Kitabı oku: «Right in your heart», sayfa 6
Schlagartig kapierte ich: Die heißen Wangen waren Beweis genug!
»Du unanständiges Ding«, säuselte er mit dieser tiefen sexy Stimmlage. »Ich glaube, du hast es faustdick hinter den Ohren. Du sagst zwar, du willst nichts von Sex wissen, dabei spielt sich da viel mehr in deinem Köpfchen ab … es wird mir bereits deshalb heiß.«
»Red keinen Unsinn!«, fauchte ich und errötete selbstredend beträchtlich heftiger. »Lass mich einfach in Ruhe!«
Ich musste hier weg!
Sofort!
In meinen Bungalow – und für die restlichen Tage nicht mehr vor die Tür treten.
Ich drehte den Kopf zur Seite, zum Meer. »Lässt du mich jetzt endlich gehen?«
»Was bekomme ich dafür?«
Mein Blick sprang zu Theo zurück. »Was meinst du damit?«
Sein blitzender Augenausdruck und das immense Grinsen entfesselten mir stechende Schauer. »Ich will eine Entschädigung.«
»Bitte was?!«
»Eine Entschädigung für die Körperverletzung, die nach §223 des Strafgesetzbuches normalerweise mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet wird.«
Meine Alarmglocken schrillten.
Er kannte sich mit den deutschen Strafgesetzen aus!
War er etwa Polizist?
»Aber für mich reicht ein Candle-Light-Dinner am Strand, das selbstverständlich du zahlst.«
Nach wie vor geschockt ob seiner Aussage, stimmte ich zu, ohne genauer nachzudenken.
»Super!« Fröhlich-beschwingt erhob er sich. »Heute Abend. Vergiss nicht, zeitig zu buchen!«
Dies gesprochen zog er von dannen.
Und mir gelang nichts weiter, als liegen zu bleiben und mich selbst zu verfluchen.
Immer und immer wieder.
Was, zur Hölle, hatte ich da verbockt?!
Als er sie in der Dämmerung erblickt hatte, wollte er sie erst gar nicht ansprechen. Sogar die entgegengesetzte Richtung wollte er einschlagen, um seinen Morgenspaziergang ohne unangenehme Zwischenfälle durchziehen zu können, die in Form von zickenden Aussagen einer frustrieren Tussi dahergekommen wären. Aber dann begann sie sich zu drehen. Wie eine Ballerina. Sie sah atemberaubend schön dabei aus. Ihr wehendes Haar. Das weiße Kleid, welches sich um ihre Silhouette schmiegte, sich immer weiter aufbauschte und ihm einen zweiten Blick auf ihre gestählten Oberschenkel ermöglichte. Der Ausdruck Sexy beschrieb nicht im Ansatz, wie betörend sie in dem Moment angemutet hatte. Sie war eine Erscheinung – erinnerte ihn an eine Nymphe aus eines der vielen Märchen, welche seine Mutter ihm in seiner Kindheit vorgelesen hatte.
In diesem heiligen Augenblick hatte ihn ein gänzlich unbekanntes Gefühl erfasst. Ein Gefühl, das ihm beim besten Willen nicht einzuordnen und weitaus weniger zu verdrängen oder gar zu ignorieren gelungen war.
Solange sie sich drehte, hielt es in ihm inne – in seiner Seele. Es krallte sich regelrecht fest, beschenkte ihn mit Schwerelosigkeit.
Irgendwann hielten Evinas Beine still, und damit war das Gefühl gleichermaßen schnell verschwunden, wie es aufgetaucht war.
Was, verfickt noch mal, war da mit ihm los gewesen?
Was es auch war, diese Empfindung hatte seine Beine in Bewegung gebracht, ihn zu ihr aufschließen lassen.
… Das Licht in ihren Augen, als sie sich zu ihm umgedreht hatte …
Für eine Sekunde wirkte sie zermürbt, doch sobald er ihr sein ehrliches – und offen gesagt – unfreiwilliges durch ihre Erscheinung entstandenes Lächeln zugeworfen hatte, war dieses Licht, dieses Funkeln regelrecht explodiert. Von einer Sekunde auf die andere war Evina wie ausgewechselt gewesen. Das mauerverbeißende Miststück war komplett in den Hintergrund geraten.
Und dann der kleine Kampf!
Niemals hatte er vermutet, sie könnte dermaßen hart zuschlagen.
Ihre Technik war gut, verlangte jedoch ein wenig Ausbau …
Ein mulmiges Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus.
