Kitabı oku: «In Your Arms», sayfa 5

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Aus diesem Grunde verschwieg ich ihr auch meine seelische Verfassung und vertröstete sie jedes Mal, wenn sie oder mein Vater mir einen Besuch abstatten wollten oder ich zu ihnen fahren sollte.

Ich wollte sie nicht belasten. Zeitlebens hatten sie sich um mich gekümmert. Nun war ich erwachsen und musste mit meinen Schwierigkeiten selbst zurechtkommen.

Wie hieß es noch gleich? Das Leben war hart …

»Bitte, Mama … Du weißt, wie schwer es ist, seine Arbeit zu wechseln. Die Zeiten haben sich geändert. Ich muss froh sein, überhaupt einen Job zu haben.«

»Das weiß ich, Schätzchen.« Sie hörte sich bekümmert an. »Ich mache mir nur Sorgen. Das verstehst du, oder?«

»Natürlich.«

Aber exakt dies wollte ich verhindern!

Himmel!

Wollte mir wahrhaftig gar nichts mehr gelingen?

»Lass dich nicht zu sehr einspannen. Achte auf dich. Es soll dir gut gehen. Wenn es dir dort nicht gefällt, dann kündige. Besser ein paar Monate arbeitslos zu sein, anstatt sich fertigzumachen.«

Wenn dies so einfach gewesen wäre! Schließlich brauchte ich das Geld. Vor allem jetzt, wo dergestalt viele Zahlungen ins Haus geflattert waren und auf meinem Konto gähnende Leere herrschte. Außerdem war ich mir sicher: Wenn ich jetzt kündigte, würde ich weit länger als ein paar Monate arbeitslos sein …

»Ich passe auf mich auf, versprochen.«

»Das sagst du andauernd … und dann fühlst du dich trotzdem unwohl.«

Sie kannte mich einfach zu gut.

»Mir geht es wirklich gut … aber jetzt muss ich aufhören.«

»Ja, ich verstehe.« Der leise vorwurfsvolle Protest in ihrer Stimme versetzte mir einen Stich.

Ich verstärkte den Griff, mit welchem ich den Telefonhörer festhielt.

Was bitte schön sollte ich denn tun? Sie wusste, wie mein Leben verlief und wie wichtig mir meine Unabhängigkeit war. An meiner Situation konnte sie ebenso wenig etwas ändern wie ich selbst. Was brachte es da, dieses Thema erneut bis ins kleinste Detail durchzukauen? Darüber hinaus hätte ihr eine solche Diskussion im günstigsten Falle weiteren Kummer bereitet.

»Hast du genügend Geld mit?«

Manchmal schien sie Gedanken lesen zu können. »Ja … ja, keine Sorge.«

»Wirklich?«

Mir wurde es heiß. »Ja … es ist alles in Ordnung. Ich rufe dich an, sobald ich mich auf den Weg mache, okay?«

»Ist gut.« Erneut hörte ich sie leise aufseufzen. »Aber wenn du doch Hilfe brauchst, dann ruf mich an.«

»Danke … das mache ich, versprochen.«

»Na gut.«

Sie war sich meiner Flunkerei bewusst geworden.

Ich fühlte mich hundsmiserabel deswegen.

»… Dann schlaf gut. Und pass auf dich auf.«

»Mach ich.« Ich rieb mir über die rechte Schläfe – die Gewissensbisse wollten dadurch aber in keiner Weise abnehmen. »Gute Nacht. Und grüß Papa von mir.«

»Ich werde es ihm ausrichten … Gute Nacht, Schätzchen.«

Ausatmend legte ich den Hörer auf die Gabel.

»Eine besorgte Mutter?«, vermutete Michi.

Mit warmen Wangen nickte ich ihm zu.

Es war klar gewesen, dass er mitgehört hatte … So etwas Peinliches!

»So sind Mütter eben.«

Er kicherte. »Ja, aber besser so, als andersrum.«

»Da hast du recht.« Ich trat zu meinem Koffer. »Ich werde einmal in mein Zimmer gehen und meine Sachen auspacken. Und dann werde ich mich noch kurz zu Walter setzen.«

»Mach das.« Michi fasste nach einem Buch und hielt es hoch. »Und ich werde mir diesen Thriller hier zu Gemüte führen.«

Sein glückseliger Anblick brachte mir ein Lächeln ins Gesicht zurück. »Darfst du das denn?«

Er nickte eifrig. »Ja, wenn es ruhig ist und wir nichts zu tun haben, dürfen wir auch mal ein wenig lanzeln.«

Von daher rührten die wissenden Blicke vorhin!

