Kitabı oku: «Existenzielle Psychotherapie», sayfa 2
Existenzielle Therapie: Eine dynamische Psychotherapie
Existenzielle Psychotherapie ist eine Form von dynamischer Psychotherapie. »Dynamik« ist ein Begriff, der im Bereich psychischer Gesundheit häufig verwendet wird – wie in »Psychodynamik«; und wenn man eines der grundlegenden Merkmale des existenziellen Ansatzes verstehen will, ist es notwendig, Klarheit über die Bedeutung dynamischer Therapie zu gewinnen. »Dynamisch« hat sowohl allgemeinsprachliche als auch therapeutische Bedeutungen. Im allgemeinen Verständnis hat »dynamisch« (von griech. dunasthi = Stärke, Kraft haben) die Konnotation »Energie«, »Bewegung« (ein »dynamischer« Fußballspieler oder Politiker, »Dynamo«, »Dynamit«); aber das ist nicht seine therapeutische Bedeutung, denn wenn sie es wäre, welcher Therapeut würde dann zugestehen, dass er undynamisch – das heißt langsam, träge, stagnierend, unbeweglich ist? Nein, der Begriff findet eine spezifisch technische Verwendung, die das Konzept von »Kraft« beinhaltet. Freuds wesentlicher Beitrag zum Verständnis des Menschen ist sein dynamisches Modell psychischer Funktionsweisen – ein Modell, welches postuliert, dass es Kräfte gibt, die innerhalb des Individuums in Konflikt miteinander stehen, und dass Gedanken, Gefühle und Verhalten, sowohl adaptiver als auch psychopathologischer Art, das Resultat dieser miteinander in Konflikt stehenden Kräfte sind. Darüber hinaus – und das ist wichtig – existieren diese Kräfte auf verschiedenen Ebenen der Bewusstheit; einige von ihnen sind tatsächlich völlig unbewusst.
Die Psychodynamik eines Individuums beinhaltet deshalb die verschiedenen unbewussten und bewussten Kräfte, Motive und Befürchtungen, die in ihr oder ihm wirksam sind. Die dynamischen Psychotherapien gründen auf diesem dynamischen Modell psychischer Funktionsweisen.
So weit, so gut. Existenzielle Therapie, wie ich sie beschreiben werde, passt bequem in die Kategorie der dynamischen Therapie. Aber wenn wir fragen, Welche Kräfte (und Befürchtungen und Motive) stehen in Konflikt miteinander? Was ist der Inhalt dieses internen bewussten und unbewussten Kampfes? Dies ist der Punkt, an dem sich die dynamische existenzielle Therapie von der Gemeinschaft der anderen dynamischen Therapien löst. Existenzielle Therapie gründet auf einer radikal abweichenden Sichtweise der spezifischen Kräfte, Motive und Befürchtungen, die im Menschen interagieren.
Die präzise Eigenart der tiefsten inneren Konflikte ist niemals leicht zu identifizieren. Der Kliniker, der mit einem gestörten Patienten arbeitet, ist selten in der Lage, den grundlegenden Konflikt in seiner ursprünglichen Form zu untersuchen. Stattdessen beherbergt der Patient eine unendliche Fülle von Besorgnissen: Die ursprünglichen Besorgnisse sind tief verborgen, überkrustet mit vielen Schichten von Repression, Verleugnung, Verschiebung und Symbolisierung. Der klinische Forscher muss sich mit einem klinischen Bild auseinandersetzen, dessen Fäden so vielfältig ineinander verwickelt sind, dass eine Entwirrung schwierig ist. Um die ursprünglichen Konflikte zu erkennen, muss man viele Zugänge wählen: tiefes Nachdenken, Träume, Alpträume, das Aufblitzen tiefer Erfahrungen und Einsichten, psychotische Äußerungen und das Studium von Kindern. Ich werde diese Zugänge zu gegebener Zeit untersuchen, aber vorerst mag eine stilisierte schematische Darstellung hilfreich sein. Ein kurzer Überblick über drei kontrastierende Ansichten vom prototypischen innerpsychischen Konflikt des Individuums – die Freudsche, die Neo-Freudianische und die existenzielle – veranschaulicht in der Gegenüberstellung die existenzielle Sichtweise der Psychodynamik.
