Kitabı oku: «Existenzielle Psychotherapie», sayfa 6
Diese Ermahnungen, wie die meisten Ermahnungen in der Therapie, waren nicht erfolgreich, und deshalb versuchte die Gruppe eine andere Taktik: Sie drängten Jane, sich die Verlockungen und den Segen des Versagens vor Augen zu führen. Was hatte sie davon? Warum war das Versagen so lohnenswert? Diese Fragerichtung war produktiver, und wir erfuhren, dass der Lohn beträchtlich war. Zu versagen hielt Jane jung, hielt sie geschützt, hielt sie davon ab, Entscheidungen zu treffen. Die Idealisierung und Anbetung des Therapeuten diente demselben Zweck. Die Hilfe war »da draußen«. Ihre Aufgabe in der Therapie, wie sie sie sah, war, sich so schwach zu geben, bis der Punkt erreicht war, an dem der Therapeut seine königliche Berührung nicht mehr guten Gewissens zurückhalten konnte.
Das kritische Ereignis in der Therapie trat ein, als Jane einen großen, bedrohlichen Lymphknoten in der Achsel entwickelte. Die Gruppe traf sich am Dienstagabend; zufällig musste sie am Dienstagmorgen eine Biopsie machen lassen und vierundzwanzig Stunden warten, bevor sie erfuhr, ob der Knoten bösartig war. An diesem Abend kam sie in Panik zum Treffen. Sie hatte zuvor niemals über ihren eigenen Tod nachgedacht, und die Sitzung war sehr wirkungsvoll für sie, da die Gruppe ihr half, sich ihren Ängsten zu stellen und sie auszudrücken. Ihre überwältigende Erfahrung war eine schreckliche Einsamkeit – eine Einsamkeit, die sie immer am Rande des Bewusstseins wahrgenommen und immer gefürchtet hatte. Bei dieser Sitzung wurde Jane auf einer tiefen Ebene bewusst, dass sie dem Tod letztlich allein gegenübertreten musste, ganz gleich, was sie tat, ganz gleich, wie sehr sie sich schwach machte – niemand konnte für sie eintreten, niemand konnte ihren Tod für sie sterben.
Am nächsten Tag erfuhr sie, dass der Lymphknoten gutartig war, aber trotzdem waren die psychischen Wirkungen der Erfahrung tiefgreifend. Viele Dinge begannen nun für Jane zu zusammen zu kommen. Sie fing an, Entscheidungen auf eine Art und Weise zu fällen, wie sie es nie zuvor getan hatte, und sie übernahm das Steuer ihres Lebens. Bei einer Sitzung meinte sie: »Ich glaube, ich weiß, was los ist.« Ich hatte ihre ursprüngliche Beschwerde seit langem vergessen, aber jetzt erinnerte ich mich daran und verstand sie schließlich. Es war wichtig für sie gewesen, nicht zu wissen, was los war. Sie hatte versucht, die Einsamkeit und den Tod, der das Erwachsenenleben begleitet, mehr als alles andere zu vermeiden. Auf magische Weise hatte sie versucht, den Tod zu besiegen, indem sie jung blieb, indem sie Entscheidung und Verantwortung vermied, indem sie sich entschied, an den Mythos zu glauben, dass immer jemand da sein würde, der für sie entscheiden würde, der sie begleiten würde, der für sie da sein würde. Erwachsen werden, entscheiden, sich von anderen trennen bedeutet auch, sich der Einsamkeit und dem Tod zu stellen.
Zusammengefasst spielt der Begriff des Todes in der Therapie eine entscheidende Rolle, weil er in der Lebenserfahrung von jedem von uns eine entscheidende Rolle spielt. Tod und Leben sind interdependent: Obwohl die Physikalität des Todes uns zerstört, rettet uns die Idee des Todes. Die Anerkenntnis des Todes trägt zur Würze des Lebens bei, sorgt für einen radikalen Wandel in der Lebensperspektive und kann uns von einem Modus des Lebens, der durch Ablenkung, Beruhigung und kleinliche Ängste charakterisiert ist, in einen authentischeren Modus überführen. In den Beispielen der Personen, die nach der Begegnung mit dem Tod bedeutsame persönliche Wandlungsprozesse erlebten, finden sich offensichtliche und wichtige Implikationen für die Psychotherapie. Was wir brauchen, ist eine Technik, die es dem Psychotherapeuten erlaubt, dieses therapeutische Potenzial mit allen Patienten auszuschöpfen, statt von glücklichen Umständen oder dem Ausbruch einer tödlichen Krankheit abhängig zu sein. Ich werde im fünften Kapitel ausführlich auf diese Fragen eingehen.
