Kitabı oku: «Leichenschau», sayfa 2

Yazı tipi:

„Geht in Ordnung.“

„Wo ist der Bericht der Spurensicherung?“ Krohmer setzte seine Hoffnung auch in diese Richtung.

„Das kann ebenfalls dauern. Fuchs ist im Urlaub.“ Obwohl vor allem Viktoria den Leiter der Spurensicherung nicht besonders gut leiden konnte und bei jeder Gelegenheit mit ihm in Streit geriet, vermisste sie ihn jetzt besonders. Fuchs war nicht nur sehr gut in seinem Job und äußerst pingelig, sondern arbeitete bei einem Fall wie ein Besessener rund um die Uhr. Dabei waren ihm die Arbeitszeit, das Wetter und auch die äußeren Umstände völlig egal. Krohmer ärgerte sich insgeheim. Er selbst hatte Fuchs dazu gedrängt, endlich Urlaub zu nehmen, da der schon seit über einem Jahr keinen freien Tag mehr hatte und Krohmer deshalb mit München Probleme bekam.

„Machen Sie Druck, Frau Untermaier. Ich schlage vor, wir sehen uns nach dem Mittagessen wieder hier, vielleicht wissen wir dann schon mehr. Das hier bleibt unter uns, verstanden? Kein Wort zu irgendjemand, besonders nicht zu Frau Gutbrod. Ich möchte, dass der Fall bei uns bleibt. Wenn herauskommt, dass die Tote meine Verwandte ist, dann kümmern sich Kollegen darum. Und die sind vielleicht nicht so gründlich wie wir.“

„Das will ich jetzt nicht gehört haben Chef,“ sagte Viktoria. „Die Kollegen machen auch gute Arbeit. Aber ich kann Sie verstehen. Außerdem würde ich den Fall nur sehr ungerne abgeben wollen.“

Leo hatte herausbekommen, wo er Dr. Richard Leichnahm finden konnte: im Kreiskrankenhaus Altötting. Dort angekommen, fragte er sich durch, bis er ihn schließlich fand.

„Herr Schwartz? Was sucht die Kripo hier? Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“ Leo war überrascht, dass er sich an seinen Namen erinnerte.

„Das können Sie durchaus. Haben Sie einen Moment für mich?“

„Setzen wir uns in die Cafeteria. Ich habe Feierabend und wollte eben nach Hause. Auf mich wartet niemand.“

Nachdem sie vor dampfendem Kaffee in der frisch renovierten Cafeteria saßen, legte Leo sofort los.

„Wir bräuchten bezüglich der gestern aufgefundenen Leiche Ihre Hilfe. Wären Sie eventuell bereit, eine pathologische Untersuchung vorzunehmen? Den Schriftkram übernehmen wir.“

„Personalmangel?“

Leo nickte.

„Ich würde sehr gerne wieder in der Pathologie arbeiten, denn das ist mein Steckenpferd. Ich würde spontan zusagen, aber das wird nicht funktionieren. Ich bin in Deutschland als Pathologe nicht zugelassen und darf offiziell diesbezüglich nicht tätig werden.“

Leo war enttäuscht, damit hatte er nicht gerechnet.

„Wenn Sie allerdings einen Pathologen haben, der offiziell eingetragen ist, dann kann ich wiederum offiziell assistieren. Damit wäre das Problem umgangen. Ich bezweifle allerdings, dass Sie jemanden finden, der seinen Kopf für mich hinhält. Denn wenn ich Mist baue, ist derjenige dran, nicht ich.“

Leo musste schmunzeln. Er wüsste tatsächlich jemanden, der dafür in Frage kam: Seine Freundin und frühere Kollegin Christine Künstle, Pathologin in Ulm. Die 62-Jährige ist immer für so etwas zu haben und fackelt nicht lange.

„Ich habe eine Idee. Warten Sie bitte hier, ich muss kurz telefonieren und komme sofort zurück.“

Vor dem Krankenhaus nahm Leo sein Handy, setzte sich auf eine Bank und wartete auf die vertraute Stimme seiner Freundin Christine.

„Wer stört mich?“, meldete sie sich unfreundlich. Leo musste lachen. Er wusste, dass sie es hasste, wenn sie bei der Arbeit gestört wurde.

„Nicht ganz so unfreundlich, junge Frau.“

„Leo?“, rief sie erfreut, als sie seine Stimme erkannte. „Wie schön, dass du dich meldest. Was kann ich für dich tun?“

Er schilderte ihr in knappen Sätzen, um was es ging.