Was könnte er ihr alles beibringen!
Und jetzt hatte er sie zu einem Date überredet!
Yes!
Er war der Beste! Unbestrittener Flirtkönig!
Weshalb sie ihm aber so mir nichts dir nichts zugestimmt hatte, verstand er nach wie vor nicht.
Er hatte mit bedeutend mehr Gegenwehr gerechnet.
Egal. Date war Date. Er hatte es geschafft!
Womöglich wurde noch etwas aus seinem erhofften One-Night-Stand …
Und damit drifteten seine Gedanken zurück zu dem Zeitpunkt, während sie mit dem Rücken im Sand unter ihm gelegen und sich dieser sinnliche wie erotische Ausdruck in ihrem Gesicht widergespiegelt hatte.
Was war ihr da durch den Sinn gegangen?
Er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, jemals einen solchen betörenden Schlafzimmerblick gesehen zu haben.
Meine Fresse!
Bereits aus dem Grund hätte er sie am liebsten am Strand vernascht – sie geliebt im aufgehenden Schein der Sonne, im nassen Sand … das warme Salzwasser auf der Haut … zarte Wellen, die auf ihre heißen Körper treffen … ihre vor Ekstase halbgeschlossenen Lider … ihr stöhnender Mund …
Es wurde ihm heiß.
Und nun hatte er wahrhaftig ein Date mit ihr!
Teilweise konnte er es nach wie vor nicht fassen.
Frohgemut trat er ins Restaurant, ließ den Blick über die vielen Holztische gleiten.
Evina war noch nicht anwesend.
Ließ sie das Frühstück etwa aus? Bei ihrem muskulösen Körper schwer vorstellbar. Muskeln brauchten Energie. Viel Energie – und wesentlich mehr Training …
Vielleicht konnten sie ihren Morgensport gemeinsam ausüben? Über den weißen Strand joggen, ein paar Liegestütze auf dem Steg … und darauffolgend leidenschaftlicher Sex im Pool.
Einen der vielen freien Tische ansteuernd überkam ihm eine neue Idee: Sparringpartner.
Evina als sein Sparringpartner! Besser würde es gar nicht mehr gehen!
Scheiße, ja!
Irgendwie musste er sie überreden. Schließlich konnte er ihr noch unwahrscheinlich viel beibringen – und ihr dabei näherkommen.
Er ließ sich nieder und bestellte ein Glas Wasser.
Ein wenig Jiu-Jitsu – sich gegenseitig zu Boden drückende, schwitzende Körper, sanftes Stöhnen, eifrige Hände … Finger in ihrem Körper und an seinem Tiger …
Er wandte sich zum drei Meter entfernten ewig langen Buffettisch, auf welchem sich eine Köstlichkeit nach der anderen aufreihte.
Am liebsten hätte er ein ganzes Schwein verdrückt, dermaßen hungrig hatte ihn das frühmorgendliche Zusammentreffen gemacht. Nichtsdestoweniger wollte er auf Evina warten. Möglicherweise würde ein gemeinsames Frühstück hilfreich sein, mehr über sie in Erfahrung zu bringen, um sie heute Abend zu einer schönen Nacht zu zweit zu überreden.
Entspannt lehnte er sich zurück.
Der Sex mit ihr würde gewaltig werden. Da war er sich sicher. Bestimmt ging sie ab wie eine Rakete …
Jäh tauchte seine Buhlschaft auf.
Ihr weißes Kleid hatte sie gegen ein ultrakurzes sonnengelbes getauscht.
Wie herrlich die helle Haut ihrer muskulösen Beine in der Morgensonne funkelte … die ellenlangen Haare und die großen runden Augen …
Die billigen Weiber von Germanys Next Topmodel und Co, ja selbst Victoria Secret Laufsteg-Beautys vermochten es da nicht im Ansatz mit ihr mitzuhalten!
Es stimme zwar, Evina war übermäßig trainiert – ihre Oberschenkel schienen aus reiner Muskelmasse zu bestehen – dadurch wirkte sie aber zu keiner Zeit plump oder bullig, vielmehr graziös wie eine Turnerin oder Balletttänzerin.
Eine einzige Augenweide.
»Darf ich mich zu dir setzen?«
Sie klang niedergeschlagen.
Zwei Gedanken schossen ihm durch den Sinn.
Erstens: Weshalb wollte sie sich freiwillig zu ihm setzen? Zweitens: Warum wirkte sie bedrückt?