Freudsche Psychodynamik
Nach Freud wird das Kind von instinkthaften Kräften beherrscht, die ihm angeboren sind und die sich wie ein Farnwedel während des psychosexuellen Entwicklungszyklus entfalten. Es gibt Konflikte an mehreren Fronten: duale Instinkte (Ich-Instinkte versus libidinöse Instinkte oder in der zweiten Theorie, Eros versus Thanatos) stehen einander gegenüber; die Instinkte kollidieren mit den Anforderungen der Umwelt und später mit denen der internalisierten Umwelt – dem Über-Ich; für das Kind ist es erforderlich, zwischen dem inneren Drang nach unmittelbarer Befriedigung und dem Realitätsprinzip, das ein Verzögern der Befriedigung verlangt, zu vermitteln. Das instinktgetriebene Individuum steht daher im Krieg mit einer Welt, die die Befriedigung von angeborenen aggressiven und sexuellen Bedürfnissen verhindert.
Neo-Freudianische (interpersonale) Psychodynamik
Die Neo-Freudianer – besonders Harry Stack Sullivan, Karen Horney und Erich Fromm – präsentieren eine andere Ansicht vom Grundkonflikt des Individuums. Statt instinktgetrieben und vorprogrammiert zu sein, ist das Kind ein Wesen, welches, abgesehen von angeborenen neutralen Eigenschaften wie Temperament und Aktivitätsniveaus, vollkommen von kulturellen und zwischenmenschlichen Umgebungen geformt wird. Das Grundbedürfnis des Kindes ist Sicherheit – zwischenmenschliche Akzeptanz und Anerkennung –, und die Qualität der Interaktion mit bedeutsamen Erwachsenen, die ihm Sicherheit verschaffen, determiniert seine Charakterstruktur. Obwohl das Kind nicht von Instinkten beherrscht wird, hat es dennoch ein hohes Maß an angeborener Energie, Neugier, einer Unschuld des Körpers, einem ihm innewohnenden Wachstumspotenzial und an einem Wunsch nach dem ausschließlichen Besitz geliebter Erwachsener. Diese Eigenschaften stimmen nicht immer mit den Forderungen der es umgebenden bedeutsamen Erwachsenen überein, und der Grundkonflikt besteht zwischen diesen natürlichen Wachstumsneigungen und dem Bedürfnis des Kindes nach Sicherheit und Anerkennung. Wenn ein Kind unglücklicherweise Eltern hat, die so sehr in ihren eigenen neurotischen Kämpfen verstrickt sind, dass sie weder Sicherheit geben noch autonomes Wachstum ermutigen können, dann gibt es ernsthafte Konflikte. In solch einem Kampf gibt es immer einen Kompromiss zugunsten der Sicherheit und zuungunsten des Wachstums.
Existenzielle Psychodynamik
Die existenzielle Position hebt eine andere Art Grundkonflikt hervor: Weder einen Konflikt mit unterdrückten instinkthaften Antrieben noch einen mit internalisierten bedeutsamen Erwachsenen, sondern stattdessen einen Konflikt, der aus der Konfrontation des Individuums mit den Gegebenheiten der Existenz hervorgeht. Und ich meine mit »Gegebenheiten« der Existenz bestimmte letzte Dinge, bestimmte intrinsische Eigenschaften, die ein Teil, und zwar ein unausweichlicher Teil der Existenz des menschlichen Wesens in der Welt sind.