„Würdest du dich bereiterklären, dich als Pathologin einzutragen, damit der österreichische Kollege tätig werden kann?“

Sie fragte bezüglich des österreichischen Pathologen nicht lange nach, denn sie vertraute Leo voll und ganz. Wenn er von diesem Mann überzeugt war, war sie es auch.

„Selbstverständlich bin ich dazu bereit, du kennst mich doch. Du kannst mich in München anmelden. Welchen Tag haben wir heute?“

„Donnerstag. Warum?“

„Was? Schon wieder Donnerstag? Wie schnell die Zeit vergeht. Das Wochenende steht vor der Tür und ich habe noch nichts vor, das kommt mir sehr gelegen. Ich brauche hier noch ungefähr eine Stunde, dann packe ich und bin unterwegs.“

„Du hast mich falsch verstanden, Christine. Ich habe einen Pathologen, du musst nicht persönlich erscheinen. Ich brauche nur deinen Namen und natürlich dein Einverständnis, dass Dr. Leichnahm als dein Assistent in dem vorliegenden Fall arbeiten kann.“

„Denkst du, ich bin blöd? Das habe ich verstanden. Dein Dr. Leichnahm kann meinetwegen in meinem Namen arbeiten. Gegen ein bisschen Hilfe und Unterstützung durch einen fachlichen Rat oder einen Blick in die Unterlagen wirst du doch nichts einzuwenden haben, oder? Es sei denn, du willst mich nicht sehen?“

Sie schien beinahe beleidigt.

„Natürlich will ich dich sehen, keine Frage, aber…“

„Dann verschwende nicht länger meine Zeit. Ich muss meine Arbeit hier noch beenden und die erfordert meine uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Wir sehen uns später.“

Bevor Leo noch etwas erwidern konnte, hatte sie aufgelegt. Leo war sich sicher, dass sie auf einen weiteren Anruf nicht mehr reagieren würde. Außerdem war er sich sicher, dass es bei einem Blick in die Unterlagen und einem fachlichen Rat von ihrer Seite nicht bleiben würde. Wenn sie erst mal hier war, würde sie sich nicht nur in den ganzen Fall reinknien, sondern ihn gleich an sich reißen. Perfekter könnte es nicht laufen.

„Und? Haben Sie etwas erreichen können?“, fragte Dr. Leichnahm, als Leo wieder zu ihm in die Cafeteria kam.

„Ich habe eine Pathologin gefunden, die

einverstanden ist. Frau Dr. Christine Künstle wird sich für Sie eintragen.“

„Sie scherzen! Frau Dr. Christine Künstle aus Ulm?“ Leo nickte. „Das glaube ich ja nicht! Ich habe viele ihrer Vorträge genossen und habe natürlich in den verschiedenen Fachliteraturen von ihr und über sie gelesen. Das ist ja der Wahnsinn! Schade, dass ich sie nicht persönlich kennenlerne.“

„Das werden Sie. Sie kommt nach Mühldorf und ich fürchte, ich kann sie nicht davon abhalten, Sie in Ihrer Arbeit wie auch immer zu unterstützen.“

„Heute muss mein Glückstag sein! Nicht nur, dass ich das Vergnügen habe, Frau Dr. Künstle persönlich zu treffen, sondern ich habe auch noch das Glück, mit ihr zu arbeiten. Und zu allem Überfluss habe ich erst wieder am nächsten Dienstag Dienst. Das heißt, ich habe jede Menge Zeit. Ich fahre jetzt nach Hause, ziehe mich um, und fahre auf direktem Weg in die Gerichtsmedizin. Hier ist meine Handynummer, halten Sie mich bezüglich Frau Dr. Künstle auf dem Laufenden.“

Dr. Leichnahm grinste von einem Ohr zum anderen und hatte vor Freude knallrote Bäckchen bekommen.

„Was gibt es Neues?“, legte Rudolf Krohmer sofort los, als sie sich um 14.00 Uhr im

Besprechungszimmer trafen. Er hatte darauf verzichtet, seiner Sekretärin Hilde Gutbrod Bescheid zu geben, und alle hatten sich aus dem Automaten vor der Tür Kaffee geholt.

