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Kitabı oku: «Die Unglückliche», sayfa 6

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»Ich ging auf die Thüre zu.

»Ach, so also! So hast Du jetzt die Sprache wiedergefunden!« pfiff Simeon Matveitsch in stumpfem Zorne, offenbar aber nicht wagend, zu mir heranzutreten . . . »So warte denn Du! Herr Ratsch! Ivan Demjanitsch!l Kommen Sie!«

»Eine Thüre im Billardzimmer, derjenigen, auf welche ich zuging, gegenüber, öffnete sich weit und mein Stiefvater erschien mit einem brennenden Armleuchter in jeder Hand. Sein rundes, rothes, von beiden Seiten durch die Lichter scharf beleuchtetes Gesicht erglänzte in dem Triumphe befriedigter Rache und einer lakaienhaften Freude über eine gelungene Dienstleistung . . . Oh, diese widerwärtigem weißlichen Augen! Wann werde ich aufhören sie zu sehen!

»Haben Sie die Güte, sofort dieses Mädchen zu ergreifen,« rief Simeon Matveitsch aus, sich zu meinem Stiefvater wendend und mit zitternder Hand gebieterisch auf mich weisend. »Führen Sie dasselbe ab i, Ihr Haus und schließen Sie es ein, unter Schloß und Riegel . . . daß es . . . keinen Finger rühren kann und keine Fliege zu ihm hinein kann! . . . Bis auf weiteren Befehlt Die Fenster vernagelt, wenn es nöthig ist! Du stehst mir für sie mit Deinem Kopfe!«

»Herr Ratsch stellte die Armleuchter aus das Billard, verbeugte sich tief gegen Simeon Matveitsch, und kam, sich leicht wiegend und schadenfroh lächelnd, auf mich zu. So muß ein Kater auf eine Maus losgehen, die sich nirgendhin retten kann. All’ mein Muth hatte mich verlassen. Ich wußte, dieser Mensch war im Stande . . . mich zu schlagen. Ich zitterte; ja, oh! Schmach! oh Schande . . . ich zitterte.

»Nun, mein Fräulein,« sagte Herr Ratsch. »Geruhen Sie zu kommen.«

»Er faßte mich langsam über dem Ellenbogen am Arme . . . Er begriff, daß ich mich nicht widersetzen würde. Ich ging selbst zur Thüre; in diesem Augenblicke hatte ich nur den einen Gedanken, wie ich mich am schnellsten von der Gegenwart Simeon Matveitsch’s befreien konnte.

»Aber der widerwärtige Greis sprang uns nach, und Ratsch hielt mich auf und kehrte mich mit dem Gesichte zu seinem Patrone.

»Aha!« schrie er und ballte seine Faust. »Aha! so bin ich also der Bruder . . . meines Bruders! Bande des Blutes, wie? Eh? Aber den Vetter kann man heirathen? Das ist möglich? Eh? – Führe sie ab, Du!« wandte er sich zu meinem Stiefvater. »Lasse es Dir gesagt sein: halte das Ohr spitz! Für den geringsten Verkehr mit ihr – soll keine Strafe groß genug sein . . . Führe sie ab!«