Tod und Angst
Angst spielt solch eine zentrale und offensichtliche Rolle in der Psychotherapie, dass es nicht nötig ist, diesen Punkt weiter auszuführen. Der einzigartige Stellenwert der Angst zeigt sich in der traditionellen psychiatrischen Krankheitslehre deutlich daran, dass die bedeutenden psychiatrischen Syndrome »Reaktionen« genannt werden – psychotische Reaktionen, neurotische Reaktionen, psychophysische Reaktionen. Wir betrachten diese Zustände als Reaktionen auf die Angst. Es sind Versuche, wenn auch schlecht angepasste, mit der Angst fertig zu werden. Psychopathologie ein Vektor – die Resultante der Angst und der die Angst bekämpfenden Abwehrmechanismen des Individuums, sowohl der neurotischen als auch der charakterologischen. Die Therapeuten beginnen ihre Arbeit mit einem Patienten meist, indem sie sich auf die manifeste Angst, die Äquivalente der Angst oder die Abwehr, die das Individuum errichtet, um sich vor der Angst zu schützen, konzentrierten. Obwohl die therapeutische Arbeit sich in viele Richtungen hin ausdehnt, benutzen die Therapeuten Angst immer wieder als Leuchtturm oder Kompass. Sie arbeiten auf die Angst hin, decken ihre grundlegenden Quellen auf und versuchen als letztes Ziel, diese Quellen an der Wurzel zu packen und zum Versiegen zu bringen.
Todesangst: Eine einflussreiche Determinante menschlicher Erfahrung und menschlichen Verhaltens
Der Schrecken des Todes ist überall in solchem Ausmaß vorhanden, dass ein beträchtlicher Teil der Lebensenergie für die Verleugnung des Todes aufgebraucht wird. Die Transzendenz des Todes ist ein wesentliches Motiv in menschlicher Erfahrung – von den tiefsten innerpersönlichen Erscheinungen, unserer Abwehr, unseren Motiven, unseren Träumen und Albträumen, bis zu den ganz öffentlichen makrosozialen Strukturen, unseren Monumenten, Theologien, Friedhöfen, Einbalsamierungen, unserer Eroberung des Weltraums, ja unserer ganzen Lebensführung – im Ausfüllen unserer Zeit, in unserer Abhängigkeit von Ablenkungen, unserem unbeirrten Glauben an den Mythos des Fortschritts, unserem Drang »weiterzukommen«, unserer Sehnsucht nach dauerhaftem Ruhm.
Die urzeitlichen Gruppen von Menschen, die Moleküle sozialen Lebens, wurden, wie Freud spekulierte, aus Furcht vor dem Tod gebildet: Die ersten Menschen kauerten sich zusammen aus Angst vor dem Getrennt-Sein und einer Furcht vor dem, was in der Dunkelheit lauerte. Wir halten die Gruppe aufrecht, um uns selbst aufrechtzuerhalten, und die Geschichtsschreibung über die Gruppe ist eine symbolische Suche nach mittelbarer Unsterblichkeit. Tatsächlich ist Geschichte selbst, wie Hegel behauptete, das, was der Mensch mit dem Tod macht. Robert Jay Lifton hat verschiedene Modi beschrieben, mit denen der Mensch symbolische Unsterblichkeit zu erreichen sucht. Betrachten wir ihre durchgängigen kulturellen Implikationen: (1) der biologische Modus – durch seine Nachkommen leben, durch eine endlose Kette biologischer Zugehörigkeit; (2) der theologische Modus – Leben auf einer anderen, höheren Ebene der Existenz; (3) der kreative Modus – durch sein Werk weiterleben, durch die anhaltende Wirkung seiner persönlichen Schöpfungen oder Einflüsse auf andere (Lifton weist darauf hin, dass der Therapeut persönliche Befriedigung aus dieser Quelle schöpft: indem er seinem Patienten hilft, initiiert er eine endlose Kette, da die Kinder und Angehörigen seiner Patienten auf seinen Spuren wandeln); (4) das Thema ewiger Natur – man überlebt, indem man sich den treibenden Lebenskräften der Natur überlässt; (5) der Modus der transzendentalen Erfahrung, indem man »sich selbst verliert« in einen Zustand, der so intensiv ist, dass Zeit und Tod verschwinden, und man im »Kontinuum der Gegenwart«25 lebt.