„Ich habe mit den Busfahrern sprechen können,“ begann Werner. „Es ist tatsächlich so, dass sie die Frau gesehen und sie offenbar mehrfach angesprochen haben. Alle nur von ihrem Fahrersitz aus. Somit waren sie mehrere Meter von der Toten entfernt.“

„Keiner hat sich gewundert, dass die Frau den ganzen Tag dort unverändert saß?“

„Nein, offenbar nicht. Vier der Busfahrer kamen mir sehr desinteressiert, beinahe kühl vor. Auch nachdem ich sie davon unterrichtet hatte, dass es sich bei der Frau um eine Tote handelte. Zumindest zeigten sich die anderen bestürzt.“ Dass er die Busfahrer allesamt zusammengestaucht und mit einer Bestrafung wegen unterlassener Hilfeleistung gedroht hatte, behielt Werner lieber für sich.

„Wenigstens etwas. Haben Sie mit diesem Österreicher bezüglich der Pathologie sprechen können, Herr Schwartz?“ Besonders diese Angelegenheit brannte ihm unter den Nägeln.

„Selbstverständlich. Dr. Leichnahm war sofort bereit, einzuspringen. Allerdings gab es ein Problem. Er ist in Deutschland offiziell nicht als Pathologe zugelassen und darf daher nicht aktiv werden.“ Krohmer war enttäuscht, rieb sich die Augen und stöhnte enttäuscht auf.

„Ich habe eine zugelassene Pathologin gefunden, die für diesen Fall als Verantwortliche unterzeichnet und deshalb ist Dr. Leichnahm bereits unterwegs in die Pathologie, um als deren Mitarbeiter zu arbeiten. Ich hoffe, die erforderlichen Unterlagen liegen in München bereit?“

Krohmer war sehr erleichtert über diese Nachricht. Er dachte nicht einmal daran, nachzufragen, um welche Pathologin es sich dabei handelte. Es war ihm nur wichtig, dass endlich mit der Arbeit begonnen werden konnte.

„Selbstverständlich ist alles vorbereitet. Es hat mich zwar einiges an Überzeugungsarbeit gekostet, aber schlussendlich war mir der zuständige Staatsanwalt noch einen Gefallen schuldig und hat zähneknirschend zugestimmt.“

„Ich habe nochmals mit den Anwohnern gesprochen,“ sagte Hans, der heute schon eine wahre Tortur hinter sich hatte. Er hatte mit geschätzten tausend Menschen gesprochen und war wie ein Kaninchen zwischen den Befragungen und den eintreffenden Bussen hin- und hergesprungen. „Dazu konnte ich auch mit einigen Fahrgästen der betreffenden Buslinien sprechen. Allerdings nur mit einigen von denen, die regelmäßig und immer zur gleichen Zeit damit fahren. Leider sind mir viele Fahrgäste durch die Lappen gegangen, die Menge war einfach zu groß und die Busfahrer drängten darauf, ihre Fahrpläne einzuhalten. Ich bin auch nur bis zur 13.01 Uhr-Fahrt gekommen. Wir sollten uns alle Fahrten nochmals genauer vornehmen, aber alleine ist das ein Ding der Unmöglichkeit. Wir sollten die Befragungen mit vielen Kollegen durchführen. Darüber hinaus wären Plakate sinnvoll, die wir an den Haltestellen anbringen sollten.“

„Das habe ich notiert. War irgendetwas Brauchbares dabei?“

„Im Großen und Ganzen überschnitten sich die Aussagen dahingehend, dass die Frau zwar gesehen wurde, sich aber niemand darum gekümmert hatte.“

„Sind die Menschen tatsächlich schon so abgestumpft?“ Krohmer wollte einfach nicht daran glauben. „Was haben Sie, Frau Untermaier?“

„Ich habe mich inzwischen über Sekten und Glaubensgemeinschaften informiert, vorrangig im Berliner Raum. Mit einem Mitarbeiter der Sekten- und Psychogruppe Berlin habe ich ein ausführliches Telefongespräch geführt. Es gibt offenbar in Berlin eine unüberschaubare Menge an den verschiedensten Gruppierungen, die religiös, lebenshelfend und therapeutisch geprägt sind. Oft sind die Grundlagen nur eine eigene Weltanschauung. Der Mitarbeiter hat mir versprochen, nach dem Namen Silke Deser zu suchen, ob sie schon einmal in Erscheinung getreten oder irgendwie sonst in diesem Zusammenhang aufgefallen ist.“

Die Kollegen waren über die Ausführungen sehr überrascht. Es war keinem bislang bewusst, wie viele solcher Gruppierungen es gibt. Außer natürlich Rudolf Krohmer, der sich lange Zeit nach dem Verschwinden seiner Nichte damit beschäftigt hatte.