»Na, dann viel Spaß mit der Geschichte.« Ich hob den Trolley auf und trug ihn über die Holztreppe hoch in den ersten Stock. Oben angekommen, stellte ich ihn zurück auf den Boden, fasste nach dem Griff und zog ihn hinter mir her.

Der Korridor hatte große Ähnlichkeit mit dem in Erdgeschoss. Lediglich die mit Ölfarben gemalten Bilder, welche Jäger mit ihren geschossenen Trophäen, darunter Steinböcke, Hirsche und Gämse zeigten, brachten die typisch österreichische Atmosphäre nochmals besser zur Geltung.

Mein Zimmer lag ungefähr in der Mitte, von einer mächtigen Vollholztür versperrt. Ich schloss auf und trat ein. Ein behaglicher Duft von Holz und Zimt stieg mir in die Nase. Mein Blick glitt durch den schätzungsweise fünfzehn Quadratmeter großen Raum. Das Doppelbett befand sich auf der rechten Seite, gegenüber davon stand ein Schrank. Vor mir, unter dem quadratischen zweiflügeligen Kastenfenster mit den altrosa Vorhängen und dem Store mit Blumenmuster, erstreckte sich eine kurze Kommode, auf der eine Duftlampe stand. Der Boden war mit einem naturfarbenen Teppich ausgelegt worden, welcher sich bereits unter meinen Stiefeln unbeschreiblich weich anfühlte.

Um diesen nicht zu beschmutzen, zog ich mir zu allererst die Schuhe aus. Ich entledigte mich des Mantels und der Handschuhe und begann sodann, den Koffer auszupacken. Mit den Hygieneartikeln in der Hand schritt ich an der Kommode vorbei in das kleine hellgelb verflieste Bad. Es beinhaltete eine Dusche, ein WC und ein winziges Waschbecken mit einem vielleicht sechzig mal sechzig Zentimeter großen Spiegel an der Wand.

Niedlich war kein Ausdruck.

Ich musste gestehen, so wohl wie ich mich hier fühlte, fühlte ich mich nicht einmal in meiner kleinen Vorstadtwohnung mit den vielen Laubbäumen und den im Sommer blühenden Stauden drumherum.

Um ehrlich zu sein, hatte ich mich dort noch nie sonderlich wohlgefühlt. Das lag zum einen an der viel befahrenen Straße und zum anderen an den Mietern.

Was will die Angeberin hier?

Kannst du dir die Miete überhaupt leisten?

Ich sage es dir das letzte Mal: Wenn du an der Reihe bist mit dem Stufenwischen, dann muss das pünktlich erledigt werden, oder es wird der Hausverwaltung gemeldet – und dann verlierst du die Wohnung schneller, als du schauen kannst.

Kopfschüttelnd versuchte ich, die Gedanken loszuwerden.

Weshalb mussten Menschen stets solchermaßen kalt sein? Was hatte ich ihnen getan? Was hatten sie davon, andere runter zu machen? Wieso konnte die Gesellschaft nicht freundlich miteinander umgehen?

Seufzend trat ich zum Waschbecken und wusch mir die Hände, dann machte ich mit dem Ausräumen weiter.


Dir so nah


Christina liegt neben mir, an meinen Körper gekuschelt. Ihr sanfter Atem kitzelt in meinem Nacken, entfesselt mir immerzu ein kribbeliges Gefühl im Bauch.

Wie schön die Nacht gewesen war! Unvergleichlich. In Worte nicht zu kleiden.

Niemals hätte ich vermutet, ihr noch am selben Tage solchermaßen nahe kommen zu dürfen – speziell einer Jungfrau nicht.

»Es war wunderschön«, höre ich sie hauchen. »Unfasslich schön. So habe ich es mir immer erträumt.«

Ich lege die Hände auf Christinas meinen Oberkörper geschlungene Arme. »… Es war unglaublich.« Ihr Bein, welches zärtlichst über meines reibt, bringt mein Herz wie wild zum Klopfen. »Am liebsten würde ich nie mehr aufstehen.«

Ein von Glücksgefühlen und Dankbarkeit genährtes Kichern dringt aus ihrem Mund in meine Ohren. »Hier gemeinsam liegen, bis ans Ende der Zeit.«

Welch wundervolle Vorstellung!