»Herr Ratsch brachte mich in mein Zimmer. Während wir über den Hof gingen, sprach er kein Wort zu mir und lachte nur tonlos vor sich hin. Er schloß die Fensterladen, die Thüren und dann, sich tief vor mir verbeugend, wie vor Simeon Matveitsch, platzte er in ein unaufhaltsames, triumphirendes Gelächter aus. »Gute Nacht, Prinzessin Melikitrice.« stöhnte er athemlos. »Hast den Zarewitsch Mitrofan nicht fangen können! Schade! Die Idee war in ihrer Art gar nicht dumm! Hieraus ist für die Zukunft die Lehre zu ziehen: Man soll keinen Briefwechsel beginnen. Ha – ha ha! Wie gut sich übrigens das Alles abgewickelt hat!« Er ging hinaus, steckte den Kopf aber noch einmal zur Thüre hinein: »Nun? Ich habe es Ihnen nicht »vergessen?« Wie? Habe mein Wort gehalten? Ho – ho – ho!« Der Schlüssel drehte sich im Schlosse. Ich athmete frei. Ich hatte gefürchtet, daß er mir die Hände binden würde, . . . allein, sie waren mein, – sie waren frei! Ich riß augenblicklich eine seidene Schnur aus meinem Schlafrocke, machte eine Schlinge und näherte sie dem Halse, warf die Schnur aber sofort wieder von mir. »Ich will Euch nicht die Freude machen,« sagte ich laut. »Und in der That? Welch’ ein Wahnsinn! Kann ich denn ohne Michel‘s Wissen über mein Leben verfügen, mein Leben, das ihm gehört, ein freies Geschenk von mir selbst? Nein, Ihr Bösewichte! Nein! Eure Sache ist noch nicht gewonnen! Er wird mich retten, er wird mich aus dieser Hölle herausreißen, er . . . oh, mein Michel!«

»Und dann fiel mir ein, daß ja auch er, gleich mir, eingeschlossen war, – und ich warf mich mit dem Gesichte auf mein Bette und schluchzte, schluchzte . . . und nur der Gedanke, daß mein Peiniger vielleicht hinter der Thüre stand und triumphirte, dieser Gedanke allein machte es mir möglich, meine Thränen zu verschlucken . . .

»Ich bin erschöpft. Ich schreibe vom Morgen an, und jetzt ist es Abend; wenn ich einmal mich von dem Papier losreiße, werde ich nicht mehr im Stande sein, die Feder von neuem zu ergreifen. Also schnell, schnell zum Ende! Mich bei all dem Häßlichen aufzuhalten, was auf jenen fürchterlichen Tag folgte, übersteigt übrigens auch meine Kräfte!

,,Vierundzwanzig Stunden später wurde ich in einen verdeckten Schlitten in ein, zum Hofe gehöriges Bauernhaus übergeführt, und mit Wache haltenden Mushik’s umgeben; dort blieb ich sechs volle Wochen eingeschlossen! Ich war nicht einen Augenblick allein . . . Ich habe in der Folge erfahren, daß mein Stiefvater von Michels Ankunft an mich und um mit Spionen umgeben hatte und den Diener, der mir Michels Brief zustellte, erkauft hatte. Ich habe auch erfahren, daß zwischen Vater und Sohn am folgenden Morgen eine fürchterliche, empörende Scene vorgefallen war . . . Der Vater verfluchte ihn. Michel schwor, das väterliche Haus mit keinem Fuße mehr zu betreten und reiste nach Petersburg. Aber der Schlag, den mein Stiefvater auf mich geführt hatte, traf ihn selbst. Simeon Matveitsch etkltitte ihm, daß er nicht mehr auf dem Lande bleiben und die Besitzung nicht mehr verwalten könne. Es mag wohl schwer sein, ungeschickten Eifer zu vergeben, und der daraus entstandene Scandal mußte doch an Jemand gerügt werden. Uebrigens wurde Herr Ratsch freigebig von Simeon Matveitsch belohnt. Er gab ihm die Mittel, nach Moskau überzusiedeln und sich dort niederzulassen. Vor unserer Abreise nach Moskau wurde ich in unseren Flügel zurückgebracht, aber wie früher, unter strenger Aufsicht behalten. Der Verlust des »warmen Plätzchens«, das er »durch meine Güte verloren,« vermehrte noch die Erbitterung meines Stiefvaters gegen mich.