Diese sozialen Verästelungen der Todesangst und der Suche nach Unsterblichkeit sind so weit verbreitet, dass sie weit über den Rahmen dieses Buches hinausreichen. Unter denen, die über diese Fragen schrieben, haben vor allem Norman Brown, Ernest Becker und Robert Jay Lifton auf brillante Weise gezeigt, wie die Todesangst das Gewebe unserer sozialen Strukturen durchdrungen hat. Mich interessieren hier die Wirkungen der Todesangst auf die innere Dynamik des einzelnen Menschen. Ich stelle die Behauptung auf, dass die Furcht vor dem Tod die primäre Quelle der Angst ist. Obwohl diese Position einfach ist und mit alltäglicher Intuition übereinstimmt, werden wir sehen, dass ihre Auswirkungen auf Theorie und klinische Praxis sehr weitläufig sind.
Todesangst: Definition
Lassen Sie mich zunächst die Bedeutung von »Todesangst« untersuchen. Ich werde abwechselnd verschiedene Begriffe verwenden: »Todesangst«, »Furcht vor dem Tod«, »tödlicher Schrecken«, »Furcht vor der Endlichkeit«. Die Philosophen sprechen von der Bewusstheit der »Zerbrechlichkeit des Seins« (Jaspers), der Furcht vor dem »Nicht-Sein« (Kierkegaard), der »Unmöglichkeit weiterer Möglichkeiten« (Heidegger) oder der ontologischen Angst (Tillich). Viele dieser Ausdrücke beinhalten Unterschiede in der Akzentuierung, da die Menschen die Todesangst auf sehr verschiedenartige Weise erfahren können. Können wir präziser sein? Was genau ist es, was wir am Tod fürchten?
Die Forscher, die diese Frage untersucht haben, weisen darauf hin, dass die Angst aus einer Vielzahl kleinerer, unterscheidbarer Ängste zusammengesetzt ist. Zum Beispiel haben James Diggory und Doreen Rothman eine große Stichprobe (N =563) aus der allgemeinen Bevölkerung gebeten, mehrere Konsequenzen des Todes in eine Rangordnung zu bringen. Dies waren die allgemeinen Ängste im Zusammenhang mit dem Tod nach abnehmender Häufigkeit:
1. Mein Tod würde meinen Verwandten und Freunden Kummer verursachen.
2. Alle meine Pläne und Vorhaben wären am Ende.
3. Der Prozess des Sterbens könnte schmerzhaft sein.
4. Ich könnte keine Erfahrungen mehr machen.
5. Ich wäre nicht mehr in der Lage, für diejenigen zu sorgen, die von mir abhängig sind.
6. Ich fürchte mich davor, was mit mir geschehen könnte, wenn es ein Leben nach dem Tode gibt.
7. Ich fürchte mich davor, was mit meinem Körper nach dem Tode geschehen könnte.26
Viele dieser Ängste scheinen den persönlichen Tod nur am Rande zu berühren. Die Ängste vor den Schmerzen liegen offensichtlich auf dieser Seite des Todes; Ängste wegen eines Lebens nach dem Tode fragen nach der Möglichkeit, den Tod in ein nicht terminiertes Ereignis zu verwandeln; Ängste um andere sind offensichtlich keine Ängste um uns selbst. Die Furcht vor persönlichem Ausgelöschtwerden scheint im Zentrum der Besorgnis zu stehen: »Meine Pläne und Vorhaben wären am Ende« und »Ich könnte keine Erfahrungen mehr machen.«
Jacques Choron kommt in einem Überblick über die hauptsächlichen philosophischen Ansichten vom Tod zu einer ähnlichen Analyse. Er unterscheidet drei Typen der Todesfurcht: (1) was nach dem Tod kommt, (2) das »Ereignis« des Sterbens und (3) aufhören zu sein.27 Von diesen sind die ersten beiden, wie Robert Kastenbaum hervorhebt, Ängste, die mit dem Tod verbunden sind.28 Es ist jedoch der dritte Typus, das »Aufhören zu sein« (Vernichtung, Auslöschung, zunichte machen), welcher die zentralere Angst vor dem Tod zu sein scheint; und es ist dieser Typus von Angst, auf den ich mich in diesen Kapiteln beziehe.