Christinas Magenknurren lässt mich auflachen. »Wie es scheint, hat der Hunger bedauerlicherweise ein Wörtchen mitzureden.«

»Ja«, seufzt sie. »Unseligerweise.«

Ich drehe mich zu ihr um. »Willst du frühstücken?«

Jäh färben ihre Wangen sich dunkelrot, zugleich senkt sie den strahlenden Blick. »Lieber würde ich dich noch einmal spüren.«

Heiße Erregung stürmt mir durch den Leib. »Meinst du wirklich?« Behutsam fahre ich ihr durchs samtweiche Haar. »Es hat dir wehgetan. Meinst du nicht, wir sollten etwas warten, bis wir erneut …«

Beträchtlich beschämter schmiegt sie sich an meinen nackten Körper. »Entscheide du …«

Liebend gerne hätte ich Christinas Wunsch erfüllt. Doch irgendetwas sagt mir, mich ein wenig in Geduld zu üben.

»Gehen wir erst frühstücken und sehen dann weiter, einverstanden?«

Nickend richtet sie sich auf. Hellbraune, leicht gewellte Strähnen fallen ihr über die Brüste. Es ist ein unbeschreiblicher Anblick – der schönste Anblick überhaupt.

»Du bist wunderschön.« Ich schenke ihr einen nicht enden wollenden Kuss. »Meine Traumfrau.«

Alsbald ich meine Stirn auf ihre gelegt habe, wispert Christina: »Das klingt nun vielleicht etwas zu naiv … aber du bist wahrhaftig all das, was ich mir jemals wünschte. Es mutet mir an, dich bereits mein gesamtes Leben lang zu kennen.«

Unaussprechliche Erleichterung vermengt mit Gefühlen des reinen Glücks und der Freude lähmen mir den Verstand.

Ihr abertausende Küsse schenkend drücke ich sie zurück auf die weiche Matratze – und revidiere meine vorhin gefällte Entscheidung.

Ihre Finger vergraben sich in meinem Rücken, sanfte Laute der Sehnsucht erfüllen den Raum.

Kapitel 4 – Seine Traumfrau


Jan sah sie an der Rezeption.

Ein dunkelgrüner, figurbetonter, langer Mantel mit schwarzem kurzen Fellkragen, eine dazu passende elegante schwarze Fellhaube, schwarze Lederhandschuhe und Stiefel, goldenes Haar, welches sich wie ein Wasserfall über ihren Rücken ergoss … strahlende Augen … ihr unsicheres wie erschöpft wirkendes sanftes, ihn an einen Engel erinnerndes Lächeln …

Für die ersten Sekunden hatte er vermutet, einen Herzschlag zu erleiden.

Sie.

Sie sah ihr derart ähnlich. Unglaublich ähnlich … als entsprünge sie seinem Buch.

Konnte es stimmen? Konnte dies wahrhaftig der Möglichkeit entsprechen? Oder spielten Verstand wie Sehnsucht ihm einen bösen Streich?

»Wer ist diese Frau?«, flüsterte er einer vorbeigehenden Tina zu.

Woher kam sie? Warum war sie alleine unterwegs? Solch ein bezauberndes Geschöpf musste doch in Begleitung eines edlen Mannes stehen!

Seine Kollegin drückte sich neben ihn an die Mauer und warf der Holden einen verstohlenen Blick zu. »Keine Ahnung … aber sie scheint dein Typ zu sein … niedlich, jung, naiv, unschuldig … meinst du, sie ist noch Jungfrau?«

Grundgütiger!

Eine unbeschreibliche Hitze stieg in ihm auf.

»Wie kommst du auf eine solche Annahme?! Das kannst du unmöglich sagen. Das … das geht einfach nicht!«

Gemeiniglich gefiel ihm Tinas Direktheit … aber manchmal … nun … da war diese Charaktereigenschaft schlicht und ergreifend fehl am Platze.

Tina blieb von seiner Reaktion vollkommen unberührt. »Sie ist süß.« Ihre Lippen formten ein verschmitztes Lächeln. »Mach dich an sie ran, Tiger! Vielleicht wirds ja was.« Abschließend klopfte sie ihm mutmachend auf die Schulter und huschte davon.

Bloß für eine Millisekunde vermochte er es, seiner Kollegin nachzublicken, ehe diese mysteriöse Schönheit einer Frau ihn wieder vollends in ihren Bann zog.

Sie mutete wie ein Engel an … ein Engel des Herrn … nein, eine Göttin, herabgestiegen vom Himmel … Korrektur … entsprungen aus seinem Roman.

