Kitabı oku: «Right in your heart», sayfa 2

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Zehn Monate zuvor


Wenn man bedenkt, dass eine 9x19 Luger mit einer Geschwindigkeit von bis zu 580 Metern pro Sekunde auf ihr Ziel zurast, dabei eine Energie von bis zu 700 Joule aufbringt, kann ich es nicht nachvollziehen, weshalb gegenüber Männern vergleichsweise wenig Frauen eine Waffenbesitzkarte beantragen. Was gibt es denn bitte schön Besseres, als seinen Frust am Schießstand abzulassen – wie wild durch die Gegend zu ballern?

»Volltreffer«, kommentierte Dan einen jeden einzelnen meiner Schüsse.

Ich war äußerst lange nicht mehr beim Training gewesen.

Wozu auch?

In meiner Abteilung wurden gute Schießfähigkeiten ohnehin nicht sonderlich gebraucht.

»Und noch einer.«

Darüber hinaus kamen Einsätze mit aktivem Schusswaffengebrauch äußerst selten vor.

»Noch ein Zehner.«

In meinen Augenwinkeln durfte ich beobachten, wie mein Kollege seinen Lockenkopf sachte schüttelte. »Mann, Evina, wieso triffst du andauernd?«

Es war schon eigenartig.

Dan war mit Schusswaffen aufgewachsen. Sein Vater hatte ihn im zarten Alter von sechs Jahren an Faustfeuerwaffen herangeführt. Dennoch traf er bloß halb so viel wie ich.

Ich hingegen hatte eine richtige Pistole zum ersten Mal mit achtzehn Jahren in den Händen gehalten – mächtig Schiss inklusive.

Das bewies einmal mehr: Selbst Dinge, die man später erlernte, konnte man perfektionieren. Man benötigte lediglich etwas Talent und Geduld.

Oder, wie in meinem Fall, viel Munition.

»Oh!«, rief mein Kollege versucht erstaunt aus, nachdem ich meinen letzten Schuss abgefeuert hatte. Der Schwerpunkt lag auf »versucht«, gelang es ihm doch nicht wirklich, den schadenfrohen Klang, welcher üblicherweise in harten Vernehmungen zum Einsatz kam, zu unterdrücken. »Ein Neuner.«

»Fuck!« Frustriert entnahm ich das leere Magazin und warf dieses und die mit offenem Verschluss befindliche Glock 17 auf den Tresen. »Zur Hölle noch mal!«

Da heute glücklicherweise alleine mein Kollege und ich uns im Keller gelegenen Schießstands des in die Jahre gekommenen Polizeipräsidiums austobten, durfte ich den lästigen Ohrenschützer und die juckenden Ohropax entfernen.

Dan wirkte entgeistert. Dies war gut an seinem unverwechselbaren Mienenspiel zu erkennen: ein Nach-Oben-Ziehen des vorderen Teils seiner dezent geschwungenen mittelbraunen Augenbrauen.

Das wiederum sah jedes Mal zum Brüllen komisch aus.

Heute allerdings konnte ich nicht darüber lachen.

»Was ist los?«

»Na was wohl!« Ich gestikulierte durch die Luft und verzog das Gesicht. »Eine verkackte Neun!«

Ein neues Kopfschütteln folgte. »Du bist doch nicht mehr ganz dicht.«

Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Nur, weil ich besser sein will, als der verdammte Durchschnitt?«

Schließlich musste ich besser sein, wollte ich in meinem Leben noch irgendwann etwas erreichen!

Er ergriff meine Schultern und schüttelte mich einmal kräftig durch. »Du bist besser als der Durchschnitt.«

»Und trotzdem sitze ich noch immer hier in Hintertuxing und ärgere mich im besten Fall mit alkoholisierten Vollidioten herum!«

Oder mit senilen alten Säcken, die ihre Krankenpflegerinnen auf dem Balkon aussperrten, splitterfasernackt aus dem Haus stürmten, die Haustür verschlossen, den Schlüssel irgendwo ins nahe gelegene Gebüsch warfen und mit wehenden knorrig-faltigen Armen durch die Gegend hüpften und dabei schrien: »Ich bin frei … ich bin frei!«

»Das nächste Mal schaffst du den Aufnahmetest«, versicherte er. »Bedenke, erst zwei Frauen haben es in die Spezialeinheit geschafft. Du brauchst dich deshalb nicht verrückt zu machen.«

Das tat ich aber. Und wie!

