Kitabı oku: «Das dritte Kostüm», sayfa 3

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„Das glaube ich jetzt nicht! Sie verurteilen die Deutschen, weil sie Sie nicht mit offenen Armen empfangen und mögen die Ukrainer nicht? Warum? Sie sitzen doch im gleichen Boot. Bevor Sie Toleranz und Integration fordern, würde ich lieber bei Ihnen selbst anfangen.“ Leo konnte sich diese Bemerkung nicht verkneifen und wollte nur noch weg hier. Der Tag war bisher beschissen gelaufen, er hatte sich mehr von den Befragungen versprochen. Er hatte genug und brauchte dringend eine Pause. „Wir lassen Ihnen die Fotos der Toten hier. Zeigen Sie sie ihren Landsleuten und melden Sie sich bei uns, wenn jemand die Frau erkennt.“

Leo ging davon und murmelte nur einen leisen Gruß, Hans folgte ihm. Auch er hatte genug, aber er war amüsiert über Leos Offenheit, mit der er diesem Zwetkow einheizte. Wer weiß, vielleicht musste dieser Schwabe kommen, um diesem Russen einen Spiegel vorzuhalten. Denn dass diese Klatsche gesessen hatte, war sicher. Schweigend gingen sie zurück zu ihrem Wagen, wobei Leo diesmal das Kapuzinerkloster und die Magdalenenkirche ignorierte, so sehr ärgerte er sich über diesen Zwetkow und seine Einstellung. Sie stiegen in den Wagen und fuhren nach Mühldorf.

„Jetzt beruhige dich endlich, du allein kannst die Welt nicht ändern,“ sagte Hans genervt, als er mehrfach versucht hatte, Leo in ein Gespräch zu verwickeln, und dieser aber nicht reagierte.

„Das weiß ich auch. Aber es regt mich tierisch auf, dass manche Toleranz erwarten, sie aber selbst nicht leben. Wie soll sich da irgendetwas ändern? Man muss sich kennenlernen und gegenseitig aufeinander ohne Vorbehalte zugehen.“

„Du bist und bleibst ein Traumtänzer. Ich bin auch der Meinung, dass unsere Gesellschaft in die richtige Richtung geht. Aber wir beide werden es nicht mehr erleben, dass Menschen verschiedener Herkunft, Kultur, politischer Richtung und vor allem unterschiedlicher Religion friedlich nebeneinander leben.“

„Schon alleine diese jahrhundertlangen Kriege um Religion. Für mich ist jeder Gott akzeptabel, solange es ein guter, gütiger Gott ist. Von mir aus darf jeder seinen Gott haben, es ist doch auf der ganzen Welt genug Platz dafür.“

Mit Leo war wirklich nicht mehr zu reden und da Hans am Steuer saß, lenkte er den Wagen auf den Parkplatz einer Pizzeria in Mühldorf.

„Keine Widerrede – du isst jetzt erst mal was, bevor du noch ausflippst. Du musst runterkommen und dich wieder beruhigen. Außerdem wird es Zeit, dass du endlich Urlaub bekommst, das ist ja nicht mehr zum Aushalten.“

„Du hast gut reden,“ sagte Leo, der für diese Ablenkung sehr dankbar war. Er war wirklich hungrig und bei diesem Italiener war er schon lange nicht mehr. „Du hast in letzter Zeit genug Ablenkung und freie Tage gehabt. Wie geht es Lucrezia?“

„Was? Wie? Du weißt von uns?“ Hans war erschrocken, denn bis jetzt war er sehr diskret gewesen und war sich sicher, dass niemand von ihm und seiner Lucrezia wusste.

„Denkst du, ich bin blöd? Ich weiß das schon seit dem Adlerholz-Fall. Ich kenne dich Hans, sogar besser, als du dir vorstellen kannst.“

Hans erzählte während dem Essen ausführlich von Lucrezia und seinen Aufenthalten in Florenz und den Besuchen seiner italienischen Freundin hier in Mühldorf; er ließ sich auch durch das Essen nicht unterbrechen. Es tat Hans sehr gut, endlich mit jemandem über seine Beziehung zu Lucrezia zu sprechen und Leo kam dadurch endlich auf andere Gedanken. Er freute sich für seinen Freund und Kollegen und bemerkte das Leuchten in seinen Augen, dass er seit der Zeit mit der getöteten Doris nicht mehr gesehen hatte. Damals hatte er sich um Hans große Sorgen gemacht, aber jetzt strahlte er wieder und war glücklich. Und Lucrezia war genau die richtige für ihn. Sie war voller Leben, dazu witzig, intelligent und sehr laut. Hans brauchte eine Frau, auf die er sich blind verlassen konnte und die mit seinem Tempo mithalten konnte – und das war für Lucrezia kein Problem, denn sie hatte ein Temperament, bei dem sich Hans ordentlich anstrengen musste, um ihr folgen zu können.