Wie entdeckt man die Natur dieser Gegebenheiten? In einer Hinsicht ist die Aufgabe nicht schwierig. Die Methode ist tiefes persönliches Nachdenken. Die Bedingungen sind einfach: Einsamkeit, Stille, Zeit und das Frei-Sein von alltäglichen Ablenkungen, mit denen jeder von uns seine oder ihre3 Erlebniswelt füllt. Wenn wir die alltägliche Welt wegwischen oder »im Zaum halten« können, wenn wir über unsere »Situation« in der Welt tiefgehend nachdenken, über unsere Existenz, unsere Grenzen, unsere Möglichkeiten, wenn wir den Grund erreichen, der unter jedem anderen Grund liegt, dann begegnen wir unvermeidlich den Gegebenheiten der Existenz, den »Tiefenstrukturen«, die ich von jetzt an als »letzte Dinge« (ultimate concerns) bezeichnen werde. Dieser Prozess des Nachdenkens wird oft durch bestimmte tiefgehende Erfahrungen ausgelöst. Diese »Grenz«-Situationen, wie sie oft genannt werden, schließen solche Erfahrungen mit ein wie die Begegnung mit dem eigenen Tod, eine bedeutende, nicht mehr rückgängig zu machende Entscheidung oder den Zusammenbruch eines grundlegenden sinngebenden Schemas.
Dieses Buch handelt von vier letzten Dingen: Tod, Freiheit, Isolation und Sinnlosigkeit. Die Begegnung des Individuums mit jeder dieser Tatsachen des Lebens stellt den Inhalt des existenziellen dynamischen Konflikts dar.
Tod. Die offensichtlichste, am leichtesten zu verstehende letzte Angelegenheit ist der Tod. Wir existieren jetzt, aber eines Tages werden wir aufhören zu sein. Der Tod wird kommen, und es gibt kein Entfliehen vor ihm. Es ist eine schreckliche Wahrheit, und wir antworten auf sie mit tödlicher Panik. »Alles«, in Spinozas Worten, »bemüht sich darum, auf seinem eigenen Dasein zu bestehen«4; und ein existenzieller Kernkonflikt ist die Spannung zwischen der Bewusstheit von der Unausweichlichkeit des Todes und dem Wunsch weiterzuexistieren.
Freiheit. Ein anderes der letzten Dinge, ein weit weniger leicht zugängliches, ist die Freiheit. Gewöhnlich halten wir die Freiheit für einen eindeutig positiven Begriff. Hat das menschliche Wesen sich nicht während der gesamten uns überlieferten Geschichte nach Freiheit gesehnt und danach gestrebt? Aber die Freiheit ist aus der Perspektive des letzten Grundes an Furcht gebunden. In ihrer existenziellen Bedeutung heißt »Freiheit« die Abwesenheit von äußeren Strukturen. Im Gegensatz zur alltäglichen Erfahrung betritt (und verlässt) das menschliche Wesen kein wohlgeordnetes Universum mit einem ihm innewohnenden Plan. Das Individuum hat vielmehr die völlige Verantwortung – im Sinne von Urheberschaft – für seine oder ihre eigene Welt, den eigenen Lebensentwurf, für Entscheidungen und Handlungen. »Freiheit« in diesem Sinn hat eine erschreckende Bedeutung: Sie bedeutet, dass es unter uns keinen Grund gibt – nichts, eine Leere, einen Abgrund. Der Zusammenprall zwischen unserer Begegnung mit der Grundlosigkeit und unserem Wunsch nach Grund und Struktur ist eine existenzielle Schlüsseldynamik.
Existenzielle Isolation. Eine dritte letzte Angelegenheit ist die Isolation – nicht die zwischenmenschliche Isolation, mit der sie begleitenden Einsamkeit oder die innerpersonale Isolation (Isolation von Teilen unserer selbst), sondern eine grundlegende Isolation, sowohl von anderen Geschöpfen als auch von der Welt – die jede andere Isolation noch unterläuft. Ganz gleich, wie nahe wir uns kommen können, es bleibt eine letzte unüberbrückbare Kluft; jeder von uns betritt seine Existenz allein und muss wieder allein von ihr scheiden. Der existenzielle Konflikt ist daher die Spannung zwischen unserer Bewusstheit von unserer absoluten Isolation und unserem Wunsch nach Kontakt, nach Schutz, unserem Wunsch, ein Teil von etwas Größerem zu sein.