Seit meinem sechzehnten Lebensjahr träume ich davon, in das Einsatzkommando Cobra aufgenommen zu werden.

Gut, ich gebe es gerne zu: Zu Beginn meiner beruflichen Karriere war ich vollkommen zufrieden gewesen, den polizeilichen Aufnahmetest überstanden und meinen Abschluss mit Auszeichnung gemacht zu haben, woraufhin ich einige Jahre glücklich und stolz in diesem kleinen Kaff für Recht und Ordnung sorgen durfte. Letztlich lag es an der permanenten Unterforderung, welche mich zu langweilen begann – und der Wunsch, einen vernünftigen, sprich aktiven und gefährlichen Job auszuüben, drängte sich Schritt für Schritt in den Vordergrund zurück. Ergo: Ich bewarb mich um einen Posten bei der österreichischen Spezialeinheit.

Ich trainierte wie eine Verrückte, dennoch versagte ich bei einer der vier K.O.-Prüfungen: eine Distanz vom dritten bis zum fünften Stock eines Kletterturms mithilfe einer Stahlstrickleiter unter fünf Minuten zu überwinden …

Ich brauchte fünf Minuten und zehn Sekunden.

Verfickte zehn Sekunden!

»Ja, ich weiß.« Ich bemühte mich erst gar nicht mehr, meinen Frust zu verstecken.

Zu lange und zu sehr nagte mein Versagen an meinem Ego.

Ich war nun einmal ein Perfektionist. Steckte ich mir ein Ziel, dann erreichte ich dies üblicherweise beim ersten Versuch.

»Nichtsdestoweniger kotzt es mich an … Es kotzt mich alles an.«

Dans Züge nahmen einen eigenartigen Ausdruck an. »Was du brauchst, ist ein vernünftiger Mann.«

Ja, genau! Sicher doch!

Aber weshalb wunderte ich mich überhaupt? Schließlich sprach Dan dieses Thema bei einer jeden passenden Gelegenheit an. Er suchte regelrecht danach, um mich mit solcherlei Aussagen auf die Palme zu bringen. Insbesondere dann, wenn ich schlechter Laune war.

Idiot.

Nun … andererseits waren sämtliche Kollegen unseres Stützpunktes verheiratet und/oder mit zwei bis drei Kindern bestraft worden.

Ich bildete die einsame Ausnahme.

Der Single-Fels in der Mini-Van fahrenden Familiensippen-Brandung.

Alter Schwede …

Der Gedanke, selbst einmal auf tobende und weinende Mini-Ichs aufzupassen und den lieben langen Tag zu Hause zu sitzen und Hausarbeiten zu verrichten … Oh, Gott!

Nein, danke!

Eine solche Karriere strebte ich nicht an!

Ich war nicht zur Polizei gegangen, um eine Familie zu gründen und auf nervende Kinder aufzupassen, während mein ach so braver Ehemann sich mit Lorbeeren schmückte!

Nein, ganz bestimmt nicht!

Ich wollte Erfolg, Anerkennung und in meiner spärlichen Freizeit mein Leben genießen. Eine Beziehung hatte da keinen Platz – und würde niemals einen Platz finden … konnte schlichtweg keinen Platz finden.

Ich fasste nach meiner Waffe. »Hör mir bloß auf mit dem Scheiß! Schließlich bin ich die Einzige von euch, die nicht in einer erbärmlichen Beziehung steckt.«

Seine Züge härteten sich. »Ganz genau! Du bist die Einzige! Es wird Zeit, dass du langsam sesshaft wirst.«

Sesshaft.

Alleine das Wort löste Brechreiz aus. Und Dans schadenfrohes Gegrinse erweckte überdies das Bedürfnis, ihm einen harten linken Haken zu verpassen.