Ganz egal, Theo! Sie hat anscheinend angebissen! Das musst du ausnutzen!
Nein.
Alles mit der Ruhe! Diese Sache musste er langsam angehen, ansonsten würde Evina schneller verschwinden, als er zu schauen imstande war. Das hatte ihre Reaktion gestern eindeutig bewiesen.
Doch ihre bedrückte Stimmung – die musste sich schleunigst ändern!
»Ja, sicher.« Er machte eine ausladende Geste mit seinen Armen. »Such dir einen Stuhl aus.«
»Es gibt nur einen«, antwortete sie belegt und ließ sich langsam nieder.
Diese Aufheiterung hatte offenkundig nichts gebracht.
Er blickte in ihre wunderschönen graublauen Augen. »Was ist los?«
Sie mutete sekündlich deprimierter an. »Nichts Wichtiges.«
»Das stimmt nicht. Du hast was.« Theo stützte die Unterarme auf den minimalistischen Holztisch ab. »Gibt es schlechte Nachrichten? Ärger mit einem Verehrer?«
Die Sache mit dem Sexfrust hatte er heute Morgen schnellstens verworfen.
Selbst wenn er bisher ausschließlich ihren Namen kannte, eines war gewiss: Evina konnte sich vor Anträgen und Einladungen kaum retten. Darum hielt sie ihn solchermaßen auf Distanz. Darum die Kaltschnäuzigkeit. Darum das zickige Getue. Mit Sicherheit ging ihr diese ganze Flirterei unbeschreiblich auf den Sack.
Bestimmt musste sie zu Hause reihenweise Männer verjagen. Verehrer, die ihr jeden Tag Rosen schickten, sie zum Dinner einluden, sie nach der Arbeit abholten und weiß Gott, was sonst alles taten, um in ihrer Nähe verweilen zu dürfen.
Etwas anderes war schlichtweg nicht vorstellbar. Nicht bei ihrem umwerfenden Aussehen und diesem harten rechten Haken.
Wer wusste, wie viele Heiratsanträge sie in der Vergangenheit erhalten hatte …
Wie auch immer.
Für ihn bedeutete dies: Wollte er ihr nahekommen, musste er sich wirklich bemühen. Keine billigen Anmachsprüche, keine sexistischen Meldungen, keine patzigen Bemerkungen.
Evina wollte erobert und respektiert werden.
Darum hieß es, die Zähne zusammenbeißen und das Ego ein klitzekleines Bisschen beiseiteschieben. Zumal dieses Traumweib für Männer, die es nach einmaligen Abenteuern dürstete, verständlicherweise schon lange kein Interesse mehr hegte.
Und er mittlerweile auch nicht mehr …
Das wiederum machte ihm Angst. Große Angst.
Dennoch.
Irgendetwas an ihr verzauberte ihn. Etwas, das ihm das Gefühl gab, das Richtige zu tun. Ein Gefühl, das sagte: Lass sie dir nicht entgehen! Eine Frau wie Evina begegnest du kein zweites Mal!
Selbst jetzt mit diesem bekümmerten Angesicht strahlte sie pure Erotik aus.
Ihr Ausdruck wechselte von Ich-bin-fertig-mit-der-Welt zu Geh-mir-nicht-auf-die-Nerven.
Nicht einmal ein Du-Arschloch-Blick?
Allmählich machte er sich echte Sorgen.
Bis jetzt hatte sie ihn jedes Mal brutal angefahren – oder wenigstens versucht, ihm aus dem Weg zu gehen.
»Irgendetwas ist doch los. Die letzten Male hast du mich ständig attackiert, als ginge es um dein Leben – und jetzt? Nichts. Gar nichts. Was hast du? Hat unser frühmorgendliches Meeting daran Schuld?«
Oder hatte sie ihre Tage?
Schwerfällig schüttelte sie den Kopf.
»Na dann sag einfach, was los ist, Herrgott! Ich will mein Frühstück nicht vor einer gefrusteten Frau hinunterschlingen.«
Nun, im Grunde genommen stimmte diese Meldung nicht ganz. Konkret wollte er sich nicht länger darüber das Gehirn zermartern, weshalb ein Traumweib wie Evina eine derartige Laune an den Tag legte.
Sie musste strahlen wie die aufgehende Sonne. Nichts anderes wollte er sehen.