Sinnlosigkeit. Eine vierte letzte Angelegenheit oder Gegebenheit der Existenz ist die Sinnlosigkeit. Wenn wir sterben müssen, wenn wir unsere eigene Welt schaffen, wenn jeder von uns letztlich allein in einem gleichgültigen Universum ist, welchen Sinn hat dann das Leben? Warum leben wir? Wie sollen wir leben? Wenn es keinen vorbestimmten Plan für uns gibt, dann muss jeder von uns seinen eigenen Sinn im Leben konstruieren. Aber kann der Sinn, den wir uns selbst geben, stabil genug sein, um unser eigenes Leben zu tragen? Dieser existenzielle dynamische Konflikt rührt von dem Dilemma eines sinnsuchenden Geschöpfes her, das in ein Universum hineingeworfen ist, das keinen Sinn hat.
Existenzielle Psychodynamik: Allgemeine Merkmale
»Die existenzielle Psychodynamik« bezieht sich daher auf diese vier Gegebenheiten, diese letzten Dinge, und auf die bewussten und unbewussten Befürchtungen und Motive, die von ihnen erzeugt werden. Der dynamische existenzielle Ansatz behält die grundlegende dynamische Struktur bei, wie sie von Freud entworfen wurde, ändert aber den Inhalt radikal. Die alte Formel wird durch eine neue ersetzt (s. Abb.).
Beide Formeln gehen davon aus, dass Angst die Triebkraft für Psychopathologie ist; dass sich psychische Operationen, einige bewusst und einige unbewusst, entwickeln, damit wir mit der Angst umgehen können; dass diese psychischen Operationen (Abwehrmechanismen) die Psychopathologie ausmachen; und dass sie, obwohl sie Sicherheit verschaffen, unausweichlich das Wachstum und die Erfahrung beschränken. Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden dynamischen Ansätzen ist, dass Freuds Sequenz am »Trieb« ansetzt, während ein existentielles Konzept an der Bewusstheit und der Angst ansetzt. Der Therapeut hat, wie Otto Rank wusste,7 weit mehr Einwirkungsmöglichkeit, wenn er den Menschen in erster Linie als ein angstvolles Leidwesen ansieht, statt als eines, das von den Instinkten getrieben wird.
Diese vier letzten Dinge – Tod, Freiheit, Isolation, Sinnlosigkeit – machen den Korpus existenzieller Psychodynamik aus. Sie spielen eine außerordentlich wichtige Rolle auf jeder Ebene der psychischen Organisation des Individuums und haben höchste Bedeutsamkeit für die klinische Arbeit. Sie stellen auch das zentrale Organisationsprinzip dar; die vier Teile dieses Buches werden sich jeweils mit einem dieser letzten Dinge befassen und jeweils dessen philosophische, psychopathologische und therapeutische Implikationen erforschen.
Existenzielle Psychodynamik: Die Frage nach der Tiefe
Ein weiterer Hauptunterschied zwischen der existenziellen Dynamik und der Freudschen oder Neo-Freudianischen Dynamik betrifft die Definition von »Tiefe«. Für Freud bedeutete Erforschung immer Ausgrabung. Mit der Bedachtsamkeit und Geduld eines Archäologen legte er die vielschichtige Psyche frei, bis er auf das Grundgestein stieß, eine Schicht fundamentaler Konflikte, die die psychologischen Überreste der frühesten Ereignisse im Leben des Menschen waren. Tiefster Konflikt bedeutete frühester Konflikt. Freuds Psychodynamik ist also entwicklungsmäßig bedingt, und »grundlegend« oder »primär« müssen chronologisch verstanden werden: Beide Begriffe bedeuten »zuerst«. Dementsprechend werden die frühesten psychosexuellen Traumata als »grundlegende« Quellen der Angst betrachtet: Trennung und Kastration.
