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Kitabı oku: «Die Unglückliche», sayfa 8

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XXVII

Wir geleiteten den Sarg auf den Friedhof. Wir waren ohngefähr 40 Personen in Allem, eine wesentlich verschiedenartige müßige Menge. Der ermüdende Gang dauerte über eine Stunde. Das Wetter wurde immer schlechter. Fictor setzte sich auf halbem Wege in den Wagen. Ratsch schritt rüstig durch den thauenden Schnee; ebenso mag er damals, nach jener verhängnißvollen Zusammenkunft mit Simeon Matveitsch, über den Schnee dahingeschritten sein, als er das arme, für immer gebrochene Mädchen triumphirend in sein Haus abführte! Die Haare des »Veteranen« sowie seine Augenbrauen verbrämten sich mit Schnee; bald keuchte und krächzte er, bald rundete er, alle Kräfte zusammennehmend, seine festen, runden Wangen . . . . es sah beinahe aus, als lachte er. Und wieder fielen mir Susannens Worte in jenem Heftchen ein: »Noch meinem Tode geht die Pension auf Ivan Demjanitsch über. Endlich kamen wir auf dem Friedhofe an und arbeiteten uns bis zu dem frischen Grabe durch. Die letzten Ceremoien wurden schnell vollbracht: Ein Jeder war erstarrt vor Kälte und beeilte sich. Der Sarg wurde mit Seilen in die gähnende Grube hinabgelassen und man fing an, das Grab mit Erde zuzuschütten. Auch hierbei zeigte Herr Ratsch seine Lebhaftigkeit; in unternehmender Stellung, den einen Fuß vorgestreckt, warf er die Erdschollen schnell und kraftvoll und mit kühnem Schwunge auf den Sargdeckel; er konnte nicht energischer handeln, wenn er seinen grausamsten Feind zu steinigen gehabt hätte. Fictor hielt sich, wie früher, zur Seite, wickelte sich in feinen Mantel ein und rieb fein Kinn an dem Biberkragen desselben. Die übrigen Kinder des Herrn Ratsch ahmten ihrem Vater eifrig nach. Sand und Erde umherzuschleudern, machte ihnen große Freude, was übrigens sehr natürlich war. An der Stelle der Grube erhob sich allmälig ein Hügel und wir bereiteten uns schon auseinander zu gehen, als Herr Ratsch in militairischer Weise links um machte, sich auf den Schenkel schlug und uns Allen erklärte, daß er »die Herren« so wie die »ehrwürdige Geistlichkeit« zu einem »Gedächtnißmahle für Verstorbene« einlade, welches in geringer Entfernung von dem Friedhofe, in dem großen Saale eines sehr anständigen Gasthauses hergerichtet war, und zwar durch die Bemühungen »unseres liebenswürdigen Sigismund Sigismundovitsch . . .« Bei diesen Worten wies er auf den Gehilfen des Aufsehers im Stadtviertel und fügte hinzu, daß er Ivan Demjenitsch, trotz seines Schmerzes und seiner lutherischen Religion, als echter Russe dennoch die echt russischen Gebräuche werth hielt. »Meine Gemahlin,« rief er aus; »und die Damen, welche mit ihr gekommen sind, mögen nach Hause fahren, wir aber, meine Herren, wollen bei einem bescheidenen Mahle uns der Entschlafenen erinnern und ihr Gedächtniß feiern!« Der Vorschlag des Herrn Ratsch wurde mit aufrichtiger Zustimmung aufgenommen; die »ehrwürdige« Geistlichkeit wechselte bedeutungsvolle Blicke und der Officier der Wassercommunication faßte Ivan Demjenitsch bei der Schulter und nannte ihn einen Patrioten und die Seele der Gesellschaft.

