Kitabı oku: «Erscheinungen», sayfa 5
XVI
Erst blieb Alles still, gerade wie damals vor der römischen Vision – aber plötzlich schlug an meine Ohren ein ganz nahes rohes, bäurisches Gelächter – und irgend ein Körper fiel stöhnend in’s Wasser und fing an zu glucksen . . . Ich schaute mich um nirgends war etwas zu sehen – aber vom Ufer sprang das Echo zurück; und zu gleicher Zeit erhob sich jählings von allen Seiten ein betäubender Lärm. Was scholl Alles in diesem Chaos von Tönen durcheinander! Schreien und Wimmern, wüthendes Schimpfen und maßloses Lachen (dieses Lachen übertönte Alles), Ruder- und Beilschläge, ein Krachen wie von gesprengten Thüren und aufgebrochenen Koffern, Knarren von Takelwerk und Rädern, Hufschlag rennender Pferde, Sturmläuten und Kettengerassel, das dumpfe Tosen, Knistern und Brausen einer Feuersbrunst, das Singen Betrunkener und wirrer Wortstreit, trostloses Weinen, jammervolles Flehen Verzweifelnder – und befehlende Rufe, das Röcheln Sterbender und keckes Pfeifen, Kreischen und Stampfen Tanzender . . . »Schlag ihn todt! Hängt ihn! Ersäuft ihn! Schlag ihm den Kopf ab! Gleich! Gleich! So recht! Kein Mitleid!« – Diese Worte konnt ich deutlich hören – ich hörte sogar das stoßweiße, heftige Athmen der Erschöpften – und inzwischen war ringsum, soweit die Augen reichten, nichts zu sehen, nichts hatte sich verändert: der Strom floß dicht an uns vorüber, geheimnißvoll, fast drohend; selbst das Ufer sah noch öder und verwildeter aus als früher – das war Alles.
Ich wandte mich um zu Ellis, aber sie legte den Finger an die Lippen . . .
– Stephan Timoféitsch!2 Stephan Timoféitsch kommt! – erscholl es ringsum – unser Väterchen kommt, unser Ataman, unser Ernährer! – Erst sah ich so wenig wie vorher, dann schien es mir ich fühlte, als ob eine mächtige Gestalt sich gerade auf mich zu bewege. . . – Frolka! wo bist Du, Hund? – erdröhnte eine fürchterliche Stimme . . . Zünde an von allen Seiten – unter das Beil mit den Weißhändigen!
Mich berührte es wie die Glut einer nahen Flamme, ein bitter-brandiger Geruch drang mir in die Nase, und in demselben Augenblicke spritzte mir etwas Warmes, wie Blut, in’s Gesicht und auf die Hände . . . Ringsum gellte ein wildes Lachen . . .
Ich verlor das Bewußtsein – und als ich wieder zu mir kam, schwebt’ ich mit Ellis den bekannten Saum meines Waldes entlang, gerade auf die alte Eiche zu . . .
– Siehst Du den Weg? sagte Ellis . . . Dort wo der Mond trübe scheint und die zwei Birken stehen? . . . Willst Du dorthin?
Ich fühlte mich so zerschlagen und erschöpft, daß ich zur Antwort nichts murmeln konnte, als: »Nach Hause . . . nach Hause.«
– Du bist zu Hause, entgegnete Ellis.
Ich stand in der That gerade vor der Thüre s meines Hauses – allein. Ellis war verschwunden. Der herbeigelaufene Hofhund umschnüffelte und betrachtete mich argwöhnisch – und lief dann bellend wieder davon.
Ich schleppte mich mit Mühe an’s Bett, und schlief unausgekleidet ein.
XVII
Am folgenden Morgen hatte ich Kopfschmerz und konnte kaum auf den Füßen stehen; doch beachtete ich meine körperlichen Zustände wenig: die Reue zernagte mich, ich erstickte vor Aerger.
, Ich war im höchsten Grade mit mir unzufrieden.