»Verdammt!«, fluchte sie unerwartet und mit erhobener Stimme, jedoch eben noch leise genug, um nicht von den restlichen Gästen gehört zu werden. »Dann sag ich es dir halt: Ich habe lediglich fünfzig Liegestützen zusammengebracht, okay? Fünfzig!« Abschließend schlug sie mit der Handinnenfläche auf den Tisch, sodass dieser heftig wackelte.
Theo fühlte sich wie vom Blitz gestreift.
Fünfzig Liegestützen absolvierte sie? Und darüber regte sie sich auf?
»Ich verstehe jetzt nicht ganz … das ist doch fabelhaft!«
Fassungslosigkeit legte sich über sie. »Normalerweise mache ich mindestens siebzig, okay?!«
Nun blieb ihm der Mund offen.
»Siebzig?!« Eine heiße prickelnde Welle preschte ihm über Hintern und Rücken. »Und was steht sonst auf deinem Fitnessplan, sofern die Frage gestattet ist?«
Einige Augenblicke lang zögerte sie. »Fünf Kilometer Schwimmen, Ausdauertraining, Eigengewichtsübungen und Selbstverteidigung.«
»Warte, warte.« Er machte beschwichtigende Handgesten.
Das musste sein Hirn erst einmal verdauen.
»Noch mal von vorn.« Mit Zuhilfenahme seiner Finger wiederholte er ihre Auflistung – sein Herz pumpte dabei derart wild, es raubte ihm schier den Atem. »Erstens: Schwimmen? Dann Ausdauertraining, Selbstverteidigung und Eigengewichtsübungen? Stimmt das? Habe ich das richtig verstanden?«
Die nüchterne Antwort?
»Ja.«
Damit flippte sein Herz erst recht aus.
Einer Powerfrau wie Evina zu begegnen war gewöhnlich so wahrscheinlich, wie ein einziges Mal im Leben Lotto zu spielen und den Hauptgewinn zu knacken! Ergo: Vor ihm saß ein Wunder – ein einziges, ultraheißes, männermordendes Wunder.
Himmel, Arsch!
Und er hatte stets vermutet, seine Kolleginnen mit deren Zirkeltraining und dem bescheuerten Joggingprogramm gepaart mit Zumba und Pilates-Einheiten wären harte Hunde!
Falsch gedacht! Das waren allesamt Pussies!
Er schickte ein Dankesgebet gen Himmel.
Da war sie. Die perfekte, vollkommene Frau!
Meine Frau.
Beinahe hätte es ihn vom Stuhl geworfen.
Was dachte er denn da? Was ging jetzt wieder ab?
Dreh nicht durch! Sie soll lediglich ein One-Night-Stand sein. Nicht mehr und nicht weniger. Oder willst du dich etwa mit einer derart launischen Frau tagtäglich herumärgern?
Ja, falls sie es ist, vielleicht schon.
»Weshalb dieses Training?« Die beschleunigte Atmung konnte er nun nicht mehr erfolgreich unterdrücken.
Bitte sag nicht, du bist Polizistin. Das kannst du nämlich nicht sein. So etwas kann nicht sein.
»Ich will bei der Cobra anfangen.«
Adrenalin wurde ihm in die Venen gepumpt, brachte seinen Körper zum Glühen.
Die Spezialeinheit Österreichs.
Die Profiliga.
Scheiße!
Er benetzte sich die Lippen, versuchte, seinen Puls auf ein geregeltes Maß zurückzuschrauben …
Und versagte hoffnungslos.
»Verdammt … echt jetzt? Du willst in diese Spezialeinheit? Weshalb?«
Er liebte Frauen, die wussten, wohin sie wollen. Die eine Karriere anstrebten, sich in einem Männerberuf behaupteten …
Und Evina?
Sie war das Paradebeispiel!
Die ideale Partnerin.
Sie beide wären das perfekte Team. Privat wie beruflich. Sie könnten sich gegenseitig unterstützen, miteinander trainieren und kämpfen.
»Weil ich den Dienst in der Polizeistation nicht mehr ertrage«, kam es pragmatisch aus ihrem Mund.
Und er erstarrte.
Sie war Polizistin!
Verdammte Scheiße!
»Wie –« Er wollte weitersprechen, hielt sich jedoch davon ab, da ein Kellner Evinas Getränkewunsch aufnahm. Nachdem der lästige kleine Mann verschwunden war, versuchte er es noch einmal. »Du arbeitest als Polizistin? Wo?«
Von einem Schlag auf den anderen wechselte ihre Stimmung. »Das geht dich nichts an. Ich kenne dich nicht. Glaube ja nicht, ich würde dir hier meinen Lebenslauf präsentieren.«
Er wollte mehr über sie erfahren – musste mehr über sie erfahren.
