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Kitabı oku: «König Lear der Steppe», sayfa 2

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VII

Meine Mutter war der ältesten Tochter Charloffs nicht gewogen, sie nannte dieselbe »die Stolze,« und wirklich erschien Anna Martinowna fast nie bei uns, um ihre Ehrerbietung zu bezeugen und verhielt sich in Anwesenheit der Mutter gemessen und kalt, obgleich sie derselben ihre Erziehung im Pensionat, ja selbst ihren Mann verdankte; an ihrem Hochzeitstage hatte sie sogar von meiner Mutter fünfhundert Rubel und einen gelben, allerdings schon getragenen türkischen Shawl erhalten. Sie war eine Frau von mittlerem Wuchs, mager, aber sehr lebendig und flink in ihren Bewegungen, mit dichtem, braunem Haare; ihr schönes, brünettes Antlitz mit mattblauen Augen machte einen eigenthümlich angenehmen Eindruck. Sie hatte eine gerade und feine Nase, dünne Lippen und ein spitz zulaufendes Kinn. Jeder, der sie ansah, dachte sicherlich: »Wie klug Du bist, aber auch wie böse!« Und bei allem Diesem hatte sie etwas Anziehendes, selbst einige Muttermale, die auf ihrem Gesichte bemerkbar waren, kleideten sie und erhöhten die Empfindungen, die sie erweckte. Die Hände in das Busentuch gelegt, betrachtete sie mich verstohlen von oben nach unten (ich saß, sie stand); ein Lächeln, das nichts Gutes verrieth, flog bald über ihre Lippen, bald über ihre Wangen, welche lange Augenwimpern beschatteten. »Ach, Du verzogenes Herrchen!« schien dies Lächeln ausdrücken zu wollen. Jedesmal, wenn sie Athem holte, erweiterten sich die Nasenflügel, was ganz eigenthümlich aussah, doch meinte ich, daß, wenn Anna Martinowna mich lieben oder mich mit ihren dünnen, zarten Lippen küssen wollte – ich vor Wonne zur Decke springen würde! Ich wußte, daß sie sehr streng und eigen war, daß die Bauernfrauen und Mägde sie wie das liebe Feuer fürchteten – das ging mich aber nichts an! Anna Martinowna beunruhigte meine Phantasie! . . . Übrigens war ich erst fünfzehn Jahre . . . und in diesem Alter . . .

»Martin Petrowitsch regte sich wieder. »Anna!« rief er »klimpre uns etwas auf dem Piano vor, die jungen Herren lieben das!«

Ich sah mich um: ein elendes Zerrbild eines Pianoforte fand sich wirklich im Zimmer.

»Zu Befehl, Vater,« antwortete Anna Martinowna. »Was soll ich spielen? das wird den Herrn nicht amusiren.«

»Was hast Du im Pensionat gelernt?«

»Ich habe Alles vergessen – auch sind die Saiten gesprungen.«

Anna Martinowna hatte eine angenehme, helle Stimme: der Ton derselben war ein wenig klagend . . . und erinnerte etwas an den, welchen die Raubvögel hören lassen. »Nun,« brummte Martin Petrowitsch und dachte nach . . . »Nun,« fing er wieder an, »wollen Sie denn nicht meine Tenne besehen, dieselbe in Augenschein nehmen? Wolodka wird Sie begleiten. He Du, Wolodka!« rief er seinem Schwiegersohn, der noch immer mit – meinem Pferde auf dem Hofe herumging, »begleite den Herrn zu der Tenne und führe ihn überhaupt umher: zeige ihm meine Wirthschaft. Ich aber will mein Schläfchen machen. Auf glückliches Wiedersehen!«

Er ging hinaus, ich folgte ihm. Anna Martinowna fing sofort, wie ärgerlich, den Tisch aufzuräumen an. An der Thürschwelle drehte ich mich um und verbeugte mich: sie schien es nicht zu bemerken, nur glaubte ich, daß sie noch boshafter lächelte.

Ich nahm dem Schwiegersohne Charloff’s mein Pferd ab und führte es am Zügel. Wir kamen zur Tenne – aber da hier nichts besonders Merkwürdiges zu finden war, und er bei mir, einem jungen Knaben, keine außerordentliche Liebe zur Landwirthschaft vermuthen konnte, so gingen wir durch den Garten zum Dorfwege zurück.