„Wo bleibt ihr denn so lange?“, empfing Viktoria ihre Kollegen. Sie hatte sich bereits Sorgen gemacht. Außerdem war sie es nicht gewohnt, so lange Zeit alleine im Büro zu arbeiten, diese Ruhe war fast unheimlich.

Leo erzählte ausführlich über die Gespräche mit Makarenko und Zwetkow - und regte sich erneut auf. Viktoria fand die richtigen Worte, um ihn zu beruhigen. Sie hatte keine Lust, mit ihm über Politik und die aktuelle Lage zu diskutieren, darin konnte Leo richtig aufgehen, wenn ihn ein Thema interessierte.

„Ich habe von den Meldebehörden die Adresse von vier Frauen bekommen, auf die die Beschreibung passen würde; eine aus der Ukraine und drei aus Russland. Eine der Frauen habe ich zum Glück in Mühldorf angetroffen, sie ist wohlauf. Ich habe ihr das Foto des Opfers gezeigt, auch sie kennt die Tote nicht. Die drei anderen habe ich noch nicht erreicht. Ich halte es auch für besser, wenn man zu zweit loszieht, ist auch Vorschrift. Ich habe mir einen entsprechenden Rüffel bereits von Krohmer eingeholt, der es überhaupt nicht gut fand, dass ich alleine unterwegs war, um die Frauen aufzusuchen. Die Behörden waren okay, aber direkt zu den Adressen zu fahren ist dann doch etwas anderes. Mir blieb aber nichts anderes übrig, schließlich hat Krohmer noch keinen Ersatz für Werner bekommen. Außerdem habe ich veranlasst, dass das Foto der Toten in den Medien erscheint, das Übliche eben.“

„Du spinnst doch total,“ sagte Leo verärgert. „Wir hatten besprochen, dass du zu den Behörden alleine gehst, von etwas anderem war nie die Rede. Den Rüffel von Krohmer hast du dir redlich verdient. Ich will mir überhaupt nicht vorstellen, was hätte passieren können!“

Die drei zogen am Nachmittag gemeinsam los, um die anderen drei Frauen aufzusuchen, was sich als sehr mühsam und nervenaufreibend darstellte. Sie wurden nicht mit offenen Armen empfangen. Überall, wo sie auftauchten, schlug ihnen Misstrauen entgegen. Besonders die Männer waren zwar freundlich, wurden aber sauer, wenn es um ihre Frauen ging.

„Das ist meine Frau. Alles in Ordnung.“ Die erste Frau konnte von der Liste gestrichen werden.

Dann waren nur noch zwei Frauen in Altötting, aber auch die trafen sie wohlbehalten an. Allen zeigten sie Fotos des Opfers.

„Und jetzt? Keiner kennt die Tote.“

„Dann müssen wir wohl oder übel warten, ob sich irgendjemand bei uns meldet, der die Frau kennt.“

Auf Krohmers Anweisung blieben die Beamten am Sonntag zuhause und ruhten sich aus. Ihnen waren die Hände gebunden, es gab nicht die kleinste Spur, der sie nachgehen konnten. Anfangs waren sie enttäuscht über die unerwartete Zwangspause, genossen aber einen ruhigen Tag, an dem sie die Gedanken an die unbekannte tote Frau und die damit verbundenen seltsamen Umstände trotzdem nicht in Ruhe ließen.

3.

„Ich darf Ihnen den Kollegen Sebastian Kranzbichler vorstellen. Er wird die Mordkommission für die Zeit der Abwesenheit von Werner Grössert unterstützen,“ empfing Rudolf Krohmer seine Beamten im Besprechungszimmer. Er hatte sich eine halbe Stunde verspätet, der Grund lag nun auf der Hand.

Der dicke, kurzhaarige und sehr große 30-jährige Kranzbichler strahlte mit seinen roten Bäckchen übers ganze Gesicht, als er jedem die Hand gab. Er trug einen grauen Anzug, der so aussah, als besäße er ihn seit seiner Konfirmation, er passte hinten und vorne nicht. Das weiße Hemd spannte über dem Bauch und die Krawatte, die schon längst aus der Mode war, saß völlig schief.