»Und, wen haben Sie da verwunden wollen?« pflegte er, vor Wuth schnaubend, zu sagen. – »Der Alte mußte freilich heftig werden, sich übereilen, und nun sitzt er drin. Jetzt freilich hat seine Eigenliebe gelitten, und das Uebel ist nicht mehr wieder gut zu machen. Er hätte nur einige Tage zu warten gebraucht und Alles wäre wie Butter geflossen. Sie würden jetzt nicht bei trockenem Brote sitzen, und ich wäre geblieben, was ich war! Das ist es eben: Lang ist der Frauen Haar . . . aber kurz ihr Verstand! Nun, schon gut! Von Ihnen werde ich schon nehmen was mir zukommt, und jenes Täubchen (er meinte Michel) wird auch an mich denken!

»Ich mußte natürlich alle diese Beleidigungen stillschweigend ertragen. Simon Matveitsch habe ich nie wieder gesehen. Die Trennung von seinem Sohne hatte ihn sehr erschüttert. Fühlte er nun Reue, oder – wohl wahrscheinlicher – wünschte er mich für immer an sein Haus, meine Familie – Familie!! – zu ketten; genug, er bestimmte mir eine Pension, die mein Stiefvater empfangen und mir auszahlen sollte, bis ich heirathen würde . . . Dieses erniedrigende Almosen erhalte ich bis jetzt, das heißt er erhält sie, statt meiner . . .

»Wir ließen uns in Moskau nieder. Ich schwöre bei dem Andenken meiner armen Mutter, daß ich, nach unserer Ankunft in der Stadt, nicht einen Tag, nicht zwei Stunden bei meinem Stiefvater geblieben wäre. . . . Ich wäre davon gelaufen, ich weiß nicht wohin . . . in die Polizei . . . ich hätte mich dem General-Gouverneur, den Senatoren zu Füßen geworfen – ich weiß nicht, was ich gemacht hätte, wenn es nicht in dem Augenblicke unserer Abreise vom Lande einer gewesenen Stubenmagd von mir gelungen wäre, mir einen Brief von Michel zuzustellen. Ach, dieser Brief! Wie viele Male habe ich jede Zeile desselben, gelesen, wie viele Male ihn mit Küssen bedeckt! Michel beschwor mich, den Muth nicht zu verlieren, zu hoffen, und seiner treuen Liebe gewiß zu sein. Er schwor, Niemand anders anzugehören als mir, er nannte mich sein Weib; er versprach, alle Hindernisse aus dem Wege zu räumen, malte mir das Bild unserer Zukunft aus und bat mich ««nur um das Eine: zu dulden und zu warten . . . und ich war entschlossen zu dulden und zu warten. Ach! worin hätte ich nicht gewilligt, was hätte ich nicht getragen, um nur seinen Willen zu erfüllen! Dieser Brief wurde mein Heiligthum, mein Leitstern, mein Anker. Oft, wenn mein Stiefvater mir Vorwürfe machte, mich beleidigte, legte ich still meine Hand auf die Brust (ich trug seinen Brief, in ein Säckchen eingenäht, immer bei mir) und lächelte nur, und je mehr er wüthete und schalt, desto leichter und süßer wurde mir zu Muthe . . . Zuletzt sah ich ihm an den Augen an, daß er zu glauben anfing, daß ich wahnsinnig würde. – Auf jenen ersten Brief folgte ein zweiter; er war noch glücklicher, noch mehr voll Hoffnung . . . . er sprach von einem baldigen Wiedersehen.

»Ach! statt dieses Wiedersehens kam ein Morgen . . . Und ich sah wieder Herrn Ratsch hereintreten – und wieder war Triumph, schadenfroher Triumph auf seinem Gesicht – in seiner Hand eine Nummer des »Invaliden« und darin die Nachricht von dem Tode des Rittmeisters von der Garde Michael Koltovskoy . . . aus dem Namensregister gestrichen.