Kierkegaard war der erste, der eine deutliche Unterscheidung zwischen Furcht und Angst traf; er stellte Furcht, die eine Furcht vor einer Sache ( einem Etwas) ist, der Angst gegenüber, die eine Angst vor keiner Sache (einem Nichts) ist – »Nicht«, wie er fein festhält, »ein Nichts, mit dem das Individuum nichts zu tun hat.«29 Man hat Angst davor, sich selbst zu verlieren und zu nichts zu werden. Diese Angst kann nicht lokalisiert werden. Wie Rollo May sagt: »Sie greift uns von allen Seiten gleichzeitig an.«30 Einer Angst, die man weder verstehen noch lokalisieren kann, kann man sich nicht stellen, und sie wird darum umso schrecklicher: Sie erzeugt ein Gefühl der Hilflosigkeit, welches unabwendbar weitere Angst hervorbringt (Freud hatte den Eindruck, dass Angst eine Reaktion auf Hilflosigkeit war; Angst, schrieb er, »ist ein Signal, das uns Gefahr anzeigt,« und das Individuum erwartet, »dass sich eine Situation von Hilflosigkeit ergeben wird.«31
Wie können wir Angst bekämpfen? Indem wir sie von nichts zu etwas verlagern. Das ist es, was Kierkegaard meinte mit »das Nichts, welches zum Objekt der Angst wird, wird sozusagen immer mehr zu etwas.«32 Es ist das, was Rollo May mit »Angst versucht, zur Furcht zu werden« meinte.33 Wenn wir eine Angst vor nichts in eine Furcht vor etwas verwandeln können, kön nen wir eine Aktion beginnen, mit der wir uns selbst schützen – das heißt, wir können das, was wir fürchten, vermeiden, Verbündete dagegen suchen, magische Rituale entwickeln, um es zu besänftigen, oder eine systematische Aktion planen, um es zu entgiften.
Todesangst: Klinische Erscheinungsformen
Die Tatsache, dass Angst die Tendenz hat, zur Furcht zu werden, vereitelt den Versuch des Klinikers, die ursprüngliche Quelle der Angst zu identifizieren. Man begegnet ursprünglicher Todesangst selten in der klinischen Arbeit in ihrem Urzustand. Wie entstehender Sauerstoff wird sie rasch in einen anderen Zustand überführt. Um die Todesangst abzuwehren, entwickelt das kleine Kind Schutzmechanismen, die, wie ich im nächsten Kapitel ausführen werde, auf Verleugnung beruhen, durch mehrere Stadien gehen und schließlich aus einer hochkomplexen Folge mentaler Operationen bestehen, die die nackte Todesangst verdrängen und sie unter einer Schicht solcher Abwehroperationen verbergen wie Verschiebung, Sublimierung und Konversion. Gelegentlich zerreißt eine aufrüttelnde Erfahrung im Leben den Vorhang der Abwehr und erlaubt der rohen Todesangst, ins Bewusstsein einzubrechen. Das unbewusste Ich repariert den Riss jedoch schnell wieder und verbirgt erneut die Natur der Angst.
Ich kann das aufgrund meiner persönlichen Erfahrung veranschaulichen.
Während ich dabei war, dieses Buch zu schreiben, war ich an einem frontalen Autozusammenstoß beteiligt. Ich fuhr friedlich eine Vorortstraße entlang, als ich plötzlich einen Wagen, der außer Kontrolle geraten war und direkt auf mich zufuhr, bedrohlich näherkommen sah. Obwohl der Zusammenstoß heftig genug war, um beide Autos zu zerstören, und obwohl der andere Fahrer ernsthaft verletzt wurde, hatte ich Glück, und mir wurden keine bedeutsamen körperlichen Verletzungen zugefügt. Ich erreichte ein Flugzeug zwei Stunden später und war in der Lage, in einer anderen Stadt eine Vorlesung zu halten. Aber ich war zweifellos schwer erschüttert, ich fühlte mich benommen, war zitterig und konnte weder essen noch schlafen. Am Abend war ich unklug genug, mir einen schrecklichen Film (Carrie) anzusehen, der mich gründlich entsetzte, und ich verließ das Kino, bevor er zu Ende war. Ich kehrte ein paar Tage später nach Hause zurück, ohne offensichtliche psychische Nachwirkungen, abgesehen von gelegentlichen Schlafstörungen und Angstträumen.
