Kitabı oku: «In Your Arms», sayfa 5

Kapitel 23 – Deine Nähe
Jan zitterte wie Espenlaub.
Beruhige dich!, lief es wie eine Art Endlosschleife in seinem Kopf. Beruhige dich. Das Telefon beißt nicht.
Dafür drangen Stimmen aus dem Hörer …
Himmel!
Er hielt es nicht aus, mit Menschen zu sprechen, die er nicht sah!
Wie sollte er denn ihre Reaktionen abschätzen, wenn diese nicht vor ihm standen? Wie konnte er sich seinem Gesprächspartner anpassen, wenn dieser sich dutzende Kilometer von ihm entfernt aufhielt?
Sein Blick glitt über das schwarze Display, sein Daumen über den Home-Button schwebend.
Er konnte die Schmerzen nahezu fühlen – Schmerzen, welche von laut sprechenden Menschen sowie knallenden, kratzenden und pfeifenden Geräuschen ausgelöst wurden. Schmerzen, welche in seinem Trommelfell starteten, weiter in seinem Kopf wanderten, ehe sie in seinen Zähnen ein abruptes Ende fanden.
Die Erinnerung alleine verschlug ihm bereits das rechte Ohr.
Jan seufzte.
Ach, wäre es alleine der Schmerz gewesen, welcher ihm diese schauervolle Furcht entfesselte! Fatalerweise stellte dieser nur die Spitze des Titanic-Eisberges dar!
Unwillkürliche Pausen, in welchen er nicht wusste, ob er etwas entgegnen sollte … ihn nicht zu Wort kommen lassende Gesprächspartner … er selbst, der stets dann zu sprechen begann, wenn die Person am anderen Ende der Leitung etwas sagen wollte …
Er schluckte aufwallende Panik hinunter.
Aufgrund eines Dialekts, Sprachfehlers, einer zu leisen Stimme oder einer technischen Störung unmöglich zu verstehende Menschen …
Gütiger Gott!
Das war der Horror schlechthin.
Beruhig dich!, tadelte er sich. Manfred spricht normal und deutlich. Da kann nichts schiefgehen!
Aber dafür würde er ihm eine gewaltige Standpauke halten – das war gewiss.
Jan schüttelte den Kopf.
So oder so – er musste anrufen. Gänzlich unerheblich, welche Ausmaße seine Furcht annahm. Gänzlich unerheblich, welche Konsequenzen ihn erwarteten. Er musste Manfred Bescheid geben. Das war er ihm schuldig!
Mit bebenden Händen und rasendem Puls aktivierte er das Display und wählte die Nummer. Er führte das Telefon an sein Ohr – und sein gesamtes Gedärm zog sich zusammen.
Schweißausbrüche folgten ebenso wie ein sekündlich an Intensität zunehmendes Pfeifen in den Ohren.
Es tut mir leid, dass ich ohne ein Wort zu sagen verschwunden bin, überlegte er seinen Entschuldigungstext. Ich verstehe es voll und ganz, wenn Sie mir diesen Tag vom Lohn abziehen.
»Weiß.« Wie ein Tritt beförderte die volle Stimme des Hotelbesitzers ihn aus seinen Gedanken zurück in die Realität.
Wenigstens klingt er freundlich, versuchte er sich aufzumuntern. Wenigstens das.
… Bloß, wie lange noch?
»Hier ist … Jan Lehr«, antwortete er stotternd. »Ich … ich –«
»Jan!« Unbeschreiblich laut drang sein Name aus dem Hörer ihm ins Ohr, wodurch er regelrecht spürte, wie eine jedoch noch vorhandene Farbe aus seinem Gesicht verschwand und eisige Kälte ihm in die Wangen kroch. Gleichzeitig begann sein Herz irrsinnig hart zu pumpen – er fürchte, es würde aus seiner Brust springen.
Es tut mir leid, dass ich ohne ein Wort zu sagen verschwunden bin …
»Geht es dir gut?«
Hörte er da etwa Besorgnis in Herrn Weißs Frage mitschwingen?
»Wo bist du? Tina hat mir erzählt, wie du völlig aufgelöst das Hotel verlassen hast.«
…
Die Einsamkeit, das Unverständnis, die Furcht, das Gewitter, die Sehnsucht … Liza …
…
Er wusste nicht, ob er weinen oder schweigen sollte. Da er sich jedoch ohnehin viel zu aufgewühlt fühlte, um überhaupt ein einzig vernünftiges Wort hervorzubringen, entschied er sich für Letzteres.