VIII

Der Schwiegersohn von Charloff war mir bereits bekannt. Er hieß Wladimir Wassiliewitsch Sletkin. Er war eines Waise, der Sohn eines kleinen Beamten, der die Geschäfte meiner Mutter besorgt hatte, und daher auch ihr Zögling. Nachdem er die Kreisschule verlassen, hatte er zunächst in unserm Wirthschaftsamt gearbeitet; später fand man bei dem kaiserlichen Proviantmagazin eine Stelle für ihn, und endlich hatte man ihn mit der Tochter Charloff’s verheiratet. Meine Mutter nannte ihn »Judenbengel« und wirklich erinnerte er durch sein krauses Haar und seine schwarzen, stets feuchten, gekochten Pflaumen ähnlichen Augen, durch seine Habichtsnase und seinen breiten Mund an den jüdischen Typus, nur war er sehr weiß und machte im Ganzen den Eindruck eines recht hübschen Menschen. Er war äußerst gefällig, aber nur, so lange es nicht seinen Vortheil berührte. Ja solchem Falle verlor er den Kopf, ja er weinte sogar; einer Bagatelle wegen war er im Stande, den ganzen Tag zu jammern, hundertmal an ein gegebenes Versprechen zu erinnern, sich beleidigt zu fühlen und zu stöhnen, wenn es nicht sofort erfüllt wurde. Er liebte, mit der Flinte umherzuschweifen, und wenn es ihm gelang, einen Hasen oder eine Ente zu erlegen, so steckte er mit großer Befriedigung seine Beute in die Jagdtasche und pflegte dabei auszurufen: »Nun jetzt, Kindchen, entgehst Du mir nicht! Jetzt wirst Du mir von Nutzen sein!«

»Ein schönes Pferd haben Sie da,« sagte er mit seiner schleppenden Stimme, mir in den Sattel helfend. »Hätte ich doch so ein Pferd! Doch wie soll ich dazu kommen? Dies Glück ist nicht für mich. Wenn Sie doch Ihre Frau Mutter darum bitten . . . sie daran erinnern wollten!«

»Hat sie denn Ihnen eins versprochen?«

»O, hätte sie es gethan! nein, aber ich glaubte, daß sie in ihrer großen Güte. . . «

»Wenden Sie sich doch lieber an Martin Petrowitsch?«

»An Martin Petrowitsch?« wiederholte langsam Sletkin, »Ihm gelte ich nicht mehr als ein elender Laufbursche wie Maksimka! Er hält uns ganz schrecklich knapp, keinen Dank bekommt man von ihm für all’ die große Mühe . . .«

»Ist das wahr?«

»Bei Gott! Wenn er etwas abgeschlagen und gesagt hat: »Mein Wort ist heilig!« so ist es für allemal zu Ende. Man bitte oder bitte nicht, man kommt zu nichts. Anna Martinowna, meine Frau, genießt auch nicht dieselbe Gunst wie Eulampia Martinowna.«

»Ach Gott, mein Gott!« unterbrach er sich plötzlich in Verzweiflung die Hände zusammenschlagend. »Sehen Sie hierher! einen ganzen Scheffel Hafers, unseres Hafers, hat ein Bösewicht abgemäht! Canaille! Leben Sie nun unter diesen Leuten! Räuber sind es, wirkliche Räuber! Richtig sagt das Volkssprüchlein: »Traue nicht dem Eskowo, Béskowo, Erina, Belina!« (so hießen die vier Nachbardörfer) Gott, Gott, ist das ein Unglück! Das gibt ja einen Schaden von anderthalb oder gar zwei Rubeln!«

In der Stimme Sletkin’s war förmliches Schluchzen; ich gab dem Pferde die Sporen und ritt von ihm weg.