Aber ein seltsames Problem tauchte auf. Zu dieser Zeit verbrachte ich ein Jahr als Stipendiat am Center for Advanced Study in the Behavioral Sciences in Palo Alto, Kalifornien. Ich war gern mit meinen Kollegen zusammen und freute mich besonders auf die täglichen gemütlichen Diskussionen über gelehrte Fragen zur Mittagessenszeit. Unmittelbar nach dem Unfall entwickelte ich jedoch starke Angst bei diesen Mittag essen. Würde ich etwas von Bedeutung zu sagen haben? Was würden meine Kollegen von mir halten? Würde ich mich zum Narren machen? Nach einigen Tagen wurde die Angst so extrem, dass ich nach Entschuldigungen suchte, um woanders alleine essen gehen zu können. Ich begann jedoch auch, mein Dilemma zu analysieren, und eine Tatsache war überaus klar: Die Angst vor dem Mittagessen trat zum ersten Mal nach dem Autounfall auf. Außerdem war die starke Angst im Zusammenhang mit dem Unfall, bei dem ich nahe daran war umzukommen, innerhalb von ein oder zwei Tagen vollkommen verschwunden. Es war klar, dass es der Angst gelungen war, zur Furcht zu werden. Ein großes Maß an Todesangst war unmittelbar nach dem Unfall in mir aufgebrochen, und ich hatte sie in erster Linie durch Verschiebung »bearbeitet« – ich hatte sie von ihrer wahren Quelle abgespalten und sie an eine spezifische passende Situation geheftet. Meine grundlegende Todesangst erlebte daher nur ein kurzes Aufflackern, bevor sie zu solchen kleineren Sorgen wie Selbstwertgefühl, Furcht vor zwischenmenschlicher Zurückweisung oder Erniedrigung säkularisiert wurde.
Obwohl ich mit meiner Angst umgegangen war, sie »durchgearbeitet« hatte, hatte ich sie nicht gründlich beseitigt; und Spuren davon waren noch monatelang spürbar. Obwohl ich meine Mittagessensphobie durchgearbeitet hatte, tauchte eine Serie anderer Ängste auf – Ängste, einen Wagen zu fahren, Fahrrad zu fahren. Monate später, als ich zum Skifahren ging, war ich so vorsichtig, so ängstlich, dass etwas passieren könnte, dass mein Skivergnügen und meine Fähigkeiten beim Skifahren ernsthaft eingeschränkt waren. Doch diese Ängste konnten in Raum und Zeit lokalisiert und in einer systematischen Art und Weise behandelt werden. So störend sie auch waren, sie waren nicht grundlegend, sie bedrohten nicht mein Sein.
Zusätzlich zu diesen spezifischen Ängsten bemerkte ich einen anderen Wandel: Die Welt erschien gefährlich. Ich hatte in ihr mein Heimatgefühl verloren: Überall schien Gefahr zu lauern. Das Wesen der Realität hatte sich verändert, während ich das erfuhr, was Heidegger »unheimlich« [im Original dt.] nannte – die Erfahrung, »in der Welt nicht zu Hause zu sein«, die er als eine typische Konsequenz der Todesbewusstheit ansah (was ich bestätigen kann).34
Eine weitere Eigenart der Todesangst, die oft in der Literatur über geistige Gesundheit Verwirrung gestiftet hat, ist, dass die Furcht vor dem Tod auf vielen verschiedenen Ebenen erlebt werden kann. Man kann, wie ich ausgeführt habe, sich Sorgen machen über den Akt des Sterbens, die Furcht vor den Schmerzen beim Sterben, das Bedauern über unvollendete Vorhaben, man kann das Ende persönlicher Erfahrungen bedauern oder den Tod so rational und leidenschaftslos betrachten wie die Epikureer, die einfach den Schluss zogen, dass im Tod kein Schrecken ist, weil »wo ich bin, ist der Tod nicht; wo der Tod ist, bin ich nicht. Daher bedeutet der Tod mir nichts« (Lukrez). Wir sollten uns jedoch bewusst sein, dass diese Antworten bewusste erwachsene Reflexionen über das Phänomen des Todes sind; keinesfalls sind sie identisch mit der primitiven Angst vor dem Tod, die das Unbewusste beherbergt – eine Angst, die Teil des Gewebes des Seins ist, die früh im Leben – zu einer Zeit vor der Entwicklung exakten Begriffsverständnisses – gebildet wird, eine Angst, die kalt, unheimlich und roh ist, eine Angst, die vor und jenseits aller Sprache und allen Vorstellungsvermögens existiert.