Wir begaben uns Alle zusammen in das Gasthaus. Dort standen in dem langen, breiten, übrigens ganz leeren Zimmer des zweiten Stockes zwei Tische mit Flaschen, Gedecken und Speisen bedeckt und von Stühlen umgeben. Die vereinigten Gerüche von frischer Stuccatur, von Schnaps und Fastenöl drangen in die Nase und beengten den Athem. Der Gehilfe des Aufsehers führte, in seiner Eigenschaft eines Festordners, die Geistlichkeit an den Ehrenplatz, wo vorzugsweise Fastenspeisen aufgestellt waren; auch die übrigen Gäste nahmen Platz. Das Festmahl begann. Ich möchte nicht das Wort »Festmahl« brauchen; aber kein anderes Wort würde dem wirklichen Thatbestande entsprechen. Anfangs ging Alles ziemlich still, nicht ohne einen Anstrich von Langerweile her. Es wurde gekaut, die Gläser wurden geleert, aber es wurden auch Seufzer hörbar – sei es nun, daß sie aus dem Magen oder aus einem mitfühlenden Herzen kamen; man gedachte des Todes, der Sinn war auf die Kürze des menschlichen Lebens, auf die Vergänglichkeit irdischer Hoffnungen gelenkt; der Officier der Wassercommunication erzählte eine, freilich militairische, aber doch belehrende Anecdote; der Geistliche mit dem Wirbelkäppchen billigte sie und erzählte selbst einen Zug aus dem Leben des hochehrwürdigen Ivan Woin; der Priester mit dem schöngekämmten Haar brachte auch eine erbauliche Bemerkung über die jungfräuliche Untadelhaftigkeit vor, wobei er jedoch stets seine Hauptaufmerksamkeit den Speisen zuwandte – bald aber veränderte sich die Scene. Die Gesichter rötheten sich, die Stimmen wurden lauter und das Gelächter trat wieder in seine Rechte ein. Es wurden abgerissene Rufe, liebkosende Ausdrücke, als z. B. »geliebter Bruder,« »Du mein Seelchen,« »mein Klötzchen« laut; mit einem Worte es wurde Alles umher gestreut, womit die Seele der Rassen so freigebig ist, wenn sie sie sich, wie man zu sagen pflegt – aufgeknöpft hat. Und als endlich die Champagnerkorken knallten, wurde es vollends lärmend. Einer krähte wie ein Hahn und ein anderer Gast schlug sogar vor, das Glas, aus welchem er soeben getrunken hatte, mit den Zähnen zu zerbeißen und zu verschlucken. Herr Ratsch, der nicht mehr roth, sondern jetzt bläulich im Gesichte war, und schon viel gelärmt und gelacht hatte, stand jetzt plötzlich von seinem Platze auf und bat um die Erlaubniß, eine Anrede zu halten. »Reden Sie! Reden Sie!« riefen Alle zusammen; der Alte im kammlottenen Rocke, der übrigens schon auf dem Boden saß . . . rief sogar »Bravo!« und klatschte in die Hände. Herr Ratsch hob sein Glas hoch empor und erklärte seine Absicht in in kurzen aber »eindrücklichen« Ausdrücken auf die Verdienste jener schönen Seele hinzuweisen, welche »ihre irdische Hülle hienieden zurücklassend, zum Himmel emporgeschwebt war . . . Sie versenkte . . .« Herr Ratsch corrigirte: »sie versank . . .« und berichtigte noch einmal: »Sie versenkte . . .«

»Vater Diaconus! Verehrungswürdige Seele,« hörte man leise, aber bittend flüstern, – »Du sollst eine höllische Kehle heben, thue uns den Gefallen und donnere einmal-: »Wir leben mitten in den Feldern!«

»St! St! . . . Stille doch! Was soll das heißen?« riefen die Gäste.

» . . . Versenkte ihre ganze ergebene Familie,« fuhr Herr Ratsch fort, einen strengen Blick zu den Musikfreunden hinüberwerfend, – »versetzte ihre Familie in ganz untröstlichen Kummer! Ja!« rief Ivan Demjanitsch – »Mit Recht sagt ein russisches Sprichwort: Das Schicksal beugt nicht, es bricht . . .«

»Halt! Meine Herren!« schrie plötzlich eine heisere Stimme am andern Ende des Tisches auf – »man hat mir soeben meinen Geldbeutel gestohlen! . . .«

»Ah, Du Spitzbube!« pfiff eine andere Stimme, und – batz fiel eine Ohrfeige.

