Kitabı oku: «Zwei Leichen und ein Todesfall», sayfa 2

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3.

Klemens Weinmayer hatte die Überwachungskameras besorgt, sie lagen in seinem Kofferraum. Wahnsinn, was die gekostet hatten! Am liebsten hätte er sie sofort angebracht, aber ein wichtiger Termin kam dazwischen. Ein neuer Kunde, der gleich zwei Bauaufträge im nächsten Jahr in Aussicht stellte. Weinmayer mochte diesen Mann nicht, aber Antipathien konnte er sich nicht leisten. Zwei Bauaufträge versprachen fettes Geld und daran war er immer interessiert. Nach zähen Geschäftsverhandlungen und einem Kneipenbesuch war er endlich zu Hause angekommen. Wie er diese Gespräche hasste! Wie immer wollte sein Gegenüber, dass er hofiert und gepampert wird, damit er ihm den Auftrag gab. Widerlich! Der Umgang im geschäftlichen Bereich verkam immer mehr, was ihn mehr und mehr anödete. Aber was sollte er machen? Um an weitere Aufträge und damit an Geld zu kommen, musste er mitspielen, ob er wollte oder nicht. Zum Glück hatte er diesen Trottel abfüllen können. Da der sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte, hatte er ihn in ein Taxi gesetzt und damit war auch für ihn der Tag endlich vorbei. Die Nacht war kalt und es schüttete wie aus Eimern, was die morgigen Bauarbeiten nicht einfacher machte. Trotzdem musste es weitergehen. Auch die Kameras mussten installiert werden, aber natürlich bei diesem Mistwetter nicht von ihm persönlich. Wozu hatte er Angestellte, die diese Arbeit für ihn übernehmen konnten? Bei dem Wetter gab es sicher keine weiteren Anschläge, da jagte man ja noch nicht einmal einen Hund vor die Tür.

Der Anrufbeantworter war voller Nachrichten. Ob er sie abhören sollte? Er musste, ob er wollte oder nicht.

Schon beim ersten Ton wurde ihm klar, dass er heute einen Fehler gemacht hatte, weil er das Gespräch mit Dieter einfach unterbrochen und sein Handy ausgeschaltet hatte. Der Mann war stinksauer. Er schimpfte, fluchte und drohte. Weinmayer hatte keine Lust mehr. Wütend nahm er den Anrufbeantworter und warf ihn an die Wand.

„Warum so wütend, Klemens?“

Weinmayer fuhr erschrocken um – und sah in Dieter Gesicht.

„Wie kommst du hier rein?“

„Ist das wichtig? Du hast mich verärgert und das kann ich nicht leiden. Du schuldest mir Geld, und nicht umgekehrt. Solltest du in deiner Lage nicht etwas höflicher zu mir sein?“ Dieter grinste, auch wenn er innerlich kochte. Er konnte es sich nicht leisten, dass Schuldner so respektlos mit ihm umgingen, schließlich hatte er einen Ruf zu verlieren, den er sich mühsam aufgebaut hatte. Klemens war wiederholt frech geworden, und das musste er ihm austreiben. „Ich bekomme keine Antwort? Du bist schon wieder sehr unhöflich und das gefällt mir nicht. Als du in der Klemme warst, habe ich dir geholfen. Du hattest Probleme mit der Rückzahlung, und ich war so freundlich, dir einen Aufschub zu gewähren. Obwohl ich dir sehr entgegenkam, warst du heute sehr unhöflich zu mir. Du hast das Telefonat unterbrochen und dein Handy ausgeschaltet. Geht man so mit Geschäftspartnern um, die dir gegenüber sehr großzügig waren? Was soll ich deiner Meinung nach tun?“

„Ich habe dir doch gesagt, dass du dein Geld in drei Wochen bekommst!“, schrie ihn Klemens an. Was erlaubte sich dieser windige Typ? Niemand hatte das Recht, in seinen privaten Bereich einzudringen, auch Dieter nicht. Das hier war immer noch seine Wohnung, in der er sich bis jetzt sicher fühlte.