Die existenziellen Dynamiken sind keinem Entwicklungsmodell verpflichtet. Es gibt keinen zwingenden Grund anzunehmen, dass »grundlegend« (das heißt wichtig, elementar) und »zuerst« (das heißt chronologisch zuerst) identische Konzepte sind. Aus einer existenziellen Perspektive tief zu forschen bedeutet nicht, dass man die Vergangenheit erforscht; es bedeutet vielmehr, dass man die alltäglichen Probleme beiseite lässt, und tiefgehend über seine existenzielle Situation nachdenkt. Es bedeutet, außerhalb der Zeit zu denken, über die Beziehung zwischen den eigenen Füßen und dem Boden unter uns, zwischen dem eigenen Bewusstsein und dem Raum um uns herum nachzu denken; es bedeutet, nicht über den Weg nachzudenken, wie man zu dem geworden ist, was man ist, sondern dass man ist.
Die Vergangenheit – das heißt unsere Erinnerung an die Vergangenheit – ist insofern wichtig, als sie Teil unserer gegenwärtigen Existenz ist und dazu beigetragen hat, auf welche Weise man sich mit den letzten Dingen auseinandersetzt; aber dies ist, wie ich später ausführen werde, nicht das lohnendste Gebiet für therapeutische Erforschung. Die-Zukunft-die-zur-Gegenwart-wird ist das primäre Tempus existenzieller Therapie.
Diese Unterscheidung bedeutet nicht, dass man existenzielle Faktoren in einem entwicklungsmäßigen Rahmen nicht erforschen kann (tatsächlich wird im dritten Kapitel die Entwicklung des Todesbegriffs beim Kind gründlich erforscht); aber sie bedeutet, dass Entwicklungsfragen nicht relevant sind, wenn ein Individuum fragt, »Welches sind die grundlegendsten Quellen der Furcht in diesem Moment, auf der tiefsten Ebene meines Seins?« Die frühesten Erfahrungen eines Individuums geben, obwohl sie unbestreitbar wichtig für das Leben sind, keine Antwort auf diese grundlegende Frage. Tatsächlich erzeugen die Überreste frühester Lebenserfahrungen biologische Störungen, die zur Verdunklung der Antwort beitragen. Die Antwort auf die Frage ist transpersonal. Es ist eine einschneidende Antwort in der persönlichen Lebensgeschichte jedes Individuums, eine Antwort, die zu jeder Person passt: Sie gehört zur »Situation« des menschlichen Wesens in der Welt.
Die Unterscheidung zwischen dem entwicklungsorientierten, dynamischen, analytischen Modell und dem unmittelbaren, ahistorischen, existenziellen ist von mehr als nur theoretischem Interesse: Wie ich in späteren Kapiteln erläutern werde, hat sie tief greifende Implikationen für die Technik des Therapeuten.
Die existenzielle Orientierung: Fremd, aber seltsam vertraut
Ein großer Teil meines Materials über die letzten Dinge wird für den Kliniker fremd und doch auf eine seltsame Weise vertraut erscheinen. Das Material wird fremd erscheinen, weil der existenzielle Zugang quer zu gewohnten Kategorien liegt und klinische Beobachtungen auf eine neue Weise zusammenführt. Darüber hinaus ist ein großer Teil des Vokabulars unterschiedlich. Selbst wenn ich den Jargon professioneller Philosophen vermeide und alltägliche Begriffe benutze, um die existenziellen Konzepte zu beschreiben, wird der Kliniker die Sprache als psychologisch fremd empfinden. Wo ist das Psychotherapie-Lexikon, das Begriffe enthält wie »Wahl«, »Verantwortung«, »Freiheit«, »existenzielle Isolation«, »Sterblichkeit«, »Zweck des Lebens«, »Wollen«? Der medizinische Bibliothekscomputer lachte mich aus, als ich Literaturnachweise auf diesen Gebieten von ihm haben wollte.
Dennoch wird der Kliniker in ihnen viel finden, was ihm vertraut ist. Ich glaube, dass der erfahrene Kliniker oft implizit innerhalb eines existenziellen Rahmens arbeitet: »In seinen Knochen« wertschätzt er die Besorgnisse eines Patienten und antwortet demgemäß. Diese Antwort ist das, was ich vorher mit den entscheidenden »Zugaben« meinte. Eine Hauptaufgabe dieses Buches besteht darin, den Fokus des Therapeuten zu verschieben und sich sorgfältig diesen vitalen Dingen und den therapeutischen Transaktionen, die an der Peripherie formaler Therapie stattfinden, zuzuwenden und sie dorthin zu stellen, wo sie hingehören – ins Zentrum der therapeutischen Arbeit.