Noch konnte ich sein Wimmern vernehmen, als ich plötzlich bei einer Biegung des Weges der zweiten Tochter Charloff’s, Eulampia, begegnete, welche, wie Anna Martinowna gesagt hatte, in’s Feld nach Kornblumen gegangen war. Ein dichter Kranz dieser Blumen umgab ihren Kopf. Wir wechselten schweigend Grüße. Eulampia war wie ihre Schwester sehr hübsch, nur auf andere Art. Sie war von hohem Wuchs, kräftig gebaut; Alles war groß bei ihr: der Kopf, die Füße, die Hände, die schneeweißen Zähne und namentlich die hervortretenden, umschleierten, dunkelblauen Augen, trotz einiger übertriebenen Dimensionen (nicht umsonst war sie die Tochter Martin Petrowitsch), war sie dennoch schön. Sie wußte augenscheinlich nicht, was sie mit ihrem blonden Haargeflechte anfangen sollte und trug es dreifach um die Stirne gewunden. Ihr Mund war wunderschön, frisch wie eine Rose, dunkel roth gefärbt und wenn sie sprach, so hob sie aller liebst die Mitte der Oberlippe. Doch lag in dem Ausdruck ihrer großen Augen etwas Strenges, ja Wildes. »Reines, freies Kosakenblut!« sagte Martin Petrowitsch von ihr. Ich fürchtete sie ein wenig. . . Diese colossale Schönheit erinnerte mich zu sehr au ihren Vater.

Ich ritt weiter und hörte, wie sie mit gleich mäßiger, voller, ein wenig scharfer und ungeschulter Stimme zu singen anfing. Dann verstummte sie. Ich wandte mich um und sah von der Anhöhe aus, wie sie neben dem Schwiegersohne Charloff’s, vor dem beraubten Haferfelde stand. Sletkin bewegte seine Hände hin und her, dieselben bald gegen sie, bald gegen den Hafer richtend.

Sie stand unbeweglich. Die Sonne übergoß sie mit ihren Strahlen und der Korublumenkranz auf ihrem Haupte verbreitete weithin einen bläulichen Schimmer um ihre hohe Gestalt.

IX

Ich habe wohl bereits erwähnt, daß meine Mutter auch für diese Tochter Charloff’s einen Mann in Aussicht genommen hatte. Es war der ärmste aller unserer Nachbarn, der Major a. D. Gawril Fedulitsch Gitkoff, ein nicht mehr junger Mann oder, wie er sich nicht ohne Selbstgefallen und gleichsam zu seiner Empfehlung ausdrückte, »mit allen Hunden gehetzt.«

Er konnte kaum lesen und schreiben und war ziemlich dumm, doch hegte er die heimliche Hoffnung, als Verwalter bei meiner Mutter anzukommen, da er sich für einen guten, »Vollführer« hielt. »Wenn nichts Anderes, doch den Bauern die Zähne auszuschlagen und sie zu zählen, verstehe ich gar fein!« äußerte er, dabei mit den eigenen Zähnen knirschend, »denn daran,« erklärte er, »bin ich eben von meinem früheren Dienst her gewöhnt.« Wäre Gitkoff weniger dumm gewesen, so hätte er längst begriffen, daß es ihm gerade als Verwalter bei meiner Mutter anzukommen rein unmöglich war, denn dazu hätte man erst den wirklichen Verwalter, einen energischen und tüchtigen Polen, Wikentij Ossipitsch Kwitzinski mit Namen, dem meine Mutter ihr ganzes Vertrauen schenkte, entlassen müssen. Gitkoff hatte ein langes Pferdegesicht, dasselbe war ganz und gar mit graublonden Haaren selbst an den Wangen bis unter die Augen bewachsen, und während des stärksten Frostes mit Schweiß, wie mit Thau tropfen bedeckt. Wenn er meine Mutter erblickte, sprang er auf und stand vor ihr, als hätte er einen Stock verschluckt. Sein Kopf zitterte vor Diensteifer, seine, riesigen Hände klapperten an den Seiten und seine ganze Haltung schien auszurufen: »Befiehl und ich folge blindlings!« Meine Mutter urtheilte richtig über seine Fähigkeiten, was übrigens sie nicht hinderte, an seiner Verbindung mit Eulampia zu arbeiten.

»Wirst Du nur mit ihr fertig werden, mein Lieber?« fragte sie ihn einst.

Gitkoff lächelte selbstzufrieden.

»Erlauben Sie, Natalia Nikolaewna! Eine ganze Compagnie habe ich in Ordnung gehalten, wie nach Nöten mußten die Kerls bei mir tanzen. Was bedeutet dem gegenüber ein Mädchen! Rein gar nichts!«

»Das war eine Compagnie, mein Lieber, hier handelt es sich um ein adeliges Mädchen!« bemerkte die Mutter unzufrieden.

