Kitabı oku: «Meister der Vertikale», sayfa 2

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Bergführer mit Brief und Siegel

Nicht nur alpinistisch leisten die Bergführer in den Anfangsjahren Großes. Sie sind auch als touristische Pioniere gefragt und – wie man im Mai 1870 im „Boten für Tirol und Vorarlberg“ liest – „vorzugsweise geeignet, Touristen in die bisher wenig begangenen, an Naturschönheiten und romantischer Abwechslung reichen Berggegenden zu ziehen, diese allmälig mehr bekannt und zugänglich zu machen“. Letzteres bezieht sich vor allem auf die damals noch von Bergführern übernommenen Aufgaben des Wege- und Hüttenbaus, um „dem gerade in Tirol gegenüber andern Alpenländern sehr vermißten Comfort in den Alpengegenden einigermaßen Fürsorge tragen zu können“. Zwar überlassen die Bergführer schon nach wenigen Jahren diese Arbeiten mehr und mehr dem Alpenverein, trotzdem sind sie aber weiterhin zentrale Figuren im touristischen Angebot Tirols.

Das bleibt selbstverständlich auch den Behörden nicht verborgen, die Ende der 1860er-Jahre in vielen Orten und ganzen Tälern vor einem Problem stehen: dem Mangel an Bergführern. Von der k. k. Bezirkshauptmannschaft in Innsbruck ergeht daher die Aufforderungen an die Magistrate, aktiv nach geeigneten Leuten zu suchen, um diese als Bergführer anzuwerben. So werden Kandidaten direkt von Beamten und Ortsvorstehern angesprochen, zudem setzt man auf die Breitenwirkung von Plakaten: „Bergführer gesucht“.


In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird der Alpintourismus zu einem wichtigen Standbein – auch in den Seitentälern (im Bild der Hochgall).

So rücken die Bergführer in den späten 1860er- und frühen 1870er-Jahren immer mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit. Weil man um ihre Bedeutung weiß, kümmert sich etwa der Österreichische Alpenverein (OeAV) immer aktiver um die Führer – auch finanziell. So liest man 1870 erstmals von einer „Gratifikation“, die besonders bewährten Führern vom OeAV zuerkannt und über den Bezirkshauptmann ausgezahlt wird. Es sind 30 Gulden, heute immerhin etwa 400 Euro, über die sich ein Bergführer aus Neustift und einer aus Gschnitz freuen können. Noch wichtiger als die finanzielle Unterstützung ist die rechtliche, die – immer im Jahr 1870 – zunächst im politischen Bezirk Innsbruck festgeschrieben wird: in Form der ersten Bergführerordnung und des ersten Bergführertarifs in Tirol, erlassen von der k. k. Bezirkshauptmannschaft.

Tüchtig = autorisiert

„Jedenfalls mögen nur solche Führer genommen werden, welche mit den behördlichen Führerbüchern versehen sind, und da Excursionen in diesem Theile der Alpen keine einfachen Spaziergänge sind, möge sich Niemand andere als anerkannt tüchtige, also behördlich auto- risirte Führer aufdringen lassen.“

„Der Ortlerführer“, 1876

Sie wird zur Vorlage für die nur ein Jahr später erlassene einheitliche Bergführerordnung für ganz Tirol und Vorarlberg, die über weite Strecken deckungsgleich mit der Innsbrucker Ordnung ist. Einige interessante Abweichungen gibt es allerdings und diese lassen sich aus der Vorgeschichte der Regelung und mit der zentralen Rolle, die der Alpenverein darin spielt, erklären. Schon 1870 beauftragt die Generalversammlung des Deutschen Alpenvereins (DAV) „die bekannten Alpenfreunde“ Johann Stüdl, Kaufmann in Prag, und den Venter Kuraten Franz Senn damit, eine Bergführerordnung für ganz Tirol und Vorarlberg zu entwerfen, um diese der kaiserlich-königlichen Statthalterei in Innsbruck zur Verabschiedung vorzulegen. Stüdl und Senn kommen ihrem Auftrag nach, nicht ohne dem Alpenverein eine wichtige Rolle in der künftigen Regelung des Bergführerwesens zuzuschreiben. So räumt der Alpenverein seinen Sektionen schon in § 1 des Entwurfs das Recht einer „speciellen Prüfung, Ueberwachung, Kontrolle der Führer“ ein, macht also deutlich, dass man der Entwicklung des Bergführerwesens nicht untätig zuschauen wolle. Zugleich wird der mediale Druck auf die Behörden erhöht, dem Alpenverein einen Zugriff auf das Bergführerwesen zu eröffnen und die Auswahl der Führer nicht allein den politischen Vertretern vor Ort zu überlassen.


Bitte (nicht) lächeln: Wohl in den 1890er-Jahren posieren Ridnauner Bergführer in voller Montur vor dem Hotel Sonklarhof für den Fotografen.

