte es aber dann doch nicht fertiggebracht, es auch nur abzunehmen. Bei all dem Glück, das sie gehabt hatte, bis sie nach Zarifa gekommen war, hatte sie es als eine Art Talisman lieb gewonnen. Nicht einmal nachts legte sie die Kette ab.

Nach nur 20 Minuten Autofahrt waren sie am Ziel. Mazin brachte sie sogar persönlich bis ins Hotel hinein und erkundigte sich beim Empfang, ob alles gemäß seinen Anweisungen vorbereitet worden war, was der Mann an der Rezeption mit einem eifrigen Nicken und einer Verbeugung bestätigte.

„Jetzt muss ich mich leider auf den Weg machen, Miss Carina. Ich habe dringende anderweitige Verpflichtungen. Man wird ihnen ihr Zimmer zeigen und ihnen auch sonst weiterhelfen, wenn sie etwas benötigen sollten.“ Er reichte ihr eine Visitenkarte, die auf teurem Papier gedruckt war. „Hier können Sie mich erreichen, falls Sie Fragen oder andere Wünsche haben. Machen Sie sich einen schönen Samstagabend und genießen Sie morgen die Stadt. Sie kennen sich ja von ihrem letzten Aufenthalt her noch gut aus nehme ich an. Die Angestellten hier im Hotel sind Ihnen für eventuelle Planungen auch gerne behilflich. Wir sehen uns dann am Montagmorgen wieder. Ich werde sie um 7 Uhr hier abholen und zum Flughafen bringen. Einen schönen Aufenthalt!“

Carina warf einen kurzen Blick auf die Karte in ihrer Hand – neben Mazins Namen war die Adresse eines Amtes oder einer anderen behördlichen Institution abgedruckt. Er schien für die Stadt oder die Regierung hier in Dubai zu arbeiten. Carina grinste zufrieden. Diese Karte würde sie gut aufheben; wer wusste schon, ob sie nicht für ihre Recherchen beim Schreiben des Buches noch einmal darauf zurückgreifen musste.

Der Mann mit dem Mazin vorher gesprochen hatte, hatte einen Hotelpagen herbeigewinkt, der mit keiner Miene verriet, ob er sich über ihr fehlendes Gepäck wunderte. Er wirkte, als ob es auch in Ordnung gewesen wäre, wenn sie nackt herumgelaufen wäre.

Sie sah sich im Hotel um. Von außen hatte sie schon gesehen, dass es fünf Sterne plus war und kurz überlegt, was sie tun sollte, falls man von ihr erwartete, dass sie das Zimmer selbst bezahlte. Aber nachdem offenbar die komplette Reise für sie organisiert worden war, machte sie sich keine allzu großen Sorgen. Nachdem Mazin sie wieder abholte, konnte der sie notfalls „auslösen“.

Sie folgte dem Pagen durch die marmorne Halle bis zum Aufzug. Der junge Mann händigte ihr eine Chipkarte aus und erklärte ihr, dass der Lift nur zusammen mit der Karte funktionierte. Dann drückte er auf „P“ und die Lifttüren schlossen sich geräuschlos.

Alle sieben Stockwerke hinauf und noch weiter. Mit offenem Mund stellte sie fest, dass sie im Penthouse gelandet war.

Es gab einen kleinen Vorraum, der mit einem schweren Teppich ausgestatten war, der jedes Geräusch schluckte.

Dann öffnete der Hotelangestellte für sie die Doppeltür und führte sie in ihr „Zimmer“.

„Die Owner-Suite“, informierte sie ihr Begleiter, diesmal mit einem Lächeln. „160 Quadratmeter“, fügte er hinzu. Es schien ihm zu gefallen, dass endlich einmal jemand wirklich beeindruckt war, und da sie ganz offensichtlich nicht regelmäßig in derartigen Räumlichkeiten untergebracht zu sein schien, taute er richtig auf und zeigte ihr all die Annehmlichkeiten des Zimmers.

Es gab einen großen Kühlschrank mit verschiedenen Weinen, Champagner, Säften und sogar mehrere verschiedene Sorten Wasser. Ein üppiger Obstkorb, ein Teller mit Pralinen und ein Strauß frischer Rosen prangten auf dem Tisch in der Mitte des riesigen Raumes. Auf dem Tisch der großzügigen Sofalandschaft stand ein elegantes Blumengesteck.