Voll auf die Fresse.

Ich atmete tief durch und lenkte meine Aufmerksamkeit auf die Glock in meiner Hand.

Beruhige dich, Evina. Es bringt nichts. Lass dich von solchen infantilen Neckereien nicht aus der Reserve locken.

»Wechseln wir das Thema.«

Selbst für mich klang meine Stimme äußert aggressiv.

»Nein.«

Offenkundig wollte mein lästiger Kollege wahrhaftig Prügel kassieren.

»Mich interessiert deine romantische Einstellung überhaupt nicht, okay?« Um mein Gesagtes zu unterstreichen, besah ich Dan auf die finsterste mir mögliche Weise. »Und wenn du noch einmal mit dem Blödsinn kommst, dann –« Ich hielt ihm die Glock vors Gesicht. »Ziehe ich dir diese unpraktische Waffe über deinen Lockenkopf.«

Meine Drohung entlockte ihm ein niedliches Schmunzeln, welches meine Wut nicht sonderlich abmilderte.

»Wenn du einmal jemanden Besonderes begegnest, dann wirst du deine Meinung schon ändern. Inklusive Kinderwunsch. Wetten?«

»Das passiert nie.«

Seine Mundwinkel zuckten. »Das habe ich auch gesagt.«

»Aber ich bin nicht du! Ich hasse Kinder! Ernsthaft, ich halte das nicht aus.«

»Wetten wir! Du wirst Mama, hundertprozentig!«

Nun wurde es mir richtig schlecht.

Aber okay. Wenn er wetten wollte, dann bitte schön.

»Gut.« Ich steckte das leere Magazin in die dafür vorgesehene Tasche meines Funktionsgürtels. »Worum wetten wir?«

Er grinste. »Tausend Schuss Munition – Kaliber .45.«

Natürlich! Das hätte ich mir gleich denken können.

Vor einiger Zeit hatte sich Dan eine Smith & Wesson SW 1911 bestellt. Und .45 Patronen waren bekannterweise nicht eben günstig.

»Okay. Abgemacht … Hast du deine Waffe eigentlich schon erhalten?«

Er verneinte. »Erst nächste Woche. Verschärfte Einfuhrbestimmungen aufgrund anhaltender Terrorgefahr.«

»Ahh, okay. Verstehe.«

Ein weiteres Mal blickte ich auf meine Glock 17.

Schön war etwas anderes.

»Wann werden wir im Dienst wohl endlich unsere eigene Waffe tragen dürfen? In den USA ist das gang und gäbe.«

Dan füllte sein Magazin auf. »In unserem Leben sicherlich nicht mehr.«

»Weshalb überhaupt eine Glock? Die ist schlichtweg gemeingefährlich! Jedenfalls die Sache mit dem Verschluss. Einmal hätte ich mir beinahe den halben Daumen weggerissen.« Ich hielt die Mündung Richtung Zielscheibe, führte ein volles Magazin ein und betätigte den Verschlussfanghebel. Dann sicherte ich sie. »Diese Waffe ist absolut nichts für Anfänger. Obwohl jeder Depp das Gegenteil behauptet.«

»Das stimmt, der Verschluss ist echt scheiße. Aber dafür gibt es verbreiterte Griffe.«

»Die einem Mann mit vernünftigen Händen –« Ich besah die zierlichen Händchen meines ein Meter siebzig großen Kollegen und steckte meine Waffe in das rechte Holster. »Trotzdem nicht viel nützen würden.«

»Hey!«, kam es beleidigt von der Seite. »Kritisierst du etwa gerade meine Körpergröße?« Theatralisch sicherte er seine Waffe und steckte sie weg. »Du kritisierst echt meine Körpergröße?«

Dan und seine Komplexe!

Weshalb regte er sich eigentlich auf?

Er war mit einer wunderschönen Frau verheiratet, die ihm zwei Kinder geschenkt hatte. Daneben besaß er ein schickes Massivhaus mit zweitausend Quadratmetern Grund sowie einen beheizten Pool. Da brauchte er sich wahrhaftig nicht über irgendwelche unbedeutenden Äußerlichkeiten aufzuregen.