Sie wissen alles besser …

„Die Gemeindevorsteher erhalten von der k. k. Bezirkshauptmannschaft den Auftrag, zum Bergführerdienste taugliche Individuen namhaft zu machen […]. Was thun nun die Berg- und Gletscherkundigen Vorsteher? Sie heften eine Aufforderung zur Anmeldung zum Fremdenführerdienste an die schwarze Tafel bei der Kirche und warten in ihrer Kanzlei auf die sich Meldenden. An dem einen Orte kommt Niemand, am anderen zwölf, aber mit Ausnahme eines Einzigen, alle unkundige oder nichtsnutzige Leute. Diese sollen nun als Führer autorisirt werden und von der k. k. Bezirkshauptmannschaft vidirte Führerbücher erhalten. Damit ist die Organisation des Führerwesens beendet. […] Löset euch auf ihr Sektionen des deutschen Alpenvereins in Tirol und Vorarlberg und leget, ihr Alpenfreunde, eure mühsam gesammelten Erfahrungen und Kenntnisse über Berge und Gletscher, gute oder schlechte Führer, deren nothwendige Eigenschaften u.s.w. bei Seite; die Gemeindevorsteher in ihren Kanzleistuben wissen Alles viel besser.“

„Pustertaler Bote“, 7. Dezember 1871

Ganz geht die Rechnung des Alpenvereins nicht auf, in der am 4. September 1871 von der k. k. Statthalterei für Tirol und Vorarlberg erlassenen „Bergführerordnung giltig für Tirol und Vorarlberg“ heißt es in § 1: „Das Bergführerwesen steht unter der Aufsicht und Leitung der politischen Behörde.“ Vom OeAV oder DAV ist darin nicht die Rede, allerdings werden die „gesetzlich bestehenden Alpenvereine“ in zwei weiteren Artikeln als Ansprechpartner der Bergführer genannt. Oder besser gesagt: Die Führer sind den Vereinen Rechenschaft schuldig, womit Letztere den Fuß in die Tür bekommen und in den folgenden Jahren ihre Macht innerhalb des Bergführerwesens Schritt für Schritt ausbauen.

Die erste Tiroler Bergführerordnung von 1871 ist aber nicht nur hinsichtlich der Rolle der Alpenvereine interessant. Sie regelt auch erstmals den Zugang zum Beruf des „behördlich autorisierten Bergführers“ und die Ausübung desselben. In der Ordnung sind die Rechte und Pflichten der Führer ebenso festgeschrieben wie jene der Gäste. Und zwar detailliert. So dürfen nur Personen als Bergführer anerkannt werden, die unbescholten sind, also ein blütenweißes Leumundszeugnis vorweisen können, und vom Gemeindevorsteher mit einem Befähigungszeugnis ausgestattet werden. Wird ein Bewerber für tauglich befunden, erhält er von der Bezirkshauptmannschaft ein Führerbuch, das Jahr für Jahr von den Behörden beglaubigt werden muss. In diesem Buch sind all jene Touren oder vielmehr Gebiete eingetragen, für die der Führer als geeignet befunden worden ist. Allein daraus erkennt man, dass das Bild des Bergführers als ortskundiger Wegweiser immer noch tief im allgemeinen Verständnis verankert ist. Das Führerbuch gilt einerseits als Nachweis der behördlichen Genehmigung, also als Bergführerausweis, andererseits dient es dem Bergführer aber auch als Sammlung seiner Referenzen. Dafür ist eine genügend große Anzahl leerer Blätter vorgesehen, auf denen die Gäste ihre Erfahrungen mit dem Führer niederschreiben sollen.

„Schließlich glauben sie selber an ihre Unfehlbarkeit“

Das Bergführerbuch wird über die Jahre immer wieder zum Stein des Anstoßes. Die Führer selbst ärgert, dass sie von – meist völlig unbedarften – Gästen beurteilt werden, die Gäste ärgern kaum fundierte Lobhudeleien. Irgendwann (1915) wird es dem Deutschen und Österreichischen Alpenverein (DuOeAV) zu bunt. Er gibt in seinen „Mitteilungen“ eine Reihe von Weisungen für seine Mitglieder aus, was sie ins Führerbuch eintragen sollten – und vor allem, was nicht. So heißt es darin, man solle die Führer nicht über den grünen Klee loben, das „erhöht unnötigerweise das Selbstgefühl der Führer. […] Schließlich glauben sie selber an ihre Tüchtigkeit und Unfehlbarkeit.“ Deshalb solle man auch Missstände offen ansprechen, damit die Aufsichtsorgane diesen nachgehen könnten. War der Führer also unfähig, war er ein „mürrischer, schnippischer oder ein den Reinlichkeitsgewohnheiten des Touristen widersprechender Mensch“? Weil der Alpenverein offensichtlich nicht nur die Führer belangen will, teilt er auch in Richtung Gäste aus: „Die meisten Touristen sind gar nicht in der Lage, die Qualität der Führer und der gemachten Tour zu beurteilen. […] Im gewöhnlichen Leben fällt es ja auch keinem Kaufmann oder Arzt ein, über die Betriebssicherheit einer Drahtseilbahn zu urteilen, warum also hier?“