»Kleinmüthiger! – wiederholt’ ich mir unaufhörlich: ja – Ellis hatte Recht.
Weshalb fürchtete ich mich?« Wie konnt’ ich nur solche Gelegenheit unbenutzt vorübergehen lassen! . . . Ich hätte Cäsar selbst sehen können und ich kam um vor Furcht, zitterte und scheute zurück wie ein Kind vor der Ruthe. Stenko Rasin das war freilich etwas ganz Anderes. Als Edelmann und Landbesitzer. Uebrigens, warum blieb ich auch dabei nicht ohne furchtsame Anwandlungen? Kleinmüthiger! Kleinmüthiger! . . .
– »Aber hab’ ich das Alles nicht etwa blos im Traume gesehen,« fragte ich mich endlich. Ich rief meine Haushälterin.
Marfa, um welche Stunde hab’ ich mich gestern schlafen gelegt? Erinnerst Du Dich wohl?
– Ja, wer kennt sich bei Dir aus, mein Ernährer . . . Es war schon spät. In der Dämmerung bist Du fortgegangen von Haus; aber es war schon nach Mitternacht als ich das Schallen Deiner Stiefelabsätze im Schlafzimmer hörte. Es ging schon stark auf den Morgen zu – wahrhaftig. In der vorhergehenden Nacht war’s ebenso. Dich haben gewiß Sorgen umhergetrieben.
– Also – dachte ich – unterliegt mein Fliegen wirklich keinem Zweifel! Nun, wie seh’ ich denn heute aus? fügte ich laut hinzu.
– Wie Du heute aussiehst? Wart, ich werde Dich genauer betrachten. Du bist ein wenig abgemagert und bleich geworden, mein Ernährer: es ist als hättest Du auch nicht Einen Tropfen Bluts im Gesichte.
Mich schauderte ein wenig bei diesen Worten . . . Ich entließ Marfa.
»Das ist zum Sterben oder – um den Verstand zu verlieren,« sagte ich zu mir selbst, nachdenklich am Fenster sitzend. »Das kann und darf so nicht fortdauern. Das ist gefährlich. Und wie mir das Herz! so seltsam schlägt! Wenn ich fliege, ist es mir immer als ob Jemand mir am Herzen sauge, oder als ob etwas herausträufle, etwa wie im Frühling der Saft aus den Birken, wenn ein Beilhieb sie trifft, oder ein Loch hineingebohrt wird. Das ist traurig und geht nicht mit rechten Dingen zu. Und nun gar Ellis! Sie spielt mit mir wie die Katze mit der Maus . . . übrigens wird sie es kaum böse mit mir meinen. Ich werde mich ihr zum letztenmal anvertrauen und mich satt sehen. Wenn sie aber mein Blut trinkt? Das wäre fürchterlich. Außerdem kann dieses so rasche Schweden von einem Orte zum andern nicht unschädlich sein. Sagt man doch, daß es in England verboten sei, mehr als Werste auf der Eisenbahn in einer Stunde zurückzulegen . . .«
So grübelte ich für mich hin und her – allein in der zehnten Stunde Abends stand ich schon wieder vor der alten Eiche.
XVIII
Die Nacht war düster, kalt und feucht; in der Luft roch es nach Regen. Ich war erstaunt, Niemand unter der Eiche zu finden; ich umschritt sie einige Male, ging bis dicht zum Saume des Waldes, ließ die Augen spähend durch das Dunkel umherschweifen . . . Alles war öde. Ich wartete ein wenig, dann rief ich einige Male hintereinander Ellis, immer lauter und lauter . . . allein sie erschien nicht. Mir wurde traurig zu Muthe, ich fühlte mich wie gekränkt; alle meine früheren Befürchtungen waren verschwunden; ich konnte mich in den Gedanken nicht finden, daß meine geheimnißvolle Gefährtin nicht zu mir zurückkehren werde.
– Ellis! Ellis! Komm! Wär es möglich, daß Du nicht wieder zu mir kämest? rief ich zum letzten Male.