Zumal großgewachsene Männer heutzutage Mangelware darstellten.

»Nun.« Ich überlegte absichtlich lange. »Nein, eigentlich nicht. Ich stelle hier ausschließlich eine Tatsache fest.«

»Ja, sicher doch!«, presste er sichtlich pikiert hervor. »Was sonst!«

Ich verkniff mir ein Grinsen. »Sei keine Muschi.«

»Dann kritisiere mich nicht.«

Ich stieß einen gut hörbaren Seufzer aus. »Das ist aber Fakt! Du bist zierlicher. Deshalb kommst du mit der Glock super zurecht. Wenn jedoch ein Mann mit einer vernünftigen Körpergröße … sagen wir einmal über die eins achtzig – ein solches Ding in die Hand nimmt, ist sie verschwunden und die Haut zwischen Daumen und Zeigefinger mit ziemlicher Sicherheit weggerissen.«

Dan krauste die Stirn. »Dann sollen sich diese Adonise doch eine CZ besorgen.«

»Und damit wären wir wieder beim eigentlichen Thema: Ich will endlich meine eigene Waffe benutzen!«

Er griff nach seiner auf der Garderobe hängenden Jacke. »Deine Wilson?«

Ich nickte. »Ja. Sie liegt super in der Hand.«

»Kostet aber auch eine Stange.«

Die Schulter zuckend zog ich mir meine Lederjacke über und steuerte die Tür an. »Dafür steht sie für Qualität.«

»Hey! Warte Mal!«

Ich drehte mich zu ihm um.

»Was ist mit der Zielscheibe?«

»Die wechselst du aus.«

»Du hast mich aber beleidigt«, gab er angenervt zurück.

»Und du hast damit angefangen. Außerdem muss ich heute pünktlich zu Hause sein.«

Verdruss wich Verständnis. »Ach ja, dein erster Urlaub seit …?«

»Seitdem ich zum Arbeiten angefangen habe«, beendete ich seinen Satz. »Morgen um diese Zeit stecke ich die Füße in den weißen Sand und schlürfe irgendwelche Sundowner.«

Mein Kollege seufzte. »Das erinnert mich an meine Flitterwochen.«

O Gott!

Jetzt fing er neuerlich mit diesem romantischen Gesülze an!

Ehe ich ihm etwas Schnippisches an den Kopf werfen konnte, härtete sich seine Miene. »Evina.«

»Ja?«

»Du weißt bestimmt noch, was du über einen Partner gesagt hast, oder?«

»Wie … was?« Ich runzelte die Stirn. »Was meinst du?«

»Tu nicht so! Du sagtest zu mir, wenn du jemanden triffst, bei dem du dir hundertprozentig sicher bist, lässt du diesen Mann nie mehr los.«

O Mann …

Ja, das hatte ich ihm einmal in einer meiner seltenen schwachen Stunden meines Lebens erzählt – nämlich nach drei Gläsern Whiskey, um genau zu sein.

»Worauf willst du hinaus?«

»Du hast das ernst gemeint … also lass dich dann auch echt darauf ein.«

Ich drehte mich einmal im Kreis. »Bisher habe ich niemanden gefunden. Oder siehst du hier jemanden, der zu mir passt?«

Seine Lippen formten ein breites Grinsen. »Nun, vielleicht im Urlaub?«

»Ja, sicher. Ganz bestimmt!« Kopfschüttelnd drückte ich die Türschnalle hinunter.

»Na, ist schon gut«, entgegnete Dan kichernd. »Schönen Urlaub. Und bring mir irgendetwas mit.«

Zum Abschied warf ich ihm mein glückseligstes Lächeln hin – und er rief mir schnell zu: »Wenn du einen alleinstehenden Mann auf diese Weise anlächelst, kannst du dir sicher sein, von demjenigen sofort geheiratet zu werden.«

Auf diesen Schwachsinn erwiderte ich erst gar nichts mehr, sondern tat das einzig Richtige: Ich eilte zu meinem Spind.

Die Malediven.