»O nein«, kam es jäh geschockt aus ihrem Mund, sodass es ihm eisigkalt den Rücken hinab lief. »Nein …« Angestrengt durchsuchte sie ihr grünes Portemonnaie. »Das kann nicht wahr sein.«

Was war geschehen? Hatte sie etwa nicht genügend Geld bei sich?

Nein. Ausgeschlossen. Hinsichtlich ihres Aussehens und ihrer Grazie musste sie von der gehobeneren Gesellschaft abstammen.

Ihre Gesten, der Blick und ihre Körpersprache strahlten reine Eleganz und Selbstsicherheit aus … und etwas, das ihm nicht recht zu beschreiben gelang. Eine Art Distanz. Sie schien unnahbar … unerreichbar.

Eine solche Wirkung besaß ausschließlich eine Person aus gut situierten Kreisen. Da war er sich sicher. Bestimmt verfügten ihre Eltern über ein gewaltiges Vermögen …

Waren sie Rechtsanwälte?

Makler?

Bänker?

Industrielle?

Jan seufzte.

Wusste dieses edle Geschöpf überhaupt, was es zu arbeiten bedeutete? Oder hatte sie gar genügend Stolz und Charakter, um ihr Leben eigenständig zu finanzieren, anstatt von Papi laufend mit Geld unterstützt zu werden?

»Jan!«, donnerte eine tiefe männliche Stimme – die Stimme des Hoteleigentümers.

Eine Mischung aus Panik, Adrenalin und Ertappt-worden-Sein veranlasste Jan, sich wie von der Tarantel gestochen umzudrehen. Dabei geriet er ins Straucheln, vermochte es in weiterer Folge nicht mehr, sich an der kleinen Holzkommode festzuhalten, infolgedessen er mit dem Gesicht voran geradewegs zu Boden stürzte.

»Jan. In Gottes Willen! Hast du dich verletzt?«

Er stemmte sich hoch, fühlte dabei kurz durch seinen Körper: Die Knie taten ihm ein wenig weh … und sein rechter Ellbogen.

»Nein, nein … nichts passiert.«

Der Chef musterte ihn besorgt. »Warum erschreckst du dich andauernd so heftig?«

Jan blickte dem mit einer schwarzen Anzughose, dem typisch österreichisch geblümten Trachtenhemd und der dazu passenden Weste bekleideten kleinen rundlichen Mann, dessen ergraute Halbglatze und die rötlichen Bauschbäckchen seinen gönnerhaften und gutgläubigen Charakter ebenso visuell darlegten, entschuldigend ins Gesicht. »Bitte verzeihen Sie. Ich habe –«

Des Chefs Augen begannen zu leuchten. »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.« Der vierundfünfzigjährige Mann nickte zur Rezeption. »Kann es sein, dass du die junge Frau da beobachtet hast?«

Eine unangenehme Wärme stieg ihm in die Wangen. »Nun –« Er räusperte sich. »Ja … Ich wollte kurz auf die Toilette … und da habe ich sie gesehen.«

Ein breites Grinsen auf den Lippen tragend machte der Hoteleigentümer einer ausladenden Geste Richtung Gang. »Dann erledige mal das, was du zu tun gedachtest.«

Jan nickte und rauschte davon.

Himmelherrgottsakrament!

Dies hatte die unüberbietbar beschämendste Situation des Tages dargestellt!

Mit kontinuierlich glühenderem Haupt trat er in die Angestelltentoilette.

Was war heute bloß los mit ihm?

Erst drifteten seine Gedankenspiele unkontrollierbar ab, und dann musste er obendrein von seinem Chef aufgeklatscht werden …

Nun, ein Gutes hatte diese Situation dennoch: Peinlicher konnte es fürwahr nicht mehr werden.

Kapitel 5 – Eierspeise für Schüchterne

Nachdem ich den Koffer vollständig ausgepackt hatte, machte ich mich auf zur Theke.

Wie ausgemacht fand ich Walter dort vor, ein kleines dunkles Bier in der Hand, den Barkeeper bequatschend – so man den jungen Mann mit der stämmigen Figur, den kurzen schwarzen Haaren und dem Trachtenoutfit benennen durfte.

»Ah, da kommt sie ja endlich!«, rief mein Retter und hob das Bier in die Höhe. Ein Blick zum Barkeeper folgte. »Das ist Lisa. Sei bloß nett zu ihr!«

Letztgenannter nickte mir zu. »Willst du etwas trinken?«

Lächelnd setzte ich mich auf einen der aus Vollholz bestehenden dunkelbraunen Barhocker. »Nur Leitungswasser –« Ich stockte. »Wenn das denn geht. Ich mag Mineralwasser nicht besonders.«

Wie oft hatte ich ob dieser Bestellung schiefe Blicke geerntet oder mir dumme Sprüche anhören müssen?