»Was kann ich noch hinzufügen? Ich blieb leben und fuhr fort bei Herrn Ratsch zu wohnen. Er haßte mich ärger als je – er hatte seine schwarze Seele zu sehr vor mir blosgestellt und konnte mir das nicht vergeben. Aber mir war Alles gleichgültig. Ich wurde ganz gefühllos; mein eigenes Schicksal hatte kein Interesse mehr für mich. An ihn, an ihn zu denken war meine einzige Beschäftigung, meine einzige Freude. Mein armer Michel war mit meinem Namen auf den Lippen gestorben . . . das erfuhr ich von einem ihm ergebenen Diener, der ihn auf’s Land begleitet hatte. In demselben Jahre heirathete mein Stiefvater Eleonore Karpowna. Bald darauf starb auch Simeon Matveitsch, nachdem er in seinem Testamente die mir bewilligte Pension bestätigt und vergrößert hatte . . . Im Falle meines Todes geht sie auf Herrn Ratsch über.

»Zwei, drei Jahre vergingen . . . sechs, sieben Jahre vergingen . . . das Leben floß und floh dahin . . . und ich schaute, nur zu wie es dahin floß. So pflegen Kinder am Ufer des Flusses zu spielen, Fischkasten und Dämme aus Sand aufzubauen, und auf jede Weise zu versuchen, daß das Wasser nicht durchsickert und durchbricht . . . aber endlich bricht es denn doch durch, und sie geben alle ihre Mühe auf, und sehen fröhlich zu, wie alle aufgespeicherte Herrlichkeit bis auf das letzte Körnchen weggebracht ist.

»So lebte, so vegetirte ich, bis endlich ein neuer, unverhoffter Strahl von Wärme und Licht . . .

*                   *
*

Bei diesem Worte brach die Handschrift ab; die übrigen Blätter waren abgerissen und ein paar Zeilen, welche den begonnenen Satz beendigten, waren durchgestrichen und mit Dinte geschwärzt.

XVIII

Das Durchlesen dieses Heftchens regte mich so auf, der Besuch Susannens hatte mir einen so tiefen Eindruck hinterlassen, daß ich die ganze Nacht schlaflos zubrachte. Früh am Morgen schickte ich per Estafette eitlen Brief an Fustoff ab, in welchem ich ihn beschwor, so schnell wie möglich nach Moskau zurückzukehren, da seine Abwesenheit die schwersten Folgen haben könne. Ich deutete ihm auch weilte Zusammenkunst mit Susanne und erwähnte des Heftes, das sie in meinen Händen zurückgelassen hatte. Nachdem ich diesen Brief abgeschickt, ging ich den ganzen Tag über nicht aus dem Hause und grübelte fortwährend darüber, was wohl jetzt bei den Ratsch’s vorging. Ich konnte mich nicht entschließen, selbst dahin zu gehen. Unterdessen befand sich meine Taute, wie ich nicht umhin konnte zu bemerken, in immerwährender Aufregung, sie ließ alle Augenblicke räuchern und legte den »Wanderer,« eine Gattung Patience, aus, welche sich dadurch auszeichnet, daß sie niemals gelingt! Der Besuch einer ihr unbekannten Dame, und das zu einer so späten Stunde, blieb ihr kein Geheimniß. Ihre Phantasie spiegelte ihr sofort einen gähnenden Abgrund vor, an dessen Rande ich stand; sie seufzte und ächzte fortwährend, und sagte leise vor sich hin französische Sentenzen her, die sie aus einem geschriebenen Büchelchen, unter dem Titel »Extraits de lecture« geschöpft hatte. Am Abende fand ich auf meinem Nachttischchen ein Werk von De Gerandeau; es war aufgeschlagen bei dem Capitel: »Ueber den Nachtheil der Leidenschaften. Diese Schrift war auf Befehl meiner Tante durch die ältere ihrer Gesellschafterinnen in mein Zimmer hingelegt worden; sie wurde im Hause Amischka genannt, in Folge ihrer Aehnlichkeit mit einem kleinen Pudel desselben Namens, und war ein sehr sentimentales, sogar romantisches, aber überreifes Mädchen. Der ganze folgende Tag verging in sehnsüchtiger Erwartung von Fustoff‘s Ankunft, einem Briefe von ihm, oder Nachrichten aus dem Hause Ratsch, – obgleich ich wohl nicht wußte, wie sie dazu kommen sollten, zu mir zu schicken? Susanne konnte eher voraussehen, daß ich sie besuchen würde . . . aber ich konnte mich nicht entschließen, sie wiederzusehen, ehe ich Fustoff gesprochen hatte. Ich suchte mir alle Ausdrücke meines Briefes an ihn in’s Gedächtniß zurückzurufen . . . und ich hoffte, sie seien stark genug gewesen. Endlich spät am Abende erschien er.