Wie lange hatte ich für diesen Urlaub gespart?

Jahre. Ernsthaft. Jahre.

Und nun war es endlich so weit! In zwei Stunden ging mein Flug. Meine Koffer gepackt hatte ich bereits gestern. Jetzt musste ich bloß vernünftig essen, mich kurz runterduschen, das Handgepäck zurechtlegen – und es konnte losgehen.

Die schwarze Tasche umgehängt und mich bei den restlichen Kollegen verabschiedet, die sich bezüglich mangelnder Arbeit im Kaffeezimmer eine kleine Pause genehmigten, trat ich aus dem weiß gestrichenen Gebäude – und atmete die kalte Januarluft tief ein.

Sie roch metallisch und schwer.

Die Nacht hatte sich längst über das Land gelegt. Sterne sah ich bedauerlicherweise keine. Diese wurden von dichten Schneewolken verdeckt. Das aufgeregte Bellen eines in der Nachbarschaft wohnenden Hundes wurde zum Teil vom Lärm der überdurchschnittlich viel befahrenen, aber einzigen Hauptstraße dieses langweiligen Kaffs verschluckt.

Eine Welle Vorfreude verdrängte meinen restlichen Frust und brachte meine Beine in Bewegung.

Fünf Tage Sommer, Sonne, Strand und Meer.

Und erst die daraus resultierenden Urlaubsfotos! Wie sehr freute ich mich, das kristallklare Wasser, den weißen Sandstrand und die kleinen ins Meer gebauten Bungalows zu fotografieren!

Ich öffnete meinen Wagen, einen schwarzen Honda Civic aus Neunzehnhundertsechsundneunzig, warf die Tasche auf den Beifahrersitz und startete den laufruhigen 1,6 Liter Ottomotor.

Nahezu geräuschlos fuhr ich aus der Einfahrt Richtung Bank.

Ich brauchte etwas Bargeld. Zwar würde ich auf der Insel überwiegend mit Kreditkarte bezahlen, darüber hinaus hatte ich vor zwei Tagen fünfhundert Euro in Dollar umwechseln lassen. Angesichts Murphys Gesetz wollte ich dennoch keine Risiken eingehen und einen Notgroschen in der eigenen Währung dabei haben.

Womöglich verlor ich meine Kreditkarte, oder sie wurde kaputt. Vielleicht musste ich sogar eine Übernachtung aufgrund unerwarteter Wetterturbulenzen in Wien oder Deutschland in Kauf nehmen. Im Januar stellten Schneestürme und Kälteeinbrüche schließlich keine Seltenheit dar.

Sicher war sicher. Im Leben musste man auf alle Eventualitäten vorbereitet sein – speziell in meinem Job.

Ich parkte neben der Filiale und stieg aus.

Fühlte sich der Sandstrand auf den Malediven genauso an wie in Italien? War er grober, feiner, fester, leichter?

Mit meiner Brieftasche in den Händen betrat ich das Geldinstitut.

Ein fünfundzwanzigjähriger schwarzhaariger und äußerst fleißiger Bankangestellter Namens Sandro grüßte mich fröhlich.

Er schob wohl wieder Überstunden.

Braver Junge.

Er war der Einzige der Bank-Sippe, welcher beinahe jeden Tag bis spät in die Nacht schuftete.

»Sag mir mal, Sandro …« Ich schob die Bankkarte in den Geldautomaten. »Wie gelingt es dir eigentlich, ständig so gut drauf zu sein und trotzdem dermaßen viel zu arbeiten?«

»Ich hab eine nette Freundin.«

Ich atmete hörbar aus.

Was hatte alle Welt mit diesem Beziehungsscheiß?

Ich musste froh sein, alleine zu leben. Kein Stress, keine Putzerei, kein Wäschewaschen, kein Fremdgehen …

O ja! Und keine üblen Launen, die durch die männliche Ansicht entstand, ich würde nie Lust auf Sex haben.

»Mir können Männer gestohlen bleiben!« Ich tippte den Code ein. »Alleine lebt es sich bedeutend leichter.«

»Wenn du den Richtigen triffst«, kam es schlagfertig zurück. »Wirst du deine Meinung ändern, glaub’s mir.«

Und mir wurde es neuerlich übel, zudem begann mein Schädel zu brummen.

