Kitabı oku: «Ein glücklicher Mensch», sayfa 3

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EIN LEUCHTENDES SCHLOSS

Ein Graf beschloss, ein neues Schloss bauen zu lassen. Er beauftragte eine Schar Bauarbeiter und begann, seine Pläne zu verwirklichen. Nach einer Weile kam der Graf zu den Arbeitern und fragte:

„Meister! Hei, Meister! Wie wird das Schloss in Zukunft aussehen?“

„Es wird stehen, bis es vermodert“, antworteten die Bauarbeiter.

„Das ist aber kein rühmliches Ende“, erwiderte der Graf verärgert und entließ voller Wut seine Bauarbeiter. Gleich darauf beauftragte er andere Bauarbeiter und ließ den Bau fortsetzen. Nach einer Weile besuchte er wieder die Baustelle und fragte erneut, wie das Schloss in Zukunft aussehen werde.


Die Bauarbeiter wussten schon, was ihren Vorgängern zugestoßen war, und antworteten:

„Das Schloss wird so leuchten, dass es aus sieben Meilen Entfernung zu sehen sein wird.“

Dem Grafen gefiel diese Antwort sehr und er wurde noch stolzer.

Nach einigen Jahren fing das Schloss Feuer. Als es brannte, leuchtete es so strahlend, dass man es aus sieben Meilen Entfernung noch sehen konnte.

DER KLÜGSTE MANN

Es lebte einmal ein sehr reicher Edelmann, der keine Sorgen und Nöte kannte. Deshalb schrieb er auf eine Tafel: „Ich möchte wissen, was Not bedeutet“. Diese Tafel brachte er an einem Baumstumpf am Wegesrand an.

Nach einigen Tagen fuhr der König auf diesem Weg vorüber und las die Schrift des Edelmannes. „Gut, ich werde dir zeigen, was Not ist!“, dachte er sich. Am nächsten Tag ließ er diesen Edelmann zu sich kommen und sagte zu ihm:

„Sag mir, wie schwer ist der Mond? Wo ist die Mitte der Erde? Wie viele Sterne gibt es am Himmel? Und dann erzähl mir eine unerhörte Geschichte!“

Der König gab dem Edelmann drei Tage zum Nachdenken. Sollte er die Antworten nicht wissen, würde er in den Kerker kommen.

Der Edelmann kam nach Hause und lief unruhig und voller Angst umher. Er befragte seine Höflinge, Soldaten und Dienstboten, aber keiner konnte diese Fragen beantworten. Da sah der Schweinehirt, dass sein Herr von Sorgen niedergedrückt umherlief. Er fragte ihn, ob er Bauchschmerzen hätte, weil er so zusammengekrümmt herumlaufe.

„Nein, mein Sohn“, antwortete der Edelmann. „Mein Bauch tut mir nicht weh, aber ich finde keine Antworten auf die Fragen des Königs.“

Dann nannte er die Fragen, die ihm der König gestellt hatte.

„Wenn mein Herr mir erlaubt, ihn beim König zu vertreten, würde ich alle Fragen beantworten“, sagte der Schweinehirt.

Der Edelmann freute sich sehr über dieses Angebot. Er entließ den Schweinehirt von seiner Aufgabe, Schweine zu hüten, kleidete ihn schön ein und schickte ihn zum König.

Der Schweinehirt ging zum König und sagte:

„Ich bin gekommen, um die Fragen zu beantworten, die Eure Majestät meinem Herrn gestellt hat.“

„Nun gut, dann sag mir, wie schwer der Mond ist.“


„Ein Pfund.“

„Wieso ein Pfund?“

„So wie ein Pfund aus vier Vierteln besteht, so besteht auch der Mond aus vier Vierteln.“

„Gut. Und wo ist die Mitte der Erde?“

„Hier, wo ich stehe.“

„Und wie viele Sterne sind am Himmel?“

„Fünftausend.“

„Du lügst! Woher willst du das wissen?“

„Wenn der König mir nicht glaubt, können wir zusammen nachzählen“, erwiderte der Schweinehirt.

Der König sah ein, dass es keinen Sinn hatte, mit dem Jungen zu streiten, und ließ ihn die unerhörte Geschichte erzählen.