Das Doppelbett war ebenfalls riesig, mit zwei 140m breiten Matratzen, dazu mit Satin bezogene, feine Bettwäsche.

Als der Page ihr den begehbaren Kleiderschrank zeigte, war sie bei all den Annehmlichkeiten nicht überrascht, auch Kleidungsstücke darin vorzufinden. Natürlich in ihrer Größe. „Der Kleiderschrank ist größer als mein Schlafzimmer daheim“, dachte sie. „Wer braucht so viel Platz?“

Als er sie durch eine Doppeltüre in der breiten Glasfront auf die Terrasse hinaus führte, sah sie zu ihrem Entzücken ein etwa vier mal sieben Meter großes Schwimmbecken im Freien, das im Dunkeln durch Unterwasserscheinwerfer erleuchtet wurde. Der Hotelangestellte zeigte ihr, wo sie die Beleuchtung an- und ausstellen konnte und ließ ihr einen Moment Zeit, um den Ausblick auf die Stadt zu genießen, dann gingen sie wieder nach drinnen.

Eine gewundene Freitreppe führte hinauf in eine zweite Etage, in der sich nochmals Sitzgelegenheiten und ein riesiger Flachbildschirm befanden. Weiter hinten noch ein weiteres Schlafzimmer, wie selbstverständlich mit dazugehörigem Badezimmer.

Carinas Staunen wurde durch die Worte des jungen Hotelboys unterbrochen: „Wir haben für Sie auch ihre Tasche holen lassen. Die Kleidungsstücke wurden alle frisch gereinigt und in den Schrank gehängt.“

Das schlug nun doch dem Fass den Boden aus! Auch wenn es für sie so natürlich viel bequemer war, aber wieso gab ihr altes Hotel einfach so ihre Tasche an Fremde weiter? Und dann diese auch noch auszupacken? Was war mit Privatsphäre? Ein wenig beschämt dachte sie an ihre schmutzige Wäsche, die sie vor Wochen achtlos hineingestopft hatte, sicher kein Vergnügen, diese schmutzige Kleidung nach all der Zeit auszupacken!

Sie öffnete den Mund um ihren Protest loszuwerden, doch dann wurde ihr bewusst, dass der freundliche junge Mann sicher nichts dafür konnte. Außerdem erklärte er ihr nach wie vor alles so begeistert, dass es einfach nur ansteckend war. Er wirkte derart stolz, als hätte er es persönlich für sie organisiert oder erledigt und wer weiß, vielleicht hatte er das sogar.

Nachdem er ihr auch noch die Technik im unteren Schlafraum und im dort angrenzenden Badezimmer erklärt hatte, überließ er sie sich selbst. Beim Verlassen des Zimmers fügte er noch hinzu: „Wenn etwas nicht nach ihren Wünschen ist, dann wählen Sie einfach die Nummer der Rezeption und fragen sie nach Kareem. Das bin ich“, informierte er sie grinsend.

Sie war einen Moment verunsichert, ob es wohl üblich wäre, dass sie ihm ein Trinkgeld für seine Bemühungen gab, aber er war so schnell verschwunden, dass das wohl nicht der Fall war. Sie fühlte Erleichterung, denn sie hätte keine Ahnung gehabt, welche Höhe angemessen war.

Nach kurzer Untersuchung der vielen kleinen Glasfläschchen im Badezimmer, die Badesalze und -öle enthielten, entschied sie sich für Rosenduft und lies Wasser in die große Wanne ein. Durch ein ausgeklügeltes System war ihr Bad innerhalb weniger Minuten bis zum Rand gefüllt. Ein wohliger Duft breitete sich aus. Natürlich hatte man ihr auch einen wunderbar weichen Bademantel bereitgelegt.