»Erlauben Sie, Natalia Nikolaewna!« rief er wieder. »Das zu verstehen bin ich vollends im Stande. Mit einem Wort: sie ist ein Fräuleins ein zartes Wesen . . .«

»Uebrigens,« entschied die Mutter, »wird sich Eulampia nicht leicht etwas anthun lassen.«

X

Einst, es war Mitte Juni und bereits gegen Abend, meldete der Diener die Ankunft von Martin Petrowitsch. Meine Mutter war erstaunt; wir hatten ihn zwar eine Woche lang nicht gesehen, aber er besuchte uns nie so spät. »Es ist etwas vorgefallen!« rief sie halblaut. Das Gesicht von Martin Petrowitsch, als er sich in das Zimmer hereinwälzte und sofort auf den Stuhl bei der Thür niederließ, hatte einen ungewohnten Ausdruck, es war so nachdenkend und selbst bleich, daß die Mutter unwillkürlich und laut ihren Ausruf wiederholte.

Martin Petrowitsch glotzte sie mit seinen kleinen Augen an, schwieg, holte tief Athem, schwieg wieder und erklärte endlich, daß er gekommen sei in einer Angelegenheit . . . welche derartig sei . . . daß in Folge dessen . . . Nachdem er diese Worte unverbunden ausgestoßen, erhob er sich plötzlich und ging zur Thür hinaus.

Die Mutter klingelte und befahl dem hereintretenden Diener, sofort Martin Petrowitsch einzuholen und ihn durchaus wieder zu ihr zu führen, doch dieser hatte sich bereits auf seinen Wagen gesetzt und war davon gefahren.

Am nächsten Morgen war meine Mutter, die durch das seltsame Benehmen und den ungewöhnlichen Gesichtsausdruck des Martin Petrowitsch befremdet, ja erschreckt worden, eben im Begriffe, Jemanden zu ihm zu schicken, als er plötzlich selbst erschien.

Dieses Mal war er, wie es schien, ruhiger.

»Erzähle, mein Lieber,« erzähle, rief meine Mutter, als sie ihn sah, »was ist mit Dir geschehen? Ich habe wirklich gestern Zweifel gehabt, ob nicht unser alter Riese seinen Verstand verloren habe?«

»Meinen Verstand, gnädige Frau, habe ich nicht verloren,« antwortete Martin Petrowitsch. »Das kann Anderen, aber mir nicht widerfahren! Ich muß mich aber mit Ihnen berathen.«

»Worüber?«

»Nur zweifle ich, daß es Ihnen angenehm sein werde . . .«

»Sprich nur, sprich, mein Lieber, aber einfacher. Rege mich nicht auf. Wozu sprichst Du in dieser Weise? Rede einfacher. Oder hat Dich vielleicht Deine Melancholie wieder heimgesucht?«

Charloff wurde finster.

»Nein, nicht die Melancholie – die kommt zu mir nur um Neumond; aber erlauben Sie, gnädige Frau, Sie um ihre Meinung hinsichtlich des Todes zu befragen?«

Meine Mutter fuhr auf.

»Worüber?« frug sie erstaunt.

»Ueber den Tod. Kann der Tod sich irgend Jemandes auf dieser Welt erbarmen?«

»Was hast Du da ausgedacht, Väterchen? Wer von uns ist unsterblich? Magst Du selbst als Riese auf die Welt gekommen sein, aber auch für Dich gibt’s ein Ende,«

»Ein Ende, ja ein Ende!« wiederholte Charloff und hielt ein. »Ich habe ein Traumgesicht gehabt . . . « sagte er nach einer Pause.

»Was sagst Du?« unterbrach ihn die Mutter.

»Ein Traumgesicht,« wiederholte er, »ich bin ja ein Traumseher.«

»Du?«

»Ich! wußten Sie es nicht?« Charloff holte Athem. »Ja so war es . . . Etwa vor einer Woche, gnädige Frau – es war grade der Vorfastentag zum Petri-Fasten, – da hatte ich mich nach dem Mittag essen, ein wenig auszuruhen, hingelegt und bin dabei eingeschlafen. Da erscheint mir ein schwarzes Fohlen; es läuft in mein Zimmer hinein auf mich zu; läuft wie spielend umher und weist mir die Zähne. Pech schwarz war dieses Fohlen!«

»Und weiter?« rief die Mutter.