Dem Kliniker begegnet die Todesangst in ihrer krassen Form selten: Diese Angst wird mit üblicher Abwehr gehandhabt (zum Beispiel Verdrängung, Verschiebung, Rationalisierung) und durch einige Abwehrmechanismen, die nur für sie spezifisch sind (s. u. Kap. 4). Natürlich sollte diese Situation uns nicht übermäßig beunruhigen: Sie gilt für jede Theorie der Angst. Primäre Angst wird immer in etwas weniger Giftiges für die Person umgewandelt; das ist die Funktion des ganzen Systems psychologischer Abwehrmechanismen. Es ist selten, dass ein Kliniker unverhohlene Kastrationsangst (um Freuds Bezugsrahmen zu verwenden) beobachten kann; stattdessen sehen wir einige Verwandlungen der Angst. Zum Beispiel kann ein männlicher Patient phobisch auf Frauen reagieren oder kann ängstlich beim Rivalisieren mit Männern in bestimmten sozialen Situationen sein oder kann dazu neigen, sexuelle Befriedigung in anderer Weise zu suchen als über sexuellen Kontakt mit dem anderen Geschlecht.
Ein Kliniker jedoch, der ein existenzielles Bezugssystem entwickelt hat, wird die »umgeformte« Todesangst erkennen und erstaunt sein, wie häufig und vielfältig sie in Erscheinung tritt. Lassen Sie mich ein paar klinische Beispiele anführen.
Ich begegnete vor Kurzem zwei Patienten, die Therapie nicht wegen existenzieller Angst suchten, sondern um alltägliche schmerzhafte Beziehungsprobleme zu lösen.
Joyce war eine dreißigjährige Universitätsprofessorin, die mitten im schmerzhaften Prozess einer Scheidung war. Sie hatte ihr erstes Rendezvous mit Jack, als sie fünfzehn war, und heiratete ihn mit einundzwanzig. Die Ehe war mehrere Jahre lang offensichtlich nicht gut gegangen, und sie hatten sich vor drei Jahren getrennt. Obwohl Joyce eine befriedigende Beziehung zu einem anderen Mann aufgenommen hatte, war sie nicht in der Lage, ihre Scheidung voranzutreiben. Tatsächlich bestand ihre Hauptbeschwerde, als sie die Therapie begann, in unkontrolliertem Weinen, wann immer sie mit Jack sprach. Eine Analyse ihres Weinens deckte mehrere wichtige Faktoren auf.
Erstens war es von höchster Bedeutung, dass Jack sie auch weiterhin liebte. Obwohl sie ihn nicht mehr liebte und begehrte, wünschte sie sich sehr, dass er oft an sie dachte und sie so liebte, wie er nie eine andere Frau geliebt hatte. »Warum?« fragte ich. »Jeder möchte, dass man sich an ihn erinnert«, antwortete sie. »Es ist ein Weg, wie ich meiner Nachwelt erhalten bleiben kann.« Sie erinnerte mich an das jüdische Kaddish-Ritual, das um die Annahme herum aufgebaut ist, dass man weiterexistiert, solange man in der Erinnerung seiner Kinder ist. Würde Jack sie vergessen, würde sie ein wenig sterben. (Allen Sharp beschreibt in A Green Tree in Geddes einen kleinen mexikanischen Friedhof, der in zwei Teile aufgeteilt ist: die »Toten«, deren Gräber noch mit Blumen geschmückt werden, die die sie Liebenden auf sie legen, und die »wirklich Toten«, deren Grabstätten nicht länger erhalten werden – keine lebende Seele erinnert sich ihrer.35 In einem bestimmten Sinn sterben auch viele andere, wenn eine sehr alte Person stirbt; die tote Person nimmt sie mit. All jene kürzlich gestorbenen, derer sich keiner mehr erinnert, sterben erst in diesem Moment »wirklich«.
Eine andere Quelle von Joyce’ Tränen war ihr Gefühl, dass sie und Jack schöne und wichtige gemeinsame Erfahrungen hatten. Sie hatte das Gefühl, dass diese Ereignisse ohne ihr Zusammensein zerrinnen würden. Das Schwinden der Vergangenheit gemahnt lebhaft an den gnadenlosen Fluss der Zeit. In dem Maß, in dem die Vergangenheit schwindet, verkürzt sich das Band der Zukunft. Joyce’ Ehemann half ihr, die Zeit einzufrieren – die Zukunft ebenso wie die Vergangenheit. Obwohl sie sich dessen nicht bewusst war, war es klar, dass Joyce Angst hatte, die Zukunft aufzubrauchen. Sie hatte zum Beispiel die Gewohnheit, niemals eine Aufgabe vollständig fertig zu machen. Wenn sie ihre Hausarbeit erledigte, ließ sie immer eine Ecke des Hauses ungeputzt. Sie hatte Angst, »fertig« zu sein. Sie begann niemals ein Buch zu lesen, ohne ein anderes auf ihrem Nachttisch zu haben, das darauf wartete, gelesen zu werden. Man fühlt sich an Proust erinnert, dessen Hauptwerke der Flucht vor »den verschlingenden Klauen der Zeit« gewidmet sind, indem er die Vergangenheit wieder einzufangen sucht.