Herr Gott! Was nun geschah! Es war, als wenn ein wildes Thier, welches sich bis dahin nur zuweilen in uns bewegt und geknurrt hatte, sich nun plötzlich von der Kette losgerissen und sich in seiner ganzen Ungestalt mit struppiger Mähne bäumte. Es war, als wenn Jeder im Stillen einen »Scandal« als natürlichen Zubehör und Ausgang des Mahles erwartet hatte, so plötzlich griffen ihn Alle auf und stürzten sich hinein. . . . Teller, Gläser klirrten und rollten umher; Stühle wurden umgeworfen, schreiende Stimmen erhoben sich immer lauter, Hände bewegten sich in der Luft, die Stöcke flogen und es entspann sich eine Prügelei!

»Haut ihn! haut ihn!« brüllte mein Nachbar, der Fischhändler, der mir bis jetzt der sanfteste Mensch auf der Welt geschienen hatte, wie ein Besessener, er hatte aber freilich in aller Stille zehn Glas Wein ausgetrunken. – »Haut ihn!«

Wer »gehaut« werden sollte und wofür? Dafür hatte er keinen Begriff; aber er brüllte fürchterlich. Der Gehilfe des Polizeiinspectors, der Officier der Wassercommunication und selbst Herr Ratsch, der wohl nicht erwartet hatte, daß seiner Beredtsamkeit ein so schnelles Ende gemacht werde, versuchten, die Ruhe wiederherzustellen . . . aber ihre Bemühungen blieben fruchtlos. Mein Nachbar der Fischhändler, stürzte sogar mit den Worten auf Herrn Ratsch los:

»Umgebracht hat er das Mädchen, der drei Mal verfluchte Deutsche,« schrie er und drohte ihm mit den Fäusten. – »Die Polizei hat er erkauft und jetzt wagt er, sich ein Ansehen zu geben!?«

Hier liefen die Aufwärter des Gasthauses herbei.

Was weiter geschah, weiß ich nicht; ich griff eilig nach meinem Hute und machte mich auf die Beine! Ich erinnere mich nur, daß ich Etwas krachen hörte, daß ich eine Heringsgräte in den Haaren des Alten im kammlottenen Rocke sah, daß der Hut des Priesters über das ganze Zimmer hinflog, daß ich Fictors bleiches Gesicht in einem Winkel sah und Jemandes rothen Bart in eines Anderen muskulöser Faust sah. Das waren die letzten Eindrücke, die ich von diesem »Gedächtnißmahle der Verstorbenen« davontrug, welches der liebenswürdige Sigismund Sigismundovitsch zu Ehren der armen Susanne veranstaltet hatte.

Nachdem ich mich etwas ausgeruht, begab ich mich zu Fustoff und erzählte ihm Alles, wovon ich im Laufe dieses Tages Zeuge gewesen war. Er hörte mich sitzend, mit gesenktem Kopfe, beide Hände unter die Füße gelegt, an und sagte wieder: »Ach, meine arme, arme Susanne!« Dann legte er sich auf das Sopha und kehrte mir den Rücken zu.

Eine Woche darauf hatte er sich vollkommen erholt und lebte ganz wie früher fort. Ich bat ihn, mir Susannens Heftchen zum Andenken zu geben und er händigte es mir ohne jeden Einwand ein.