„Ich finde es unerhört“, bemerkte der Hirte, „dass ich gestern noch Schweine gehütet habe und mich heute mit dem König persönlich unterhalte.“

Der Schweinehirt und seine Antworten gefielen dem König so sehr, dass er ihn reichlich belohnte. Dafür kaufte sich der Schweinehirt ein Gut und lebte dort ohne Sorgen.


DIE GESCHENKE DER SONNE

Einmal beschlossen Sonne, Wind und Frost, zusammen durch die Welt zu wandern, sich umzuschauen und zu erkunden, wie es den Menschen gehe, was sie denken und erzählen. Unterwegs begegneten sie einem Menschen, der das Feld beackerte. Alle zusammen riefen sie ihm zu:

„Sei gegrüßt, guter Mann!“

„Danke, danke!“, antwortete der Ackermann.

Die Wanderer gingen weiter ihres Weges. Als sie ein gutes Stück zurückgelegt hatten, fingen sie einen Streit an. Die Sonne sagte, dass sich der Ackermann bei ihr für die Begrüßung bedankte, der Wind sagte, dass er das für ihn tat. Der Frost schwieg erst mit zusammengekniffenen Zähnen, aber dann sagte auch er:

„Er hat sich bei mir bedankt!“

Schließlich entbrannte ein so heftiger Streit, dass die Sonne rief:

„Ich könnte diesen Menschen mit meiner Hitze verbrennen!“

Und der Wind sagte daraufhin:

„Wenn ich blasen würde, könntest du ihn nicht verbrennen!“

Der Frost sagte wiederum:

„Ich könnte diesen Menschen erfrieren lassen!“

Dann sagte der Wind wieder:

„Wenn ich nicht blasen würde, könntest du das allein nicht schaffen!“

So bewies der Wind, dass er mächtiger als die anderen war. Aber der Streit hörte trotzdem nicht auf. Darum beschlossen sie, den Menschen zu fragen, bei wem er sich bedankt habe. Gesagt, getan: Sie kehrten zu ihm zurück und fragten ihn. Der Mensch sagte:

„Ich habe mich bei euch allen bedankt, aber vor allem bei dieser hübschen Dame, die bei der Begrüßung so nett den Kopf gesenkt hat“, und er zeigte auf die Sonne.

Der Wind und der Frost tauschten nur Blicke miteinander aus, beugten sich zur Seite und donnerten mit Blitz und Pfiff hinab. Die Sonne blieb dagegen bei dem Ackermann.


Er lud die Sonne freundlich zu sich nach Hause ein. Sie kamen in das Haus des Menschen und fanden dort jede Menge Kinder. Alle waren noch klein, hungrig und halb nackt. Sie hatten aber große Augen voller Neugier und führten die Sonne gastfreundlich durch ihre Spielecken. Die Kinder taten der Sonne so leid, dass sie anfing, die Kinder zu liebkosen, zu streicheln und auf ihren Strahlen zu tragen. Am frühen Morgen sagte die Sonne zu dem Menschen:


„Vielen Dank für die Unterkunft und Gastfreundschaft. Es ist für mich an der Zeit aufzugehen. Aber ich lasse dir mein Zeichen. Das sind meine Tränen, die ich für dich, für deine Kinder und ihr Elend vergossen habe. Bring sie in den Garten und lasse sie dort. Daraus werden Kräuter wachsen. Nenne sie ‚Sonnentränen‘. Sammle diese Kräuter, lass sie trocknen, mache daraus Extrakte und trage sie in die Welt. Du kannst damit viele Krankheiten heilen. Und dann lasse ich dir noch ein Zeichen – dieses Korn, aus dem eine Pflanze wachsen wird. Du nennst sie die Blume der Sonne. Das wird ein Medikament für dich sein. Dann solltest du noch das Gebet ‚Mein Mütterchen Sonne‘ lernen. Wenn es dir an Brot mangelt, dann sag: ‚Mütterchen Sonne, gib mir Brot!‘ Wenn es dir an Geld mangelt, dann sag: ‚Mütterchen Sonne, gib mir Geld!‘“

Nachdem sie den Menschen so belehrt hatte, erstrahlte sie in ihrer ganzen Pracht und verschwand. Aber die Hütte des Armen war noch den ganzen Tag in den Sonnenstrahlen versunken. Dieser, seine Frau und die Kinder dankten mit erhobenen Händen und sagten:

„Mütterchen Sonne, wir danken dir für den Besuch.“

Sobald es dem Menschen an etwas mangelte, so sprach er dieses Gebet, welches ihm die Sonne beigebracht hatte. Und gleich hatte er alles nach seinen Bedürfnissen. Der Mensch hörte auf, den Boden zu bestellen, und wurde ein bekannter Arzt, der viele Kranke mit den Kräutern, welche ihm die Sonne geschenkt hatte, heilte. Und er selbst trank den Absud von der Sonnenblume und gab seinen Kindern etwas davon. Von diesem Getränk wurden alle weise und stark.