Es tut mir leid, dass ich … mit keinem Wort zu sagen … verschwunden bin …
Nein, der Satz hatte anders gelautet …
»Jan? Hörst du mich?«
Räuspernd versuchte er, in seinem durchlöcherten Verstand irgendwelche halbwegs brauchbaren Begriffe zusammenzukratzen. »Ja … ja, ich höre Sie –«
»Was ist passiert? Wo bist du? Wir machen uns große Sorgen.«
…
Was?!
Sie machten sich Sorgen? Aber weshalb? Weshalb sollte irgendjemand sich um ihn sorgen? Schließlich war er lediglich Abwäscher und Kellner …
»Es … es geht mir gut.«
Er vernahm ein erleichtertes Ausatmen, gefolgt von neuen Fragen: »Wo bist du? Was ist passiert?«
…
Wann folgte wohl die Schelte?
»Ich bin … ich bin bei Liza.«
Es tut mir leid, dass ich … verschwunden bin –
»Liza?« Herrn Weißs mindestens um eine Oktave höher klingende Stimmlage riss ihn abermals aus sämtlichen ausufernden Überlegungen. »Das ist ja großartig! Und? Wie sieht es aus?«
…
Wie bitte?!
»Wie … wie meinen …?«
»Sie mag dich, nicht?«, flötete er. »Sie mag dich.«
Die eben erst seinen Körper ausfüllende Kälte wich brennender Hitze.
Herr Weiß wusste ebenfalls von seinen Gefühlen zu Liza Bescheid?!
Himmelherrgottsakrament!
Wem hatte Tina nicht noch alles davon erzählt?
»Ich … also –«
»Dann war es doch richtig, dich ihr zuzuteilen! Ihr mögt euch tatsächlich! Das ist ja großartig!«
Diese letzte mit purer Freude getränkte Aussage seines Chefs radierte den kläglichen Rest eines Wortschatzes aus seinem Gehirn.
Ein leichter Schwindel erfasste ihn. Mit bebender Hand stützte er sich an der hellgelb gestrichenen kühlen Wand ab. Er rang um Atem, versuchte, diese ihn übermannenden Informationen zu verarbeiten.
Was passiert hier? Was ist hier los? Träume ich …?
Sein Blick fiel auf die üppig blühenden auf dem Fensterbrett des großen Wohnzimmerfensters stehenden Orchideen, dessen bunte Farbenpracht sein Herz ein klein wenig Beruhigung zu schenken imstande war.
…
Der Chef hatte ihn wahrhaftig absichtlich mit Liza in ein Team gesteckt? … Aber wann war Manfred sich über seine großen Gefühle zu ihr gewahr geworden?
…
Etwa bereits, als er sie an der Rezeption beobachtet hatte?!
Eine Hitzewelle trieb ihm den Schweiß aus den Poren. Augenblicklich darauf folgte ein stechender Schüttelfrost.
O gütiger Gott!
Herr Weiß hatte es tatsächlich von Anfang an gewusst!
Peinlicher konnte es definitiv nicht mehr werden!
»Jan?«
Er würgte den bitteren Geschmack der Erkenntnis hinunter. »…J … Ja?«
»Geht es dir jetzt besser?«
…
Wie … was?!
…
»Ich …« Er räusperte sich. »… Ich denke schon.«
Ausgenommen, dass er vor Scham und Schande im Boden versank …
Nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte, schien sein Gehirn seinen Dienst wenigstens zum Teil wieder aufzunehmen. »Ich … ich bin in spätestens drei Stunden in der Arbeit … Es tut mir leid … Ich wollte nicht solchermaßen übereilt das Hotel verlassen … ich verstehe es, wenn Sie –«
»Mach dir darüber bloß keinen Kopf!«, unterbrach der Chef fröhlich. »Bleib das Wochenende bei Liza … natürlich nur, wenn es für sie in Ordnung geht.« Für einen Moment herrschte Totenstille. Jan wagte es, weder zu atmen noch zu schlucken. »Macht euch zwei schöne Tage. Wir kommen derweil auch ohne dich aus … Du hast sowieso einiges an Urlaub angehäuft.«
»Sie werfen mich nicht raus?« Gleichermaßen schnell, wie ihm diese Worte aus dem Mund purzelten, bereute er sie. »Ich meine … ich –«
»Rauswerfen? … Meine Güte, Jan! Weshalb sollte ich dich rauswerfen?« Zu Jans Unglück vollbrachte Herrn Weißs an und für sich beruhigende Aussage es nicht im Geringsten, ihm Scham und Bangnis zu nehmen. »Schließlich weiß ich, wie sehr du unter Liebeskummer leidest … Alle wissen das.«
Sein Magen fing einmal mehr zum Rebellieren an.