„Ja, das hast du mir gesagt. Ich würde das neue Zahlungsziel akzeptieren, auch wenn dich das etwas kosten würde.“

„Das sagtest du bereits!“

„Du hast mir nicht zugehört, Klemens! Die Art und Weise, wie du mit mir sprichst, gefällt mir absolut nicht. Du hast keinerlei Respekt, was ich nicht nett finde.“ Dieter holte aus und schlug Klemens mit voller Wucht ins Gesicht.

Diesen Schlag hatte Weinmayer nicht kommen sehen. Der stechende Schmerz schockierte ihn. Er hielt beide Hände an die Nase und spürte das Blut, das aus seiner Nase rann. Aber Dieter hatte noch nicht genug. Er holte aus und schlug ihm in den Magen. Weinmayer fiel zu Boden und japste nach Luft. Er versuchte zu sprechen, aber das gelang ihm nicht. Jeden Moment drohte er, sich übergeben zu müssen. Dann spürte er einen weiteren heftigen Schmerz, Dieter hatte ihn in die Niere getreten. Der Mann wusste, was er machte und wo es besonders weh tat.

„Hör auf!“, presste Weinmayer hervor. Er sprach kaum hörbar, aber Dieter hatte ihn verstanden. Der lachte nur und trat ihm nun gezielt zwischen die Schulterblätter. Weinmayer wurde fast ohnmächtig vor Schmerzen. Wann hörte der Mann endlich auf?

Dieter war noch nicht am Ende. Er genoss es, den hilflos auf dem Boden liegenden Mann zu quälen und ihm Respekt beizubringen. Unter den ihm bis jetzt zugefügten Schmerzen hatte der sicher noch lange zu leiden, aber das war ihm nicht genug. Er kannte diese aufgeblasenen Geschäftsleute, die sich als etwas Besseres fühlten und ihn nicht ernst nahmen. Sobald die Schmerzen nachließen, verschwand auch der Respekt. Dieter umkreiste Weinmayer und überlegte sich noch einen letzten Schritt. Er fixierte den Knöchel des Mannes und trat mit aller Kraft zu. Das Knacken war hörbar und Dieter musste lachen. So laut hatte er sich das Geräusch des brechenden Knöchels nicht vorgestellt.

Weinmayer schrie auf. So laut, dass Dieter ihm den Mund zuhalten musste, schließlich gab es hier Nachbarn, die langsam zur Gefahr wurden. Polizei konnte er nicht brauchen.

„Ich hoffe, du hast mich verstanden, mein Freund“, zischte Dieter und glättete das gegelte Haar, das durcheinandergekommen war.

Klemens Weinmayer war plötzlich ganz ruhig. Er bat Dieter, ihm aufzuhelfen, was der sogar tat. Obwohl Weinmayer unbeschreibliche Schmerzen hatte, überwog seine Wut auf den Mann, der ihn mit Genuss gequält hatte. Noch während er sich an der Kommode festhielt, griff er nach dem Kerzenleuchter, den seine geschiedene Frau vor über zwanzig Jahren in einem Antiquitätengeschäft für sehr viel Geld gekauft hatte. Sie wollte dieses hässliche Ding nach der Scheidung haben, aber er hielt daran fest. Nicht aus Sentimentalität, sondern nur, um sie zu ärgern. Dieter hatte sich von ihm abgewandt. Mit aller Kraft holte Weinmayer aus und schlug zu. Dieter brach zusammen, trotzdem schlug Weinmayer wieder und wieder wie von Sinnen auf ihn ein. Anfangs war es ihm egal, wo er ihn traf, dann konzentrierte er sich nur auf den Kopf. Dieter wehrte sich nicht, trotzdem schlug er weiter auf ihn ein. Irgendwann hörte er völlig entkräftet auf. Erst jetzt sah Weinmayer, was er angerichtet hatte. Von Dieters Gesicht war nichts mehr zu sehen. Der Mann lag in einer Blutlache und gab keinen Mucks von sich. Weinmayer verstand, dass er ihn getötet hatte. Erschrocken wich er zurück. Was hatte er getan? Was sollte er jetzt tun?