ZWEI ADLIGE IM HIMMEL

Einmal setzten sich ein Fürst, ein Edelmann und ein Pfarrer an einen Tisch, um Karten zu spielen. So spielten sie, bis sie keine Lust mehr hatten. Da sagte der Fürst:

„Lasst uns mit dem Kartenspiel aufhören. Lasst uns eine interessantere Beschäftigung finden! Jeder von uns soll zum Beispiel eine Geschichte erzählen.“

„Einverstanden!“, rief der Edelmann erfreut aus. „Aber diese Geschichte soll unerhört sein. Und wenn einer von uns sagt: ‚Das stimmt nicht!‘, der soll dann eintausend Goldtaler an den Erzähler zahlen.“

„Gut“, war auch der Pfarrer einverstanden. „Dann los!“ Als Erster begann der Fürst:

„Im Schloss meines Vaters gab es einen sehr schlauen Wirtschafter. Wenn er Kohl aussäte, wuchs der so groß, dass man in einem Kohlblatt wie in einem Boot die Memel überqueren konnte.“

„Das mag sein. Das kann schon stimmen!“, bestätigten der Edelmann und der Pfarrer.

Dann fing der Edelmann an, seine Geschichte zu erzählen:

„Die Köchinnen in meinem Schloss haben einmal einen Käse gemacht, welchen es auf der ganzen Welt noch nicht gab. Der war so groß wie eine weite Wiese und erstreckte sich von unserem Schloss bis zum Nachbarschloss. Als man den Käse beschweren wollte, blieben ein paar Dutzend Pferde im Käse stecken und verschwanden darin.“


„Das mag sein. Das kann schon stimmen!“, bestätigten wiederum der Fürst und der Pfarrer. Dann war der Pfarrer dran, der beschlossen hatte, den Fürsten und den Edelmann aus dem Häuschen zu locken.

„Einmal säte ich am Pfarrhaus Bohnen aus. Alle Bohnen wuchsen wie gewöhnlich, nur eine schoss so in die Höhe, dass ihre Spitze den Himmel erreichte. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen hinaufzuklettern, um zu schauen, wie es im Himmel so ist. So bin ich hochgeklettert und durch die Wolken bin ich gleich zum Thron des lieben Gottes gelangt.

Hier kamen alle um mich herum und fragten, wie ich in den Himmel gelangt sei. Und ich habe so einen Schreck bekommen, dass ich kein Wort mehr sagen konnte. Ich tat dem lieben Gott wohl leid, dass er mir seine Mütze geschenkt hat …“

„Wenn du im Himmel warst, dann hast du vielleicht unsere Eltern gesehen?“, fragten der Edelmann und der Fürst schmunzelnd.

„Natürlich habe ich sie gesehen“, erwiderte der Pfarrer. „Sie sahen bloß sehr kümmerlich aus: Beide in Lumpen gekleidet und zerfetzt, hüteten sie am Rande eines Sumpfes Schweine. Vor lauter Mitleid musste ich ihnen die Mütze, welche mir der liebe Gott geschenkt hatte, geben. Dann fingen sie aber an, wegen dieser Mütze wie kleine Kinder zu streiten: Der eine zog sie zu sich, der andere wiederum zu sich. Als der liebe Gott das gesehen hatte, ließ er sie mit fünfundzwanzig Rutenschlägen züchtigen.“

„Du bist ein Lügner“, schrien der Fürst und der Edelmann gleichzeitig mit einer Stimme. „Es ist unerhört, dass Edelmänner Schweine hüten und mit Ruten geschlagen werden.“

„Nun, wenn ich lüge, dann gehört das Geld mir!“, sagte daraufhin der Pfarrer, nahm je eintausend Goldtaler von den beiden und ging fröhlich nach Hause.