Bei all dem Luxus um sich herum konnte sie aber zuerst noch der Versuchung nicht widerstehen, und machte den Laptop an, der auf dem Schreibtisch in der Ecke stand. Innerhalb kürzester Zeit gelang es ihr, sich ins Internet einzuloggen. Schnell fand sie dieses Hotel und auch die Zimmerpreise. 400 Euro waren normal, eine der kleineren Suiten, von der sich offenbar vier Stück auf dem Flur unter ihr befanden lag bei „schlappen“ 1000 Euro pro Nacht, aber Informationen über die „Owner-Suite“ fand sie nicht. Sie grübelte kurz, bis ihr auf einmal ein Verdacht kam: „Owner“ – das englische Wort für „Inhaber, Eigentümer“ – aber wer war das? Nach längerem Suchen fand sie heraus, dass als Eigentümer „Taib Riad“ gemeldet war. Der Anwalt. Schlagartig wurde ihr klar, wem das Hotel gehören musste, und am liebsten hätte sie sofort ihre Sachen gepackt. Sie hätte es sich ja eigentlich denken können.

Dann siegten die Vernunft und ihre Müdigkeit und sie gab sich für lange Zeit ihrem heißen Bad, inklusive Rosenduft hin und aktivierte die (natürlich!) eingebaute Whirlpool Funktion.

Danach fiel sie todmüde ins Bett.

Mai 2002 – Große Wüste – Der Sklavenmarkt

Wie geplant waren sie in drei Gruppen früh am Morgen von ihrem Lager aus in Richtung Markt losgeritten. Rayan und Hanif ritten an der etwa acht Meter hohen Stadtmauer entlang, bis sie auf der anderen Seite an das Südtor kamen.

Im Inneren hatten sich bereits etwa zwölf Männer mit ihrem Gefolge versammelt, die auf die Ausstellung der Sklavinnen warteten.

Rayan sah in Hanifs Gesicht, dass dessen Selbstbeherrschung auf eine harte Probe gestellt wurde, und raunte ihm ins Ohr: „Hör zu! Du wirst dich zusammennehmen, wenn wir da drin sind, verstanden? Ich verstehe deinen Schmerz, doch dies sind nicht die Mörder deiner Familie. Die haben damals Allah sei dank – und meinem Vater – ihr unrühmliches Ende gefunden. Wenn wir gleich nicht sehr vorsichtig sind, werden wir alle gegen uns haben: die Entführer, was alleine fast dreißig Mann sind! Und noch dazu die Käufer, die mindestens genauso gewissenlos sind, wie die Verbrecher – wenn nicht sogar noch schlimmer! Aber auch die Stadtbewohner, die ihren Profit durch den Markt nicht verlieren wollen. Das ist ein Kampf, den wir nicht gewinnen können!“

Hanif nickte stumm, sein Gesicht war blasser als sonst und er schaute noch grimmiger drein, als es ohnehin seine Art war.

Drinnen angekommen suchten sie sich einen Platz im Hintergrund. Sie hielten unauffällig Ausschau nach ihren Stammesbrüdern, ohne sich jedoch zu erkennen zu geben. Schnell füllte sich er Platz mit potenziellen Käufern und Schaulustigen.

Rayans Plan war es, erst einmal zu schauen, wie die Verhandlungen vorangingen. Leila war ein überaus attraktives Mädchen, daher sollte sie als eines der Highlights vermutlich gegen Ende der Auktion ausgestellt werden. Das gab ihnen Zeit, erst einmal in Ruhe die Umgebung zu beobachten und sich einen Schlachtplan zu überlegen.

Der „Auktionator“, ein fetter, aber ausgesprochen großer Mann mit langem schwarzen Bart und schiefen, gelben Zähnen, trat auf die Bühne. Das musste der Beschreibung von Aiman Abdullah nach der Anführer der Entführer sein.

Ein kurzes Raunen ging durch das Publikum, dann senkte sich gespannte Stille.

Mit einem breiten Grinsen der Zufriedenheit schaute der Fette in die Runde, er genoss seine Rolle sichtlich.