Wie sie ihn nun allerdings ansah, stellte dies eine schier unmöglich zu meisternde Herausforderung dar.
Womöglich half es ein wenig, wenn er ihr mehr über sich selbst verriet?
»Ich arbeite für Interpol.«
Ihre großen runden ihn skeptisch musternden Augen wuchsen an. »Interpol?«
Er nickte. »In Berlin.«
Zwar schien Evina weiterhin ruhig bis niedergeschlagen sowie kritisch und vorsichtig. Kleine Anzeichen, wie die in die Serviette bohrenden Finger ihrer linken Hand, das Nagen an ihrer Unterlippe sowie die beschleunigte Atmung, welche sie durch gelegentliches Luftanhalten herunterzusetzen versuchte, schlossen auf hohe nervliche Belastung.
Nun stellte sich die Frage: Weshalb diese Reaktion? Stand sie auf anständige Kerle, die einen verantwortungsvollen und manchmal gefährlichen Beruf ausübten? Oder hatte sie ihn schlichtweg einem gänzlich anderen Job zugeordnet?
»Und du?«
Allem Anschein nach rang sie weiterhin mit einer für Polizisten typischerweise stark ausgeprägten Skepsis fremden Menschen gegenüber, lenkte sie ihre Aufmerksamkeit doch auf die Tischplatte vor sich.
»Ganz normaler Polizist in einem Kärntner Kaff.«
»Du meinst Polizistin.«
Seine Richtigstellung brachte sie dazu, sich wieder ihm zuzuwenden, ihn verwirrt zu mustern und ein »Hä?« hervorzubringen.
»Na, Polizistin. Du bist ja kein Mann, oder?«
Evina seufzte. »Ich hasse dieses elendige Gendern. Darum nehme ich ausnahmslos die männliche Form. Bei allem.«
Keine Gleichberechtigungsscheiße? Herrschaft! So konnte man sich täuschen!
Theo stützte den rechten Ellbogen auf dem Tisch ab und bettete das Kinn auf die Handinnenfläche. »Echt? Das finde ich unheimlich sexy.«
Ruckartig erhob sie sich. »Ich hole mir etwas zu essen.«
»Warte.« Er tat es ihr gleich. »Ich komme mit.«
Schulterzuckend marschierte sie los.
»Ich finde dieses Binnen-I genauso bescheuert«, laberte er aufs gerade Wohl, um das Gespräch nicht abbrechen zu lassen. »In früheren Zeiten wusste man schließlich ebenfalls, dass sämtliche Geschlechter gemeint waren.«
Selbst solche wie Intersexuelle.
Evina griff nach einem weißen Teller und lud sich etwas Rührei drauf. »Ja? … Nicht schlecht.« Sie hörte sich ziemlich monoton an. »Die meisten meiner Kollegen nehmen diesen Beschiss viel zu ernst. Und schrecklicherweise ist das noch Gesetz.« Ein Brötchen und Konfitüre komplettierten ihr Frühstück. »Das habe ich nie verstanden. Schließlich hat Gleichberechtigung nichts mit irgendwelchen Bezeichnungen zu tun. Gleichberechtigung sollte für gleiche Bezahlung und gleichen Stellenwert stehen.«
Es wurde ihm etwas mulmig.
Dann ging es ihr doch um diesen Quatsch!
Verflucht!
Er nahm sich zwei Brötchen, etwas Schinken und eine Kelle Rührei – für den Muskelaufbau – und ging zurück zum Tisch. Evina folgte ihm mit etwas Abstand.
»Dich interessiert das nicht, stimmt’s?«, hörte er sie sagen. »Für dich sind Frauen bestenfalls Objekte, die man benutzt. Mehr als einen Fick nicht Wert.«
Ein kalter Schauer jagte ihm von seinem Haaransatz bis in die Zehen. »Whoa, whoa! Wie kommst du auf den Mist?«
So dachte sie von ihm? Kam er etwa dermaßen asozial rüber?
Sie setzten sich.