»Kein Problem.« Er zwinkerte mir zu, fasste nach einem Glas und füllte es. »Du kommst wohl aus der Stadt.«

»Du meinst wegen des Wassers, oder?«

»Ja … In den Städten ist es normal, Leitungswasser nicht mehr anzubieten, weil die Wirtshäuser damit nichts verdienen … Aber wir –« Mit stolzen Gesichtszügen und einer gleichermaßen ausladenden Körpersprache stellte er das Wasser vor mich auf den polierten dunklen Holztresen. »Machen da nicht mit.«

»Einmal kein Kommerz? Das gibt es selten.«

Und einmal mehr ertappte ich mich dabei, wie ich völlig ungezwungen meine Gedanken laut aussprach.

Halte dich zurück. Halte dich ein wenig zurück.

»Hier ist die Welt noch in Ordnung«, warf Walter fröhlich ein und prostete mir zu. »Deshalb kommen die Leute so gerne auf Urlaub hierher.«

Ich erwiderte die Geste und trank einen Schluck. »Kann ich mir gut vorstellen. Soweit ich bisher gesehen habe, ist euer Dorf ein richtiges kleines Juwel … versteckt und abgelegen … ich muss zugeben, mir ist bisher nicht einmal die Seitenstraße aufgefallen … geschweige denn die Tafel mit dem Ortsnamen auf der Hauptstraße.«

Walter nickte stolz. »Wir sind sogar auf der UNESCO Liste vertreten.«

Der Barkeeper schmunzelte. »Ja, aber leider nur in Form des alten Dorfbrunnens.«

Ich konnte gar nicht anders, als laut aufzulachen.

Wie er es gesagt hatte – sarkastisch wie fröhlich zugleich – es klang unglaublich witzig.

Lach nicht so laut!, hallte es mir durch den Kopf. Das hört man ja bis hinaus auf den Gang!

Gleichermaßen schnell, wie mir diese peinliche Gefühlsregung herausgerutscht war, unterdrückte ich sie wieder.

Verflixt!

Diese Leute kannten mich nicht … und ich kannte sie nicht. Und dann lachte ich hier unverschämt laut auf. Das war nicht eben die feine englische Art …

Unangenehme Gefühle geboren aus Erinnerungen vergangener Erlebnisse und hochzüngelnde Scham verdrängend trank ich einen weiteren Schluck.

Abermals war ich drum und dran, mich in nicht einmal fünf Minuten bis auf die Knochen zu blamieren –

»Und die große fünfhundert Jahre alte Kirche auf der Anhöhe«, wurden meine Gedanken durch eine jugendlich-sanfte wie unsicher klingende Männerstimme unterbrochen, welche anscheinend hinter meinem Rücken ihren Ursprung fand. Der unterschwellige warme Ton entfesselte eine leichte, langsam über meinen Rücken bis in meinen Nacken kriechende Gänsehaut, wodurch mein Puls unweigerlich an Geschwindigkeit zulegte.

Wie mir schien, hatte ich heute wahrhaftig ein wenig zu viel Aufregung erfahren. Anders konnte ich mir meine törichte körperliche Reaktion kaum erklären.

Obgleich ich den unbekannten Mann hinter mir ignorieren wollte, stieg eine leichte Neugier in mir hoch.

Wie sah die Person aus, deren Stimme mich solchermaßen berührte?

Langsam drehte ich mich um – und für die nächsten Momente stand die Welt still.

Mittellange im schummrigen Schein der Barbeleuchtung goldbraun glänzende Haare. Niedlich-zarte Gesichtszüge. Olivgrüne mich durchdringend musternde Augen … Ich konnte ihre Form nicht bestimmen. Weder waren sie länglich noch rund, jedoch unsagbar klar – schön … beinahe zu schön für einen jungen Mann.

Ich blickte etwas genauer hin. Nein, olivgrün beschrieb es nicht richtig. Eher Grasgrün. Oder Zartgrün … gar Moosgrün?

Ich wusste es nicht mehr.

Ich wusste gar nichts mehr. Lediglich eines war mir klar: Ich vermochte es nicht, mich von diesen elysischen Augen loszureißen.

Ebenso wenig vermochte ich es, diese neuen über mich hereinbrechenden mir gänzlich unbekannten Empfindungen zu benennen oder zu unterbinden.