„Bleiben Sie an diesem Thema unbedingt dran. Sprechen Sie mit allen möglichen Einrichtungen, die irgendwie weiterhelfen könnten. Und Sie beide,“ sprach er Hiebler und Grössert an, „kümmern sich bitte gemeinsam um die Befragungen der Bus-Passagiere. Nehmen Sie sich die Verstärkung mit, die Sie brauchen. Es wird sich doch in Gottes Namen ein einziger finden lassen, der etwas gesehen hat! In welcher Welt leben wir eigentlich!“

Rudolf Krohmer rannte nach draußen. Er hatte seine Frau für 15.00 Uhr herbestellt, die noch nichts von all dem hier mitbekommen hatte. Jetzt befand er es an der Zeit, sie einzuweihen und miteinzubeziehen, schließlich war auch sie persönlich betroffen. Er wollte sie an seiner Seite wissen, wenn die Nachricht aus der Pathologie München eintraf. Er selbst war fest davon überzeugt, dass es sich bei der Toten um seine Nichte Silke handelte, die Ähnlichkeit mit seiner verstorbenen Schwester war einfach zu groß.

Frau Gutbrod, die an der Tür gelauscht hatte, konnte gerade noch einen Schritt zur Seite gehen und somit hinter die Tür huschen, bekam aber trotzdem noch die Tür gegen die Nase, die sie sich nun vor Schmerzen mit beiden Händen hielt. Sie musste einen Aufschrei krampfhaft unterdrücken, denn die anderen kamen nun nacheinander ebenfalls aus dem Besprechungszimmer. Inständig hoffte sie darauf, dass sie niemand entdecken würde, was sehr peinlich für sie wäre. Warum ging Frau Untermaier nicht weiter? Auf wen wartete sie denn? Sie trennte nur die Tür und Frau Gutbrod fühlte Panik in sich aufsteigen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Frau Untermaier jeden Moment die Tür schließen und sie dann entdecken würde, war zum Greifen nah. - Aha, auf den Kollegen Schwartz hatte sie also gewartet. Der Schmerz wurde leichter, was auch an der Ablenkung lag.

„Wie hast du das mit der Pathologin angestellt?“, fragte Viktoria.

„Das war eine Kleinigkeit. Ich habe Christine angerufen und sie war sofort einverstanden. Allerdings konnte ich sie nicht davon abhalten, sich an dem Fall zu beteiligen. Ich gehe davon aus, dass sie Dr. Leichnahm unterstützend zur Seite steht. Hoffentlich vergrault sie ihn nicht.“

Viktoria musste laut lachen, damit hatte sie nicht gerechnet.

„Christine kommt? Ach wie schön, ich freue mich. Auch Krohmer wird sich sehr über ihren Besuch freuen. Bleibt es bei heute Abend?“

Leo nickte nur und gab ihr einen flüchtigen Kuss. Natürlich erst, nachdem er sich umgesehen hatte und sicher war, dass sie niemand dabei beobachtete. Die beiden gingen zum Glück, ohne die Tür hinter sich zu schließen. Jetzt konnte Hilde Gutbrod endlich aus ihrem Versteck und zur Toilette gehen, denn sie blutete leicht aus der Nase und musste die Spuren so schnell wie möglich beseitigen. Diese schreckliche Christine Künstle kommt also hierher? Warum nur? Wollte sie jetzt den Platz der verstorbenen Geliebten einnehmen? Und was hatten die Untermaier und Leo Schwartz miteinander, hatte sie da etwas nicht mitbekommen? Sie hatte jede Menge Arbeit vor sich, natürlich musste sie auch dieser Spur nachgehen. Sie wurde unvorsichtig, gab der Tür einen Stoß – und stand direkt vor Hans Hiebler!

„Wen haben wir denn da? Frau Gutbrod! Wir haben doch nicht etwa verbotenerweise gelauscht? Wenn ich mir Ihre Nase so ansehe, sind sichtbare Beweise zurückgeblieben, sogar auf der Tür. Ich denke, ich sollte die Spurensicherung holen und einen Bericht schreiben.“ Er hob den Finger. „Das wird Herrn Krohmer aber überhaupt nicht gefallen.“

„Unterstehen Sie sich Herr Hiebler! Was fällt Ihnen überhaupt ein? Das war ein Unfall. Ich bin eben zufällig vorbeigekommen und bekam die Tür auf die Nase,“ rief sie aufgeregt und rieb mit der Hand über die Tür.