ZWEI BRÜDER UND DAS PECH

Es waren zwei Brüder, von denen der eine sehr reich und der andere arm war.

Als sie nach Riga fuhren, spannte der reiche Bruder ein Paar wohlgenährte Pferde vor seinen Wagen und belud diesen mit allerlei Waren; der Arme warf auf seinen kleinen Karren einige Flachsbündel, schirrte eine einfache Stute an und fuhr los.

In Riga angekommen, verkaufte der Reiche schnell seine Waren und füllte seinen Geldbeutel voll mit Goldmünzen.

Und der Arme hielt gerade am Markt an, stieg von seinem Karren und drehte sich kurz weg, um ein paar Worte mit einem Bekannten auszutauschen, dann wendete er sich wieder um und sah, dass weder sein Pferd noch sein Wagen da waren. Hastig stürzte er umher, aber Pferd und Wagen waren spurlos verschwunden, denn, wie es heißt, wer nichts hat, dem wird genommen!


Er ging zu seinem reichen Bruder, erzählte ihm, was ihm zugestoßen war, und bat ihn, wenigstens dreißig Groschen für die neuen Bastschuhe zu leihen. Aber sein Bruder wollte nichts davon hören. Der Arme wurde noch trauriger und lief seufzend mit seinen abgewetzten Bastschuhen nach Hause.

So ging er langsam und leise seines Weges. Als er durch den Wald kam, dämmerte es schon. Aber was kann ihm schon die Dunkelheit ausmachen?! Plötzlich sah er, wie ihm ein weißer, großer Mensch entgegenkam. Der Arme erschrak, fasste dann aber seinen ganzen Mut zusammen und ging weiter. Als er sich dieser Gestalt näherte, fragte er sie: „Wer bist du?“ Die weiße Gestalt antwortete: „Ich bin dein Pech.“

„Mein Pech?!“, wunderte sich der Arme. „Bist du aber groß! … Könntest du dich wenigstens etwas kleiner machen?“

„Gut! Wenn du möchtest, kann ich das tun.“

Daraufhin wurde das Pech um die Hälfte kleiner. Der Arme bat es noch einmal, kleiner zu werden. Das Pech verkleinerte sich bis auf die Größe eines Kleinkindes.

„Mach dich noch kleiner!“, bat der Arme. „Werde für mich ganz klein!“

Das Pech verkleinerte sich auf Nussgröße. Jetzt holte der Arme seine Tabakdose aus der Tasche, passte den Moment ab, nahm die Nuss und legte sie in die Tabakdose. So verschloss er sein Pech in der Tabakdose, steckte sie in die Tasche und ging weiter.

Als er eine Wassermühle erreichte, holte er die Tabakdose hervor, warf sie in den Teich, betrat die Mühle und bat den Müller, übernachten zu dürfen. Vor dem Schlafengehen unterhielt er sich noch mit dem Müller und erzählte ihm über seinen Vorfall in Riga und andere Plagen.

Am frühen Morgen verabschiedete ihn der Müller, gab ihm zehn Goldtaler auf den Weg und schenkte ihm ein gutes Pferd. Der Mann freute sich sehr. Als er wieder zu Hause war, besorgte er sich alles, was er brauchte, und sein Leben wurde mit jedem Tag besser.

Nach einigen Jahren holte der Arme auch seinen reichen Bruder ein. Dieser wunderte sich, wie seinem Bruder alles so schnell hatte gelingen können. Eines Tages fragte der Reiche seinen Bruder, wie er so reich werden konnte. Der Arme erzählte dann, wie er damals unterwegs aus Riga sein Pech in die Tabakdose eingeschlossen und in einen Teich geworfen hatte, und wie der Müller ihn beschenkt hatte. Seitdem war es ihm immer besser gegangen.

Sein reicher Bruder beschloss sofort, ihn zu ruinieren. Er fuhr zu dem besagten Müller und erzählte ihm, dass seine Tabakdose samt Geld in den Teich gefallen sei. Er bat den Müller, das Wasser abzulassen, und versprach ihm dafür eine gute Bezahlung. Der Müller war einverstanden, ließ mit Hilfe seiner Männer das Wasser ab und fand die Tabakdose.