Sie lähmten mich gleichermaßen, wie sie mich aufwühlten. Sie umschlangen mein Innerstes, kurbelten meinen wilden Herzschlag nochmals kräftig an, erleichterten und schützten mich.

Reiß dich zusammen!

Es gelang mir partout nicht zu sagen, wie lange ich den Mann schlussendlich angestarrt hatte. Oder ob oder wie er darauf reagierte, war ich doch weiterhin viel zu sehr damit beschäftigt, seine unbeschreiblichen Augen zu betrachten. Augen, in welchen ich ungeheuer viel zu erkennen glaubte … Und irgendwie auch nicht.

Ich fühlte mich verwirrt.

Einerseits war ich mir sicher gewesen, für den Moment eines Wimpernschlags unbändige Neugier, eine Art Tatendrang, kindliches Staunen, Mut, Ehrlichkeit und Hoffnung zu erkennen ebenso Unsicherheit, Furcht, Resignation und Traurigkeit. Aber jäh schienen all diese Emotionen wie verschwunden – als hätte jemand einen Schalter umgelegt.

Womöglich hatte ich es mir bloß eingebildet …

Menschen einzuschätzen gelang mir nie sonderlich gut. Dies bewies bereits mein nicht existenter Freundeskreis.

Ja, bestimmt hatte ich die vorhin erlebte gütige Freundlichkeit Manfreds nun auf diesen Menschen projiziert.

Nur, was hatte dazu den Anlass gegeben?

Ich wollte den Mann einer genaueren Prüfung unterziehen – doch auf Gedeih und verderb, es gelang mir nach wie vor nicht, meinen Blick von seinem zu nehmen.

Diese hellgrünen ehrlichen Augen … nein … dieses Licht in ihnen. Ja, dies hatte daran Schuld. Es lag gar nicht an der Form oder der Farbe – einzig an diesem strahlenden Licht, welches direkt aus seiner Seele zu kommen schien. Ein Licht, das ich in dieser Form noch nie zuvor erblickt hatte.

Es war eigenartig.

Üblicherweise sträubte sich alles in mir, wenn ich einen gänzlich fremden Menschen dergestalt lange und intensiv musterte. Hier hingegen geschah das exakte Gegenteil: Je länger ich ihn anstarrte, desto sicherer fühlte ich mich. Weder überkamen mich Scham, Furcht noch Zweifel oder Unsicherheit. Alleine Wärme spürte ich. Echte mein Herz erfüllende Wärme … nein … Geborgenheit, Sicherheit, Schutz … zu Hause.

Endlich bist du da. Wo hast du bloß solchermaßen lange gesteckt?

Durch diesen merkwürdigen Gedanken vollständig verwirrt, versuchte ich die vorhin getätigte Aussage des jungen Mannes aus meinen Erinnerungen abzurufen.

Es gelang mir beim besten Willen nicht!

Hatte dies ebenfalls mit dem Unfall zu tun? Womöglich ein nachträglicher Adrenalinausstoß, oder etwas Ähnliches?

»… was stehst du da, wie versteinert. Die Dame hat bestimmt Hunger. Bring ihr etwas.«

Manfreds allmählich in meinen Verstand vordringende Äußerung half mir teilweise, mich aus meiner Starre zu lösen.

»Nein … nein … Machen Sie sich bitte keine Umstände.« Nervös gestikulierte ich in des jungen Mannes Richtung. »Ich brauche nichts mehr. Außerdem ist es viel zu spät.«

»Red keinen Unsinn!«, widersprach Walter an mich gerichtet, ehe er wieder den Jüngling beäugte. »Bring ihr was! Sie hat genügend Aufregung gehabt. Da braucht sie jetzt was im Magen.«

Es verging ein Moment, bis der Mann eifrig nickte – seinen Blick nahm er zu keiner Zeit von mir. »Natürlich … was … was wünschen Sie denn?«

Ich vernahm die lachende Stimme des Barkeepers: »Ich wusste nicht, dass wir jetzt sogar Menüwünsche entgegennehmen.«

»Ich … nein … so meinte ich das nicht.« Er befeuchtete die schmalen Lippen, wollte weitersprechen, brachte aber kein einziges Wort mehr hervor.

Von einer Sekunde auf die andere fühlte ich mich hundeelend. Die gewaltige Scham des jungen Mannes schien komplett auf mich überzugehen.

Diese Situation war mir nicht fremd.