»Hat Tina –«
»Nein … Tina hat nichts verraten.«
Der Chef schien neben Gefühlen obendrein Gedanken lesen zu können.
»Zu allererst wollte sie mir nicht ein Wort verraten. Zu groß war ihre Sorge, dich dadurch in Schwierigkeiten zu bringen. Aber letztlich hat sie sich mir anvertraut … Sie wollte bloß helfen. Sie war krank vor Sorge.«
Jan hätte sich am liebsten selbst geschlagen.
Er wusste, wie verschwiegen Tina grundsätzlich war! Wie hatte er ihr einen solchen Vertrauensbruch unterstellen können?
Seine Gedanken sprangen in eine andere Richtung.
Aber wenn Tina nichts verlautet hatte … Weshalb wussten alle Bescheid?
Eine Gänsehaut wie Übelkeit auslösende Gewissheit jagte ihm durch den Leib.
Hatte er seinen Kummer dergestalt heftig ausgestrahlt, wodurch ein jeder erkannte, was ihm fehlte?
Allmählich kam er sich wie eine Reklametafel vor.
Ein jeder um ihn herum schien aus ihm zu lesen wie aus einem offenen Buch … Alleinig er selbst brachte nichts zuwege – er, der Hochsensible. Er, der Einfühlsame …
Kopfschüttelnd vertrieb er sein vermaledeites Selbstmitleid und konzentrierte sich stattdessen auf die gegenwärtige Situation.
»Und es ist wirklich in Ordnung, wenn ich hierbleibe?«
»Natürlich.« Manfreds sanftes Lachen drang ihm ins Ohr. »Genieße es. Unternehmt etwas gemeinsam. Oder macht euch schöne Stunden auf der Couch oder im Schlafzimmer … Liebe ist etwas Wunderbares. Ihr seid noch Jung genug, um es richtig auszukosten, dennoch nicht zu jung, um eine Dummheit zu begehen.«
Eine dritte Hitzewelle fegte über ihn hinfort. »Ja … ich … ich werde mir Ihren Rat zu Herzen nehmen.«
Einerseits fühlte er sich wie ein vollkommener Idiot – andererseits gesegnet. Gesegnet, für einen solchen wunderbaren Chef zu arbeiten.
»Montag Vormittag ist früh genug, wenn du bei uns eintriffst.«
Jan nickte.
So viel Zeit … Dann durfte er drei Nächte bleiben!
Würde er Liza in dieser Zeit womöglich nahekommen dürfen? … Richtig nahe … In ihren Kör –
»Jan?«
»J … Ja, ja … ich bin pünktlich … Ich … ich werde pünktlich zurück sein.«
Ein weiteres leises Lachen seitens Herrn Weiß trieb ihm eine schier schmerzhaft Glut in die Wangen. »Ja dann … Ich wünsche dir ein schönes Wochenende … Und grüße Liza von mir.«
»Werde ich machen.«
»Bis Montag.«
»Ja … bis Montag.«
Tief durchatmend legte er auf.
Keine Schelte.
Keine Kündigung.
…
Die haben mich verkuppelt …
Hörbar ausatmend setzte er sich auf den Holzstuhl mit der weich gepolsterten Sitzfläche und betrachtete das Handy in seiner Hand.
Ein Samsung Galaxy S3.
Anscheinend interessierte Liza sich nicht sonderlich für neue Geräte.
Schön.
Janina wollte stets das aktuellste Telefon besitzen – und das zu einer Zeit, in welcher es noch nicht groß in Mode gewesen war, die neueste Hardware sein Eigen zu nennen.
Die sich öffnende Badtür verscheuchte die unbedeutenden Erinnerungen. Er blickte hinüber – und sein Herz entschied sich stracks, ein paar Schläge lang auszusetzen.
Liza.
Bloß am Rande bemerkte er, wie sein Körper sich erhob und auf dieses wunderschöne Wesen zuging. Viel zu sehr zog ihr einzigartiger Liebreiz ihn in ihren Bann. Ihre lockigen, handtuchfeuchten hüftlangen Haare ergossen sich über ihre rechte Schulter. Ihren grazilen Körper hatte sie mit einem cremefarbenen, kurzen, ihre ewig langen Beine perfekt in Szene setzenden Höschen und einem Trägershirt bekleidet. Obgleich ihr Outfit im Prinzip nichts weiter denn eine banale Nachtwäsche darstellte, vermochte diese es nicht im Geringsten, Lizas sinnliche Ausstrahlung abzumildern.