„Wollen Sie Spuren beseitigen? Sie wissen doch, dass Blut trotz dieser oberflächlichen Reinigung noch lange, ach was sage ich, noch ewig

nachweisbar ist.“

Hans genoss diese Situation mit allen Fasern seines Körpers. Bereits mehrfach war er mit Frau Gutbrod zusammengestoßen oder hatte ihretwegen Ärger bekommen.

„Lassen Sie mich doch in Ruhe,“ rief Frau Gutbrod und ging schnurstracks zur Toilette, wo sie zum Glück alleine war. Sie betrachtete sich im Spiegel, wischte das wenige Blut weg und kühlte die Stelle mit einem getränkten Papiertuch. Nur noch ein wenig Puder und man würde überhaupt nichts mehr sehen.

Auf dem Weg in ihr Büro dachte sie nochmals über das nach, was passiert war. Herr Hiebler hatte sie jetzt in der Hand. Es würde einen Riesenärger geben, wenn ihr Chef davon erfahren würde, dass sie wieder gelauscht hatte. Und das alles, wo sie doch nur Bruchstücke und absolut nichts Interessantes gehört hatte. Das, was sie verstanden hatte, war sehr verworren. Es ging um eine Tote, deren Name sie nicht verstanden hatte. Und es ging um Busfahrer, deren Passagiere und um Sekten in Berlin. Was sollte daran so interessant und geheim sein? Warum machen die Kollegen so ein Geheimnis um diesen Fall? Es war ihr jetzt egal, wenn Herr Hiebler sie beim Chef anschwärzte. Sie konnte sich immer noch damit rausreden, dass das ein Unfall war und sie rein zufällig vorbeikam. Sie musste jetzt unbedingt herausbekommen, was es mit der Toten und vor allem mit den Kollegen Untermaier und Schwartz auf sich hatte. Und bei all dem durfte sie auch das Privatleben ihres Chefs nicht aus den Augen verlieren. Sie musste unweigerlich laut aufstöhnen, es kam eine Menge Arbeit auf sie zu.

An ihrem Schreibtisch kühlte sie die Stelle an ihrer Nase nochmal mit einem Löffel, was aber nun nicht mehr nötig war, man sah tatsächlich nichts mehr. Mit einer Portion Puder und einer Lage Lippenstift sah sie wieder aus wie neu. Diese Kosmetikerin hatte wahre Wunder bewirkt. Keiner hatte gesehen, dass sie etwas an sich hatte machen lassen, sie sah um Jahre jünger aus. Erst jetzt bemerkte sie, dass die Tür zum Büro des Chefs geschlossen war und er mit jemandem sprach. Ein Blick aufs Telefon verriet ihr, dass er nicht telefonierte. Mit wem sprach er? Lange überlegte sie, was sie machen sollte, beschloss aber, ihn vorerst in Ruhe zu lassen, denn offenbar musste er momentan sehr viel durchmachen.

Christine Künstle lenkte ihren grasgrünen Kleinwagen Richtung München. Sie kam flott voran. Wann war sie das letzte Mal in der Pathologie München gewesen? Das war noch keine drei Wochen her. Sie kannte den österreichischen Kollegen Dr. Leichnahm nicht persönlich. Oder doch? Irgendwie hatte sie das Gefühl, den Namen schon einmal gehört zu haben, noch bevor sie Erkundigungen über ihn eingezogen hatte.

Sie sah auf die Uhr und fluchte leise. Sie hatte mit der Leiche auf ihrem Tisch länger gebraucht, als ursprünglich geplant. Hoffentlich war der Kollege Leichnahm noch nicht fertig mit den Untersuchungen. Sie gab Gas. Wenn sie schon ihren Namen und damit ihren guten Ruf hergab, dann wollte sie auch persönlich anwesend sein, dem Österreicher über die Schulter sehen und, falls erforderlich, eigene Untersuchungen vornehmen.

Hatte sie Leo richtig verstanden? War die Tote die Nichte von Rudolf Krohmer? Sie kannte und mochte sowohl ihn als auch dessen Frau. Der Tod war für die beiden sicher nicht leicht. Christine war sehr gespannt, was sie erwartete und drückte das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Endlich war sie an ihrem Ziel angekommen.