XIX

Er trat mit seinem gewöhnlichen, raschen, aber nicht hastigen Schritte zu mir in’s Zimmer. Er sah bleich und angegriffen von der Reise aus; sein Gesicht drückte Zweifel, Neugierde, Unzufriedenheit aus – Gefühle, die ihm sonst wenig bekannt waren. Ich stürzte auf ihn zu, umarmte ihn und dankte ihm auf das Wärmste, daß er mir gefolgt war. Ich theilte ihm mit einigen Worten meine Unterredung mit Susanne mit – und händigte ihm das Heftchen ein. Ohne mir ein Wort zu antworten, trat er an’s Fenster, an dasselbe Fenster, an welchem Susanne zwei Tage früher gesessen hatte, und fing an zu lesen. Ich zog mich sogleich in die entfernteste Ecke des Zimmers zurück und nahm zum Schein ein Buch in die Hand. Aber ich gestehe, daß ich die ganze Zeit über verstohlen über den Rand des Einbandes zu Fustoff hinüberblickte. Anfangs las er ziemlich ruhig und zupfte dabei immer die Härchen über seiner Lippe; dann ließ er die Hand sinken, beugte sich nach vorn und regte sich nicht mehr. Seine Augen liefen förmlich über die Zeilen hin, der Mund war leicht geöffnet. Und dann beendigte er das Heft, wandte es um und um« betrachtete es von allen Seiten und verfiel in Nachdenken. Dann fing er von neuem wieder an und las es von Anfang bis zu Ende noch einmal durch. Hierauf stand er auf, that das Heft in die Tasche, wandte sich zur Thüre, kehrte aber um und blieb mitten im Zimmer stehen.

»Und was denkst Du davon,« fragte ich ohne abzuwarten, was er sagen würde.

»Ich habe ihr Unrecht gethan,« sprach Fustoff dumpf. – »Ich habe . . . unüberlegt, unverantwortlich, roh gehandelt. Ich habe diesem – Fictor geglaubt.

»Wie?« rief ich aus; – diesem selben Fictor, den Du so sehr verachtest? Was hat er Dir denn sagen können?«

Fustoff kreuzte die Arme und wandte sich seitwärts. Er war verlegen, ich sah es deutlich.

»Erinnerst Du Dich,« sagte er nicht ohne einige Anstrengung, – »wie dieser . . . Fictor einer . . . Pension erwähnte? Dieses unglückliche Wort setzte sich in mir fest. Dieses Wort ist an Allem schuld. Ich fing an, ihn auszufragen . . . und er . . .

»Nun? Und er . . .

»Er sagte mir, daß dieser alte Mann . . . wie heißt er denn . . . Koltovskoy – Susannen diese Pension auszahle, weil . . . weil . . . nun mit einem Worte, – als Entschädigung.«

Ich schlug die Hände zusammen. «

»Und Du hast il;m geglaubt?«

Fustoff nickte mit dem Kopfe.