Die Angst vor dem Versagen war noch ein anderer Grund, warum Joyce weinte. Das Leben war bis vor kurzem eine ununterbrochene Erfolgsleiter gewesen. In ihrer Ehe zu versagen bedeutete, dass sie, wie sie es oft formulierte, »genau wie jede andere« sein würde. Obwohl sie beachtliche Talente hatte, waren ihre Erwartungen doch zu grandios. Sie stellte sich vor, internationalen Ruhm zu erringen, vielleicht sogar den Gewinn eines Nobelpreises für ein Forschungsprogramm, das sie in Angriff nehmen wollte. Sollte dieser Erfolg nicht innerhalb von fünf Jahren eintreten, plante sie, ihre Energie der Literatur zu widmen und ein neues You can’t go home again (dt.: Es führt kein Weg zurück; Erfolgsroman von Thomas Wolfe aus dem Jahr 1940; [Anm. Übers.]) zu schreiben – obwohl sie niemals schriftstellerisch tätig war. Doch es gab einen Grund für ihr Gefühl der Besonderheit: Bis jetzt hatte sie bei keinem Erreichen jedes ihrer Ziele versagt. Das Scheitern ihrer Ehe war die erste Unterbrechung ihres Aufstiegs, die erste Herausforderung für ihre solipsistische, anmaßende Welt. Das Scheitern der Ehe bedrohte ihr Gefühl der Besonderheit, das, wie ich im vierten Kapitel erörtern werde, einer der verbreitetsten und mächtigsten, den Tod verleugnenden Abwehrmechanismen ist.
Joyce’ allgemeines Problem hatte also Wurzeln, die zur ursprünglichen Todesangst zurückführten. Für mich als existenziell orientiertem Therapeuten hatten diese klinischen Phänomene – der Wunsch, geliebt und ewig erinnert zu werden, der Wunsch, die Zeit einzufrieren, der Glaube an die persönliche Unverletzlichkeit, der Wunsch, miteinander zu verschmelzen – alle die gleiche Funktion für Joyce: die Todesangst zu mildern. Als sie jedes von ihnen analysierte und die gemeinsame Quelle dieser Phänomene allmählich verstand, besserte sich Joyce’ klinisches Bild beträchtlich. Am überraschendsten war, dass sie, als sie ihr neurotisches Verlangen nach Jack aufgab und ihn nicht länger dafür benutzte, dem Tod zu trotzen, in der Lage war, sich ihm zum ersten Mal in einer wahrhaft liebevollen Weise zuzuwenden und die Ehe auf einer völlig neuen Basis zu gestalten. Aber das ist ein anderes Thema, das ich im achten Kapitel ansprechen werde.
Dann gab es da eine dreißigjährige alleinstehende Frau, Beth, die wegen ihrer Unfähigkeit, eine befriedigende Beziehung mit einem Mann herzustellen, zur Therapie kam. Sie hatte bei vielen vorhergehenden Gelegenheiten »schlecht gewählt«, wie sie es nannte, und hatte die Beziehung abgebrochen, weil sie ihr Interesse an dem Mann verlor. Während sie in Therapie war, wiederholte sie diesen Zyklus: Sie verliebte sich in einen Mann, geriet in einen quälenden Zustand der Unzufriedenheit und war schließlich nicht in der Lage, sich auf ihn einzulassen.
Als wir ihr Dilemma analysierten, wurde deutlich, dass sie sich gedrängt fühlte, eine dauerhafte Beziehung herzustellen: Sie hatte die Einsamkeit satt, hatte es satt, allein zu leben, und wünschte sich verzweifelt, Kinder zu haben. Der Druck nahm zu, weil sie sich Sorgen darüber machte, dass sie älter wurde und das gebärfähige Alter vorüberging.