Entschlossen parkte sie ihren Wagen vor dem pathologischen Institut verbotswidrig in erster Reihe, nahm ihre schwere Tasche aus dem Kofferraum und ging in das Gebäude. Sie fragte sich durch, wobei sie mehrfach ihren Ausweis vorzeigen musste und im Computer überprüft wurde. Das war ja schlimmer als in Fort Knox! Waren die Kontrollen schon immer so streng gewesen oder gab es einen Vorfall, der diese nötig machte? Es war ihr gleichgültig. Sie hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Schließlich war sie vor dem richtigen Raum angekommen, sah durch die Scheibe einen kleinen, dicken Mann mit Glatze vor einem Seziertisch, ging ins Nebenzimmer und zog ihren Kittel an. Wenige Minuten später stand sie direkt hinter dem Mann, sah lange zu und musste zugeben, dass seine Handgriffe routiniert waren und sie nichts auszusetzen hatte. Allerdings missfiel ihr, dass der Mann Stöpsel in den Ohren hatte und offenbar bei der Arbeit Musik hörte. Ein Umstand, den sie in ihrer Pathologie niemals dulden würde. Sie hatte genug gesehen, war zufrieden und tippte dem Kollegen auf die Schulter. Erschrocken drehte er sich um.

„Nun mal nicht so schreckhaft, junger Mann. Dr. Künstle mein Name. Unterrichten Sie mich in knappen Worten.“

„Frau Dr. Künstle, wie schön! Ich habe sehr darauf gehofft, dass ich Sie kennenlernen darf und nun stehen Sie tatsächlich wahrhaft vor mir. Ich habe schon viel von ihnen gehört und gelesen. Ich habe viele Ihrer Vorträge besucht. Man könnte sagen, dass ich ein großer Fan von Ihnen bin.“

Die Worte taten ihr gut, aber sie ließ sich nichts anmerken. Sie sah sich den Mann genauer an und erinnerte sich an ihn. In ihren Vorträgen saß er meist in der ersten Reihe und stellte auch ab und zu eine durchaus interessante Frage.

„Ihnen hätte der Fehler in Wien nicht passieren dürfen.“

„Sie haben sich über mich informiert?“ Dr. Richard Leichnahm wurde aschfahl. „Das war ein Fehler, den ich mir niemals verzeihen werde und der es mir unmöglich gemacht hat, meinen Beruf weiter auszuüben. Deshalb habe ich gekündigt, habe mehrere Fortbildungen gemacht und mich beruflich umorientiert. Mein Name bekam einen großen Makel, womit ich zum Gespött der Kollegen geworden bin.“

„Seien Sie mal nicht so streng mit sich selbst. Es gibt wahrhaft schlimmere Dinge, die Kollegen passiert sind und die sind immer noch in ihrem Job tätig und leisten gute Arbeit. Ich an Ihrer Stelle hätte dazu öffentlich Stellung genommen und irgendwann hätte niemand mehr darüber gesprochen.“

Die beiden Ärzte standen sich direkt gegenüber. In Größe und Figur unterschieden sie sich kaum. Beide waren klein und rundlich, die Knöpfe von den Kitteln spannten fast identisch.

„Ich danke Ihnen für Ihre Worte, werte Frau Kollegin,“ flüsterte Dr. Leichnahm und hatte Tränen in den Augen. Die Arbeit als Notarzt in Altötting war nicht schlecht, auch die Kollegen waren freundlich. Trotzdem vermisste er seinen aufgegebenen Beruf seit der ersten Stunde, auch der Umzug von Wien nach Altötting änderte nichts daran.

„Schon gut,“ winkte Christine ab, die nur sehr schwer mit Gefühlsduselei umgehen konnte, sie liebte hingegen klare Worte. „Wie weit sind Sie mit der jungen Frau? Vorrangig interessiert mich der DNA-Abgleich mit Rudolf Krohmer.“ Sie nahm das Klemmbrett mit den Unterlagen und warf einen Blick darauf. Dr. Leichnahm war ihr sofort sympathisch. Schon allein diese charmante, sehr höfliche Art, mit der er sprach, war sehr angenehm. Die weiche Stimme und den österreichischen Akzent hörte sie sehr gerne, das war wie Musik in ihren Ohren.

Dr. Leichnahm hingegen war überrascht darüber, dass Dr. Künstle so gut informiert war.

„Der DNA-Abgleich war eindeutig. Die Tote und die Daten von Herrn Krohmer, die ich zur Verfügung gestellt bekommen habe, beweisen das Verwandtschaftsverhältnis der beiden.“

Christine stöhnte auf. Es handelte sich also tatsächlich bei der Toten um die verschollene Nichte Krohmers. Sie hatte sich fast gewünscht, dass es sich um eine Fremde handelte, was auch nicht ganz fair war. Denn auch diese hätte wiederum Verwandte und Menschen, die um sie trauern.