»Ja, ich habe ihm geglaubt . . . Er sagte mir, daß auch mit dem Jungen . . . Mit einem Worte, meine Handlung ist nicht zu rechtfertigen.«

»Und Du entferntest Dich, um Alles abzubrechen?«

»Ja; das ist in . . . solchen Fällen das beste Mittel. Ich habe roh, roh gehandelt,« fügte er hinzu.

Wir schwiegen Beide. Jeder von uns fühlte, daß der Andere sich schämte; mir aber war es leichter, denn ich schämte mich nicht für mich.

XX

»Ich würde jetzt diesem Fictor alle Knochen zerbrechen,« fuhr Fustoff zu reden fort, »wenn ich mich nicht auch selbst schuldig fühlte. Jetzt verstehe ich, worauf diese ganze Sache angelegt war: mit Susannens Heirath verloren sie ihre Pension . . . die niederträchtigen Menschen!«

Ich faßte seine Hand.

»Alexander,« fragte ich, »warst Du bei ihr?«

»Nein; ich kam gerade von der Reise zu Dir. Ich will morgen hin . . . morgen früh. Das kann nicht so bleiben. Unmöglich!«

»Du . . . Du liebst sie, Alexander?«

Es war, als wenn sich Fustoff beleidigt fühlte.

Freilich liebe ich sie. Ich bin ihr sehr zugethan.«

»Sie ist ein herrliches, ehrliches Mädchen!« rief ich aus.

Fustoff stampfte ungeduldig mit dem Fuße.

»Was bildest Du Dir denn ein? Ich war bereit sie zu heirathen und bin auch jetzt noch bereit dazu. Ich habe mir das schon überlegt, obgleich sie älter ist, als ich.«

In diesem Augenblicke schien es mir, als säße eine bleiche, weibliche Figur, sich auf ihre Hände stützend, auf dem Fensterbrett. Die Lichte waren niedergebrannt; es dunkelte im Zimmer. Ich erbebte und sah unverwandt auf den Punkt hin. Es war natürlich Nichts, aber – ein seltsames Gefühl, ein Gemisch von Schreck, Trauer und Mitleid erfüllte mich.

»Alexander!« sprach ich, von einem unwillkührlichen Drange getrieben: »Ich bitte, ich beschwöre Dich« gehe sofort zu Ratsch hin, schiebe es nicht bis morgen auf! Eine innere Stimme sagt mir, daß Du Susanne heut noch sehen mußt.«

Fustoff zuckte die Achseln.

»Ich bitte Dich, was fällt Dir ein? Die Uhr geht bereits auf elf und dort im Hause schläft wahrscheinlich Alles schon.«

»Gleichviel . . . Gehe hin, um Gottes Willen! Ich habe eine böse Ahnung . . . Bitte, folge mir! Gehe gleich, nimm einen Schlitten . . .«

»Was ist das für dummes Zeug!« antwortete kaltblütig Fustoff: »Unter welchem Vorwande sollte ich denn jetzt hingehen? Morgen in der Frühe will ich hingeben, und dann wird sich Alles aufklären.«

»Aber, Alexander, erinnere Dich, sie sprach von ihrem Tode, und daß Du sie nicht mehr am Leben finden würdest . . . Und wenn Du ihr Gesicht gesehen hättest! Bedenke doch, stelle Dir vor, was es sie kosten mußte, um . . . zu mir zu kommen . . .«

»Sie ist ein phantastischer Kopf,« sagte Fustoff, welcher seine Selbstbeherrschung vollkommen wieder erhalten hatte. Alle jungen Mädchen sind so . . . in der Jugend. Ich wiederhole Dir, morgen wird Alles in Ordnung kommen. Bis dahin Lebewohl! Ich bin müde und auch Du scheinst schläfrig zu sein.

Er nahm seine Mütze und ging aus dem Zimmer.

»Aber, Du versprichst mir doch gleich nachher zu mir zu kommen?« rief ich ihm noch nach.