Als ihr Liebhaber jedoch mit ihr über die Heirat sprechen wollte, geriet sie in Panik; und je mehr er sie drängte, desto ängstlicher wurde sie. Beth verglich die Ehe damit, an der Wand festgenagelt zu werden: Sie wäre für immer in der gleichen Art festgelegt, wie Tiere in der Biologie durch Formaldehyd fixiert werden. Es war wichtig, weiter zu wachsen, jemand anderes zu werden, jemand anderes zu werden als sie war; und sie fürchtete, ihr Liebhaber wäre zu genügsam, zu zufrieden mit sich und dem Leben. Allmählich wurde Beth die Bedeutung dieses Motivs für ihr Leben bewusst. Sie hatte nie in der Gegenwart gelebt. Selbst wenn sie aß oder ein Mahl servierte, war sie schon einen Gang voraus; wenn sie das Hauptgericht aß, waren ihre Gedanken bei dem Nachtisch. Sie hatte oft mit Schrecken über das »sich Niederlassen« nachgedacht, das sie mit »sich zur Ruhe setzen« gleichsetzte. »Ist das alles, was es im Leben gibt?« fragte sie sich oft selbst, wenn sie über Heirat oder irgendeine andere Form des Sich- Einlassens nachdachte.
Als Beth in der Therapie in diese Bereiche eintauchte – ihr Zwang, immer einen Schritt weiter zu sein, ihre Angst vor dem Altwerden, vor dem Tod und dem Stillstand – wurde sie noch ängstlicher als je zuvor. An einem Abend nach einer Sitzung, in der wir besonders tief geforscht hatten, erlebte sie außergewöhnliche panische Angst. Als sie ihren Hund ausführte, hatte sie das unheimliche Gefühl, dass sie von irgendeinem unwirklichen Wesen verfolgt wurde. Sie schaute nach allen Seiten hinter sich, fing schließlich an zu rennen und eilte nach Hause. Später brach ein Regensturm los, und sie lag die ganze Nacht mit der irrationalen Angst wach, dass das Dach weggerissen oder ihr Haus weggespült werden würde. Wie ich im fünften Kapitel ausführen werde, tritt oft eine Verstärkung der Angst ein, wenn die Furcht vor etwas (in Beth’s Fall die Furcht vor der Ehe oder davor, die falsche Wahl zu treffen) verstanden wird als das, was sie tatsächlich ist – eine Furcht vor nichts. Für Beth waren sowohl der Druck zu heiraten als auch die Furcht vor der Ehe teilweise ein oberflächlicher Widerhall des tieferen Kampfes, bei dem es um die Todesangst ging.
Viele Kliniker haben die Gegenwart und die Transformation der Todesangst durch das ganze Spektrum klinischer Pathologie hindurch beschrieben. Das vierte Kapitel handelt davon in größerer Ausführlichkeit, und ich brauche es hier nur anzudeuten. R. Skoog berichtet, dass über siebzig Prozent der Patienten mit schwerer Zwangsneurose vor dem Ausbruch der Krankheit eine Todeserfahrung hatten, die ihre Sicherheit bedrohte. In dem Maß, in dem das Syndrom sich entwickelt, sind die Patienten zunehmend damit beschäftigt, ihre Welt zu kontrollieren und das Unerwartete oder Zufällige zu verhindern. Die Patienten vermeiden Unordnung und Unsauberkeit und entwickeln Rituale, um das Übel und die Gefahr abzuwenden.36 Erwin Strauss bemerkt, dass die Abscheu des zwanghaften Patienten vor Verfall, Krankheit, Krankheitserregern und Schmutz eng verknüpft mit der Furcht vor persönlicher Auslöschung ist.37 W. Schwidder beobachtet, dass diese zwanghaften Abwehrmechanismen beim Abfedern der Todesangst nicht vollständig wirksam waren. Bei einer Studie von über hundert zwanghaft phobischen Patienten stellte er fest, dass ein Drittel von ihnen Enge und Dunkelheit fürchteten, und ein etwas größerer Anteil hatte ausdrückliche Todesangst.38
Herbert Lazarus und John Kostan betonen in einer ausführlichen Studie des Hyperventilationssyndroms (ein extrem häufiger Zustand: zwischen fünf und zehn Prozent aller Patienten, die einen Arzt aufsuchen, leiden an diesen Beschwerden) die darunter liegende Dynamik der Todesangst, die in eine Serie anderer Phobien transformiert wird. Die Unfähigkeit, die Todesangst genügend zu binden, führt zu der Hyperventilationspanik.39