»Weil es dir rein um Spaß geht«, stellte sie fest. »Keine Verantwortung, ausschließlich Freiheit, Sex und Erfolg.«
Die Wahrheit war: Ja, er liebte es, Frauen flachzulegen. Dessen ungeachtet bedeutete dies nicht, irgendjemanden auszunutzen oder nicht ernst zu nehmen. Er nahm jede Frau todernst. Sie brachten Kinder auf die Welt, sie kümmerten sich um all die Dinge, die Männer nicht tun wollten, manchmal zeigten sie größeres Verantwortungsbewusstsein als manch ein Mann … obwohl er dies natürlich niemals laut zugegeben hätte.
»Bloß, weil ich dich gerne zu einem One-Night-Stand überreden möchte?«
»Ja«, entgegnete sie kühl. »Und weil du eben dein Gesicht verzogen hast, als leide ich an einer hoch infektiösen, eitrigen Hautkrankheit.«
»Das habe ich nicht!« Er belegte ein Brötchen mit Schinken. »Da hast du irgendetwas falsch aufgefasst.«
»Verarsch mich nicht. Dich interessiert der Stellenwert der Frau in der Gesellschaft einen Scheißdreck. Gib’s einfach zu.«
Auf eine derartige Weise hatte er niemals über Frauen gedacht! Niemals!
Aber was brachte es, ihr dies bis ins kleinste Detail zu erklären? Wie sie reagierte – da glaubte sie ihm höchstwahrscheinlich ohnehin kein Wort.
»Falls ich Ja sage, gibst du dann Ruhe?«
Sie zog die Augenbrauen zusammen. »Nein.«
Mit dem Brötchen in der Hand lehnte er sich zurück. »Dann sage ich gar nichts.«
Das Gespräch entwickelte sich erneut in eine völlig falsche Richtung.
Er musste einlenken, sonst würde ihr Zusammensein abermals in einer Katastrophe enden.
»Wieso fängst du eigentlich andauernd zum Streiten an? Kannst du dich ausschließlich aufregen, oder was? Gibt es sonst nichts in deinem Leben?«
Sein Hauptanliegen war nach wie vor, sie flachzulegen. Er wollte mit ihr eine schöne Zeit verbringen, seinen Urlaub genießen – und nicht über die Emanzipation diskutieren.
Gott.
Davon bekam er Kopfschmerzen!
Sie bestrich ihr Gebäck mit Erdbeerkonfitüre. »Ich streite nicht. Ich sage einfach, was wahr ist.«
»Aber ständig dieser aggressive Ton! Kein Wunder, weshalb du frustriert durch die Welt läufst.«
Hätte Evina die Fähigkeit besessen, Feuer und Gift zu spucken – sie hätte es getan und ihn in ein Häufchen Asche verwandelt. »Meinst du, mich spricht deshalb niemand an? Weil ich aggressiv rüberkomme und mich nicht wie ein verschüchtertes Prinzesschen aufführe?«
Wie bitte?!
Sie sollte von niemandem angesprochen werden?
Das glaubte sie doch selbst nicht!
»Nein«, erwidere er. »Ganz und gar nicht.«
Er zwang sich weiterhin zur Ruhe.
Es brachte nichts, die Nerven zu verlieren. Sie war nun einmal aufbrausend. Möglicherweise legte sich diese Charaktereigenschaft, wenn sie ihm etwas mehr vertraute.
»Ich vermute, du hast die Nase voll von flirtenden Männern und Machos, die dich besitzen wollen. Deshalb reagierst du jedes Mal abweisend und wütend.«
Ihre leicht erschrockenen Gesichtszüge ließen ihn kurzzeitig innehalten.
Hatte er mit seiner Vermutung ins Schwarze getroffen?
»Einzig deshalb bist du frustriert. Hier geht es nicht um Sexfrust, sondern um Männerfrust. Sie kotzen dich alle an mit ihrem präpotenten Gequatsche.«
Würde er sich damit ein paar Bonuspunkte verdienen?
»Ich verstehe dich da sogar. In deiner Situation würde ich sicherlich ähnlich reagieren.«
Das musste jetzt ziehen!
Jede Frau liebte es, Recht oder Verständnis zu erhalten! Jetzt musste sie anbeißen!
Er sah es bereits vor sich: Das leidenschaftliche, zügellose Liebesspiel in seinem weißen Himmelbett – sie mit diesem geilen Blick in ihrem erhitzten Gesicht unter ihm, während er sich rhythmisch-fordernd in sie stieß.
Komm schon! Gib endlich nach! Du willst Sex mit mir, ich weiß es!
Es dauerte lange, bis sie ihm antwortete. »Ja, es stimmt.«
Ha!