Weinmayer saß stundenlang vor seinem Opfer und dachte nach. Es gab für ihn nur eine Lösung. Er rief Udo Brauer an.

„Chef? Es ist mitten in der Nacht!“ Brauer war ebenfalls noch hellwach. Er musste sich konzentrieren, um den Worten folgen zu können.

„Dass es spät ist, weiß ich selbst, Udo! Ich habe mir nochmal das Gespräch zwischen uns durch den Kopf gehen lassen. Du hattest absolut Recht, dass die Arbeit auf der Baustelle so nicht weitergehen kann. Informiere die Leute, dass ab sofort Schluss ist. Im Frühjahr geht es weiter.“

„Du meinst wirklich ab sofort?“

„Ja, das meine ich.“

„Vielen Dank, Klemens. Es gibt noch Details zu besprechen. Wann können wir uns treffen?“

„Vorerst nicht. Ich melde mich wieder.“

Udo Brauer lachte hysterisch. Das, was sein Chef eben sagte, interessierte ihn einen feuchten Dreck, denn er hatte ganz andere Probleme. Er saß auf dem Boden des Kellers. Neben ihm lag Max, der echt beschissen aussah. Seine Frau und Tochter waren immer noch im Heizraum. Um ihnen den Anblick zu ersparen und sie nicht in die Sache hineinziehen zu müssen, hatte er die Tür mit einem Stuhl verkeilt.

Die Polizisten, die irgendwann eintrudelten, hatte er abwimmeln können. Die schienen froh darüber zu sein, umsonst gekommen zu sein. Nachdem sie die eingeschlagenen Fenster gesehen hatten, rechneten sie mit dem Schlimmsten. Brauer war ganz ruhig geblieben, denn das, was er getan hatte, konnte er nicht mehr rückgängig machen. Entweder stellte er sich, oder fand eine andere Lösung. Was sollte er jetzt mit Max machen?

4.

Zwei Wochen später – Donnerstag, 12. Dezember

Die Stimmung bei der Kriminalpolizei im oberbayerischen Mühldorf am Inn war hervorragend. Der Polizeichef Rudolf Krohmer hatte zu einem kleinen Umtrunk eingeladen, bei dem es Glühwein, Lebkuchen und Christstollen gab. Das war sonst nicht seine Art, aber er hatte sich dazu von seiner Frau Luise überreden lassen. Sie war der Meinung, dass eine solche Einladung für eine gute Stimmung unter den Mitarbeitern sorgen würde. Krohmer gab nach, auch wenn er von dieser Aktion nicht wirklich überzeugt war.

Der fünfundfünfzigjährige Leo Schwartz langte kräftig zu. Er liebte Weihnachten und alles, was damit zusammenhing. Außerdem hatte er zwischen Weihnachten und Neujahr Urlaub, den er mit seiner Verlobten Sabine im warmen Ägypten verbringen wollte. Er zählte die Tage, wann es endlich so weit war.

„Wenn du so weiter futterst, kannst du dich im Urlaub nicht in der Badehose sehen lassen“, lachte der neunundfünfzigjährige Kollege und Leos bester Freund Hans Hiebler. „Die Vorweihnachtszeit bekommt dir nicht, du hast ganz schön zugelegt.“ Hans zeigte auf Leos T-Shirt, das sich über dessen Bauch spannte. Der darauf abgebildete Gitarrist, den außer Leo niemand kannte, zog sich ganz schön in die Breite.

„Blödsinn!“, rief Leo und zog an dem T-Shirt. „Das ist bei der letzten Wäsche eingegangen.“

„So, wie deine anderen Klamotten auch?“

Alle lachten, auch Leo. Ja, er hatte zugenommen. Aber was sollte er machen? Seine Vermieterin und Ersatzmutter Tante Gerda kochte seit Wochen die leckersten Gerichte, bei denen er nicht widerstehen konnte. Außerdem backte sie herrliche Plätzchen, die er am Abend ja schließlich ausgiebig probieren musste. Dazu gab es bei den wöchentlichen Einkäufen zu viele Verführungen, denn Lebkuchen, Spekulatius und vor allem Marzipan wanderten immer auf wundersame Weise in seinen Einkaufswagen.