„Werte Freunde! Meine Brüder! Wie schön Euch heute hier begrüßen zu dürfen.“ Hanif rollte verächtlich die Augen. „Am meisten freut es mich, einige bekannte Gesichter zu erkennen. Das zeigt mir, dass ihr mit meiner Ware zufrieden seid.“ Er hielt kurz inne und lachte gehässig. Auch die meisten der Käufer grinsten nun. Hanif gab ein verächtliches Zischen von sich, was Rayan dazu veranlasste, mit seiner Hand, die er vorsichtshalber auf Hanifs Schulter gelegt hatte, kurz und heftig zuzudrücken. Sein Gesicht verriet wie üblich nichts von dem was er dachte. Wenn Hanif aber so weitermachte, würden sie auffallen.

Es folgten einige Minuten, in denen der Mann auf dem Podest in blumenreichen Worten die Qualität seiner „Ware“ anpries und die Regeln für die Bieter erklärte.

Geboten wurde in amerikanischen Dollar. Er legte einen Mindestpreis fest, danach hing es von den Bietern ab, wie hoch die Summe werden würde, die sie letztendlich zu bezahlen hatten. Rayan war erleichtert, dass der Mann Vertraulichkeit versicherte. Das hieß, niemand musste seinen Namen nennen. Denn bei aller Hilfsbereitschaft war Rayan nicht bereit, dass sein Ruf in Zukunft im Zusammenhang mit Mädchenhandel und Sklaverei stand. Aber während es bei ihm lediglich um seinen guten Namen ging, hatten andere viel mehr zu verlieren, denn sie waren häufig gesuchte Verbrecher. Der Entführer selber war sicher auch kein unbeschriebenes Blatt. Der würde also sicher nicht genauer nachfragen, wohin die Mädchen verschwanden.

Rayans Gedanken wanderten. Er suchte nach einer Lösung dieser unangenehmen Lage. Er fluchte innerlich. Sein Plan war es gewesen, die Männer vor Erreichen ihres Ziels einzuholen, Leila nachts still und heimlich aus dem Lager zu befreien und sich schleunigst davon zu machen. Das ging nun nicht mehr. Sollte er warten, bis einer der Männer sie kaufte, um dann ihm zu folgen? Was aber, wenn einer der Bewohner der Stadt mitbot? Wie er es hasste improvisieren zu müssen! Er hatte das Gefühl, dass er bei weitem noch nicht genug über die Entführer und diese Stadt wusste. Und sie waren einfach nicht genug Leute um einen direkten Angriff zu wagen. Er zwang sich zur Ruhe.

Erst wollte er die Übergabe der ersten Mädchen genau beobachten, um dann zu überlegen, wie die beste Vorgehensweise war.

Hanif versteifte sich, daran merkte Rayan, dass der Monolog beendet war und die eigentliche Auktion begann. Er unterbrach seine Gedanken und konzentrierte sich auf den Mann auf der Bühne.

„Gleich zu Beginn der Auktion habe ich ein ganz spezielles Angebot für Euch, meine Freunde, meine Brüder! Eigentlich wäre sie der Star der diesjährigen Auktion gewesen, ein ganz besonderer Fisch, der mir ins Netz gegangen ist. Ja, ich möchte fast sagen: eine Meerjungfrau! Sie ist schön wie die See mit Augen so dunkel wie die Nacht. Doch leider hat sie ein Manko: Sie ist keine Jungfrau mehr.“

Er sagte den letzten Punkt fast verlegen, als schäme er sich, derart „minderwertige Ware“ feilzubieten. Rayan spürte, wie es in Hanif brodelte, und brachte ihn durch ein erneutes, schmerzhaftes Zudrücken an seinem Oberarm zur Ruhe.

„Seht her – die Königin der Nacht: LEILA“

Rayan unterdrückte einen Fluch. Soviel zum Plan erst einmal alles in Ruhe zu beobachten!

Ein Raunen ging durch die Männer, es wurde laut, als sie anfingen zu diskutieren. Vor ihnen stand Leila, lediglich mit einem aufwendig verzierten, doch äußerst knappen BH und einem ebensolchen Slip bekleidet. Der Tüll, den man sonst noch um sie gewickelt hatte und der auch ihr Haar bedeckte, war kaum dazu da, etwas zu verbergen. Sie war barfuß und trug Fesseln an Armen und Beinen.

Voller Hass starrte sie in die Menge, man konnte an diversen Striemen und blauen Flecken sehen, dass sie geschlagen worden war.