Hatten heutzutage allesamt die Weisheit mit Löffeln gefressen, oder was?

»Ich bleibe alleine. Das kannst du mir glauben.« Ich wählte fünfhundert Euro an und das Gerät begann zu arbeiten. Nach einigen Sekunden wurden fünf Einhunderter-Scheine aus einem kleinen unter dem Bildschirm befindlichen Schlitz herausgeschoben.

»Und, wann fliegst du weg?«

Ich steckte das Geld in die Brieftasche und blickte zu dem hoffnungsfrohen Romeo. »Noch heute.«

Er warf mir ein breites Lächeln zu. »Na, dann wünsche ich dir viel Spaß und Erholung … Und vielleicht triffst du dort ja jemanden.«

Innerlich schnitt ich eine Grimasse.

Es wurde schlimmer und schlimmer …

»Ich treffe gar keinen. Dafür werde ich schon sorgen!«

Sein Lächeln verwandelte sich in ein Grinsen. »Du wirst dich echt nie ändern.«

»Natürlich nicht. Was hast du denn erwartet?«

»Einen Sinneswandel.« Sein Unverständnis drückte er durch ein nahezu unmerkliches Kopfschütteln aus. »Man kann nicht ewig alleine bleiben.«

»Ich bin zweiunddreißig!«, gab ich schroff zurück und trat zum Tresen. »Nicht sechzig! … Ich bin keine alte Oma. Außerdem fehlen dir über zehn Jahre Lebenserfahrung, um derlei Meldungen zu schieben. Deshalb glaub mir, wenn ich dir sage: Man kann lediglich alleine glücklich werden.«

»Ich verstehe dich doch«, versuchte Sandro im entschuldigenden Tonfall zu beruhigen. »Dessen ungeachtet ist das Leben viel schöner, wenn man einen Partner hat. Jemand, mit dem man gemeinsam Dinge unternimmt – seine Freizeit verbringt. Das braucht jeder. Sogar du!«

»Nein. Solche Dinge brauchen bestenfalls Muschis.«

»Hey! Ich bin keine Muschi!«

»Hier Anwesende ausgeschlossen«, fügte ich augenrollend hinzu.

»Nope.« Er mutete richtig angefressen an. »Das lasse ich dir nicht durchgehen!« Für einen Augenblick hielt er inne. »… Außer, du reagierst so frustriert, weil du unausgeglichen bist.« Damit formten seine Lippen ein neues breites Grinsen, welches ich ihm am liebsten aus seiner geschniegelten Visage geschlagen hätte.

Anstatt die Nerven zu verlieren, steckte ich die Autoschlüssel in die Hosentasche. »Du meinst wohl etwas Ähnliches wie Sex, oder?«

Sandro schnippte mit den Fingern. »Ganz genau!«

Ein frustriertes Grummeln drang aus meinem Mund. »Denkt eigentlich die ganze Ortschaft, ich sei sexuell frustriert, oder wie?«

»Wie kommst du denn darauf?« Sandro klang ernsthaft überrascht, sein anwachsendes Feixen strafte sein Schauspiel jedoch Lügen.

»Ihr seid alle total bescheuert. Ernsthaft!« Dies kundgetan, setzte ich an, mich Richtung Ausgang zu begeben. Da betrat eine vermummte Person die Filiale – vom Körperbau her höchstwahrscheinlich ein Mann – mit einer Pistole in der Hand, welche er selbstredend auf mich richtete.

Ganz klasse!

Echt Super!

Es wurde immer besser heute …

Und von einer Sekunde auf die andere kippte mein Schalter um. Dies bedeutete im Detail: Sämtliche unwichtigen Dinge wurden ausgeblendet, mein Gefühl wurde auf ein soziopathisches Niveau heruntergeschraubt und mein beschleunigter Herzschlag sowie meine erhöhte Atemfrequenz verringerten sich. Dadurch hielt sich mein Körper davon ab, in einen Ausnahmezustand zu verfallen. Hyperventilation hätte mir in einer solchen Situation nämlich wenig unterstützt.