In den letzten Jahren hatte ich ein beinahe schmerzhaftes Talent dafür entwickelt, nervliche Anspannungen wahrzunehmen. Dies wirkte sich in zitternden Händen, manchmal sogar leichten Schweißausbrüchen und einem allgemeinen Unwohlsein meinerseits aus.

Dergestalt intensiv wie bei ihm hatte ich allerdings noch nie empfunden.

Strahlte er Empfindungen, verglichen mit anderen Menschen, stärker aus? Oder hatte ebenfalls meine eigene Lage Schuld daran?

Was es auch war: Ich kannte sein Gefühl … viel zu gut. Wenn man sich ohnehin unsicher fühlte, keine Fehler begehen wollte, in exakt dem Moment aber vollends den Faden verlor … es war fürchterlich. Es war grauenvoll. Es war entsetzlich.

Ich wollte ihm Mut zusprechen, ihn irgendwie dazu verhelfen, seine Nervosität zu verlieren. Letzten Endes blieben all meine Bemühungen, meinen Verstand in die Gänge zu bringen, nutzlos.

Es war wie verhext!

Eben erst hatte ich meinen Standpunkt ohne zu zögern darlegen können. Und nun wollte mir nicht einmal mehr ein einziges beruhigendes Wort einfallen …

Was war heute bloß los?

Ein Blick Richtung Esstische brachte mir den erlösenden Einfall.

Vielleicht sollte ich mir selbst einen schnellen Nachtimbiss zusammenrühren? Dann brauchte niemand mehr für mich zu kochen. Und der Kellner – das vermutete ich jedenfalls aufgrund der schwarzen Hose und des schneeweißen Hemds, welche der schüchterne Mann trug – musste nicht noch längere Zeit nach geeigneten Begriffen suchen, um dieser peinlichen Situation die Schärfe zu nehmen.

»Ich kann mir selbst schnell etwas machen«, schlug ich nach weiteren endlosen Sekunden vor. »Sie müssen sich nicht bemühen.«

»Um Himmels willen!« Schockiert schüttelte er vehement den Kopf. »Das geht nicht! Sie sind hier Gast! … Ich … ich werde sofort nachschauen, was wir noch dahaben.« Und damit rauschte er davon.

O nein … nein, nein, nein.

Weder hatte ich ihn über meine Nahrungsmittelunverträglichkeit in Kenntnis setzen können, geschweige denn ihn darüber aufklären, dass ich gar kein Gast, sondern eine Mitarbeiterin war!

Eine prickelige Erkenntnis jagte mir durch den Leib.

Ich drehte mich zu Walter. »Er wird nicht extra kochen, oder? … Das will ich nicht. Das ist unnötig. Außerdem –« Ich stockte.

Üblicherweise sprach ich nicht gerne über meine gesundheitlichen Probleme. Besonders nicht mit fremden Leuten. Da fühlte ich mich stets wie eine nach Mitleid verlangende alte Frau.

Mein mich neugierig taxierender Lebensretter verscheuchte sämtliche Sorgen.

»Ich meine … ich vertrage einige Lebensmittel schlecht bis überhaupt nicht. Wenn er mir nun etwas bringt, das ich nicht essen darf …« Ich räusperte mich. »Es wäre fürchterlich, wenn er umsonst kocht.«

Walter antwortete mit einem überraschten »Oh« und glitt dabei vom Barhocker. »Dann werde ich ihm das schnell ausrichten.«

Er ging los.

»Warte, ich komme mit!« Ich jagte ihm nach. »Dann kann ich ihm gleich erklären, was ich essen darf und was nicht.«

Sonst ergab dies alles erst recht keinen Sinn mehr!

Mir wurde es sekündlich unwohler.

Verflixt und zugenäht!

Diese blöden Hemmungen!

»Gute Idee!« Walter grinste mich an. »Du denkst wenigstens mit.«

Ob seiner Äußerung es mir unmöglich ein sanftes Schmunzeln zu unterbinden, folgte ich ihm durch den lang gezogenen Raum bis zum schmalen an der linken Seite gelegenen Durchgang, welcher Speisesaal und Küche miteinander verband.

Nun wusste ich wenigstens, wohin ich mich morgen Früh zu begeben hatte …

»Jan?« Walter trat in die Küche. »Wo bist du?«

Ein mir das Wasser im Munde zusammenlaufender köstlicher Geruch wehte mir entgegen.