Der Reiche freute sich, nahm die Tabakdose und machte sich auf den Weg nach Hause. Unterwegs dachte er sich: „Na, warte, Brüderchen, nicht lange wirst du mir gleich sein. Ich lasse dein Pech raus und dann kann es sich wieder zu dir gesellen.“

So erreichte er den Wald und machte die Tabakdose auf. Das Pech des Armen huschte heraus und wurde riesengroß. Danach schüttelte es sich und sagte zu dem Großreichen: „O weh, wie ungeraten dein Bruder ist! Er schloss mich in der Tabakdose ein, so dass ich fast erstickt bin. Vielen Dank, dass du mich herausgelassen hast. Ab jetzt bin ich dein Kumpel und werde dich nicht verlassen.“


Als der Reiche diese Worte vernahm, erschrak er, wurde ganz bleich im Gesicht, und das Pech wurde unsichtbar.

Als er dann unterwegs war, ist sein Pferd scheu geworden, sein Wagen kippte um und er brach sich ein Bein.

Aus der Ferne sah er, wie sein Gut brannte. So sind ihm alle Reichtümer und das gesamte Geld verbrannt, so dass er ganz arm wurde.

DIE WAHRSAGERIN

In einem Dorf bei einem kleinen Wald lebte einmal eine arme Frau. Sie schlug sich hungernd durchs Leben, wollte aber auch nicht betteln. Da sie eine findige Person war, kam ihr die Idee, Wahrsagerin zu werden.


So holte sie einmal die Ziege ihres Nachbarn und steckte sie in die Kohlengrube. Bald vermisste der Nachbar seine Ziege und suchte überall nach ihr, konnte sie allerdings nicht finden. Da lief ihm die Frau über den Weg.

„Hast du meine Ziege gesehen?“, fragte der Mann.

„Ich habe sie nicht gesehen“, antwortete sie, „aber wenn du möchtest, kann ich wahrsagen und sie auf diese Art finden.“

„Such mal, bitte!“, sagte der Mann.

„Gut! Komm!“

Die Frau ging in ihre Hütte, verweilte dort ein Stündchen und kam wieder raus. Draußen sagte sie zu ihrem Nachbarn:

„Deine Ziege ist in der Kohlengrube. Geh hin und hole sie.“

Der Mann ging dorthin und fand seine Ziege. Er bedankte sich bei der Frau und beschenkte sie noch obendrein. Und den anderen erzählte er, dass seine Nachbarin eine Wahrsagerin sei – von ihrer Hütte aus könne sie sagen, wohin eine Sache verschwunden sei.

Ein anderes Mal entwendete die Frau die Ochsen eines anderen Nachbarn und kettete sie an einem Baum im Wald an. Sie selbst versteckte sich in der Nähe. Nach einem Stündchen sah sie, wie ein bekannter Viehhändler aus der Stadt kam. Als er die Ochsen sah, schaute er sich um und nahm die Ochsen mit. Die Frau ging nach Hause zurück.

Nach einer Weile lief ihr Nachbar, der inzwischen seine Ochsen vermisste, zu ihr. „Ach, liebe Frau, meine Ochsen sind verschwunden“, jammerte der Mann. „Kannst du mir, Verehrte, wahrsagen, wo sie sein könnten?“

„Gut“, sagte die Frau. „Und was gibst du mir dafür? Ich kann nicht meine Zeit verschwenden. Ich muss mir das Brot verdienen.“

Der Mann versprach ihr einen Scheffel Roggen und noch einen Käse dazu. Die Frau ließ den Mann im Zimmer und sie selbst ging in die Kammer, um wahrzusagen. Nach einem Stündchen kam sie zurück und sagte: „Lauf schnell in die Stadt – bei Joshua findest du deine Ochsen. Beeile dich. Nicht, dass er sie in der Zeit schlachtet.“

Der Bauer sprang auf sein Pferd und ritt in die Stadt, wo er Joshua bei den Vorbereitungen zum Schlachten seiner Ochsen vorfand.

„Was machst du, Joshua? Das sind meine Ochsen!“

„Woher soll ich das wissen?“, sagte Joshua. „Ich habe sie im Wald angekettet gefunden und nahm sie mit, damit die Wölfe sie nicht auffressen.“

„Dann ist der Dieb wohl weggelaufen, als er dich gesehen hat“, sagte der Bauer. Er nahm seine Tiere mit und ging glücklich heim.