O ja, Liza versuchte es. Sie wollte unscheinbar wirken. Gegen ihre natürliche wie außergewöhnliche Schönheit konnte jedoch nicht einmal ein alter Jutesack etwas ausrichten.
Sie war eine Königin. Eine versteckte Königin. Seine Königin. Daran würde niemals irgendwer irgendetwas ändern. Nicht sie selbst, nicht die Zeit und erst recht nicht irgendeine andere Person.
Leicht errötend blickte sie zu ihm auf – schüchtern, verunsichert, überfordert.
Wie vorhin, als er sie stürmisch geküsst hatte …
Gütiger Gott!
Wie sehr hatte er in dem Moment weitergehen wollen – ihr das feuchte Kleid ausziehen … sie so lange küssen, bis sie sich ihm ergeben hätte.
Mit Haut und Haar …
»Hast du es geschafft?«, drang es zögerlich aus ihrem Mund – die Augenbrauen durch Kummer zusammengezogen.
Himmel … es war ihm unmöglich zu erklären, was dieser verständnisvolle Ausdruck bei ihm bewirkte.
»Ich verliere meine Arbeit nicht«, antwortete er gesenkt und glitt mit seiner linken Hand durch ihr seidenweiches Haar.
Sie versteifte.
Fürchtete sie sich? Schämte sie sich? Oder hatte sie Sorge, er würde zu weit gehen?
»Ist es dir unangenehm?«
Verhalten schüttelte sie den Kopf. »Es ist –« Sie nahm einen tiefen Atemzug. »Es ist einfach neu für mich … Ich habe das noch nie erlebt.«
Er fühlte sich wie in einem seiner unzähligen Tagträume … nein … wie der Protagonist seines Romans …
Sie – dieses zarte unerfahrene Wesen einer Frau … Er hatte diese reine Seele küssen dürfen! Alleine er, sonst niemand! Und nun stand sie vor ihm – mit bedingungslosem Vertrauen und diesem schier unbändigen Leuchten in den Augen.
Wie schön würde Liza erst aussehen, wenn sie in seinen Armen läge? Nichts anderes denn ihr ellenlanges Haar ihren Körper bedeckend?
Es wurde ihm mulmig in der Magengegend … oder besser gesagt, in der Leistengegend.
Nein.
Reiß dich ein wenig zusammen! Du kennst sie kaum! Da kannst du unmöglich an solch intime Dinge denken!
»Sag mir, wenn ich irgendetwas mache, was dir nicht behagt, in Ordnung?«
Niemals hätte er es sich verziehen, sie zu etwas zu drängen, das sie im Grunde genommen nicht wollte.
»Es tut mir leid«, sprach sie belegt. »Ich habe nichts Vernünftiges für dich zum Anziehen. Und dasselbe gilt auch für mich.«
»Wie meinst du das?« Er runzelte die Stirn. »Deine Nachtwäsche sieht wunderschön aus.«
Ihre Wangen färbten sich dunkelrot. »Früher hatte ich immer Pyjamas getragen.« An sich herabblickend fuhr sie sich über das Shirt. »Aber letztes Jahr habe ich mir dieses Seidennachthemd gekauft … und ab da an wollte ich einfach keinen anderen Stoff mehr. Es ist ein solch schönes Gefühl, Seide zu tragen – besonders nachts.«
Seide.
Herrgott!
In seinem gesamten Leben hatte er noch nie Seidenwäsche getragen –
Ein jäher Gedanke wurde von seinem wirren Geist ausgespuckt: Damals hatte Liza angemerkt, nicht viel Geld zu besitzen. Wenn dies der Wahrheit entsprach, wie hatte sie sich dieses Luxusgewand dann leisten können?
War sie etwa kaufsüchtig?
In seinem Bauch setzte ein Kribbeln ein – ein unangenehmes Kribbeln, welches er stets empfand, wenn unerfreuliche Erkenntnisse sich ihm offenbarten.
Er musste Liza fragen … Er musste wissen, wie sie zu dieser Gewandung gekommen war! Der schiere Gedanke, sie könnte Ähnlichkeiten mit Janina haben, verwandelte dieses wuselige Gefühl bereits in einen heftigen, ihm sämtliche Innereien zusammenziehenden Sturm.