„Herr Kranzbichler wurde uns wärmstens empfohlen und ich bin sehr glücklich, dass die Vertretung so schnell geklappt hat. Herr Grössert hat sich gemeldet und wird wohl länger ausfallen, bei seiner Frau traten größere Komplikationen auf.“

„Schlimm?“ Die Kollegen machten sich große Sorgen, denn Grössert und auch seine Frau neigten nicht zu Übertreibungen. Es mussten gravierende Gründe vorliegen.

„Ich habe nur so viel verstanden, dass es nicht gut aussieht. Grössert hat versprochen, uns auf dem Laufenden zu halten. Aber das ist jetzt nicht unser Thema und gehört hier nicht her. Der Kollege Kranzbichler bleibt bis zur Rückkehr des Kollegen Grössert in unserem Team.“ Krohmer war sichtlich stolz auf den Zuwachs seiner Mannschaft, der nur wegen seiner Kontakte so schnell zur Verfügung stand. Normalerweise dauerte so etwas viel länger und jetzt war die Vertretung bereits nach zwei Tagen hier. Aber durch den kurzen Anruf des Kollegen Grössert, war er sehr beunruhigt. Aber darum würde er sich später kümmern.

„Wenn Sie den Kollegen unter Ihre Fittiche nehmen Frau Untermaier? Bei Ihnen ist er am besten aufgehoben.“

„Sehr gerne.“ Natürlich wäre sie viel lieber mit Leo als Team unterwegs, denn sie ergänzten sich hervorragend. Aber so gereizt, wie Leo momentan war, war es auf jeden Fall besser, wenn der Neue sie begleitete.

Frau Gutbrod trat ohne Klopfen ins Besprechungszimmer, denn sie hatte nichts von der heutigen Besprechung mitbekommen, gerade auf dem Flur erfuhr sie erst von dem neuen Kollegen. Warum war der hier? Krohmers neugierige Sekretärin war am Wochenende zuhause und kam heute später, da sie noch einen Termin hatte. Die 62-jährige Hilde Gutbrod hatte den Samstag genutzt, um sich frisch aufspritzen zu lassen, wodurch sie zumindest im Gesicht wieder etwas jünger aussah, was nun wiederum zum Rest nicht mehr passte. Aber Frau Gutbrod fand sich wunderschön und für ihr Alter sehr jung, was sie auch mit ihrer Kleidung zum Ausdruck brachte: Das weiße Kostüm war sehr, sehr kurz, dafür waren die Absätze ihrer neuen Schuhe umso höher. Bei jeder ihrer Bewegungen klimperte und glitzerte es. Auch das dick aufgetragene Make-up stach heute besonders hervor. Sie setzte sich und besah sich den neuen Kollegen von oben bis unten – und er gefiel ihr überhaupt nicht. Erst jetzt sah sie in die Runde. Was machte Leo Schwartz hier? Hatte er nicht Urlaub? Und wo war der Kollege Grössert? Schnell kombinierte sie, dass dieser Neue für den Kollegen Grössert hier war – aber warum? Sie musste so schnell wie möglich herausbekommen, was dahintersteckte!

„Frau Gutbrod, welch Glanz in unserer Hütte! Da sind Sie ja endlich, wir haben Sie schon vermisst! Sie sehen ja wieder phantastisch aus – sind Sie übers Wochenende in einen Jungbrunnen gefallen?“, rief Hans Hiebler erfreut aus. Aber Frau Gutbrod verstand sofort den Sarkasmus, denn die beiden verstanden sich nicht besonders gut. Mehr als einmal hatte Hans sie beim Lauschen erwischt und machte sich einen Spaß daraus, ihr das bei jeder Gelegenheit unter die Nase zu reiben. Krohmer stellte ihr den neuen Kollegen Kranzbichler vor, an dem sie aber kein Interesse hatte und ihn deshalb nur beiläufig begrüßte.