Sogar der Staatsanwalt Eberwein hatte sich inzwischen eingefunden, auch wenn er nicht eingeladen war. Er war seit dem letzten großen Fall sehr handzahm geworden, was alle freute und weshalb er willkommen war. Eberwein war nervös, denn der heutige Besuch war nicht angenehm für ihn. Seine Bemühungen, einen Ersatz für die verletzte Diana Nußbaumer zu finden, die längst wieder auf eigene Verantwortung im Dienst war, trug überraschenderweise Früchte: Er musste bei der heutigen Gelegenheit den neuen Kollegen präsentieren, den er nicht mehr ablehnen konnte. Wie er das Krohmer und den anderen beibringen wollte, wusste er noch nicht. Er sah auf die Uhr. Nur noch eine halbe Stunde, dann war der Mann hier. Es war Zeit, die gesellige Runde zu unterbrechen und endlich allen reinen Wein einzuschenken. Er stand auf und klopfte mit seinem Siegelring mehrmals gegen sein Glas. Alle sahen den Staatsanwalt an. Wurde das jetzt wieder eine langatmige Rede, die keinen interessierte? Leo und Tatjana Struck, die Leiterin der Mordkommission, verdrehten die Augen, was Krohmer mit einem strengen Blick quittierte.

„Wenn ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten dürfte!“, begann der Staatsanwalt und lächelte gequält. „Ich soll Ihnen vom Oberstaatsanwalt Terpitz nochmals danken und Ihnen die besten Grüße ausrichten. Die Gerichtsverhandlung gegen die beiden Bottas-Brüder zieht sich zwar noch, aber er ist sich sicher, dass sie ihre gerechte Strafe bekommen werden. Die Ermittlungen, die die Aussage des Kronzeugen ausgelöst haben, haben den Bottas-Clan zerschlagen.“ Alle freuten sich über das Update und dieses Lob, denn das kam nicht oft vor. Alle schienen milde gestimmt zu sein, weshalb der Staatsanwalt zum eigentlichen Anliegen seines Besuches überging. „Wie Ihnen bekannt ist, habe ich mich um Ersatz für die Kollegin Nußbaumer bemüht.“

„Was jetzt nicht mehr notwendig ist“, rief die achtundzwanzigjährige Diana Nußbaumer, der es hervorragend ging. Die Schusswunde war verheilt und die Schmerzen gehörten der Vergangenheit an.

„Das ist zwar sehr schön, aber trotzdem ist der mir zugesagte Ersatz für Sie jetzt eingetroffen. In wenigen Minuten dürfte der Kollege hier sein.“

„Sie verarschen uns doch!“, rief Tatjana Struck, die heute aussah, als wäre sie gerade erst aufgestanden. Sie hatte verschlafen, was niemanden etwas anging. Das hier war schließlich keine Modenschau, sie war wegen ihrer Arbeit hier.

„Ich verbitte mir solche Äußerungen, Frau Struck!“, sagte der Staatsanwalt. „Der Mühldorfer Kriminalpolizei wurde Verstärkung bewilligt, die ich nicht mehr ablehnen kann. Dass die Kollegin Nußbaumer wieder voll im Einsatz ist, ist unstrittig und das habe ich auch gemeldet. Irgendwie muss das untergegangen sein. Bis ich das abgeklärt habe, bleibt der Kollege hier und steht der Kriminalpolizei zur Verfügung.“

Rudolf Krohmer war sauer.

„Wieso erfahre ich in dieser Art davon? Warum haben Sie mir das nicht längst mitgeteilt?“

„Weil mir diese Information nicht vorlag. Es tut mir wirklich sehr leid, aber auch mir wurde erst vor zwei Stunden mitgeteilt, dass der Kollege bereits unterwegs ist und um elf Uhr in Mühldorf eintrifft. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen die Nachricht gerne zeigen.“ Eberwein wiederholte seine Erklärung. Ob man sie ihm abnahm?

„Sie wissen seit zwei Stunden davon? Warum erfahren wir erst jetzt davon?“

„Ich wollte Ihnen allen diese Nachricht gerne persönlich mitteilen.“

Krohmer wäre am liebsten ausgerastet. Was fiel dem Staatsanwalt eigentlich ein? War das die korrekte Vorgehensweise, wenn es um einen solch wichtigen Punkt ging? Ganz sicher nicht! Trotzdem mahnte er sich zur Ruhe.

„Um wen handelt es sich?“

„Um einen gewissen Anton Graumaier. Mehr als den Namen habe ich leider auch nicht.“

Es entstand eine heftige Diskussion unter allen Anwesenden. Das Klopfen an der Tür wurde nicht gehört. Anton Graumaier hatte sich bei Krohmers Sekretärin Maria Rettermaier gemeldet. Sie war überrascht gewesen, da sie nichts von einem neuen Kollegen wusste. Warum hatte ihr niemand etwas davon gesagt?

Jetzt standen die beiden in der Tür und mussten mit ansehen und auch anhören, wie sich alle stritten, wobei nicht selten der Name Graumaier fiel. Maria Rettermaier verstand, dass nicht nur sie unwissend war, was den neuen Kollegen betraf. Langsam wurde ihr die Situation sehr unangenehm und sie sah sich dazu genötigt, einzuschreiten. Sie nahm ihre Finger in den Mund und pfiff sehr laut. Sofort war es still und alle Augen wanderten zur ihr und dem neuen Kollegen.

„Darf ich vorstellen: Anton Graumaier, Ihr neuer Kollege.“

Alle starrten den Mann an, der selbstbewusst grinste. Niemand der Anwesenden hätte damit gerechnet, dass es sich bei dem neuen Kollegen um einen zweiunddreißigjährigen, sportlichen Mann handelte, der dazu auch noch verdammt gut aussah. Die Jeans und das Hemd waren modern, die Sonnenbrille steckte trotz des schlechten Wetters im Haar. Als Graumaier die Blicke auf diese Brille bemerkte, nahm er sie mit einem fetten Grinsen ab und steckte sie in die Brusttasche seiner modernen Jacke, die für die Temperaturen viel zu dünn war.

Krohmer stand auf und räusperte sich.

„Herzlich Willkommen, Herr Graumaier. Ich möchte mich in aller Form bei Ihnen entschuldigen. Dass wir in Ihrer Abwesenheit über Sie gesprochen haben, ist nicht persönlich gemeint. Wir haben alle erst jetzt von Ihnen erfahren.“

„Passt schon“, grinste Graumaier. „Ich habe schon gemerkt, dass ich nicht erwartet werde. Irgendjemand muss geschlafen haben.“

„Eberwein mein Name“, stellte sich der Staatsanwalt vor. „Es stimmt, dass ich Verstärkung angefordert habe, aber das ist lange her und wurde von mir bereits vorschriftsmäßig gecancelt. Ich werde mich sofort darum kümmern, was da schiefgelaufen ist.“

„Aber bis dahin bleibe ich, oder?“ Graumaier hatte Diana Nußbaumer entdeckt und war begeistert. Wenigstens ein kleiner Lichtblick. Als er vor drei Tagen die Nachricht erhalten hatte, dass er eine vorübergehende Stelle in Mühldorf am Inn antreten musste, hielt sich seine Freude in Grenzen, denn er kannte die Gegend sehr gut. Schon wieder ging es in die Provinz! Wann bekam er endlich die Chance, sich in einer Großstadt beweisen zu können? Seine Karriere hatte vor zwei Jahren aufgrund von Sparmaßnahmen einen kleinen Knick bekommen. Die Festanstellung war dahin, dafür war er als Springer eingeteilt worden. Das bedeutete, dass er überall dort eingesetzt wurde, wo gerade Not am Mann war. Auch wenn man ihm immer wieder versprach, an der Situation etwas ändern zu wollen, blieb es dabei. Graumaier hasste es, immer wieder auf Fremde zu treffen und dann wieder gehen zu müssen, sobald er sich eingelebt hatte. Ja, er hätte sehr gerne wieder einen festen Job und ein gewohntes Umfeld. Aber Mühldorf? Warum nicht München, Nürnberg oder wenigstens Regensburg?

„Bitte setzen Sie sich, Herr Graumaier“, sagte Eberwein, da sonst niemand reagierte. Es schien, als würden alle anderen in einem Schockzustand sein. „Bis ich die Angelegenheit geklärt habe, bleiben Sie selbstverständlich und sind Teil des Teams der Mordkommission Mühldorf.“

„Freut mich“, sagte Graumaier und setzte sich. Es war totenstill. „Wenn ich mich nochmals selbst vorstellen darf? Meinen Namen kennen Sie bereits, allerdings nennen mich alle Toni, auf den Anton verzichte ich gerne. Ich bin zweiunddreißig Jahre alt, bin ledig und habe keine Kinder. Gebürtig komme ich aus Neuötting, wo ich auch meine Kindheit und meine Jugend verbracht habe. Die Gegend hier ist mir daher nicht unbekannt. Mit siebzehn Jahren hat es mich nach Landshut verschlagen, wo ich immer noch meinen Hauptwohnsitz habe. Seit zwei Jahren bin ich als Springer eingeteilt – und jetzt bin ich hier, auch wenn ich nicht willkommen bin.“

Leo fasste sich zuerst ein Herz und stellte sich vor. Wurde er damals, als er nach Mühldorf versetzt wurde, nicht sehr viel freundlicher empfangen? Nun machten sich auch die anderen mit dem Neuen bekannt, wobei Graumaier Dianas Hand etwas zu lange hielt.

„Ist das Angebot limitiert oder darf ich zugreifen?“ Graumaier zeigte auf den Glühwein und die Leckereien, die auf dem Tisch standen.

„Bitte, greifen Sie zu, es ist genug da.“

„Geht es hier immer so leger zu oder gibt es etwas zu feiern?“

„Nein, das hier ist eine Ausnahme“, brummte Krohmer und stand auf. Es war ihm peinlich, welchen Eindruck seine Kriminalpolizei machte, zumal das dies hier tatsächlich nur eine einmalige Sache war. Warum hatte er sich von seiner Frau nur dazu überreden lassen? Luise befand es für gut, die Kollegen zu einer geselligen Runde einzuladen. Was für ein Schwachsinn! Vor allem Glühwein und Weihnachtsgebäck fand er persönlich völlig überzogen, zumal es bis Weihnachten noch fast zwei Wochen waren. In Zukunft musste er sich besser überlegen, wozu er seine Zustimmung gab, schließlich war das hier die Polizei und nicht der Weihnachtsmarkt.

Toni Graumaier trank Glühwein und lehnte sich zurück. Er besah sich die künftigen Kollegen und seinen Chef, über die er sich im Vorfeld eingehend informiert hatte. Es ging das Gerücht um, dass die hiesigen Kriminalbeamten jeden noch so schwierigen Fall an sich rissen, woran der mediengeile Staatsanwalt nicht unschuldig war. Die Arbeit an sich war für Graumaier kein Problem, allerdings mochte er die Gefahr nicht. Recherchen waren sein Steckenpferd, auch Befragungen oder Vernehmungen hatten es ihm angetan. Aber der Gebrauch der Waffe oder gar Gefahrensituationen waren nicht sein Ding. Graumaiers Blick ging mehrmals durch die Runde. So draufgängerisch sahen die neuen Kollegen überhaupt nicht aus. Sie waren eher durchschnittlich und schienen bunt zusammengewürfelt zu sein, was er so nicht erwartet hatte. Waren die Berichte über die Mühldorfer Kriminalpolizei überhaupt echt?

Bevor Krohmer das Besprechungszimmer verließ, sprang Hans Hiebler auf.

„Jetzt, da unerwartet Verstärkung hier ist, könnte ich doch Urlaub machen“, sagte er schnell, bevor ihm einer der Kollegen zuvorkam. Krohmer sah Hans an.

„Ich habe nichts dagegen“, sagte Krohmer.

„Vier Wochen?“ Hans versuchte sein Glück, denn normalerweise gab es schon wegen einer Woche unendlich lange Diskussionen mit dem Chef.