»Liza?«
»Ja?« Sichtlich verunsichert wandte sie sich ihm zu. »Magst du noch etwas essen?«
»Nein.« Schmunzelnd schüttelte er das Haupt, straffte sich und klärte seine Stimme. »Ich will jetzt wirklich nicht unhöflich klingen … aber … Du sagtest mir damals, du hättest Geldprobleme –«
»Ja«, fiel sie ihm einerseits spontan, andererseits kleinlaut ins Wort. »… Ich weiß, was du sagen willst.«
Er hielt sich zurück, Weiteres anzudeuten.
»Aber komm.« Sie vollführte eine Armgeste nach rechts. »… setzen wir uns aufs Sofa, in Ordnung?«
»Ja … gute Idee.«
Ohne einen Gedanken daran verloren zu haben, griff er nach ihrer Hand und folgte ihr ins luftige Wohnzimmer. Drei große, bei Schönwetter die halbe Wohnung mit Sonnenstrahlen durchflutende Fenster boten eine atemberaubende Aussicht über die Dächer der Siedlung. Heute erblickte er leider keine hereinscheinende Sonne, dafür angsteinflößende pechschwarze Wolken, regennasse Dachschindeln und im Sturm wehende Baumkronen.
Liza ließ sich nieder. »Es stürmt nach wie vor ganz schön.«
Die schweren gegen die Fenster prasselnden Regentropfen wie der um den Häuserblock pfeifende Wind bekräftigten diese Tatsache – und erhöhten sein Kribbelgefühl immens.
»Ich liebe es, hier zu sitzen, wenn es regnet. Da kann ich beobachten, wie die Blitze über den Himmel zucken.«
Lizas Aussage war nicht eben hilfreich dabei, seine übelkeitserregenden Empfindungen zu verringern.
»Ich mag das nicht wirklich … Aber wenigstens ist das Gewitter längst verzogen. Die Donner waren fürchterlich.«
Und seine beschämenden Reaktionen beträchtlich mehr …
Ihre Augen weiteten sich. »Natürlich … Das verstehe ich. Würde ich mich vor Gewittern fürchten, würde ich bestimmt ebenso empfinden.«
Eine frische Scham ergriff Besitz von ihm.
Wie peinlich es gewesen war, ihr diese alberne Angst zu beichten. Und wie furchtbar er sich gefühlt hatte, während Blitze durchwegs in ihrer Nähe eingeschlagen hatten!
Nun, wenigstens etwas Gutes hatte dieses verheerende Wetter an sich gehabt: Er hatte Liza umarmen dürfen.
Andererseits … hätte sie dieses beschämende Schutzsuchen seinerseits nicht erlaubt, hätte er den restlichen Weg bis in ihre Wohnung niemals überstanden.
Zärtlich glitt er mit seinen Fingerkuppen über den Rand ihres Seidenshirts.
Es fühlte sich wunderbar glatt und zart an – ein wenig wie ihre Haut …
»Aber jetzt sag mir lieber, wie du zu diesem wunderschönen Gewand gekommen bist.«
»Du denkst, ich hätte es mir auf Kredit gekauft, oder?«
Jan fühlte sich ertappt. Und beschämt – wieder einmal.
»Ist schon gut«, beruhigte sie sanft – vermochte sie etwa seine Gefühle zu spüren? »Ich kann deine Reaktion gut verstehen … Erst jammere ich über zu wenig Geld, und dann tauche ich mit Gewändern aus reiner Seide auf.«
»Nein … nein, so meinte ich das nicht.«
Er hätte seine Worte sorgfältiger wählen sollen!
Liza schüttelte bedächtig den Kopf. »Mach dir keine Gedanken … Ich verstehe dich wirklich. Ich hätte nicht anders reagiert.«
Aber sie fühlte sich zum Teil missverstanden – er spürte es genau!
Weshalb sonst reagierte sein Körper solcherweise aufgekratzt – seine Sehnsucht und sein Verlangen einmal hintangestellt?
»Ich kann dir alles erklären.« Sie rieb sich über das rechte Auge. Dabei erhaschte er ein leichtes Zittern ihrer Hand. »… Obwohl es mir … nun … etwas peinlich ist.«
»Peinlich?«
Dies verstand er ganz und gar nicht. Was konnte daran bitte schön peinlich sein?
Sichtlich betreten richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf ihre Hose, und schob sich das rechte Bein unter das linke. »Ich … nun, das war so gewesen: Ich hatte Unterwäsche gesucht … Ich trage ja gerne Kleider, wie du wahrscheinlich gemerkt hast.«
Jan nickte zum Zeichen des Verständnisses.