Sie legte die angebissene Hälfte ihres Brötchens auf den quadratischen Teller vor sich. »Mich frusten Männer. Aus exakt dem Grund brauchst du dich nicht weiter zu bemühen, mich mit deiner vorgespielten Freundlichkeit ins Bett zu locken.« Mit Eiseskälte in ihren schönen Augen taxierte sie ihn angewidert. »Hast du es so lange nicht mehr gemacht? Bist du derart notgeil?«
Er wollte etwas erwidern – sie unterbrach ihn. »Ich muss ehrlich sein: Für einen winzigen Moment glaubte ich, ich hätte hier meine Ruhe. Eine Auszeit. Insgeheim habe ich mir sogar erhofft, nette Leute zu treffen und womöglich neue Freundschaften zu schließen. Wärst du nämlich nicht ein derart penetranter, überheblicher, sexbesessener Weiberer, hätten wir eventuell ein paar lustige Tage verbringen können. Aber das … das ist echt das Allerletzte.« Wort um Wort vergrößerten sich ihre Wut und ihr Frust. Er sah es in ihrem Angesicht und er hörte es in ihrer belegten Stimme. »Ich hätte es mir von Anfang an denken können, dass diese Sache zu einem Desaster ausartet … tut es schließlich andauernd bei mir.« Sie trank einen Schluck, stellte die Tasse lautstark zurück und stand auf. »Das Dinner kannst du vergessen. Und für die restlichen zwei Tage will ich meine Ruhe vor dir.«
Damit verließ sie ihn.
Mit einem jeden Schritt, der die Distanz zwischen ihnen vergrößerte, fühlte er sich elender und verlorener.
Als sie schließlich komplett aus seinem Sichtfeld verschwunden war, überkam ihn ein noch niemals zuvor empfundenes intensives Gefühl der Leere.
Fuck.
Er besah die zweite Hälfte seines Brötchens.
Der Appetit war ihm vergangen.
Laut ausatmend stützte er das Kinn gegen seine Faust.
Weshalb empfand er derart heftig?
Üblicherweise würde er Evina vergessen und es bei der Nächstbesten probieren.
Er nahm die besetzten Tische in Augenschein.
Abgesehen von verliebten Pärchen und Rentnern fand er zu seinem Bedauern keine anderen Singledamen vor.
Womöglich fühlte er sich deshalb durch den Wind?
Der letzte Sex lag länger zurück … und hier konnte er seine gesamte aufgestaute Energie alleine auf eine einzige Frau richten – und die wollte nichts von ihm wissen.
Entweder musste er sie ignorieren, das würde bereits bezüglich der Örtlichkeit scheitern. Eine schätzungsweise sechstausend Quadratmeter große Insel bot nicht viele Möglichkeiten, Evina erfolgreich aus dem Weg gehen zu können.
Des Weiteren wollte er sie nicht ignorieren.
Besonders jetzt nicht!
Sie war Polizistin! Ein Umstand, welchen er sich ein Leben lang sehnlichst gewünscht hatte: Eine Freundin … Partnerin, die denselben Beruf ausübte wie er!
Besser ging es nicht. Besser konnte und würde es niemals mehr werden!
Durch ihren Job verstand sie seine Launen, seine Reisebereitschaft und seine selbst für ihn manchmal altmodischen Werte: Loyalität, Respekt, Ehre, Zusammenhalt, bedingungsloses Vertrauen. Oder um es mit Rambos Worten auszudrücken: »Ich decke dir deinen Arsch – und du deckst meinen.«
Theo beendete sein Frühstück und erhob sich.
Bei seiner Aufgekratztheit würde sich ein erneuter Appetit nicht mehr einstellen. Da war es besser, eine Runde zu drehen und nachzudenken.
Mit den Händen in den Hosentaschen schlenderte er den weichen Sandstrand entlang. Er betrachtete die üppige Vegetation, die einzelnen Strandliegen und Palmen, die in der Ferne stehenden Bungalows und Strandhäuser, den azurblauen Himmel und das weite, glitzernde Meer. Der Ausblick erinnerte ihn stark an eine Wolkenlos-Folge. Ein kicherndes, etwas weiter links flanierendes Pärchen leitete seine Gedanken zurück zu Evina – und ihre für ihn unverständlichen Reaktionen.
Weshalb war sie andauernd sauer? Dermaßen viel Wut … und dann diese Kälte und beinahe erzwungene Distanz, als rechnete sie jede Sekunde mit einem Suckerpunch – jemand, der ihr in den Rücken schoss oder stach.