»Und wie mit einmal wendet sich dasselbige Fohlen um, schlägt aus und trifft mich grade an die empfindlichste Stelle des Arms, am linken Ellbogen! . . . Ich wache auf, meine Hand bewegt sich nicht, der Fuß ebenfalls nicht. Es ist der Schlag, glaube ich; aber nein, ich habe mich ausgereckt und bin wieder in Bewegung gekommen, nur ein Knistern lief mir durch die Glieder, das fühle ich auch jetzt noch. Oeffne ich die Hand, da knistert es sogleich.«

»Martin Petrowitsch, die Hand ist Dir eingegeschlafen.«

»Nein, gnädige Frau, Sie urtheilen falsch. Es war eine Vorbedeutung . . . mich nämlich vor dem Tode zu warnen.«

»Unsinn!« warf meine Mutter ein.

»Eure Warnung! Bereite Dich vor, Sterblicher! Und daher, gnädige Frau, habe ich Ihnen, ohne weiter zu zögern, Folgendes mitzutheilen »Nicht wollend,«« schrie plötzlich Charloff, »daß dieser selbige Tod mich, den Knecht Gottes, unvorbereitet ereile, habe ich in meinem Sinne Folgendes beschlossen: Schon jetzt bei meinem Leben, mein Eigenthum zwischen meine beiden Töchter Anna und Eulampia zu theilen, wie es mir der Herrgott in’s Herz legen wird.« Martin Petrowitsch hielt inne, ächzte und fügte hinzu: »Ohne weiter zu zögern.«

»Nun, das ist eine gute That!« bemerkte die Mutter, »nur beeilst Du Dich damit umsonst.«

»Und da ich diese Angelegenheit,« fuhr noch lauter Charloff fort, »mit nöthiger Ordnung und Gesetzlichkeit zu Ende führen will, so bitte ich höflichst, Ihren Sohn Dmitri Semenowitsch – Sie selbst zu belästigen, gnädige Frau, wage ich nicht – bitte also diesen Sohn Dmitri Semenowitsch, meinem Verwandten Bitschkoff aber lege ich es geradezu zur Pflicht auf, bei der Vollziehung des formellen Actes, sowie bei der Uebergabe der Güter an meine beiden Töchter zugegen zu sein, welcher Act übermorgen, um zwölf Uhr, in dem mir gehörigen Gut Eskowo, auch Kosülkino genannt, bei Anwesenheit der zuständigen Behörden, wie sonstiger Zeugen, die bereits eingeladen sind, zu geschehen hat.«

Martin Petrowitsch konnte kaum diese offenbar von ihm auswendig gelernte Rede, die er mit häufigem Seufzen unterbrach, beenden . . . Es schien, als ob es ihm an Luft in der Brust fehle: sein bleiches Gesicht wurde purpurroth, und er trocknete sich mehrmals den Schweiß.

»Und Du hast bereits die Theilungsurkunde aufgesetzt?« fragte die Mutter. »Wie hattest Du Zeit dazu?«

»Allerdings . . . – ach! Ohne zu essen und zu »trinken! . . . «

»Hast Du sie selbst geschrieben?«

»Wolodka . . . – ach! hat mir geholfen.«

»Und hast Du den Genehmigungsantrag ein gereicht?«

»Ja, eingereicht, und das Gericht hat die Urkunde bestätigt und das Kreisgericht ist bereits benachrichtigt und die Specialcommission . . . ach! . . . zur Ausführung commandirt.«

Die Mutter lächelte.

»Du hast, Martin Petrowitsch, bereits Alles wie ich sehe, eingeleitet und wie schnell! Hast wohl kein Geld gespart?«

»Ja, gnädige Frau, ich habe nichts gespart!«

»So ist es also, und Du sagst, daß Du meinen Rath hören willst. Meinetwegen kann mein Sohn zu Dir fahren,« ich schicke mit ihm auch Souvenir, Kwitzinski sage ich es auch . . . Und hast Du Gawril Fedulitsch eingeladen?«

»Gawril Fedulitsch Gitkoff . . . ist meinerseits . . . benachrichtigt worden. Er als Bräutigam muß hinkommen . . . « Martin Petrowitsch hatte seinen Redefluß augenscheinlich zu sehr in Anspruch genommen. Außerdem schien es mir seit einiger Zeit, daß er dem von meiner Mutter für seine zweite Tochter gefundenen Schwiegersohne nicht besonders gewogen war, er erwartete wahrscheinlich eine bessere Partie für seine Eulampia.

Er erhob sich vom Stuhle und machte einen Kratzfuß.

»Ich danke für Ihre Einwilligung,« sagte er.