»Ja, nun … weil ich fast keine Oberweite besitze, brauche ich einen vernünftigen BH, damit ich wenigstens irgendwelche Rundungen zusammenbringe …« Sie umfasste ihren Fuß. »Tja … und da BHs in günstigen Textilläden leider ständig zu groß geschnitten sind, habe ich mir eines Tages gedacht, einmal ein etwas exklusiveres Geschäft aufzusuchen.« Sie warf ihm einen scheuen Blick zu. »Dort habe ich die unterschiedlichsten BHs durchprobiert … Und erstaunlicherweise hat ein jeder perfekt gepasst. Seit diesem Tage kaufe ich meine Unterwäsche ausschließlich in teureren Geschäften –« Sie strich sich eine gelockte Strähne hinter das rechte Ohr. »Nun ja, und dort bin ich in weiterer Folge auf diese wunderschönen Seidenartikel gestoßen … Und da ich mir mein Leben lang –« Ihr Gesicht fing förmlich zu glühen an. »Weil ich mir oft vorgestellt habe … ja … also … jemandem … jemandem, dem ich etwas bedeute … jemandem, der mir etwas bedeutet … ein Partner.« Unbeholfen gestikulierte sie mit den Händen. »… ein Freund …«
Wie niedlich sie aussah, wenn sie derart beschämt um Worte rang! Solchermaßen niedlich, es wurde ihm selbst zum wiederholten Male heiß. Doch noch so viel niedlicher empfand er ihre Vorstellung, die sie ihm da zu erklären versuchte: Sie kaufte allerliebliche Nachtwäsche, in der Hoffnung, ihrem zukünftigen Freund damit eine wunderschöne Nacht zu bereiten.
Konnte es eine perfektere Frau geben?
»Ich wollte für einen zukünftigen Freund hübsch aussehen«, bestätigte sie seine Vermutung. »… Ich wollte ihm gefallen, ich wollte … dass er … dass er –«
»Dass du mich mit deiner Sinnlichkeit verführst?«
Es überraschte ihn allmählich selbst, wie leicht er diese verwegenen Deduktionen über die Lippen brachte.
Vorhin im Regen … vor der Badezimmertür … während des Essens …
Womöglich ließ sein aufwallender Mut sich mit dieser intensiven Vertrautheit erklären, welche seit ihrem Kuss in seiner Seele innewohnte? Eine Empfindung – als wären sie mittlerweile dreißig Jahre verheiratet …
Beschämt legte sie die rechte Hand auf ihre heiße Stirn. »Ja … ja –« Jäh erschrak sie, wandte sich ihm zu. »Aber das soll nicht heißen, dass ich dies bei dir vorhabe … Ich meine … ich kenne dich nicht … ich habe mir das ausschließlich mit jemandem vorgestellt, der mit mir zusammen ist, der … Ich meine, ich will dich nicht verführen … ich bin kein leichtes Mädchen, verstehst du … Ich –«
Sein Herz begann zu rasen. »Aber du willst mit mir zusammen sein, oder?«
Hatte sie womöglich doch kein rechtes Interesse an ihm?
Nervös knetete sie die zarten Hände. »Ja … ja, das, das würde ich gerne … das wäre –«
Himmelherrgott!
Endlich verstand er!
Sie machte sich Gebirgsketten große Sorgen, um wohl keinen schlechten Eindruck ihm gegenüber zu machen! Sie wollte es ihm mit einem jeden Atemzug recht machen! Einzig und allein deshalb zierte sie sich!
»Dann denke nicht für einen Augenblick, ich würde dich als ein leichtes Mädchen ansehen.« Langsam beugte er sich zu ihren Lippen. Lippen, welche ihn anflehten, geküsst zu werden. Lippen, welche unaussprechlich viel zu lernen hatten. Lippen, welche die Glut seiner Sehnsucht schürten. »Ich bin der erste Mann, der dich küssen durfte … Wie kommst du da auf den Gedanken, du wärest eine Frau, welche leicht zu haben ist?«
»Ich … ich … weiß nicht … ich habe –« Sichtlich verzweifelt rang sie um eine Erklärung. »… Das sollte nicht … Du bist einfach –«
Ihre Reaktion erregte ihn nahezu gleichermaßen, wie ihr sinnlicher Anblick.
Pure Beschämung spiegelte sich in ihrem Gesicht wider. »Ich habe es mir so oft vorgestellt … ich habe mir mein Leben lang gewünscht, endlich jemandem zu begegnen … ich –«
Mit der Zeit hatte er genug von unnötigen Rechtfertigungen – selbst … nein besonders, da diese seine Lust exorbitant steigerten.