Herrgott!
Was stimmte mit dieser Frau nicht?
Und was konnte er jetzt noch tun, um ihr näherzukommen?
…
Wie sie aufgestanden und weggegangen war …
Sein Herz zog sich zusammen.
Fuck und nochmals Fuck!
Er raufte sich die Haare.
Was hatte sie mit ihm angestellt?
Derart rührselig und überdreht hatte er sich noch bei keiner Frau zuvor gefühlt. Besonders nicht bei einer ihm gänzlich Unbekannten …
Er war schließlich der Macho! Er wollte Spaß … und Sex … und saufen … und …
Eine Partnerin.
Eine andere Hälfte zum Anlehnen.
Jemand, der da war … ohne viel zu sagen … wo ein Blick reichte, um ihn zu beruhigen.
Jemand, in dessen Arme er sich fallenlassen durfte.
Evina.
Wenn sie es nicht war, gab es niemanden mehr, bei dem dieser zugegebenermaßen infantile Wunschtraum wahr werden würde.
Je mehr er über sie nachdachte, desto größer wurde das Verlangen, sie bei sich zu wissen.
Dieses Gefühl wiederum hatte er das letzte Mal …
Nein.
Auf diese Weise hatte er noch nie empfunden.
Er hatte sich auf Weiber eingelassen … aber sein Herz verloren? Nein, niemals. Niemals so sehr, wie es hier im Begriff war, zu geschehen.
Laut ausatmend setzte er sich in den Sand.
Die funkelnden kleinen Wellen des Ozeans schienen mit Diamanten bestückt. Es erinnerte ihn an seine Kindheit, in der seine Mutter und er des Öfteren ans Meer gefahren waren.
Lignano Sabbiadoro.
Am liebsten war ihm die Ebbe gewesen – hunderte Meter weit ins Meer hinausspazieren. Die Sandformationen unter seinen Füßen. Die kleinen Krebse, die ihm jedes Mal in die Zehen kniffen. Die vielen bunten Muscheln, die man heutzutage nicht mehr fand. Die warme Sonne auf der Haut … Die Strahlen hatten sich damals noch nicht solchermaßen aggressiv angefühlt – und hatten ungleich weniger geblendet.
Einst hatte er stundenlang in der Mittagshitze gespielt. Heute hielt er es nicht einmal dreißig Minuten aus, dann muteten Kopf und Augen wie ausgedorrt an.
Er seufzte.
Die Vergangenheit.
Die ruhige, friedliche, empfindliche Vergangenheit.
Eine Zeit, die er irgendwie andauernd vergessen wollte, ihm andererseits den letzten wahren Seelenfrieden schenkte.
Diese innere Ruhe … dieses Nicht-Nachdenken … dieses Gefühl der Freiheit und Leichtigkeit. All das begann hochzuklettern, sobald er Evina ansah.
Seit heute Morgen.
Seit ihrem Tanz.
Seit dem Kampf.
Seit er ihren süßlichen Duft wahrgenommen, ihre zarte Haut gefühlt und sich in ihren wunderschönen graublauen Augen verloren hatte.
Du willst einen Fick, schaltete sich seine innere Stimme ein. Was denkst du da lange nach? Wen interessiert der ganze Beschiss?
Ja, bisher.
Aber jetzt …
Theo streifte sich die vom sanften Wind ins Gesicht gewehten Haare nach hinten.
Er musste aktiv werden … oder er würde zu einem sentimentalen Spinner mutieren.
Nun gut …
Er überlegte.
Sex? … Ja.
…
Beziehung? …
…
…
…
Ja … Wieso nicht?
JA, weshalb, zur Hölle, denn nicht?! Wenn es passte, wieso sollte er sich diese Chance entgehen lassen?
Das schlimmste, was ihm passieren konnte, war abzublitzen und weiterhin alleine durchs Leben gehen zu müssen.
…
Evina.
…
Er musste es versuchen.
Ein letztes Mal. Wenn sie ihm dann einen Korb verpasste, würde er sie in Ruhe lassen müssen.
Ja.
Ein letztes Mal.
Mit einem zuversichtlichen Lächeln erhob er sich und marschierte zurück Richtung Bungalows.
Und mit einem jeden Schritt sackte ihm das Herz ein kleines Stück weiter Richtung Hose.
Hoffentlich schlug sie ihm die Tür nicht gleich vor der Nase zu …