„Was haben Sie noch?“

„Die Frau ist ca. 30-35 Jahre alt, 1,76 m groß, das ursprünglich dunkelbraune Haar war blond gefärbt, blaue Augen. Hier am Knie ist eine 12 cm lange Narbe. Wenn Sie so freundlich wären und einen Blick auf die Lunge und Leber werfen wollen, Frau Kollegin?“

Christine sah sofort, worauf Dr. Leichnahm hinauswollte.

„Wie sehen Speiseröhre und Darm aus?“

„Rot und gereizt.“

„Magen? Haben Sie Tests durchgeführt?“

„Ganz so weit bin ich noch nicht. Ich sehe, dass Sie meine Vermutung teilen. Wenn Sie möchten, können wir die weitere Arbeit gemeinsam durchführen? Ich würde mich sehr freuen.“

Christine nickte, aber Sie ahnte nichts Gutes. Früher, ganz zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn, hatte sie einmal mit einem ähnlichen Fall zu tun gehabt. Wenn die Tests des Mageninhalts positiv ausfallen, dann war klar, woran die junge Frau starb.

„Als Besonderheit möchte ich anmerken, dass unsere Patientin sehr stark geschminkt aufgefunden wurde, was ihr Äußeres sehr beeinflusst hat. Sehen Sie sich die Fotos an.“

Christine, die über diesen Umstand von Leo nicht informiert worden war, war überrascht. Sie ging mit Dr. Leichnahm zu dessen Laptop und sie sahen sich ein Foto nach dem anderen an.

„Um Gottes Willen! So etwas habe ich ja noch nie gesehen! Sie wurde so geschminkt, dass die Totenflecken nicht zu sehen waren. Sie sah sehr lebendig aus. Das war sicher sehr viel Arbeit, die Leiche so herzurichten. Merkwürdig, wer macht sich denn solche Mühe?“, murmelte Christine, die auch heute noch an Travestiekünstlern deren Fähigkeit des Schminkens sehr bewunderte. Aber das hier war doch noch eine andere Hausnummer. Das war eine künstlerische Arbeit.

Christine und Dr. Leichnahm machten sich an die Arbeit. Endlich hatten sie den Beweis: Die junge Frau war an einer Vergiftung durch Paraquat verstorben, wie Christine bereits vermutet hatte.

„Wird dieses Pflanzengift überhaupt noch ohne deutliche Färbung, Beifügung von Brechmitteln und mit einem üblen Geruch hergestellt? Das war lange vor Ihrer Zeit, als man dieses Gift überall in Deutschland fast an jeder Ecke kaufen konnte. Gab es das Mittel in Österreich überhaupt?“

„Das entzieht sich meiner Kenntnis. Ich persönlich hatte noch nie damit zu tun, habe aber einiges darüber gelesen.“

„Früher konnte man die rötlich-braune Flüssigkeit dieses Pflanzengifts, die völlig geruchlos war, leicht mit Cola oder Rotwein verwechseln, aber heute doch nicht mehr. Oder etwa doch?“

Dr. Leichnahm recherchierte an seinem Laptop, während Christine Kaffee organisierte und nach zwanzig Minuten wieder zurück war.

„Ich habe einige Unternehmen im Ausland gefunden, die Paraquat immer noch nach der alten Methode produzieren. Übers Internet an das Produkt ranzukommen, dürfte ein Kinderspiel sein.“

„Ja, das ist der Fluch des Internets. So viel Positives man daraus auch ziehen kann, es ist auch ein Paradies für Spinner und Psychopathen, die ohne große Mühe an die gefährlichsten Dinge rankommen.“

„Da muss ich Ihnen zustimmen. Man sollte so etwas wie einen Benutzerfingerabdruck einführen, damit jede Bestellung lückenlos zurückzuverfolgen ist.“

„Komplette Überwachung und Kontrolle? Nein, davon halte ich nichts. Das hatten wir bereits in den 30er und 40er-Jahren, initiiert von einem Ihrer Landsmänner. Nein mein Freund, das brauchen wir nicht mehr. Ich appelliere dafür, dass an der Intelligenz, an der sozialen Basis und vor allem an der Toleranz und Menschlichkeit gearbeitet wird. Und das beginnend im Elternhaus und fortgeführt über Kindergärten und Schuleinrichtungen. Aber dieses Gespräch geht jetzt zu weit, das können wir ein andermal in einem privaten Rahmen weiter diskutieren.“

„Gerne,“ sagte Dr. Leichnahm begeistert, der von der Art von Frau Dr. Künstle sehr begeistert war. Privat war sie ja noch viel interessanter, nahm auch hier kein Blatt vor den Mund und äußerte klar ihre eigene, persönliche Meinung, ohne beleidigend zu sein oder überheblich zu wirken.