»Auf den Boden, oder ich knall dich ab!«, brüllte der Saftsack mit leicht slawischem Akzent und fuchtelte mit der Waffe wild durch die Luft.

Dabei erhaschte ich einen Blick auf seinen Finger, welchen er einen Tick zu fest auf dem Abzug hielt.

Glock 17, Gen 4. Gesicherte Waffe.

Sehr interessant.

»Hey, Pussy! Auf den Boden, habe ich gesagt!«

Offensichtlich war der Pseudo-Bankräuber ein wenig nervös.

Ich fasste nach der Dienstwaffe unter meiner Lederjacke und entsicherte sie, währenddessen ich sie auf den Kerl richtete. »Jetzt legst du dich auf den Boden, Muschi, oder ich vergesse mich.«

Es trat eine Pause ein.

Die Sekunden vergingen und vergingen.

Der Sack machte weiterhin keine Anstalten, meinen Anweisungen Folge zu leisten.

Damit wurde ich wütend.

Richtig wütend.

Unheimlich wütend.

Als wäre dieser Tag nicht stressig genug gewesen. Als hätte ich mir nicht genügend dumme Sprüche anhören müssen!

Und nun sollte ich überdies meinen Flieger verpassen – aus dem einzigen Grund, weil ein verfickter Balkan-Vollidiot glaubte, er könne eine Bank ausrauben … in meinem Kaff, in meiner Freizeit, und bei einem überstundenschiebenden Sandro?!

»Hey, Fucker!« Ich nahm des Balkan-Depps Brustkorb ins Visier. »Willst du mir echt den Tag versauen? … Ja? Echt?« Langsam drückte ich den Abzug durch. »Dann tu es. Versau mir meine ersten Urlaubsstunden … dann versau ich dir dein Leben.«

Seine Hand fing zu zittern an.

Ich bemerkte eine Bewegung seines Daumens.

Ein brachialer Stoß Adrenalin jagte mir in die Blutbahn.

Die Waffe war scharf.

Sollte ich abdrücken? Ihm direkt ins Herz schießen?

Der darauffolgende elendige Papierkram hätte mir meinen Urlaub komplett zunichtegemacht.

Nein.

Eine andere Option musste her.

Ich ließ mich fallen, zielte auf seinen Oberschenkel und drückte ab.

Ein ohrenbetäubender Knall hallte durch das Foyer. Im Anschluss daran folgte ein Schmerzschrei – und der Typ brach zusammen.

»Sandro, hast du die Polizei informiert?«

Ich rappelte mich auf, stürmte zu dem sich am Boden windenden und schreienden Jugo-Sack, kickte die neben ihm liegende Glock zur Seite, sicherte meine Waffe und steckte sie weg.

»Sandro?«

Zum Glück führte ich auch außer Dienst stets meine Achter mit mir. Jedoch nicht aufgrund irgendwelcher Sexpraktiken meinerseits. Derlei kranken Scheiß konnten sich diese Fifty-Shades-Of-Grey-Groupies geben. In meinem Fall war diese Gewohnheit alleine meinem Sicherheitsbewusstsein geschuldet.

Mit diesem heutigen Tag hatte sie sich bezahlt gemacht!

Ha!

Seit Jahren hatte ich mir deshalb blöde Meldungen seitens Dan anhören müssen.

Nun würde die Retourkutsche folgen!

Mit geübter Eleganz zog ich die Handschellen aus der Innentasche meiner Lederjacke hervor und legte sie dem winselnden Balkan-Deppen an.

Dieser begann tatsächlich zu schluchzen.

»Na, da haben wir wohl einen ganz Harten.«

Erst auf Achtzigerjahre-Badboy machen und dann zum Heulen anfangen … das waren mir die Liebsten!