Hilde Gutbrod war im Rückstand und musste sich dringend über den aktuellen Fall informieren. Sie hatte bereits durch die Sekretärin der Spurensicherung mitbekommen, dass der neue Fall sehr interessant und knifflig war. Sie griff nach Krohmers Ermittlungsakte, als der einen Moment unaufmerksam war. Als sie sich die Fotos angesehen hatte, erschauerte sie, denn so ein Hexenkostüm hatte sie noch nie gesehen und mit Fasching hatte sie überhaupt nichts am Hut. Sie mochte keine Betrunkenen und diese aufgezwungene Fröhlichkeit war ihr zuwider. Zumindest in diesem Punkt war sie sich mit Leo Schwartz einig. Sie schenkte nun reihum Kaffee ein und besah sich den neuen Kollegen nochmals in aller Ruhe, was allgemein amüsiert beobachtet wurde. Krohmer war das Verhalten seiner Sekretärin überaus unangenehm. Aber Frau Gutbrod interessierte sich nicht für die Meinung der anderen. Es war ihr gutes Recht, sich den Neuen genauer anzusehen. Der Mann war zu dick, sah aus wie ein Bauer, und für ihre Nichte Karin absolut nichts. Noch immer suchte sie für ihre unvermittelbare Nichte Karin einen geeigneten Mann. Bei jeder Gelegenheit bot sie ihre Nichte an wie sauer Bier, was allen gehörig auf die Nerven ging. Karin bekam das nicht richtig mit, denn sie war nicht die hellste Kerze auf der Torte, hatte ein einfaches Gemüt. Sie war nur an ihrem Aussehen und ihrer Kleidung interessiert – und natürlich an einem potentiellen Mann. Frau Gutbrod hakte diesen Mann gedanklich ab und setzte sich wieder. Was hatte sie verpasst? Wenn ihr gestern nicht dieser blöde Nagel abgebrochen wäre, hätte sie sich den Termin bei ihrer Nageldesignerin heute früh sparen können. Aber es blieb ihr nichts anderes übrig, als diesen Fauxpas sofort zu beheben – wie hätte das denn ausgesehen?

Leo informierte Krohmer über den neuesten Stand und Frau Gutbrod atmete erleichtert auf, sie war nicht zu spät hinzugestoßen.

„Das sieht doch bis jetzt nicht schlecht aus,“ sagte Krohmer bemüht freundlich, denn vor dem Neuen musste er sich zusammenreißen. Natürlich war er nicht erfreut darüber, dass die Identität der Toten noch nicht feststand. „Haben Sie aus der Pathologie noch andere Erkenntnisse mitgebracht, die uns weiterhelfen können? Konnte die Todesursache nun einwandfrei festgestellt werden?“, fragte er nun Fuchs, der endlich seinen großen Auftritt hatte, auf den er schon lange gewartet hatte. Was interessierte ihn dieser neue Kollege? Ob nun der oder die anderen, das war ihm vollkommen egal. Ihm war nur wichtig, dass er seine Arbeit vernünftig machen konnte. Und diese schreckliche Frau Gutbrod war ihm auch ein Dorn im Auge. Was hatte sie eigentlich als Sekretärin bei diesen Besprechungen verloren? Sie zog das Ganze hier unendlich in die Länge und genoss einen Sonderstatus, den er nicht verstand. Aber sei’s drum – jetzt war er endlich an der Reihe!

„Im Großen und Ganzen hat sich der Bericht, den ich Herrn Schwartz telefonisch übermittelt habe, bestätigt,“ begann er seinen Bericht, den er sich auf der Rückfahrt aus München zurechtgelegt hatte. Auch am gestrigen Sonntag hatte er noch daran gefeilt und war gut vorbereitet. Ursprünglich wollte er seinen ausführlichen Bericht mit Fachwissen spicken, um die Kollegen damit zu ärgern und um ihnen dadurch zu suggerieren, dass er ihnen haushoch überlegen war. Aber Krohmer hatte ihn vorhin darum gebeten, vor dem neuen Kollegen sachlich zu bleiben und seine Ausführungen so einfach wie möglich zu halten. Nicht, dass sich der neue Kollege dumm vorkommt. Natürlich musste Fuchs sich fügen, schließlich war Krohmer der Chef. Jetzt musste er sich jeden Satz genau überlegen, bevor er etwas sagte. Er räusperte sich und fuhr fort, da nun alle Aufmerksamkeit auf ihm lag. „Die Todesursache konnte eindeutig nachgewiesen werden. Das Opfer wurde betäubt und dann mit einer Überdosis Insulin getötet. Ich habe mehrere Kopien des Pathologieberichts angefertigt,“ sagte Fuchs nicht ohne Stolz und zog aus seiner Tasche sauber angefertigte Berichte, die er reihum gab.

„Insulin?“

„Das sagte ich eben. Der Tod trat durch eine Überdosis Insulin ein, die dem Opfer durch die Bauchdecke verabreicht wurde. Zum Glück wurde die Leiche schnell genug gefunden, denn je mehr Zeit nach dem Tod durch eine Überdosis Insulin verstreicht, desto geringer wird die Möglichkeit, Insulin im Körper nachzuweisen. Schon nach vier bis fünf Stunden hat man fast keine Chance mehr für einen Nachweis.“

„Insulin also. Wie hoch muss die Dosis sein? Wo kommt das Insulin her?“

„Im vorliegenden Fall wurde eine sehr hohe Dosis verabreicht, woraus ich schließe, dass der Täter die tödliche Dosis nicht kannte oder sicher gehen wollte, dass das Opfer auf jeden Fall stirbt. Die Herkunft des Insulins ist nicht nachweisbar. Insulin ist in Deutschland verschreibungspflichtig. Das heißt, dass das Medikament nur gegen ein gültiges Rezept ausgehändigt wird. Es sei denn, es handelt sich um einen Notfall und dem Apotheker ist bekannt, dass der Patient Diabetiker ist. Und auch dann kommt es häufig vor, dass sich die Apotheken aufgrund von späteren Repressalien weigern, Insulin auszuhändigen und rufen lieber den Notarzt oder verweisen auf das nächste Krankenhaus.“

„Ich glaube ja, dass man leicht an Insulin rankommt, auch wenn die Gesetze noch so streng sind.“

„Ganz so einfach ist das in Deutschland nicht, Kollege Hiebler. Auch wenn ein Arzt anruft und um Insulin bittet, darf der Apotheker dieses Medikament nicht ausgeben. Aber,“ und dabei sah er in die Runde und machte dabei eine längere Pause, „in Österreich ist es kein so großes Problem, an Insulin ranzukommen. Bei unseren Nachbarn sind die Gesetze anders gelagert und man bekommt Insulin in fast jeder Apotheke und sogar über den Online-Medikamentenhandel, wenn man seinen Wohnsitz in Österreich hat. Aber das zu umgehen ist eine Kleinigkeit. Soweit ich informiert bin, ist die Insulinbeschaffung in Tschechien und Polen ebenfalls einfach. Allerdings gibt es dort nur inländische Beipackzettel und es gelten dort andere Medikamenten-Gesetze, wodurch es für einen Patienten gefährlich sein kann, sich dort mit Insulin zu versorgen, denn die vom Arzt festgestellte Dosis sollte strikt eingehalten werden.“

„Womit wurde das Opfer betäubt?“

„Der Pathologe tippt auf KO-Tropfen, aber dazu stehen noch einige Tests an.“

„Im Grunde genommen auch egal, denn solche Substanzen kann man sich in Deutschland problemlos übers Internet oder auf dem Schwarzmarkt besorgen,“ sagte Leo. „Viel wichtiger ist das Insulin. Aber wenn das in anderen Ländern problemlos zu beschaffen ist, dann verschwenden wir damit nur unnötig Zeit.“

„Danke für den ausführlichen Bericht, Kollege Fuchs. Dann wissen wir jetzt endlich die Todesursache, die für meine Begriffe sehr ungewöhnlich ist, fast human,“ sagte Krohmer.

„Was soll denn an einem Mord human sein? Gut, das Opfer musste nicht leiden, aber Mord ist Mord. Ob nun human, oder nicht,“ sagte Leo.

„So habe ich das nicht gemeint. Aber die Todesursache sollten Sie nicht aus den Augen verlieren. Es sieht so aus, als ob der Täter sein Opfer nicht leiden lassen wollte, was nach einem persönlichen Bezug zum Opfer aussieht. Oder nach einer Frau.“

„Chef, das glauben Sie jetzt aber nicht selber, oder? Das Opfer wurde zwar ordentlich am Pestfriedhof platziert, was durchaus Ihre Theorie unterstützen würde. Aber für mich sieht es so aus, als sollte die Leiche nicht so schnell gefunden werden, wodurch die Todesursache nicht mehr nachweisbar gewesen wäre. Ich schlage vor, dass wir für alles offen sind und so ermitteln, als wäre jeder verdächtig. Der Täter muss keine Frau sein und er muss auch nicht aus dem persönlichen Umfeld des Opfers kommen.“ Viktoria wurde immer besonders misstrauisch, wenn Fakten allzu deutlich waren, und sie konnte es überhaupt nicht leiden, wenn solche Vermutungen besonders zu Beginn der Ermittlungen ausgesprochen wurden.

„Wie dem auch sei,“ sagte Krohmer, der sich über die Belehrung ärgerte. Eine entsprechende Antwort lag ihm schon auf der Zunge, aber wegen des neuen Kollegen hielt er sich zurück. „Wir sollten nun mit Hochdruck zuerst daran arbeiten, herauszufinden, um wen es sich bei der Toten handelt. Irgendjemand muss sie doch vermissen.“

„Ach du großer Gott,“ rief Frau Gutbrod laut und zog einen Zettel aus ihrer Jackentasche. „Vorhin bekam ich einen Anruf von einer Frau Schmied aus Kastl wegen der unbekannten Toten in der Zeitung. Sie ist sich sicher, dass Sie die Tote kennt,“ las sie vom Zettel ab.

Krohmer sah seine Sekretärin vorwurfsvoll an, denn diese Information hätte sie umgehend weiterleiten müssen. Sie suchten schließlich nach der Identität des Opfers, das durfte ihr doch inzwischen nicht entgangen sein. Natürlich bemerkte Frau Gutbrod den Blick und fügte schnell hinzu: „Ich habe Frau Schmied umgehend hierher beordert. Sie dürfte eigentlich schon hier sein.“ Sie sprang auf und lief direkt zum Empfang, wo eine 52-jährige Frau saß und wartete.

„Sind Sie Frau Schmied?“ Die Frau stand auf und nickte. „Mein Name ist Gutbrod, wir haben heute miteinander gesprochen. Schön, dass Sie so schnell kommen konnten. Kommen Sie bitte mit, die Kommissare sind schon gespannt auf Ihre Aussage.“

Frau Gutbrod brachte die Zeugin direkt ins Besprechungszimmer.

„Setzen Sie sich bitte. Sie kennen die Tote?“

„Ja und ich bin mir ganz sicher. Das ist Katharina Zirbner vom Zirbner-Hof in Kastl. Ich kenne sie von meinen Spaziergängen, einer meiner Wege führt nahe am Zirbner-Hof vorbei. Dort haben wir das eine oder andere Wort gewechselt, wenn ich sie allein angetroffen habe und die alte Zirbnerin nicht auf sie aufgepasst hat. Die alte Zirbnerin ist ein schreckliches Weib, immer mürrisch und dazu auch noch boshaft – und mittendrin die feine, freundliche und sehr hübsche Katharina, die auch in Arbeitskleidung immer top ausgesehen hat. Schon lange habe ich vermutet, dass das mit der Katharina nicht gut endet.“

„Wie meinen Sie das?“

„Na, der Zirbner Sepp hat die Katharina quasi aus dem Katalog gekauft, das weiß in Kastl jeder. Was glauben Sie, was das für ein Skandal war, als der Sepp mit einer Russin ankam. Sie wird niemals in Kastl akzeptiert werden, immer eine Außenseiterin bleiben. Für eine junge Frau ist das der Horror. Und dazu die schwere Arbeit und die böse Schwiegermutter. Katharina hatte Freude an Musik und Kultur. Beides ist für den Sepp nichts, der kennt außer dem Schützenverein und der Feuerwehr doch nichts. Er geht ja nicht mal ins Wirtshaus. Sein Leben ist die Arbeit auf dem Hof. Früher war der Zirbner-Hof ziemlich runtergewirtschaftet. Sepps Eltern hatten versäumt, Geld in den Hof zu investieren und zu modernisieren. Sie haben viel zu lange an dem alten Zopf festgehalten, das geht irgendwann schief. Als der Sepp das Ruder nach dem Tod seines Vaters übernahm, ging er mit Eifer an die Arbeit und hat den Hof wieder auf Vordermann gebracht. Wenn man heute daran vorbeigeht, kann man die Veränderung kaum glauben. Der Sepp hat Tag und Nacht gearbeitet. Kein Wochenende, kein Urlaub, einfach nichts. Jeden Cent hat er in den Hof gesteckt und nur noch dafür gelebt. Da bleibt das Privatleben natürlich auf der Strecke.“