Christine trank ihren Kaffee aus, der erstaunlicherweise sehr gut schmeckte. „Sehr gute Arbeit, Herr Kollege, es war mir ein Vergnügen.“

Dr. Leichnahm wurde rot und grinste. Ein richtig netter Kerl, dieser Österreicher, Christine mochte ihn immer mehr.

„Dann werden wir wohl oder übel die schlechte Nachricht überbringen müssen. Ich fahre nach Mühldorf und werde die entsprechenden Unterlagen gleich mitnehmen. Wie sieht es aus, möchten Sie mich begleiten? Natürlich nur, wenn Sie Zeit und Lust haben.“

„Und ob ich das möchte! Ich habe nichts anderes vor, auf mich wartet niemand und ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen.“

Sie zogen sich um und gingen gemeinsam auf den Parkplatz. Christine gab strikte Anweisung an das Personal der Pathologie, auf die Leiche gut aufzupassen und unter keinen Umständen einen anderen Pathologen ranzulassen. Christine stand vor ihrem grasgrünen Kleinwagen, Dr. Leichnahm parkte mit seinem dicken Kombi nicht weit von ihr.

„Eines sage ich Ihnen gleich, Dr. Leichnahm: Wir werden nicht hintereinander herfahren, denn das hasse ich wie die Pest. Jeder fährt so, wie er möchte und wir treffen uns auf dem Parkplatz der Polizei Mühldorf.“

Dr. Leichnahm hätte es überhaupt nichts ausgemacht, hinter Dr. Künstle herzufahren. Heimlich tat er das auch, bemühte sich aber, dass sie ihn nicht bemerkte, denn er wollte sie auf keinen Fall verärgern. Während der ganzen Fahrt klangen die Worte von Frau Dr. Künstle in seinen Ohren. Er dachte ständig darüber nach, ob er damals wegen des Vorfalls nicht vorschnell und überzogen gehandelt hatte. Vielleicht war eine Rückkehr in seinen Beruf doch nicht für immer ausgeschlossen? Die Arbeit an der Leiche hatte ihm sehr viel Spaß gemacht und er fühlte sich wohl dabei. Er war erstaunt darüber, wie routiniert und sicher er vorgegangen war, obwohl seine letzte pathologische Arbeit einige Jahre her war. Er nahm sich vor, bei Gelegenheit mit Frau Dr. Künstle zu sprechen und sie um Rat zu bitten. So, wie er sie jetzt persönlich kennengelernt hatte, war sie ein Mensch, der offen und ehrlich seine Meinung sagte.

Christine hatte Dr. Leichnahm längst im Rückspiegel bemerkt. Sie musste schmunzeln und war zufrieden. Der Österreicher hatte sich von ihr nicht verunsichern lassen und das mochte sie.

Gegen halb fünf am Nachmittag betraten Christine und Dr. Leichnahm das Büro der Kriminalbeamten in Mühldorf. Viktoria und Leo waren hier, Hans und Werner waren noch im Außendienst und befragten Buspassagiere.

„Hallo ihr beiden! Was ist los mit euch? Keine Begrüßung und keine Umarmung?“

Viktoria und Leo waren sofort aufgesprungen, umarmten und küssten Christine, wobei Leo sie übermütig herumwirbelte. Ungeduldig hatte er immer wieder auf die Uhr gesehen und sich die größten Sorgen um sie gemacht, als sie immer noch nicht in Mühldorf eingetroffen war. Ihr Handy war ausgeschaltet. Leo war irgendwann davon überzeugt, dass Christine wohl direkt in die Pathologie nach München gefahren war. Ein kurzer Anruf dort bestätigte seine Vermutung.

Dr. Leichnahm sah dem Geschehen überrascht zu. Er hielt Behörden bislang für kühl und distanziert, auch im Umgang untereinander.

„Hör auf, du dummer Kerl, mir wird ja ganz schwindelig.“ Christine lachte und freute sich riesig, die ihr wichtigen Menschen wiederzusehen. „Ihr kennt Dr. Leichnahm?“

„Sicher.“ Sie begrüßten ihn ebenfalls. „Seid ihr mit der Leiche durch?“

₺92,99

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
291 s. 2 illüstrasyon
ISBN:
9783742792587
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок