Kitabı oku: «Nachhaltigkeit», sayfa 2

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Während für politische Akteure meist die Sicherung der nationalen Ressourcen- und Existenzbasis im Vordergrund steht, sich Nichtregierungsorganisationen für von der Politik nicht abgedeckte Themenbereiche einsetzen, sehen wirtschaftliche Akteure den größten Nutzen von Nachhaltigkeit in Aspekten wie Innovation, Wettbewerbsvorteil und Differenzierung.

[28]Das soziale und ökologische Handeln großer Unternehmen wird zunehmend gesellschaftlich und global beobachtet. Diese Außenwirkung beeinflusst den Erfolg des Unternehmens. Nicht nur die Akzeptanz der Kunden hängt von dieser Außenwirkung ab, auch der Börsenkurs ist dadurch mitbestimmt. So zeigt die Einführung des Dow Jones Sustainability Group Index (DJSI) (→QR), dass Wertemanagement in seiner 30-jährigen Geschichte aktueller ist denn je. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts emnid unter 250 Führungskräften glauben 90 % der Befragten, nachhaltig ausgerichtete Unternehmen hätten langfristig einen größeren wirtschaftlichen Erfolg als ausschließlich profitorientierte. Nachhaltigkeit kommt dabei vor allem in sechs Kernbereichen zum Einsatz: Umwelt- und Klimaschutz, Unternehmenskultur und -ethik, Qualitätsmanagement, Human Resources, Führung und Corporate Citizenship (→QR).

Weltweites Geschäftspotenzial: 10 Bio. USD bis 2050

Besonders reizvoll sind in diesem Zusammenhang Meldungen und Einschätzungen von Experten wie die folgende: Eine bislang abwartend-skeptische Grundhaltung in Unternehmen wandelt sich immer stärker in eine positiv-erwartungsfreudige Einstellung. Im Rahmen des Projektes „Vision 2050“ (→QR) haben PricewaterhouseCoopers, die International Energy Agency, die OECD und die Weltbank Schätzungen der globalen Größenordnung möglicher weiterer Nachhaltigkeits-Geschäftschancen in wichtigen Sektoren im Jahr 2050 abgegeben. Ihre Prognosen zu den künftigen nachhaltigkeitsbezogenen Geschäftsmöglichkeiten belaufen sich bis 2050 auf drei bis zehn Billionen USD jährlich bzw. auf 1,5 bis 4,5 % des Weltbruttosozialproduktes. Insbesondere profitieren davon Sektoren und Wirtschaftsbereiche wie Energie, Landwirtschaft, Wasser, Metalle sowie Gesundheit und Bildung (siehe Abb. 4).

[29]

Abb. 4: Schätzung globaler Nachhaltigkeits-Geschäftschancen bis 2050 (Schätzungen von PwC auf Basis von Daten von IEA, OECD und Weltbank)

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich Nutzenpotenziale vor allem aus Einsparungen bei Ressourcen und Prozessen ergeben, die häufig gleichzusetzen sind mit Kosteneinsparungen. Wettbewerbsvorteile ergeben sich dabei etwa aus der Steigerung der Energie- und Materialeffizienz.

Insgesamt verweisen die vorangehenden Ausführungen darauf, dass das aktuell hohe Interesse am Thema Nachhaltigkeit in den aussichtsreichen Prognosen, dem hohen erwarteten Geschäftspotenzial und der Abwehr negativer Begleiterscheinungen bei der industriellen Produktion, kurz Umweltverschmutzung, begründet liegt. Dadurch ergibt sich zugleich ein Innovationsschub. Auf den Punkt gebracht: Sowohl Push- als auch Pull-Faktoren gewinnen auf Anbieter- und Nachfragerseite an Gewicht. Dies lässt sich mit einer Aufwärtsspirale vergleichen, die sich langsam gegen eine jahrzehntelange Stagnation des Themas durchsetzt.

[30]1.4 Widerstände gegen Wandel

Sei der Wandel, den du in der Welt sehen willst.

Mahatma Gandhi

Kein Wandel ohne Widerstand. Trotz Argumenten, die auf einen Innovationsschub, Erneuerung und Wachstum durch Nachhaltigkeit schließen lassen, legen sich die Widerstände nur langsam. Zweifel an Nutzen und Zukunftsfähigkeit von Nachhaltigkeit liegen in den befürchteten Trade-Offs begründet: Umweltverträglichkeit sei nur durch Umsatzeinbußen zu erreichen.

Eine besondere Herausforderung bildet der Umgang mit den Widerständen der Betroffenen. Veränderungen werden persönlich und beruflich oft als bedrohlich empfunden: Lediglich 5 %, die sogenannten Promotoren, unterstützen Veränderungsprozesse, die Hauptgruppen bilden die Skeptiker und Bremser mit jeweils 40 %. 15 % sind klare Gegner von Wandel (Mohr 1998).


Abb. 5: Einstellungen zum Wandel (Mohr (1998))

Obige Zahlen lassen sich auch auf den Umgang mit Nachhaltigkeit übertragen. Nachhaltigkeit ist zwar seit mehr als 40 Jahren ein Thema, konnte sich aber bislang nicht flächendeckend durchsetzen. Nachfolgend einige Gründe hierfür:


Befürchtung der Unvereinbarkeit wirtschaftlicher und ökologischer Ziele und Interessen
Angst, deshalb Trade-Offs in Kauf nehmen zu müssen, die zulasten des Profits gehen
mangelnde Operationalisierbarkeit aufgrund der Komplexität (Wechselwirkungen, Integrativität etc.)
mangelndes Wissen und Personal
Mangel an Rückhalt in Politik und Gesellschaft
[31]Verklärung, Gutmenschen-, Heile-Welt- und Pseudo-Weltuntergangs-Thema
Trittbrettfahrermentalität; keiner will den ersten Schritt tun
altes Denken, Sicherheitsdenken, Routine, Gewohnheit, Angst vor Neuem, Wandel und Unwägbarkeiten.

Für die Zukunft muss das Leitbild der Nachhaltigkeit in klaren Farben gemalt werden, damit es als gesamtgesellschaftliche Vision die Anziehungskraft bekommt, die für seine Umsetzung im globalen Maßstab notwendig ist.

1 von Hauff/Kleine (2009), S. 41

2 www.vbw-bayern.de/agv/vbwDie_bayerische_Wirtschaft-bayme_vbm_starten_NachhaltigkeitsOffensiveBrossardt_Nachhaltige_Unternehmen_sind_erfolgreicher--16734, ArticleID__21104.htm bzw.www.vbw-bayern.de

3 Haben wir alle Ressourcen bereits verbraucht, allen bewohnbaren Raum auf der Erde bereits ausgefüllt? In seinem spannenden TED-Talk-Vortrag nimmt Paul Gilding eine ebenso kritische wie hoffnungsvolle Haltung zum Zustand der Erde und den Chancen von Nachhaltigkeit ein. Siehe www.ted.com/talks/lang/en/paul_gilding_the_earth_is_full.html

4 Der ökologische Fußabdruck eines Berliners liegt bei 4,4 Hektar pro Jahr. Das bedeutet, dass zur Bereitstellung aller natürlichen Ressourcen zur Befriedigung der Konsumbedürfnisse einer in Berlin lebenden Person im Durchschnitt eine Fläche von 4,4 Hektar pro Jahr erforderlich ist, also mehr als sechs Fußballfelder. Für alle Einwohner Berlins zusammengenommen würde die Fläche damit mehr als 15 Millionen Hektar ausmachen. Würde man um Berlin einen Kreis mit dieser Größe legen, so würden Städte wie Rostock, Dresden und Braunschweig innerhalb des Kreises liegen und dieser sogar fast an Hamburg heranreichen.

[32]

[33]2 Geschichte der Nachhaltigkeit und soziopolitischer Hintergrund



ProblemAlle reden aktuell von Nachhaltigkeit, aber wo kommen der Begriff, das Konzept, das Leitbild her? Wo hat das Konzept seinen Ursprung? Was sind Meilensteine und Rahmenbedingungen, die zur Herausbildung des Nachhaltigkeitsbegriffes geführt haben?
MaßnahmenSchrittweise Annäherung über den historischen Verlauf. Herleitung des Konzeptes anhand zentraler Studien, Berichte, Konferenzen.
ErgebnisseStudierende kennen die wichtigsten Stationen der Geschichte der Nachhaltigkeit.
HilfsmittelKonferenzen, Dokumente, Gesetze.

Man kann nicht den Wald abholzen und das Echo stehen lassen.

Richard Schröder

Woher kommen das Konzept, das Leitbild, das Handlungsprinzip überhaupt? Wie ist das Konzept entstanden, wie hat es sich entwickelt – und warum? Die folgenden Ausführungen geben einen Überblick über die Geschichte der Nachhaltigkeit, politische Hintergründe, wichtige Konferenzen, Dokumente. Kurz, das, was Nachhaltigkeit zu dem gemacht hat, was es heute ist. Es geht darum, [34]den Wald hinter den Bäumen zu sehen. Denn nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Zukunft einschätzen.

Die historischen Vorläufer des Nachhaltigkeitsleitbildes, die erklärt werden, sind:


Carlowitz’ Waldbewirtschaftungsprinzip
Grenzen des Wachstums
Brundtland-Bericht
Rio-Gipfel
Agenda 21
Millenniumsziele der UN
Klimakonferenz Durban

2.1 Carlowitz’ Waldbewirtschaftungsprinzip

Der Begriff der Nachhaltigkeit beschreibt in seinem ursprünglichen Sinn die Nutzung eines regenerierbaren natürlichen Systems in einer Weise, dass dieses System in seinen wesentlichen Eigenschaften erhalten bleibt und sein Bestand auf natürliche Weise nachwachsen kann.

Seinen Ursprung hat der Begriff in der Forstwirtschaft. Bereits 1713 forderte Carl von Carlowitz, Oberberghauptmann und Leiter des frühindustriell überaus bedeutsamen sächsischen Oberbergamts in Freiberg, „eine beständige und nachhaltende Nutzung des Waldes.“5 Die „kluge Art der Waldbewirtschaftung“, wie Carlowitz es bezeichnete, wird als die anschaulichste Metapher zur Erklärung des Nachhaltigkeitsleitbildes herangezogen: Bäume, die abgeholzt werden, müssen nachgepflanzt werden, um die Ressourcenbasis – und damit die wirtschaftliche Basis – nicht zu erschöpfen. Wer allen [35]Wald abholzt, hat kurzfristig viel Holz, aber über die nächsten Jahrzehnte nur wenig.

In Ulrich Grobers höchst empfehlenswertem Buch zur Kulturgeschichte des Begriffes Nachhaltigkeit zitiert er Carlowitz6: „Die gehöltze pfleglich brauchen“ bedeutete so viel wie sie „also zu handhaben, daß solch eine beständige revenüe auf lange jahre geben … über den ertrag der höltzer nicht gegriffen, sondern eine immerwährende beständige holtz=nutzung dem Herrn und eine beharrliche feuerung, auch andere holtz-nothdurfft, dem lande, von jahren zu jahren, bey ihrer zeit, und künfftig den nachkommen bleiben.“

Konkret ist der Anspruch an Nachhaltigkeit Anna Amalia, der Mutter von Herzog Carl August, zu verdanken. Sie veranlasste die erste Forstreform der Welt mit dem Ziel, Holz, dauerhaft und mit stetem Ertrag bereitzustellen. Denn Europas damalige Gier nach der „Materia Prima“, sei es beim Schiffs- oder Hausbau, beim Kochen oder Heizen, drohte die Ressource so kahlzuschlagen, dass zwar das kurz-, nicht aber das langfristige Überleben gesichert wurde.

Nachhaltigkeit wird gegenwärtig schnell und möglichst greifbar gefasst. Dass dem Begriff in Kultur und Bewusstsein, in Philosophie und Poetik viel tiefere Schichten und Dimensionen innewohnen, hat Grober beschrieben. Sein Buch ist eine Ode an die Bedeutung des Begriffes und seinen wahren Kern. Dafür wurde er mit dem Brandenburgischen Literaturpreis Umwelt für „Die Entdeckung der Nachhaltigkeit. Kulturgeschichte eines Begriffes“ ausgezeichnet. In der Beschreibung des Buches warnt Grober: „Nachhaltigkeit ist unser ursprünglichstes Weltkulturerbe, ein Begriff, der tief in unserer Kultur verwurzelt ist und den es vor seinem inflationären Gebrauch zu retten gilt.“

Das von Joachim Heinrich Campe 1807 herausgegebene Wörterbuch der deutschen Sprache definiert das Wort „Nachhalt“ als das, „woran man sich hält, wenn alles andere nicht mehr hält“.

Die Idee aber reicht noch weiter zurück. Sie findet sich im „Sonnengesang“ des Franz von Assisi genauso wie bei den griechischen Philosophen und den Philosophen der Aufklärung. Ulrich Grobers Zeitreise in die Nachhaltigkeit führt an den Hof des Sonnenkönigs [36]und in die deutschen Fürstenstaaten, erzählt von sächsischem Silberbergbau und vom Holzmangel. Und davon, dass die Nachhaltigkeitsidee überall dort, wo sie auftaucht, ein Kind der Krise ist, aber auch die Entstehung eines neuen Bewusstseins markiert: „Des Bewusstseins, dass der Planet, auf dem wir leben, erhalten und bewahrt werden muss.“ So jedenfalls wird das Opus Magnum vom Verlag beschrieben und fasst die jahrhundertelange Geschichte damit in aller Kürze zusammen.

Merke: Ihrem Ursprung nach ist Nachhaltigkeit ein ressourcenökonomisches Prinzip, das ermöglichte, eine Ressource dauerhaft ertragbringend zu nutzen.

Linnés oeconomia naturae

Die Naturlehre bildet den Ausgangspunkt. In dem lateinischen Wort oeconomia steckt das griechische oikos – Haus, Haushalt. Im Kontext von Natur ist damit so viel gemeint wie die Einheit und Ganzheit der Natur, die Mannigfaltigkeit der Arten, der Biodiversität von Flora und Fauna, die Kreisläufe von Werden und Vergehen, Nahrungsketten, Energieströme – das Eigenleben der Natur in seiner ganzen Hülle und Fülle. Mineralreich, Pflanzenreich und Tierreich bilden ein vernetztes Ganzes. Sie sind ein sich selbst regulierender und erhaltender Organismus. Carl von Linné als Vater und Vorläufer der Ökologie schrieb im Rahmen seiner oeconomia naturae um 1750 in diesem Zusammenhang: Es müsse gelingen, die Abläufe der Ökonomie mit den großen, unwandelbaren, gottgegebenen Kreisläufen der oeconomia naturae zu synchronisieren. „Die Natur erlaubt niemandem, sie zu beherrschen“, so Linné.7 Seiner Auffassung nach war die Ökonomie eine nachahmende Wissenschaft. Diese dürfe nicht wider die Natur handeln, sondern müsse dieser folgen und mit den Ressourcen haushalten. Ökologie meint also die Haushaltung mit der Natur.

[37] Zusammenprall von Ökonomie und Ökologie

Mitte des 19. Jahrhunderts prallten Ökonomie und Ökologie aufeinander. Ihre Ziele, Absichten und Vorgehensweise schienen inkompatibel. Denn die Reinertragslehre setzte dem gemäßigten Holzeinschlag ein abruptes Ende. Die neue Lehre fragte allein nach der höchstmöglichen Verzinsung des im Wald investierten Kapitals. Statt eines steten hohen Holzertrages rückte plötzlich der höchstmögliche direkte Geldertrag in den Fokus. Nicht mehr die Produktivität der Natur war der Maßstab, sondern der freie Markt und sein Gesetz von Angebot und Nachfrage. Gewinnmaximierung nicht Naturgesetzmäßigkeit war das neue Credo in Wirtschaft und Gesellschaft. „Die Zyklen der Natur traten zurück gegenüber der Dynamik des Kapitalismus, der Gebrauchswert hinter den Tauschwert“, nennt es Grober.8 Damit wurde das Handlungsprinzip Nachhaltigkeit entwertet. Es sollte über hundert Jahre, bis in 1970er Jahre hinein, dauern, bis die wissenschaftlichen Disziplinen Ökologie und Nachhaltigkeit wieder aufgegriffen wurden.

2.2 Die Grenzen des Wachstums

Eines der in unserer Gesellschaft gern geglaubten Märchen ist die Behauptung, dass die Fortdauer des Wachstums zu einer stärkeren menschlichen Gleichberechtigung führen müsse. Wir haben bereits dargestellt, wie das gegenwärtige Wachstum von Bevölkerung und Kapital tatsächlich die Kluft zwischen arm und reich weltweit vergrößert.

Dennis Meadows

Der Bericht „Grenzen des Wachstums“ (→QR) im Jahre 1972 schlug wie eine Bombe ein. Basierend auf ausgeklügelten Computersimulationen malte er ein düsteres Bild der Zukunft des Planeten, wenn die Menschheit nicht ressourcenverträglicher wird. Der Bericht markiert den Beginn der jüngeren wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit nachhaltiger Entwicklung und mahnte eine [38]neue „Weltkonjunkturpolitik“ an. Dennis Meadows und sein Forscherteam warnen: „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“9 Nach der Publikation des Berichts wurden nur einige zehntausend Exemplare in den USA verkauft, aber Millionen in übervölkerten Ländern wie den Niederlanden oder Japan. Er wurde in etliche Sprachen übersetzt.

Der Begriff der Nachhaltigkeit erfuhr eine deutliche Ausdehnung in seiner Bedeutung. Insgesamt plädierten die Wissenschaftler für einen dauerhaften, weltweiten Gleichgewichtszustand (Homöostase), der nur durch weltweite Maßnahmen erreicht werden kann. Sie verknüpften gezielt ökonomische, ökologische und soziale Aspekte der Nachhaltigkeit. Dabei basierte die Studie auf dem Modell der Dynamik komplexer Systeme (Systems Dynamics) einer homogenen Welt. Sie berücksichtigte die Wechselwirkungen zwischen Bevölkerungsdichte, Nahrungsmittelressourcen, Energie, Material und Kapital, Umweltzerstörung, Landnutzung u.a. Mittels Computersimulation wurde eine Reihe von Szenarien entwickelt. Die Ergebnisse waren immer ähnlich: ein katastrophaler Abfall in der Weltbevölkerung und dem Lebensstandard innerhalb von 50 bis 100 Jahren, wenn die gegenwärtigen Trends anhielten. Das Fatale der ressourcen- und emissionsintensiven Industriegesellschaft sei, dass das Wachstum nicht linear, sondern exponentiell verlaufe. Diese Form des Wachstums endet langfristig tödlich. Nur wenn das Ruder herumgerissen werde, könne ein ökologischer Kollaps verhindert werden, war Meadows’ Argumentation.

Sich ihrer unvollständigen Datengrundlage bewusst, erstellte das Forscherteam Modellläufe unter Annahme gleichbleibender wie bis zu fünfmal höherer Reserven. Das Anliegen war, „Hinweise auf die im Weltsystem charakteristischen Verhaltensweisen“ zu geben statt fixer Voraussagen.10 Ebenso war es ein Anliegen, dass durch eine [39]Betrachtung der Welt als Ganzes – ohne eine separate Behandlung verschiedener Regionen oder Länder – das heißt durch Simplifizierung – ein Modell überhaupt erst möglich gemacht wurde. Auch hagelte es Kritik am Vorgehen sowie an Annahmen und Berechnungsweisen des Berichts. Diese beruhten jedoch meist auf Fehlinterpretationen. Vielmehr bestätigen einige bereits heute eingetretene Voraussagen die damaligen Prognosen des Berichts. So veröffentlichte Graham Turner von der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) im Juni 2008 eine Studie. Dort verglich er die historischen Daten von 1970 bis 2000 mit den Szenarien der Studie und stellte fest, dass viele mit den Vorhersagen des Standardszenarios übereinstimmten und dieses in einem globalen Kollaps Mitte des 21. Jahrhunderts resultieren dürfte.11 Nachhaltig ist anders.

2006 kam es zu einem Update der Studie. In „Grenzen des Wachstums. Das 30-Jahre-Update“ schreiben Meadows und sein Forscherteam: „Die globale Herausforderung kann man einfach zusammenfassen: Um eine Entwicklung tragfähig zu gestalten, muss die Menschheit das Konsumniveau der Armen dieser Welt anheben, gleichzeitig aber den ökologischen Fußabdruck der Menschheit insgesamt senken. Dazu braucht es technologischen Fortschritt, personelle Veränderungen und längere Planungshorizonte.“12

Small is Beautiful

Die Studie steht in einer langen Tradition von wachstumskritischen Schriften, die das Thema Nachhaltigkeit befördert haben. Dazu zählt auch E.F. Schumachers „Small is Beautiful: Economics as if People Mattered“ aus dem Jahre 1973.

Als Ausgangspunkt der weltweiten Umweltbewegung kann das 1962 erschienene Buch ‚Der Stumme Frühling‘ (Silent Spring) der [40]Biologin und Wissenschaftsjournalistin Rachel Carson gelten. Ziel war, die Auswirkungen eines rigorosen Pestizid-Einsatzes auf Ökosysteme aufzuzeigen. Das Buch löste in den USA eine heftige politische Debatte aus und führte letztlich zum späteren DDT-Verbot. In einer raffiniert aufgebauten Anklage gegen den übermäßigen Einsatz von Pestiziden und anderen Chemikalien zeichnet Carson die Idylle einer fiktiven amerikanischen Kleinstadt, in der die Stimmen des Frühlings, die Vögel, aber auch die Insekten und andere Lebewesen verstummen. Sie nennt statistische Angaben, Fallbeispiele und Aussagen von Experten und erzeugt so mit ihrer eindringlichen Erzählung Betroffenheit.

Neuen Auftrieb bekam der Schutz der Erde auch durch die Weltraumperspektive (→QR). 400.000 Kilometer von der Erde entfernt meinte der Astronaut Eugene Cernan 1972: „Wir brachen auf, um den Mond zu erkunden, aber tatsächlich entdeckten wir die Erde.“ Er und seine Kollegen sprachen von der blauen Weltkugel (das meistpublizierte Foto aller Zeiten) als fragil, zerbrechlich, zart, verletzlich. Vom Universum aus war die Schönheit der Erde von grenzenloser Majestät, sie war ein funkelndes blauweißes Juwel, unergründlich und geheimnisvoll, ein einsames, marmoriertes, winziges Etwas, ein Saphir auf schwarzem Samt. Das jedenfalls waren die Bezeichnungen von Astronauten beim Anblick unseres Planeten vom Weltall aus.

Um materiell und energetisch nachhaltig zu sein, wie Meadows et al. es fordern, müssten für alle Durchsätze der Wirtschaft Bedingungen erfüllt sein, die sich an den drei Prinzipien orientieren, die Herman Daly u.a. in seinem vielbeachteten Werk „Towards a Steady-State Economy“ formuliert:


Erstens dürfen die Verbrauchsraten erneuerbarer Ressourcen nicht deren Erneuerungsraten übersteigen.
Zweitens dürfen die Verbrauchsraten nicht-erneuerbarer Ressourcen nicht die Rate überschreiten, mit der nachhaltig erneuerbare Ressourcen als Ersatz dafür erschlossen werden.

2.3 Der Brundtland-Bericht

To keep options open for future generations, the present generation must begin now, and begin together, nationally and internationally.

Our Common Future Report

Seit Meadows et al. prosperierten viele Länder und Ökonomien, gleichzeitig aber häuften sich wirtschaftliche, ökologische und soziale Probleme als unliebsame Begleiterscheinungen. 1983 gründeten die Vereinten Nationen deshalb eine unabhängige Sachverständigenkommission, die sogenannte Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (World Commission on Environment and Development, WCED) mit ihrem Sekretariat in Genf. Sie wurde damit betraut, einen Perspektivbericht zu langfristig tragfähiger, umweltschonender Entwicklung im Weltmaßstab bis zum Jahr 2000 und darüber hinaus zu erarbeiten. Der offizielle Titel dieses Berichtes war „Our Common Future“, geläufiger aber ist die Benennung nach der Vorsitzenden, Gro Harlem Brundtland. Ob als Brundtland- oder Our-Common-Future-Bericht bezeichnet, zwischen den Buchdeckeln findet sich, was bis heute als „klassische“ und am weitesten anerkannte Definition und Leitbildbeschreibung von nachhaltiger Entwicklung gilt:

[42]„Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die gewährleistet, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, als gegenwärtig lebende.“

Wer sich diese Definition verinnerlicht, sie auswendig lernt und damit immer parat hat, tut sich einen Gefallen, weil letztlich und im Zweifelsfall immer auf sie rekurriert wird.

Mit dem Bericht beabsichtigten die UNO und die Weltkommission, Handlungsempfehlungen für eine dauerhafte Entwicklung zu geben. Und damit war hier konkret gemeint: eine dauerhafte Erfüllung der Grundbedürfnisse aller Menschen weltweit unter Berücksichtigung der Tragekapazität14 der natürlichen Umwelt sowie der Konfliktlinien zwischen Umwelt- und Naturschutz, Armutsbekämpfung und Wirtschaftswachstum.

Der Verdienst des Brundtland-Berichts war, den Begriff nachhaltige Entwicklung erstmals als globales Leitbild der Entwicklung einer breiten Öffentlichkeit nahegebracht zu haben. Und dies indem er einen Aspekt hervorhob, der gemeinhin radikal vernachlässigt wird: Globale Umweltprobleme sind hauptsächlich das Resultat der nicht-nachhaltigen Konsum- und Produktionsmuster im Norden und der großen Armut im Süden. Diese Problemwahrnehmung verlangte sowohl nach einer gerechtigkeitsorientierten Definition von Nachhaltigkeit als auch nach einem entsprechenden Lösungsansatz. Dies erforderte in der Konsequenz eine Strategie, die Entwicklung und Umwelt zusammenbrachte. Eine weitere, in eine Gleichung gefasste Definition lautete deshalb:15

[43]Nachhaltigkeit = Umwelt + Entwicklung.

Mit dieser Formel schließt sich der Kreis. Sie zeigt, dass die heute geläufige Bezeichnung „nachhaltige Entwicklung“ die Übersetzung der Ausgangsdefinition von „sustainable development“ war. Erstmals war in der Politik die Rede von der Notwendigkeit eines „dauerhaften Gleichgewichtszustandes“.

Beachte: Der Unterschied zwischen den Begriffen Nachhaltigkeit und nachhaltiger Entwicklung ist: Nachhaltigkeit verweist auf einen Zustand, Statik und Beständigkeit; nachhaltige Entwicklung impliziert Bewegung, Dynamik, das Prozesshafte sowie das Werdende und Entstehende.

Konferenzen und Abkommen von globaler, historischer Bedeutung sind die Meilensteine bei der Herausbildung des Nachhaltigkeitsleitbildes. Im Hintergrund des politischen Ringens verschärften sich dabei einige Entwicklungen, die Treiber hin zu mehr Nachhaltigkeit werden können. Auch wenn sicher mehr Rahmenumstände als jene zu nennen sind, wie sie auch im ersten und dritten Kapitel etwa unter Push- und Pull-Faktoren und (Mega-)Trends genannt werden, seien an dieser Stelle der Treibhauseffekt, die Bevölkerungsexplosion sowie die globale Ressourcenerschöpfung genannt. Ihnen ist ihr Zerstörungspotenzial wie ihre wissenschaftliche Mess- und Überprüfbarkeit gemein.

Das Treibhaus heizt sich auf

Was war der Anlass für die Weltgemeinschaft, sich im Brundtland-Bericht von 1987 auf eine gemeinsame globale Strategie zu verständigen? Es war die sich erhärtende wissenschaftliche Erkenntnis, dass sich die Umweltqualität weltweit aufgrund wirtschaftlicher Aktivitäten des Menschen rasant verschlechterte. Besonders deutlich abzulesen war dies an der Veränderung der Emissionswerte und der damit einhergehenden Klimaveränderung.

[44]Zu diesem Ergebnis kam auch das Intergovernmental Panel on Climate Change bzw. der Weltklimarat. Eine Auswahl der Ergebnisse aus dem jüngsten Sachstandsbericht von 2013 findet sich hier:16


Die Konzentration an Kohlendioxid hat sich seit Beginn der Industrialisierung um 40 Prozent erhöht.
Die Konzentration des Treibhausgases Methan stieg um 150 Prozent.
Wenn sich der CO2-Gehalt der Atmosphäre verdoppelt, wird die Lufttemperatur um 1,5 bis 4,5 Grad Celsius steigen. (Im Report 2007 war das IPCC noch von 2 bis 4,5 Grad ausgegangen.)
Die Ozeane haben etwa 30 Prozent des menschengemachten Kohlendioxids aufgenommen und sind dadurch saurer geworden.
Der Meeresspiegel ist von 1901 bis 2010 um 19 Zentimeter gestiegen. Bis zum Ende des Jahrhunderts wird er um 26 bis 82 Zentimeter steigen.
Die Geschwindigkeit der Eisschmelze in Grönland und in der Antarktis hat sich vervielfacht.
Hitzewellen treten sehr wahrscheinlich öfter auf und halten länger an.
Nie war es, dem Bericht zufolge, seit Beginn der Wetteraufzeichnungen wärmer als im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts.

Mit welchen Veränderungen, basierend auf dem Ausgangsjahr 1986, bis zum Jahr 2100 zu rechnen ist, zeigen folgende Grafiken anhand der Kategorien globale bodennahe Durchschnittstemperatur, durchschnittlicher globaler Niederschlag sowie Schneeabdeckung in der nördlichen Hemisphäre.

[45]

Abb. 6: Klimawandel – Globale Durchschnittswerte (IPCC 2013)

Die Kurzfassung des aktuellsten Weltklimaberichts ist abrufbar unter →QR.

Die Wissenschaft stößt in Politik und Wirtschaft vor allem auf Gehör, wenn sie beziffert, was Umweltschäden kosten. Weltweite Beachtung über Nacht fand deshalb der Stern-Report (→QR), benannt nach Sir Nicholas Stern, ehemaliger Weltbank-Chefökonom und Herausgeber des rund 650-seitigen Berichts ‚Stern Review on the Economics of Climate Change‘. „Der Klimawandel ist das größte und weitestreichende Marktversagen der Weltgeschichte.“, so Stern, den die britische Regierung beauftragt hat, die wirtschaftlichen Folgen der globalen Erwärmung abzuschätzen.

[46]Der Bericht erschien Ende 2006 mit Ergebnissen wie: „Die jährlichen Kosten für Maßnahmen zur Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration zwischen 500 und 550 ppm Kohlendioxidäquivalenten werden schätzungsweise bei etwa 1 % des globalen Bruttoinlandsprodukts liegen, wenn jetzt begonnen wird, entschieden zu handeln.“ Laut Stern kämen Schäden von umgerechnet knapp 5,5 Billionen Euro pro Jahr bis 2100 auf die Menschheit zu, wenn nichts gegen den Klimawandel unternommen wird. Bereits heute wird rund 1 % des globalen Bruttoinlandsprodukts, etwa 270 Milliarden Euro, jährlich ausgegeben, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Die jährlichen Kosten des Klimawandels werden, wenn nicht gehandelt wird, dem Verlust von wenigstens 5 % des globalen Bruttoinlandsprodukts entsprechen. Unter Berücksichtigung sämtlicher Risiken und Einflüsse könnten die Schäden auf 20 % oder mehr des erwarteten globalen Bruttoinlandsprodukts ansteigen. Vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer werden die ökonomischen Folgen des Klimawandels zu spüren bekommen.

So wären bspw. weitere soziale und kulturelle Konsequenzen, dass bis zu 100 Millionen Menschen ihr Obdach durch Überschwemmungen und infolge des steigenden Meeresspiegels verlieren. Einem von sechs Menschen weltweit droht akute Wasserknappheit bedingt durch schmelzende Gletscher. Bereits heute gibt es über 150 Millionen Klimaflüchtlinge, das heißt Menschen, die etwa durch Trockenheiten und Dürren zur Umsiedelung gezwungen sind.

Wie sich die Kohlendioxid-Konzentration entwickelt hat, zeigt die folgende Abbildung 7.

Der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre war seit 400.000 Jahren nicht so hoch wie heute.

Es wird voll auf dem Planeten

Der Treibhauseffekt verschärfte die externen Lebensbedingungen, d.h. die ökologischen Rahmenbedingungen des Lebensraums. Das rasante Bevölkerungswachstum verschärft dabei den Ressourcendruck, v.a. durch Wasserverbrauch und Nahrungsmittelproduktion zusätzlich. Eine Milliarde Menschen leidet täglich Hunger. Gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung stetig und ungebremst. Für 2050 erwarten die Vereinten Nationen bis zu 9,1 Milliarden Menschen [47] auf der Erde. Das stellt Bevölkerungsexperten, Ökologen, Epidemiologen und Agrarwissenschaftler gleichermaßen vor Rätsel, wie diese steigende Anzahl von Menschen ernährt werden soll.


Abb. 7: Entwicklung Kohlendioxid-Konzentration letzte 400.000 Jahre (IPCC 2007)

Das exponentielle Wachstum stellt die landwirtschaftliche Produktion unter Druck. „Wir müssen in den kommenden 40 Jahren die gleiche Menge von Lebensmitteln herstellen wie in den letzten 8.000 Jahren“, sagt Jason Clay von der Umweltorganisation World Wide Fund For Nature (WWF) auf dem Kongress des Amerikanischen Wissenschaftsverbandes AAAS in Washington im Februar 2011.17

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