Schluckend blickte ich mich um. Die Küche war gar nicht so groß, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Vielleicht an die fünfunddreißig Quadratmeter. Dafür wurde jeder Zentimeter ausgenutzt. Die sich von der linken bis zur rechten Seite durchziehende Anrichte präsentierte sich in glänzender Edelstahloptik. Ziemlich in der Mitte der Räumlichkeit stand ein von allen vier Seiten benutzbarer Edelstahltisch, über welchem unzählige Schöpfer, Messer und andere Kochutensilien hingen – ungeduldig darauf wartend, benutzt zu werden. Keinen Meter vor uns befand sich eine weitere schmale, quer stehende Anrichte, auf der aller Wahrscheinlichkeit nach Desserts zubereitet wurden. Dies bewiesen die oberhalb hängenden Kuchenformen sowie der auf der Arbeitsplatte abkühlende goldbraune Striezel.

Damit wäre auch geklärt, von woher der köstliche Geruch stammte.

Jäh tauchte der junge Mann hinter der länglichen Anrichte hervor. In seinen Händen hielt er eine ovale Schüssel.

»Brauchst du etwas Bestimmtes?« Des Jünglings Augen blickten ebenso fragend, wie seine Stimme klang. Es war unmöglich zu beschreiben, wie niedlich er dadurch anmutete.

Alsbald er mich bemerkte, verschwand dieser Ausdruck jedoch blitzartig und Befangenheit erschien. »Ich … ich bin gleich so weit.« Zögerlich stellte er die Eisenschüssel auf die Anrichte, den Blick gesenkt. »Ich muss bloß etwas zusammenrühren.«

»Erstens.« Walters strenge Stimmlage entfesselte mir einen leichten Adrenalinausstoß. »Seit wann kochst du? Zweitens, wo ist der Chefkoch überhaupt? Und drittens, bevor du anfängst, solltest du erst mit Lisa reden.«

Diese vielen Fragen brachten den jungen Mann gänzlich aus dem Konzept. Nach Erwiderungen ringend hielt er sich krampfhaft an der hingestellten Schüssel fest. »Der Koch …? Der ist fertig für heute … Wahrscheinlich befindet er sich bereits in seinem Zimmer und schläft … Deshalb dachte ich, schnell eine Kleinigkeit zusammen zu rühren.«

Er tat mir furchtbar leid. Wie erschrocken er aussah … War er etwa derart schüchtern?

Walters herzliches Lachen erklang. »Du und deine Unsicherheit! Also wirklich, Jan!« Bedächtig schüttelte der Schneepflugfahrer den Kopf. »So gut musst du mich jetzt aber schon kennen, dass das keine Kritik sein sollte.« Mein Retter wandte sich mir zu. »Er hat ständig Angst, etwas falsch zu machen, weißt du?«

Ich blinzelte.

Dann ging es ihm ja ähnlich wie mir!

Walter legte seine Hand auf meine Schulter. »Lisa hat Allergien, hat sie gesagt. Also solltest du dich mit ihr mal kurz unterhalten.« Er straffte die Gestalt. »So … und ich gehe jetzt zu meinem Bier zurück, sonst wird es noch warm.« Verschwörerisch zwinkerte er mir zu und verschwand in den Speisesaal.

Ganz lustig.

War das ein Scherz? Wollte er etwa …? Dachte er, ich hätte Interesse an dem Kellner?

Unangenehme Wärme kroch mir ins Gesicht.

O nein!

Nicht auch noch das!

Ich ertrug es nicht, vor anderen Menschen rot anzulaufen – insbesondere nicht vor mir gänzlich unbekannten Personen.

Was musste mir heute eigentlich noch widerfahren?

»Sie haben Allergien?«, brachte der junge Mann, welcher nebenbei erwähnt, ebenfalls ziemlich verstört wirke, entsetzt hervor. »Das ist ja furchtbar … Was dürfen Sie denn nicht essen?«

Krampfhaft versuchte ich, meiner stechenden Nervosität Herr zu werden. »Nun … sagen wir eher, was darf ich essen.« Ich drehte mich zum Striezel. »Ist der aus Weizenmehl?«

»Ja.«

Natürlich … was auch sonst?

Gedanklich seufzte ich. »Nun … den darf ich dann schon einmal nicht essen.«

»Ach du … Dabei wollte ich Ihnen ein Stück von diesem geben … mit Vanillepudding und Schokosoße.«

Bei dieser Vorstellung fing mein Magen lautstark zu knurren an. Das wiederum machte diese ohnedies fürchterlich beschämende Situation nochmals prekärer.

»Das klingt ja herrlich«, erwiderte ich eine Spur lauter, um meine Magengeräusche zu übertönen. »Nur leider darf ich auch keine Milchprodukte.«

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