Beim dritten Mal entführte die Frau das Pferd eines anderen Bauern und kettete es an einer Eiche im Wald an. Auch dieser Bauer kam zu der Frau gelaufen und bat, sie möge ihm sagen, wo sein Pferd sei.

„Und was gibst du mir dafür?“, fragte die Frau.

„Du bekommst je einen Scheffel Roggen und Weizen. Sag mir bloß schnell, wo mein Pferd ist.“

„Nein, nein! Versprich mir einen Trog Weizenmehl und die Hälfte einer Speckseite.“

„Gut“, sagte der Mann. „Kriegst du alles! Mach bloß!“

Die Frau ging in die Kammer und kam nach einem Stündchen wieder heraus. „Geh in den Wald zu der Stelle, wo Eichen wachsen, dort findest du dein Pferd.“

„Dort müsste auch der Dieb sein“, sagte der Bauer. „Könnte ich mich auf die Lauer legen und ihn erwischen?“

„Nein, nein“, entgegnete die Frau. „Der Dieb hat vor lauter Angst das Pferd stehen gelassen. Er spürte meine Kraft und ist weggelaufen, damit du ihn mit dem Pferd nicht erwischst.“

Ab jetzt hatte sich das Gerücht ganz weit verbreitet, dass die Frau eine gute Wahrsagerin sei, allen die Wahrheit erzähle und alles vorhersage.

Bald darauf wurde ein Gutsherr von seinem Lakai und seinem Kutscher bestohlen. Sie stahlen ihm eine Kiste Gold. Der Gutsherr suchte und suchte, konnte sie aber nicht finden.

Jemand hat ihm dann irgendwann von dieser Wahrsagerin erzählt. Der Gutsherr schickte sofort seinen Lakaien und seinen Kutscher los, damit sie diese Frau holen. Die Frau, als sie erfahren hatte, wohin sie gebracht werden sollte, sträubte sich dagegen. Sie wollte auf keinen Fall mitkommen.

„An Gutsherren bin ich nicht gewöhnt. Ich traue mich nicht, ich möchte nicht!“, wehrte sie sich.

Aber der Lakai und der Kutscher zwangen sie, in die schöne Kutsche einzusteigen, und machten sich auf den Weg. Die Frau saß nun in der Kutsche, vor lauter Angst und Kummer kratzte sie sich hinter den Ohren und brabbelte vor sich hin: „Was kommen muss, das wird geschehen … Jetzt kommt es aber!“

Der Lakai und der Kutscher hörten zu und bekamen einen Schreck. Sie schauten einander an und fielen der Frau zu Füßen. Mit nettesten Worten baten sie sie um Gunst und Rettung. Die Frau verstand sofort, dass die beiden ihre Finger im Spiel hatten.

„Gut“, sagte sie, „ich kann euch retten, aber was kriege ich dafür?“

Die beiden boten ihr dieses und jenes an, aber es reichte ihr immer noch nicht. Schließlich vereinbarten sie dreihundert Taler für ihre Rettung.

„Seht aber zu, dass diese dreihundert Taler noch heute Abend bei mir sind!“, drohte sie den beiden. „Und ihr müsst noch sagen, wo ihr die Kiste mit dem Gold versteckt habt. Wenn ich nicht in meinem eigenen Hause bin, dauert es länger, bis ich richtig vorhersehe.“

„Gut“, sagten der Lakai und der Kutscher. „Du wirst gleich selbst den Teich sehen, in dem die Kiste mit dem Gold liegt.“

Sie kamen zum Gutshof und der Lakai flüsterte der Frau zu: „Das ist der Teich.“

Der Lakai brachte die Frau zum Gutsherrn und sagte: „Hier, mein Herr, ist die Wahrsagerin.“

Der Gutsherr schaute sie sich an und sagte: „Kannst du mein Gold finden?“

Die Frau fühlte sich jetzt ganz mutig und ohne zu zwinkern sagte sie zu dem Gutsherrn: „Warum denn nicht? Was ist denn schon dabei?“

„Dann los!“, sagte der Gutsherr.