»Ich verspreche es . . . Lebewohl.«

Ich legte mich zu Bette aber mein Herz war voll Unruhe und ich ärgerte mich über meinen Freund. Spät erst schlief ich ein und mir träumte, daß ich mit Susanne in feuchten, unterirdischen Gängen umherstreifte, enge, steile Treppen auf- und abstieg und immer tiefer und tiefer hinunterkamen, obgleich wir uns durchaus hinauf an die Luft hindurcharbeiten wollten, und eine klagende einförmige Stimme uns fortwährend rief.

XXI

Eine Hand legte sich auf meine Schulter und schüttelte mich ein paar Mal . . . . Ich öffnete die Augen und sah bei dem schwachen Scheine eines einzigen Lichtes Fustoff vor mir stehen. Sein Anblick erschreckte mich. Er schwankte auf den Füßen; seine Gesichtsfarbe war gelb, fast wie die Farbe seiner Haare; seine Mundwinkel hingen herab und die trüben Augen sahen gedankenlos auf die Seite . . . Wo war sein freundlicher, immer wohlwollender Blick geblieben? Ich hatte einen Vetter, den die Epilepsie zum Idioten gemacht hatte . . . Diesem glich Fustoff jetzt. «

Ich erhob mich in Eile.

»Was ist? Mein Gott, was ist mit Dir geschehen?«

Er antwortete nicht.

»Was ist geschehen? Fustoff! So sprich doch! Susanne? . . .«

Fustoff erbebte leicht.

»Sie,« fing er mit heiserer Stimme an und verstummte.

»Was ist mit ihr? Hast Du sie gesehen?«

Er fixirte mich.

»Sie ist nicht mehr.«

»Wie das?«

»Sie ist nicht mehr. Sie ist todt.«

Ich sprang vom Bette auf.

»Wie todt? Susanne? Gestorben?«

Fustoff sah wieder von mir weg.

»Ja todt; um Mitternacht.«

»Er hat den Verstand verloren!« blitzte mir durch den Kopf.

»Um Mitternacht! Was ist denn jetzt die Uhr?«

»Jetzt ist es acht Uhr früh. Man hat zu mir geschickt um es mir anzuzeigen. Morgen wird sie bestattet.«

Ich ergriff seine Hand.

»Alexander, redest Du nicht irre? Bist Du ganz bei Sinnen?«

»Ich bin bei voller Besinnung,« antwortete er. »Sobald ich es erfuhr, begab ich mich hierher.«

Mein Herz erstarrte schmerzlich, wie das immer geschieht, wenn uns die Gewißheit eines unwiederbringlich erfüllten Unglücks erfaßt.

»Ah, Gott! Ah, Gott! Gestorben!« wiederholte ich. »Wie ist das möglich? Ei plötzlich! Oder hat sie sich vielleicht selbst das Leben genommen?«

»Ich weißes nicht,« wiederholte Fustoff. »Ich weiß gar Nichts. Man hat mir blos sagen lassen: Sie sei um Mitternacht verschieden und würde morgen bestattet.«

»Um Mitternacht,« dachte ich . . . »Sie lebte also gestern noch, als sie mir auf dem Fenster erschien, als ich ihn beschwor zu ihr zu eilen . . .«

»Sie war noch am Leben, als Du mich gestern zu Ivan Demjanitsch sandtest,« sagte Fustoff, als hätte er meine Gedanken errathen.

»Wie wenig er sie doch gekannt hat,« dachte ich weiter. »Wie wenig wir Beide sie kannten. Einen phantastischen Kopf nannte er sie – Alle jungen Mädchen seien so . . . Und um dieselbe Minute vielleicht hat sie die Schaale an ihre Lippen . . . Ist es denn möglich, daß man Jemand lieben, und sich so grob in ihm täuschen kann?«

Fustoff stand unbeweglich an meinem Bette . . . die Hände waren ihm hinabgesunken . . . er glich einem Verbrecher.

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10 aralık 2019
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