Ein Rabe, den mein Rufen geweckt hatte, schwang sich plötzlich in den Gipfel des benachbarten Baumes und schlug heftig mit den Flügeln, sich in den Zweigen verwirrend . . . Aber Ellis erschien nicht.
Mit gesenktem Haupte machte ich mich auf den Weg nach Hause. Vor mir dunkelten schon die Weiden auf dem Damme des Teiches, und das Licht in meinem Zimmer glitzerte zwischen den Apfelbäumen des Gartens, es glitzerte und verbarg sich abwechselnd wie ein über mich wachendes Menschenauge – da plötzlich vernahm ich ein feines Pfeifen hinter mit in der schneidenden Luft, und fühlte mich mit Einemmale von oben bis unten umfaßt und umschlungen . . . So packt der Bienenfalke mit den Klauen eine Wachtel, auf die er gestoßen . . . Ellis war es, die sich so an mich geschwungen hatte. Ich fühlte ihre Wange an meiner Wange, den Ring ihres Arm’s um mich geschlungen, und wie ein scharfer, kalter Luftzug drang mir ihr Geflüster in’s Ohr: »Da bin ich auch.« Furcht und Freude bewegten mich zu gleicher Zeit . . Wir erhoben uns nur wenig über die Erde.
– Du wolltest heute nicht kommen? fragte ich.
– Und hast Du Dich wirklich nach mir gesehnt? Liebst Du mich? O Du bist mein!
Ellis’ letzte Worte beunruhigten mich . . . Ich wußte nicht was ich sagen sollte.
– Man hat mich zurückgehalten – fuhr sie fort – man hat mich bewacht.
– Wer kann Dich zurückhalten?
– Wohin willst Du? fragte Ellis, wie gewöhnlich auf meine Frage nicht antwortend.
– Trag mich nach Italien, auf jene Insel – Du erinnerst Dich?
Ellis bog sich leicht zurück und schüttelte abweisend den Kopf.
Da bemerkte ich zum Erstenmale, daß sie aufgehört hatte durchsichtig zu sein. Und es kam mir vor, als sei ihr Gesicht körperlicher und lebensvoller geworden. Ueber das neblige Weiß hatte sich in seiner Schattirung eine helle Röthe ergossen. Ich sah ihr in die Augen, und es überrieselte mich: in diesen Augen bewegte sich etwas, langsam, aber ununterbrochen, unheimlich – der Bewegung einer erstarrten Schlange ähnlich, welche in der Sonne wieder warm wird.
– Ellis! rief ich; wer bist Du? Sag mir, wer bist Du?
Sie zuckte blos die Achsel.
7 Ich wurde ärgerlich – ich wollte mich an ihr rächen, – und plötzlich fuhr es mir durch den Kopf ihr zu befehlen mich geradeswegs nach Paris zu tragen. Da wird Nahrung für Deine Eifersucht sein – dachte ich. – Ellis! sprach ich laut: Fürchtest Du die großen Städte nicht? Paris, zum Beispiele?
– Nein.
– Nicht? Auch die Plätze nicht, wo es so hell ist wie auf den Boulevard?
– Das ist kein Tageslicht.
– Vortrefflich! So trag mich gleich auf den Boulevard des Italiens!
Ellis warf mir das Ende ihres langherabhängenden Aermels über den Kopf. Sogleich umgab mich eine Art lichten Dunkels, mit einschläferndem Mohnduft. Alles verschwand mit Einemmale: jedes Licht,· jeder Ton – und bis aus ein Geringes auch das Selbstbewußtsein. Nur ein allgemeines Gefühl des Lebens blieb zurück – und das war durchaus nicht unangenehm.
Plötzlich verschwand die Finsterniß; Ellis nahm mir den Aermel vom Kopfe und ich erblickte unter mir ein Labyrinth von Gebäuden, voll Glanz, Leben und Lärm . . . Ich sah Paris.