„Das Mindestgebot ist 500 Dollar – nur zu! Traut Euch. Wie ihr sehen könnt, ist sie ein ganz besonderes Pferdchen. Ich kann Euch versichern, dass sie besser nur an gute Reiter vergeben werden sollte.“ Er lachte wieder dröhnend und Rayan fühlte, dass nun auch er kurz vor einer Kurzschlusshandlung stand. Was war das für ein kranker Mensch?

Als er noch ein Argument daraufsetzte, gefror Rayan das Blut in den Adern: „Kommt schon! Wer bietet für diese Schönheit? Ich habe sie selbst schon für Euch ein wenig zugeritten!“ Und wieder lachte er, diesmal selbstgefällig. Beim Anblick seines öligen Grinsens dachte Rayan einen Moment lang, er müsse sich übergeben. Er spürte Hanifs Blick und beide sahen sich kurz grimmig in die Augen.

Auf einmal hob ein älterer Mann in der ersten Reihe die Hand: „fünfhundertfünfzig“

„Recht so. Ein wahrer Kenner der Schönheiten dieser Erde!“, lobte der selbsternannte Auktionator ihn.

„Tja, wenn sonst niemand ihre Qualitäten zu schätzen weiß: dann …“

„Zweitausend Dollar!“, unterbrach Rayan laut.

Die anderen Männer raunten, wer bot freiwillig so viel Geld für eine Sklavin, die noch dazu bereits entehrt war? Sie blickten sich verstohlen nach Rayan um, doch dessen Gesicht blieb wie eine Maske.

Die Augen des Entführers blitzten – er konnte schlecht verbergen, dass er sich niemals so viel Geld für Leila erwartet hatte.

Hanifs Kopf war herumgefahren, als er unerwartet Rayans Stimme direkt neben sich den Betrag hatte nennen hören. Er flüsterte leise und voller Wut: „Das ist also nun unser Plan? Dass wir sie KAUFEN?!“

Mit einem eisigen Blick brachte Rayan ihn zum Schweigen: „Halt den Mund. Lass sie uns holen und von hier verschwinden, bevor ich mich übergebe.“

Er drängte sich durch die Menge nach vorne, ging seitlich zu einer kleinen Steintreppe, die vom Podest herunterführte. Dort wartete grinsend der Verbrecher auf ihn. Wortlos reichte Rayan ihm das Geld, er war froh, dass er immer einen größeren Betrag Bargeld bei sich trug. Dann nahm er Leila am Arm, doch sie konnte in ihren Fesseln kaum Laufen. „Hast du keinen Mantel für sie?“, herrschte er den immer noch glücklich grinsenden Verkäufer an, der sich daraufhin beeilte, einen Umhang herbeizuschaffen, den er Rayan reichte.

Der wickelte den Stoff um Leila, um sie so gut es damit ging zu bedecken. Kurzerhand hob er sie hoch und trug sie die Stufen hinunter.

„Oh seht doch, wie rührend. Hier haben wir einen Kavalier …“, er und mehrere der Männer lachten. Andere schüttelten den Kopf. Rayan war es egal, nur weg hier. Ganz schnell so viel Distanz wie möglich zwischen sich und diesen kranken Ort bringen!

Er trug Leila zu seinem Pferd und hob sie hinauf. Einen Moment lang sah sie aus, als wollte sie sich wehren, doch sie war klug genug, dass sie ebenfalls froh war, wegzukommen. Es konnte ja nur besser werden!

Rayan stieg hinter ihr auf sein Pferd und ritt ohne sich umzusehen los. Hanif folgte ihm.

„Keine Angst. Dein Vater schickt uns. Wir bringen dich zurück!“, raunte Rayan ihr leise ins Ohr.

Leila wusste nicht, ob sie diesem Unbekannten glauben konnte. Sollte das wahr sein? Aber welchen Grund sollte er haben, sie anzulügen? Ihr Herz begann, schneller zu schlagen und eine leise Hoffnung keimte in ihr auf. Würde sie aus dem Albtraum der letzten Tage doch noch erwachen?

Ohne ein Wort ritten sie zu dritt bis ins Lager. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, keiner wollte das gerade Erlebte ansprechen – dazu war es noch zu früh.

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