Ein weiterer vertrauter Zug besteht darin, dass die wesentlichen existenziellen Fragen seit dem Beginn niedergeschriebener Gedanken erkannt und diskutiert wurden, und dass ihr Primat von einer ununterbrochenen Reihe von Philosophen, Theologen und Dichtern anerkannt wurde. Diese Tatsache mag unser Gefühl von Stolz auf die Moderne, unseren Glauben an eine ewige Spirale des Fortschritts erschüttern; aber von einer anderen Perspektive aus gesehen mögen wir uns darin bestätigt fühlen, dass wir auf einem ausgetretenen Pfad reisen, der weit in die Zeit zurückreicht und der von den weisesten und nachdenklichsten Persönlichkeiten eingeschlagen wurde.
Diese existenziellen Quellen der Furcht sind auch insofern vertraut, als sie zur Erfahrung des Therapeuten wie jeder anderen Person gehören; sie sind keinesfalls ausschließlicher Bestandteil der Erfahrungen psychisch gestörter Menschen. Immer wieder werde ich betonen, dass sie Teil der Situation des Menschen sind. Wie kann dann, mag man fragen, eine Theorie der Psychopathologie8 auf Faktoren beruhen, die von jedermann erfahren werden? Die Antwort ist natürlich, dass jede Person den Stress der menschlichen Situation in hoch individualisierter Form erfährt. In dieser Hinsicht unterscheidet sich das existenzielle Modell nicht gravierend von anderen größeren Theorien. Jedes Individuum geht durch bestimmte Entwicklungsstufen, jede mit ihrer eigenen dazugehörigen Angst. Jeder geht durch den ödipalen Konflikt, das irritierende Auftauchen aggressiver und sexueller Gefühle, die Kastrationsangst (zumindest für die Männer), den Schmerz der Individuation und Trennung und viele andere ernsthafte Herausforderungen der Entwicklung. Das einzige Modell der Psychopathologie, das nicht auf allgemein erfahrbaren Faktoren beruht, ist eines, das auf akute Traumata gegründet ist. Traumatische Neurosen sind jedoch selten. Die überwältigende Mehrheit der Patienten leidet an dem Stress, der in unterschiedlichem Ausmaß Teil der Erfahrung jedes Menschen ist.
Tatsächlich kann nur die Universalität menschlichen Leidens die allgemeine Beobachtung erklären, dass das Patient-Sein allgegenwärtig ist. André Malraux, um eine solche Beobachtung zu zitieren, fragte einst einen Gemeindepriester, der fünfzig Jahre lang die Beichte abgenommen hatte, was er über die Menschheit gelernt habe. Der Priester antwortete: »Als erstes, dass die Menschen viel unglücklicher sind als man glaubt … und dann die grundlegende Tatsache, dass es so etwas wie eine erwachsene Person nicht gibt.«9 Oft sind es nur die äußeren Umstände, die dazu führen, dass die eine Person Patient genannt wird und nicht die andere: zum Beispiel finanzielle Mittel, Verfügbarkeit von Psychotherapeuten, persönliche und kulturelle Einstellungen zur Therapie oder Berufswahl – die Mehrzahl der Psychotherapeuten wird selbst bona fide zu Patienten. Die Universalität von Stress ist einer der Hauptgründe, weshalb die Gelehrten auf solche Schwierigkeit stoßen, wenn sie versuchen, Normalität zu definieren und zu beschreiben. Der Unterschied zwischen Normalität und Pathologie ist quantitativ, nicht qualitativ.