»Wohin eilst Du?« fragte die Mutter, »bleibe ein Weilchen, ich lasse einen Imbiß serviren.«

»Danke sehr!« antwortete Charloff. »Aber ich kann nicht . . . Ach, ich muß nach Hause!«

Er zog sich zurück und schob sich nach seiner Gewohnheit seitwärts zur Thür.

»Warte, warte,« fuhr die Mutter fort. Willst Du wirklich Dein ganzes Vermögen ohne jeden Rest Deinen Töchtern überlassen?«

»Freilich, ohne jeden Rest.«

»Und Du selbst . . . wo wirst Du wohnen?«

Charloff setzte ärgerlich seine Hände in Bewegung. »Wie wo? in meinem Hause, wo ich bisher gewohnt habe . . . wie jetzt, so auch in der Zukunft. Was kann da für eine Veränderung eintreten?«

»Und Du bist Deiner Töchter und Deines Schwiegersohnes so sicher?«

»Das ist Wolodka, den sie zu erwähnen geruhen? Dieser Lappen! Den werde ich, wohin ich Lust habe, stoßen – hierher, dorthin . . . Was hat der zu sagen? Sie aber, das heißt meine Töchter, müssen mich bis zum Sarge hin ernähren und kleiden . . . Das ist ja ihre erste Pflicht! Ich werde übrigens nicht lange ihnen im Wege sein. Nicht hinter den Bergen ist der Tod – bereits hinter den Schultern!«

»Der Tod ist in Gottes Hand allein« bemerkte die Mutter. »Ihre Pflicht ist es allerdings. Aber, Martin Petrowitsch, bedenke, daß Deine älteste Tochter bekanntlich sehr stolz ist, und die Zweite schaut auch wie eine Wölfin umher.«

»Natalia Nikolaewna!« unterbrach Charloff, »was sagen Sie da? Daß sie . . . meine Töchter . . . Daß ich . . . Den Gehorsam sollten sie vergessen? Selbst im Schlaf fällt es ihnen nicht ein . . . Sich widersetzen? Wem? Dem Vater . . . es wagen?! Und der Fluch ist der weit? Im Gehorsam, ja in Angst haben sie ihr Leben zugebracht – und jetzt! . . . Gott mein Gott!«

Charloff hustete, wurde heiser.

»Schon gut, schon gut,« beruhigte ihn die Mutter, »ich verstehe nur nicht, warum Du gerade jetzt Dein Vermögen ihnen zutheilen willst? Nach Deinem Tode bekommen sie es ja doch. An diesem Allem ist wohl Deine Melancholie schuld.«

»Ach, gnädige Frau!« entgegnete Charloff, nicht ohne Aerger. »Sie führen nichts als Melancholie im Munde! Hier wirkt eine höhere Kraft, und Sie sagen Melancholie! Darum, gnädige Frau, habe ich dieses ausgedacht, weil ich in meiner Gegenwart, noch lebend, noch unter meinen Augen entscheiden will, was Jede besitzen soll; und womit ich eine Jede beglücke, damit soll sie walten, dafür soll sie Dankbarkeit fühlen und üben, und was der Vater und Wohlthäter bestimmt, das soll sie auch für die größte Wohlthat halten und . . .«

Die Stimme versagte Charloff.

»Schon gut, schon gut, mein Lieber!« unterbrach ihn die Mutter, »sonst erscheint ja am Ende das schwarze Fohlen wieder.«

»Ach, Natalie Nikolaewna, erwähnen Sie das nicht! Das war der Tod der mich zu holen kam . . . Doch jetzt, leben Sie wohl, gnädige Frau! Sie aber, gnädiger Herr, wandte er sich zu mir, werde ich die Ehre haben, übermorgen bei mir zu erwarten.«

Martin Petrowitsch ging hinaus, die Mutter blickte ihm nach und schüttelte vielsagend den Kopf.

»Nichts Gutes wird daraus!« flüsterte sie, »wirklich nichts! Hast Du bemerkt,« wandte sie sich zu mir, »daß er beim Sprechen die Augen wie vor der Sonne zusammendrückte, wisse, daß das ein schlimmes Zeichen ist. Solchen Menschen ist es schwer um’s Herz und Unglück droht ihnen. Fahre übermorgen mit Wikentij Ossipitsch und dem Souvenir zu ihm.«

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Litres'teki yayın tarihi:
04 aralık 2019
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