„Nicht so schnell, mein Herr“, sagte die Wahrsagerin. „Versprecht mir zuerst ein Drittel von Eurem Gold und dann lasst mich ausruhen und ausschlafen.“

Der Gutsherr wollte nicht so viel Gold abgeben, aber da sich die Frau auf nichts anderes einlassen wollte, musste er nachgeben. Danach ließ er seine Diener das Bett für sie fertig machen und aufpassen, dass kein Krach gemacht wurde, damit sie sich gut erholen konnte. Sie hatte inzwischen ihre dreihundert Taler bekommen, legte sich getrost ins Bett und schlief ein.

Am Morgen sagte sie nach einem guten Schlaf und Frühstück zu dem Gutsherrn: „Jetzt, mein Herr, nehmt Euren Lakaien und lasst uns gehen.“

Dem Lakaien schlotterten schon die Knie vor lauter Angst. Weiß der Gutsherr schon etwas? Was kommt, wenn das Weib ihn und den Kutscher doch verrät?

Aber gut. Die drei gingen zum Teich, und die Frau sagte: „In diesem Teich ist Euer Gold, mein Herr.“

Dann drehte sie sich zum Lakaien und sagte: „Nimm einen Haken und zieh das Gold heraus.“

Der Lakai holte einen langen Haken, tastete damit im Wasser umher und zog schließlich die Kiste mit dem Gold raus. Der Gutsherr freute sich sehr. Aber es kam ihm vor, dass der Lakai die Kiste sehr schnell gefunden habe, als ob er schon gewusst hätte, wo sie war.

„Hatte er die Finger im Spiel?“, fragte der Gutsherr die Wahrsagerin.

„Nein, nein!“, sagte die Frau. „Der Dieb ist schon längst hinter allen Bergen. Er kommt nie wieder zurück, weil er weiß, dass ich hier bin. Und das Gold hat er vor lauter Angst versenkt, weil Eure Hunde den Dieb erspäht haben.“

Der Gutsherr übergab der Frau ein Drittel seines Goldes, und sie durfte noch eine Weile bei ihm bleiben. Er selbst hat am nächsten Tag alle Gutsherren und alle Priester aus der Nachbarschaft zum Mittagessen eingeladen. Er wollte noch einmal die Frau auf die Probe stellen, ob sie in der Tat so eine gute Wahrsagerin sei.

Der Gutsherr ließ seinen Koch je ein Haselhuhn für seine Gäste und für die Wahrsagerin eine Schnepfe zubereiten.

Als die Mittagszeit kam, setzten sich alle Gutsherrn und Priester an den Tisch und die Wahrsagerin setzte sich auch dazu. Die Diener stellten jedem Gutsherrn und jedem Priester je ein Haselhuhn hin und der Wahrsagerin eine Schnepfe. Die Frau schaute sich die Gutsherren und Priester an, schaute sich den prachtvollen Tisch an und fühlte sich beschämt. „Schnepfe du, Schnepfe“, sagte sie zu sich selbst mit dem Kopf nickend. „Bist du denn wert, hier unter solchen Herren und Priestern zu sitzen?“


Der Gutsherr hörte, was die Frau sagte, und ließ seine Diener die Schnepfe wegbringen und der Frau, wie auch den anderen Gästen, ein Haselhuhn servieren. Jetzt war er sich ganz sicher, dass die Frau eine richtige Wahrsagerin sei und alles wisse. Er bewirtete sie gut, ließ sie noch über eine Nacht bei ihm bleiben und am nächsten Tag mit guten Pferden und in einer bequemen Kutsche nach Hause bringen.

Als die Frau reich zu Hause angekommen war, dachte sie nach, und die Furcht überkam sie, dass jemand sie wieder als Wahrsagerin zur Hilfe hole. Sie nahm das Geld und zündete von innen ihre Hütte an. Als das Feuer richtig brannte, lief sie hinaus und rief weinend: „Alle Sachen, die ich zum Wahrsagen brauche, sind verbrannt, meine Arbeitsgeräte! Jammer, ach Jammer! Wie werde ich jetzt wahrsagen können? Wie werde ich mein Brot verdienen?“

Die Menschen kamen gelaufen, aber es war schon zu spät. Und die Frau hat mit dem verdienten Geld ein neues Haus gebaut und ruhig bis an ihr Ende gelebt.

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26 mayıs 2021
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