Lizas Gegenwart, ihre Mimik und Gestik, ihre Schüchternheit … er wollte sie weiterküssen. Er wollte sie weiterküssen, bis ihm die Luft ausging. Er wollte sie küssen, bis er nicht mehr imstande war, sich zurückzuhalten. Er wollte sie küssen, bis sie es selbst so sehr wollte, ja gar keine andere Wahl sah, denn sich ihm hinzugeben.
Bedächtig glitten seine Lippen über ihre. Er schlang die Arme um ihren Oberkörper, worauf sie ihre Hände auf seine mit ihrem weichen Bademantel eingehüllte Brust legte und sich zag an ihn drückte.
Ein Schwarm an Glücksgefühlen und Erleichterung entriss ihn seiner letzten törichten Zweifel.
Gleichzeitig schwor er sich, jegliches unnütze Grübeln zu beenden und alleine auf sein Herz zu hören.
Um es sich selbst und allen Göttern und Engeln zu beweisen, welche möglicherweise in diesem Moment ihre allmächtigen Augen auf sie beide kleingeistigen Wesen warfen, presste er Liza an sich, drang mit seiner Zunge in ihren Mund und betete im selben Atemzug, dass ihre zarte Liebe eine Chance erhielte. Er betete für ein langes gesundes Leben zu zweit und viele Stunden gefüllt mit Liebe, Hoffnung und Lachen.
…
Er konnte nicht genau sagen, wann Liza zu seufzen begann. Er wusste ja nicht einmal, wie lange er sie küsste. Ausschließlich einer Tatsache war er sich bewusst: Ihr Körper glühte ebenso wie sein eigener …
Himmelherrgottsakrament!
Er musste aufhören!
Keinesfalls wollte er sie zu etwas drängen oder verleiten, das sie später bereute …
Und doch wünschte er sich nichts sehnlicher, denn weiterzugehen.
Äußerst widerwillig ließ er von ihr ab. »Es tut mir leid.« Erst durch diese hervorgewürgte Entschuldigung seinerseits wurde er sich seiner Atemlosigkeit gewahr. »Ich wollte dich nicht bedrängen … wirklich nicht.«
Schließlich realisierte er Lizas strahlende Augen, mit welchen sie ihn liebevoll-scheu musterte. Er bemerkte ihre brennenden Wangen und ihren zuckersüßen einen Spalt weit geöffneten Mund, dessen rosa Lippen sie mit ihrer Zunge zaghaft befeuchtete.
…
Sie war so schön … bei Gott, so schön –
Ein Herzstillstand auslösender Knall zerfetzte die romantische Stimmung und setzte eine sich wie tausend Nadelstiche anfühlende Heerschar an nackter Panik frei, welche ihn dazu nötigte, wortwörtlich einen halben Meter in die Höhe zu springen, einzig um sich darauffolgend wie von Sinnen und mit wild hämmerndem Herzen an Liza zu drücken.
»Bitte –« Bleierne Furcht schnürte ihm den Brustkorb zusammen. »Wieso fängt es wieder an?«
Er bemerkte Lizas Hände und wie diese ihm beruhigend über den Rücken streichelten.
»Alles ist gut«, sprach sie gesenkt. »Ganz ruhig … Das war sicherlich nur ein einzelner Donner. Da kommt nichts mehr.«
Das abnehmende Tageslicht sprach da bedauerlicherweise eine gänzlich andere Sprache.
Diesen Gedanken noch nicht vollständig zu Ende gedacht, drang bereits ein neuer tiefer Donner von außen durch die Mauern ins Wohnzimmer.
Bebend drückte er sich fester an sie. »Liza … ich habe Angst … ich habe wirklich Angst … Es ist so furchtbar laut.«
Er presste die Lider zusammen, kuschelte das Gesicht in ihr duftendes Haar.
Weshalb musste diese scheußliche Bangnis ihn jedes Mal wie eine Dampfwalze überrollen? Weshalb gelang es ihm nicht, ihr Herr zu werden? Weshalb vermochte er es nicht, ein ganzer Mann zu sein?
»Komm.« Mit sanften Händen zog sie ihn ein kleines Stück weit von sich weg.
Ein jeder Gott verdammte Zentimeter bescherte ihm unaussprechliche Schmerzen, Furcht und beißende Sehnsucht.
»Gehen wir ins Schlafzimmer. Es besitzt nur ein Fenster. Ich bin mir sicher, die Donner hören sich dort nicht derart laut an, wie hier in diesem großen Raum.«
Er schluckte. »Ja … das klingt gut.«
Unbeschreiblich gut.