Das zeitgemäße Modell, das für unsere Beweisführung am nächsten liegt, ist analog zu einem Modell der somatischen Medizin, demzufolge eine Infektionskrankheit nicht nur das Ergebnis von Bakterien oder Viren ist, die in einen schutzlosen Körper eindringen. Vielmehr ist die Krankheit das Ergebnis eines Ungleichgewichts zwischen dem Schädling und dem Widerstand des Wirtes. Mit anderen Worten, Schädlinge existieren die ganze Zeit im Körper – gerade so, wie Stress vom Leben nicht wegzudenken ist und alle Individuen befällt. Ob ein Individuum eine klinische Krankheit entwickelt, hängt von der Widerstandskraft des Körpers (das heißt solchen Faktoren wie Immunsystem, Nahrung und Müdigkeit) gegen den Schädling ab: Wenn der Widerstand verringert wird, entwickelt sich die Krankheit, obwohl die Giftigkeit und Aggressivität des Schädlings unverändert bleiben. Deshalb sind alle menschlichen Wesen in einer solchen misslichen Lage, aber einige davon sind nicht imstande, damit fertig zu werden: Psychopathologie hängt nicht nur von der An- oder Abwesenheit von Stress ab, sondern von der Wechselbeziehung zwischen allgegenwärtigem Stress und den Abwehrmechanismen des Individuums.
Die Behauptung, dass die letzten existentiellen Dinge niemals in der Therapie zur Sprache kommen, ist ganz und gar eine Funktion der selektiven Unaufmerksamkeit des Therapeuten: Ein Zuhörer, der auf den richtigen Kanal eingestellt ist, findet offensichtliches und reichliches Material. Ein Therapeut mag sich jedoch entscheiden, den letzten existenziellen Dingen keine Aufmerksamkeit zu schenken, gerade weil sie universelle Erfahrungen sind und nichts Konstruktives herauskommen kann, wenn man sie untersucht. Tat sächlich habe ich oft in der klinischen Arbeit beobachtet, dass der Therapeut und der Patient für eine kurze Zeit stark erregt sind, wenn existenzielle Dinge zur Sprache kommen; aber bald wird das Gespräch oberflächlich, und der Patient ebenso wie der Therapeut scheinen sich zu sagen, »So ist nun mal das Leben, nicht wahr! Lasst uns auf etwas Neurotisches kommen, etwas, womit wir etwas anfangen können!«
Andere Therapeuten umgehen es, existenzielle Dinge zu behandeln, nicht nur weil diese Dinge universell sind, sondern weil es zu schrecklich ist, sich ihnen zu stellen. Schließlich haben neurotische Patienten (und auch die Therapeuten) genug Sorgen, um die sie sich kümmern können, ohne ihnen noch solche aufmunternden Themen wie Tod und Sinnlosigkeit hinzuzufügen. Solche Therapeuten glauben, dass man existenzielle Fragen am besten ignoriert, weil es nur zwei Möglichkeiten gibt, mit den brutalen existenziellen Tatsachen des Lebens umzugehen – angstvolle Wahrheit oder Verleugnung – und beides ist unbekömmlich. Cervantes gab diesem Problem Ausdruck, als sein unsterblicher Don sagte, »Welches von beiden möchtest du haben, weise Verrücktheit oder närrische Gesundheit?«
Eine existenzielle therapeutische Position weist dieses Dilemma, wie ich in späteren Kapiteln versuchen werde zu zeigen, zurück. Weisheit führt nicht zu Verrücktheit und Verleugnung nicht zu Gesundheit: Die Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten der Existenz ist schmerzhaft, aber letztlich heilsam. Gute therapeutische Arbeit ist immer gepaart mit der Überprüfung der Realität und der Suche nach persönlicher Erleuchtung; der Therapeut, der sich dafür entscheidet, dass bestimmte Aspekte der Realität und Wahrheit zu vermeiden sind, befindet sich auf trügerischem Boden. Thomas Hardys Kommentar, »wenn es überhaupt einen Weg zum Besseren gibt, dann erfordert er einen vollständigen Blick auf das Schlimmste«10, gibt einen guten Rahmen für den therapeutischen Ansatz, den ich beschreiben werde, ab.