»Ich brauche doch gar keinen anzurufen«, vernahm ich Sandro endlich. »Schließlich bist du eh schon da.«

Ich riss dem Bankräuber die Sturmhaube vom Schädel. »Mach keine Witze und melde das der Zentrale.«

Der Kriminelle zeigte mir eine hässliche Visage – zusammengewachsene Augenbrauen, wulstige Lippen sowie eine rattenähnliche Gesichtsform –, welche sich durch die Schmerzen ungleich hässlicher verzog.

»Hab ich schon«, kam es von hinten. »Bin ja nicht blöd.«

Gott, die jungen Leute heutzutage!

»Fotze«, würgte mein neuer Freund wimmernd hervor. »Du blöde Fotze.«

Ich zog den Arsch hoch – und er stieß einen neuen Schmerzschrei aus.

Der Typ war unerwartet leicht. Hatte wahrscheinlich mit der geringen Körpergröße von nicht einmal einem Meter sechzig zu tun.

Waren heutzutage eigentlich sämtliche Männer so groß wie Frauen aus den Siebzigern?

»Halt einfach deine Fresse.« Ich verstärkte meinen Griff. »Sonst breche ich dir überdies einen Arm, Hurensohn.«

»Hey! Keine Kraftausdrücke!«, schimpfte Sandro merklich angepisst. »Du bist Polizistin – und kein Assi. Du hast eine Vorbildfunktion.«

Wie bitte?!

Ich drehte mich zu dem hübschen Jüngling. »Alter, was ist eigentlich los mit dir? Du hättest erschossen werden können. Hast du das schon kapiert?«

Und der regte sich über meine Umgangsformen auf?!

»Klar.« Sichtlich unberührt zuckte dieser die Schultern. »Aber es ist ja nichts passiert.«

Ich wollte etwas erwidern, da wurde ich von vertrautem Sirenengeheul unterbrochen. Und keine zehn Sekunden später flutete Blaulicht das weiß gestrichene Foyer.

»Ist ja nichts passiert«, wiederholte ich Sandros irrsinnige Meldung und schleppte den Jammerlappen eines Kriminellen nach draußen. »Die Jugend heutzutage spielt definitiv zu viele Ballerspiele.«

Ich trat vor die Tür – und konnte bloß den Kopf schüttelnd.

Die gesamte Polizeistation stand vor mir – mit teils glücklichen, teils leicht verängstigten Gesichtern.

Das passierte, wenn eine Polizeidienststelle an permanentem Arbeitsmangel litt.

Dieser Anblick bestätigte meine Vermutung, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis man unseren Posten aus Kostengründen dichtmachen würde.

Meine Kollegen liefen zu mir – Tom, dieser Idiot, die Waffe gezogen.

»Bist du verletzt?«, fragte Dan besorgt.

Ich zeigte ihm ein sarkastisches Lächeln. »Nein, das siehst du doch. Aber der.« Damit übergab ich meinem Kollegen den Ausländer. »Den Bericht kriegt ihr von meinem Urlaub aus per Mail zugeschickt. Ich hab nämlich keine Zeit für ein Aufnahmeprotokoll.« Ich nickte Richtung Bank. »Und das Wichtigste hat sowieso Sandro gesehen.« Wütend schaute ich zu Tom. »Und du, Tom. Steck die Waffe endlich weg, du Depp. Die Drecksarbeit ist längst erledigt.«

Sein Augenausdruck wechselte von besorgt zu stinkig. »Wir haben nur einen Alarm bekommen. Wir wussten nicht, was los ist, also komm mal wieder runter.«

Scheiße.

Er hatte recht. Das war ein wenig übertrieben gewesen.

Ich rieb mir die Stirn.

Lagen Dan und Sandro doch nicht komplett im Unrecht, wie ich es mir die ganze Zeit einzureden versuchte?

Aber womöglich war ich alleine vom harten Training überarbeitet. Jeden Tag fünf Kilometer Schwimmen und eine Stunde Klettern konnte ziemlich an die Substanz gehen.

»Sorry. Hast ja recht … Tut mir leid … Also.« Damit winkte ich der versammelten Mannschaft. »Ich bin dann mal weg.«

Und ihr habt wenigstens etwas zu tun, vervollständigte ich im Geiste und eilte zu meinem Wagen.

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