Seine aufwallende Dankbarkeit und Vorfreude, Liza weiterhin nahe sein zu dürfen – ihr privatestes Zimmer betreten zu dürfen – verdrängte für einen winzigen Moment diesen unermesslichen Horror und erlaubten ihm in weiterer Folge, sich leicht zitternd zu erheben und ihr zu folgen.
Sie öffnete die vom Bad an die drei Meter weiter weg gelegene linke Tür und betrat ein kleines mit hellen Möbeln eingerichtetes altrosa gestrichenes Zimmer. Ein Einzelbett stand auf der linken Seite, ein weicher lila Hochfloorteppich lag vor einem großen doppeltürigen sich über die komplette rechte Seite ziehenden Schrank. Er wandte sich dem Fenster zu, welches sich exakt gegenüber dem Bett befand und Lizas Vermutung bestätigte: Hier würden Donner weit abgeschwächter zu vernehmen sein.
Seine Traumfrau schloss die Tür. »Ich mache noch schnell das Rollo zu. Das dämmt zusätzlich. Und mögliche Blitze siehst du dann auch nicht mehr.«
»Vielen Dank.«
Ein engelsgleiches Lächeln zur Schau tragend schaltete sie eine auf ihrem aus Holz gefertigten Nachtkästchen stehende LED-Lampe ein.
Ein tiefdunkles Rot wechselte über in ein strahlendes Gelb, weiter zu Hellblau und Grün.
Mit einem klirrenden Geräusch ließ Liza den Rollladen hinunter und das Zimmer hüllte sich in eine wohlige Dunkelheit.
»Gefällt dir das Licht?«, hörte er Liza fragen.
Er drehte sich zu ihr. »Ja, es ist beruhigend.«
Unaussprechlich beruhigend.
»Mich beruhigt es ebenfalls.« Ein glücklich strahlender Ausdruck legte sich auf ihre Züge. »Besonders, wenn ich mich einsam fühle. Da schalte ich sie gerne ein.«
Ein gedämpfter Donner erklang. Leider Gottes reichte dieser dennoch aus, um Jans Blutdruck abermals in die Höhe schnellen zu lassen.
Bevor er sich zu Liza drücken konnte, hatte sie längst die Initiative ergriffen und die Arme um ihn geschlungen.
»Normalerweise würde ich das nicht vorschlagen«, begann sie unsicher. »Aber … nun … legen wir uns ins Bett? … Ich bin ohnehin komplett fertig … und … und dich alleine im Wohnzimmer oder hier zu lassen … erscheint mir nicht richtig. Besonders in deiner jetzigen Situation.«
Obgleich er sich tatsächlich und wahrhaftig schrecklich fürchtete, sein Adrenalin ihm den halben Verstand raubte, war die Vorstellung, Liza derart nahe sein zu dürfen, schier überwältigend.
»Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen … Dennoch will ich dich zu nichts drängen.« Mit großem Widerwillen zog er sie ein Stück zurück, suchte ihren mitfühlenden Blick. »Ich meine es ernst … Nicht, dass du vermutest, ich würde dich zu irgendetwas überreden wollen.«
Er war wahrlich vieles: ein Hasenfuß, eine Mimose, ein lausiger Schriftsteller. Eines war und würde er allerdings niemals sein: Eine eigennützige hinterhältige Person, welche ihre egoistischen Sehnsüchte einzig durch scheinbare Freundlichkeiten gegenüber Mitmenschen erbeutete.
»Ich glaube dir doch«, gab sie leise zurück. »Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen.« Zögerlich ließ sie von ihm ab. »Willst du dich zuerst hinlegen?«
Wenn er es nicht längst gewusst hätte – spätestens mit dieser Aussage hätte ihm klar werden müssen, welch einfühlsame Person Liza darstellte.
Wer sonst legte ein solches Vertrauen in einen grundsätzlich fremden Menschen? Welche Frau würde ihm blind vertrauen und mit ihm in einem Bett schlafen? … Speziell eine Jungfrau?
»Du bist wunderbar, weißt du das?«
Im roten Schein der Lampe muteten Lizas Wangen ungleich glühender an. »Danke.« Beschämt senkte sie das Haupt, woraufhin er nach ihrer zarten Hand fasste und sie bedächtig ins Bett leitete.
Eine wohlige Wärme vermengt mit Glücksgefühlen, Dankbarkeit und leichter Erregung breitete sich in seinen Herzen aus.
»Wie spät ist es überhaupt?«, fragte er, während sie die Bettdecke über sie beide zog. »Ich weiß nicht einmal mehr genau, wann ich von Seedorf weggefahren bin.«
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.