XXVIII

Einige Jahre vergingen. Meine Tante starb und ich siedelte aus Moskau nach Petersburg über. Auch Fustoff zog nach Petersburg. Er trat in das Finanzministerium ein; ich sah ihn selten nur und fand nichts Besonderes mehr an ihm. Er war ein Beamter, wie sie Alle sind, und weiter Nichts. Wenn er noch lebt und unverheirathet ist, so wird er sich auch wohl nicht verändert haben, wird auch jetzt noch kleben, gymnastische Uebungen machen, Herzen verschlingen, wie sonst, und Napoleon in blauer Uniform in die Stammbücher seiner Freundinnen zeichnen. Ich mußte einmal in Geschäften nach Moskau. Dort erfuhr ich zu meinem nicht geringen Erstaunen, daß die Verhältnisse meines früheren Bekannten, des Herrn Ratsch, eine traurige Wendung genommen hatten. Seine Gemahlin hatte ihm freilich noch Zwillinge, zwei Knaben, geschenkt, welche der »Ur- Neffe« Brsatscheslaw und Viatscheslaw genannt hatte; aber sein Haus war ihm abgebrannt, er hatte seinen Abschied nehmen müssen und sein ältester Sohn Victor kam gar nicht mehr aus dem Schuldthurme heraus. Während meiner Anwesenheit in Moskau hörte ich in einer Gesellschaft Susanne in der allerbeleidigendsten unvortheilhaften Weise erwähnen. Ich vertheidigte das Andenken des unglücklichen Mädchens so gut als möglich, – das Schicksal versagte ihr also selbst das Almosen er Vergessenheit! Allein meine Beweise brachten keinen großen Eindruck auf meine Zuhörer hervor. Einer von ihnen jedoch, ein poetischer Student, wurde erschüttert. Ich erhielt am folgenden Tage von ihm ein Gedicht zugeschickt, das ich vergessen habe, das aber mit folgenden Zeilen schloß:

 
»Dort selbst am Rand des still gewordenen Grabes
»Ruht der Verläumdung Schlangenzunge nicht.
»Ihr gift’ger Hauch trübt selbst das reine Gold.
»Mit dein Erinnerung den Ort verkläret
»Und sengt die Blumen, die hier blühen möchten.«
 

Ich las dieses Gedicht und verfiel in tiefes Sinnen. Susannens Bild stieg wieder vor mir auf und wieder sah ich jenes gefrorene Fenster in meinem Zimmer: ich gedachte jener Windstöße des Schneesturmes, ihrer Worte, ihrer Thränen . . . ich grübelte darüber, womit Susannens Liebe zu Fustoff erklärt werden könne, und warum sie sich so schnell, so unaufhaltsam der Verzweiflung hingegeben hatte, sobald sie sich verlassen sah. Warum hatte sie nicht abwarten, die bittere Wahrheit nicht aus den Lippen des geliebten Mannes selbst hören, ihm endlich nicht schreiben wollen? Wie war es möglich, sich sofort Kopf über in einen Abgrund zu werfen? »Weil sie Fustoff leidenschaftlich liebte,« wird man mir sagen; – »weil sie nicht den geringsten Zweifel in seine Ergebenheit, in seine Achtung ertragen konnte.« Vielleicht; vielleicht liebte sie Fustoff auch gar nicht so leidenschaftlich, vielleicht täuschte sie sich auch gar nicht in ihm, hatte aber ihre letzten Hoffnungen auf ihn gesetzt und konnte den Gedanken nicht ertragen, da auch dieser Mensch sich sogleich, auf das erste Wort eines Verläumders hin von ihr abwenden konnte! Wer sagt es, was ihr den Tod gebracht: die gekränkte Eigenliebe. Gram über das Hoffnungslose ihrer Lage, oder die Erinnerung an jenes erste, edle, gerechte Wesen, dem sie sich am Morgen ihres Lebens so freudig hingegeben, das so fest an sie glaubte und sie so hoch achtete? Wer weiß es, ob in jenem Augenblicke, wo es mir vorkam, als schwebe der Ausruf: »Er ist nicht gekommen!« über ihren todesstarren Lippen ihre Seele sich nicht schon freute und zu ihm, zu ihrem Michel emporgeschwebt war? Die Geheimnisse des Menschenlebens sind groß, und das unzugänglichste aller Geheimnisse ist die Liebe! . . . Jedesmal aber, wenn Susannens Bild vor mir ersteht, kann ich Mitleid und einen Vorwurf gegen das Schicksal nicht in mir unterdrücken und meine Lippen flüstern unwillkürlich: »Unglückliche! Unglückliche!«

E n d e

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Litres'teki yayın tarihi:
10 aralık 2019
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