„Das ist völlig übertrieben. Zwei Wochen sind ausreichend.“

„Das finde ich auch“, sagte Diana. „Ich hätte auch endlich gerne Urlaub.“

„Ich auch“, rief Tatjana.

Nur Leo hielt sich zurück, schließlich war sein Urlaub längst genehmigt und mit der Woche zwischen Weinachten und Neujahr auch bis auf den letzten Tag für dieses Jahr aufgebraucht.

„Einer nach dem anderen“, rief Krohmer. „Sprechen Sie sich untereinander ab, ich erwarte Ihre Urlaubsvorschläge.“

„Aber ich kann sofort freinehmen?“ Hans war ausgelaugt und konnte es nicht erwarten, sich endlich auszuruhen. Mit zunehmendem Alter spürte er die Arbeit, außerdem setzte ihm der ständige Wechsel zwischen Mühldorf und München zu seiner Frau Anita so langsam zu. Zwei freie Wochen wären herrlich! „Wir haben momentan keinen Mordfall und mit dem neuen Kollegen sind wir doch genug Leute“, setzte Hans nach. Fragend sah er seinen Chef an.

„Meinetwegen, hauen Sie ab. Schöne Weihnachten!“

Diana und Tatjana wollten keine Zeit verlieren und diskutierten die Urlaubswünsche sofort aus. Die beiden brauchten nicht lange und Diana rannte dem Chef hinterher, der noch nicht in seinem Büro angekommen war. Mit einem Lächeln überreichte sie ihm die Urlaubsanträge, die weit bis in den Januar reichten.

„Ich sehe mir das an und melde mich bei Ihnen.“

Der Staatsanwalt war ohne einen weiteren Gruß gegangen, denn er musste dringend klären, wer das mit der unverhofften Aushilfe verbockt hatte. An ihm lag es ganz sicher nicht, er war völlig korrekt vorgegangen. Welcher Trottel hatte da geschlafen?

„Ich wünsche dir einen schönen Urlaub und schöne Weihnachten“, sagte Leo, der seinen besten Freund jetzt schon vermisste.

„Wir sehen uns zu Weihnachten, das habe ich Tante Gerda versprochen“, grinste Hans, der sein Glück nicht fassen konnte. Tante Gerda war Hans‘ Tante und Leos Vermieterin und Ersatzmutter. Es war inzwischen Tradition, dass sich fast alle zu Weihnachten bei ihr einfanden und sie gemeinsam Weihnachten feierten.

„Super, dann bis Weihnachten! Grüß Anita von mir!“

Hans brauchte nicht lange, bis er beim Wagen war. Er musste sich beeilen, bevor noch ein Mordfall hereinkam oder es sich der Chef noch anders überlegte. Wehmütig sah Leo ihm hinterher. Ob das auch an dem miesen Wetter lag? Vielleicht brauchte er nur mal wieder einen fetten Mordfall, denn das Wälzen alter Akten langweilte ihn ohne Ende.

„Und? Wie ist es als Schwabe in Bayern?“, riss ihn Graumaier aus seinen Gedanken.

„Nicht immer leicht, das können Sie mir glauben. Die Mentalitäten der Schwaben und Bayern sind doch sehr unterschiedlich, das hätte ich mir damals auch nicht vorstellen können. Aber ich komme zurecht und habe mich eingelebt.“

„Wenn Sie damals nicht Mist gebaut hätten, wären Sie vermutlich immer noch in Ulm und bei der dortigen Kriminalpolizei immer noch eine große Nummer“, grinste Graumaier und trank von dem Glühwein.

Leo sah den Neuen fassungslos an – und wusste jetzt schon, dass er ihn nicht mochte. Er verkniff sich einen Kommentar und war beleidigt.

Auch Diana und Tatjana hatten gehört, was Graumaier gesagt hatte und fanden das nicht gut. Der Neue war forsch und hielt mit seinem Wissen nicht hinterm Berg. Das konnte ja echt lustig werden!

Es ging für alle an die Arbeit, die hauptsächlich aus der Prüfung alter Fälle bestand und die keiner mochte.

Wenn die Kriminalbeamten geahnt hätten, was auf sie zukommt, hätten sie diese Arbeit geliebt.

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