„Wie und wo hat dieser Sepp Zirbner seine Frau kennengelernt?“

„Ich weiß es nur gerüchteweise. Womit ich mir ganz sicher bin ist diese Partneragentur in Waldkraiburg, die offenbar russische Frauen an heiratswillige Deutsche vermittelt. Und der Sepp hat das meiner Meinung nach gemacht, weil er die ganzen Jahre wegen der vielen Arbeit und auch wegen seiner keifenden Mutter keine Frau gefunden hat. Ist ja auch eigentlich nichts dagegen einzuwenden, schließlich gibt es Partnervermittlungen wie Sand am Meer und der Sepp ist auch nur ein Mann und hatte wohl die Einsamkeit satt. Anfangs hat er gestrahlt und war immer gut gelaunt, hat sogar das eine oder andere Schwätzchen mit den Nachbarn und auch mit mir gehalten. Das hat sich dann geändert, als die Gerüchte und dummen Sprüche einfach nicht abrissen. In Kastl waren er, seine Frau und die Geschichte mit der Partnervermittlung lange Zeit Ortsgespräch. Jeder hat seinen Senf dazugegeben, das können Sie sich ja vorstellen. Vor allem die alte Zirbnerin hat gezetert und gegen ihre Schwiegertochter gehetzt, wo es nur ging. Sie kam nie damit zurecht, dass ihr Sohn eine Russin geheiratet hat, und dann auch noch aus dem Katalog. Dass es so etwas gibt, ist den Kastlern auch klar. Aber es ist etwas anderes, wenn das direkt vor der Haustür passiert. Außerdem ist in Kastl kaum etwas los. Da ist man froh, wenn es neuen Gesprächsstoff gibt – und dafür hat die alte Zirbnerin schon gesorgt. Ist es da verwunderlich, dass sich der Sepp zurückgezogen hat und sich schützend vor seine Frau gestellt hat? Für mich wäre das kein Leben! Tag und Nacht den Blicken der Menschen ausgesetzt, von denen man genau weiß, dass sie hinter dem Rücken über einen reden und sich lustig machen. Schrecklich. Ich wäre längst abgehauen.“

Die Polizisten konnten das durchaus nachvollziehen und konnten sich vorstellen, welchem Spießrutenlauf der Mann und vor allem die Frau ausgesetzt sein mussten. Das Leben war bestimmt doppelt schwer, wenn aus der eigenen Familie kein Rückhalt da war und man dazu mit mächtigem Gegenwind im gesamten Umfeld kämpfen musste.

„Die Katharina war etwas Besonderes. Sie war nicht dumm und hat unsere Sprache sehr schnell gelernt. Sie hat sich bemüht, sich einzuleben und sich anzupassen, aber sie stieß überall auf Abneigung. Niemand wollte mit der jungen Russin etwas zu tun haben. Und wenn doch, dann fuhr die alte Zirbnerin ihre Krallen aus und wurde noch gemeiner. Die junge Frau passte einfach nicht zu dem grobschlächtigen Sepp, der zwar von Grund auf kein schlechter Mensch ist, aber nicht weiß, wie man mit einer Frau umgeht. Vor allem kann sich der Sepp nicht gegen seine Mutter durchsetzen, dazu ist er zu weich – oder die Alte zu stark. Egal wie man es sieht, die Katharina war die Leidtragende. Ich bin mir fast sicher, dass die junge Frau wieder weg wollte, was aber für eine Frau in ihrer Situation nicht einfach ist. Wo sollte sie denn hin? Ohne Geld, ohne Kontakte, ohne Ausbildung und ohne einen Job? Da ist man doch vollkommen aufgeschmissen.“

„Das stimmt wohl. Sind Sie sich sicher mit dieser Vermittlungs-Agentur in Waldkraiburg?“

„Sie hat mir davon erzählt. Den genauen Namen der Agentur habe ich vergessen, irgendetwas mit einem Herz. Aber mehr weiß ich nicht, die Katharina hat ungern darüber gesprochen und auf die kursierenden Gerüchte habe ich nie etwas gegeben. Was ist mit der Katharina passiert?“

„Sie wurde am Pestfriedhof direkt am Pestkreuz tot aufgefunden. Die genaueren Todesumstände sind uns noch nicht bekannt,“ log Hans Hiebler, der es generell vorzog, vorschnell noch nicht zu viele Informationen rauszugeben. „Wir danken Ihnen sehr für Ihre Hilfe. Jetzt wissen wir endlich, mit wem wir es zu tun haben. Frau Gutbrod begleitet Sie wieder nach draußen.“

Frau Gutbrod stand die ganze Zeit interessiert daneben und registrierte jede Kleinigkeit, die die Zeugin von sich gab. Das mit dieser Partnervermittlung war keine schlechte Idee, denn was für Männer galt, die Frauen suchen, gab es bestimmt auch für die Frauen, die einen Mann suchen. Sie musste unbedingt mit ihrer Nichte Karin darüber sprechen.

„Ich würde gerne mit Hans zum Zirbner-Hof nach Kastl fahren.“ Leo hatte seine Jacke schon in der Hand, denn er wollte die Überbringung der Todesnachricht so schnell wie möglich hinter sich bringen.

„Gut. Dann werden der Herr Kranzbichler und ich uns über die Partnervermittlung informieren. Am besten, wir fahren direkt nach Waldkraiburg. Ich bevorzuge das persönliche Gespräch. Vor allem würde ich mir gerne die Räumlichkeiten ansehen.“ Viktoria war neugierig und stand in den Startlöchern, aber der neue Kollege zögerte noch.

„Ich habe eine sehr gute Idee,“ druckste Kranzbichler herum. „Ich weiß, ich bin neu hier und eigentlich sollte ich mich gerade am Anfang zurückhalten, allerdings ist die Gelegenheit absolut günstig und die sollten wir nutzen.“

„Wovon zum Teufel sprechen Sie?“ Viktoria war genervt.

„Wie wäre es, wenn ich in dieser Agentur als potentieller Kunde vorstellig werde? Ich lasse mich umfassend beraten und komme so vielleicht an Informationen ran, die der Polizei sonst vorenthalten werden. Sie geben mir Vorsprung und stoßen dann später hinzu. Sie lenken die Angestellten ab und vielleicht bekomme ich irgendwie die Möglichkeit, mich dort ungestört umzusehen.“

„Ich glaube, Sie haben zu viele Krimis gesehen,“ protestiere Viktoria, die von solchen Aktionen überhaupt nichts hielt. „Das kommt nicht in Frage, das ist viel zu gefährlich.“

„Moment mal, nicht so schnell,“ sagte Leo, der die Idee genial fand und für so etwas immer zu haben war. „Überleg dir das auf der Fahrt nach Waldkraiburg nochmal Viktoria, denn eine bessere Gelegenheit einmal hinter die Kulissen einer solchen Vermittlungsagentur zu schauen, bekommen wir vielleicht nie wieder.“ Leo klopfte Kranzbichler anerkennend auf die Schulter, er mochte diesen Kerl sofort.

„Außerdem gehe ich als vermeintlicher Kunde mit meinem Aussehen leicht durch. Ich sehe nicht nur aus wie ein verzweifelter Mann auf der Suche nach einer Frau. Bei mir vermutet auch niemand, dass ich von der Polizei sein könnte, eher gehe ich als Landwirt oder Mechaniker durch, das wird mir zumindest immer wieder nachgesagt,“ lachte er und machte sich damit über sich selbst lustig, was bei Leo und Hans sehr gut ankam. Viktoria war immer noch nicht überzeugt, verdrehte die Augen und ging davon.

„Ich kann ganz gut mit Frauen, ich werde die Kollegin Untermaier während der Fahrt mit meinem Charme becircen und von meiner Idee irgendwie überzeugen,“ sagte Kranzbichler augenzwinkernd, bevor auch er durch die Tür verschwand.

„Der Typ ist schwer in Ordnung,“ lachte Hans, bevor sie sich auf den Weg nach Kastl zum Zirbner-Hof machten. Unterwegs sprachen sie kein Wort, denn sie mussten den Hinterbliebenen eine Todesnachricht überbringen, was beiden sehr schwerfiel. Sie legten sich in Gedanken die passenden Worte zurecht, obwohl sie genau wussten, dass es dafür niemals die passenden Worte gab.

Leo parkte den Wagen im Innenhof des Bauernhofs am Rande Kastls, erstaunlicherweise hatte das Navi kein Problem, den Hof hier in der Pampa zu finden. Der Zirbner-Hof war ein stattlicher Bauernhof, der außer dem Wohnhaus in einem Top-Zustand war. Leo zählte insgesamt 4 Stallungen und zwei große, relativ neue, saubere Traktoren und mehrere Anhänger standen in dem offenen Unterstand. In einem Zimmer des Erdgeschosses brannte Licht, es musste also jemand zuhause sein. Beide atmeten nochmals tief durch und klingelten.

Ein Mann Ende vierzig in Jogginghose und Unterhemd öffnete die Haustür und sah die beiden nur an.

„Leo Schwartz, Kriminalpolizei Mühldorf, das ist mein Kollege Hans Hiebler.“ Sie zeigten ihre Ausweise, die den Mann aber nicht interessierten. „Sind Sie Herr Zirbner?“

„Ja, des bin i, Sepp Zirbner. Kripo? Is was passiert?“

„Wir haben eine traurige Nachricht, es geht um die Katharina.“

„Was is mit der Kathi?“

Leo wollte die Nachricht nicht hier vor der Tür überbringen und schob den korpulenten Mann einfach vor sich her in den Raum, in dem das Licht brannte. Dort saßen am Küchentisch noch eine alte Frau und ein junger Mann. Auf dem Tisch stand ein Teller mit Wurst und ein Korb grob geschnittenes Brot, vor jedem stand ein Bierkrug.

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