Als Aufgabe des Bergführers wird in der ersten Tiroler Bergführerordnung definiert, „das reisende Publikum auf der bestimmten Route zu begleiten, Verirrungen zu verhüten und Unglücksfälle von Touristen thunlichst hintanzuhalten“. Es sei seine Pflicht, „sich anständig, artig, freundlich und zuvorkommend gegen dieselben zu benehmen und ihnen alle thunliche Beihilfe zu leisten“. Auch wird der Führer verpflichtet, mindestens 15 Kilo Gepäck kostenlos für seine Gäste zu schultern, ein geeignetes Seil bei sich zu haben, sich selbst zu verpflegen und keine Gebühren zu verrechnen, die über die festgelegten Tarife hinausgehen. Die Rechte seinem Gast gegenüber reichen dagegen weit weniger weit: „Ungebührliche Zumuthungen oder üble Behandlung von Seite der Reisenden hat er [der Führer] mit ruhigem Ernste zurückzuweisen“, heißt es im Reglement. Mehr nicht.

02
AUF DEM WEG INS GOLDENE ZEITALTER


Das legendäre Bergführerbankl vor dem Hotel Eller in Sulden war in den 1930er-Jahren voll besetzt.

Der Motor ist angeworfen

Die Bergführerordnung von 1871 ist der Grundstein, auf dem sich in Tirol ein geordnetes Bergführerwesen entwickeln kann. Auch in finanzieller Hinsicht. So werden ab Sommer 1872 im Amtsblatt die Tarifverzeichnisse der Bergführer Bezirk für Bezirk veröffentlicht. Zugleich werden darin auch die Namen der autorisierten Bergführer angeführt. Damit ist für die Gäste von vornherein (und amtlich) klar, wer für eine bestimmte Tour über die nötigen Voraussetzungen verfügt und was die Tour kosten wird. Interessant ist, dass sich die Südtiroler Bezirke mit der Festlegung der Bergführertarife viel Zeit lassen. Erst vier Jahre nach Innsbruck als erstem Bezirk erkennt die Bezirkshauptmannschaft Meran 1876 ihre Führer amtlich an, zwölf davon allein in Sulden. 1878 ist das Hochpustertal mit seinem Tarif zur Stelle, der politische Bezirk Bozen braucht sogar noch ein Jahr länger. Sein Tarif für damals 33 Bergführer und 160 Touren in Bozen, im Überetsch, am Ritten, im Sarntal, im Rosengarten- und Schlerngebiet, in Gröden und Villnöß erscheint 1879 und wird „in jedem Gasthause an in’s Auge fallender Stelle angebracht“.

Was kostet der Ortler?

Der von der Meraner k. k. Bezirkshauptmannschaft 1876 genehmigte Führertarif listet für Sulden 48 Touren auf, darunter allein fünf auf den Ortler. So kostet die Besteigung des „höchsten Spitz’ von Tirol“ auf dem Normalweg mit Übernachtung in der Payerhütte 10 Gulden, über den Hintergrat mit Übernachtung in der Schaubachhütte 13 Gulden und über das Hochjoch 16 Gulden. Günstiger ist die Tour auf die Königspitze (12 Gulden) bzw. auf den Cevedale (7 Gulden). Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher Monatslohn belief sich damals auf rund 16 Gulden.


Interessante Kombination: Johann Innerhofer, Jahrgang 1870, war in Steinhaus nicht nur als Bergführer tätig, sondern auch als Briefträger.


Der Bergführertarif, hier jener von 1893 für Sulden, war weit mehr als eine Information für potentielle Gäste. Er wurde vom Alpenverein festgelegt und war für die Führer bindend.

Neben der behördlichen Regelung des Bergführerwesens beginnen die Bergführer, sich auch selbst zu organisieren. Bereits vorangegangen waren jene Bezirke, in denen die Nachfrage am größten war. So gab es ab 1865 etwa den Bergführerverein Sulden-Trafoi. Die Führervereine sind allerdings nicht als Konkurrenz zum Deutschen und Österreichischen Alpenverein (DuOeAV) gedacht, sondern von diesem gewollt. „Es soll möglichst auf die Bildung von Führervereinen hingewirkt werden, die unter der Aufsicht der Sektion stehen“, schreibt der Alpenverein. Die Vereine sollen vor Ort die Bergführerschaft organisieren, als Bindeglied zum Alpenverein fungieren, Kandidaten an den Beruf heranführen sowie Hütten und Wege bauen und instand halten. In eigenen Bergführerbüros werden mancherorts auch Anfragen von Touristen an die Bergführer weitergeleitet, wobei der Obmann darauf achten soll, alle Führer gleichmäßig zum Zuge kommen zu lassen.

„Allerlei Verdrießlichkeiten“

Für die Bergführer in alpinen Zentren war die Kehrordnung von zentraler Bedeutung. Die hat aber nichts mit einem Besen zu tun, sondern regelt das Zusammenbringen von Angebot und Nachfrage, von Bergführern und Gästen. „Die Handhabung der Kehrordnung ist allerdings nicht leicht und bleiben allerlei Verdrießlichkeiten nicht aus“, schreibt der DuOeAV noch Anfang des 20. Jahrhunderts. Und: „Notwendige Voraussetzung ist natürlich, daß der Obmann, welcher die Zuweisung vornimmt, streng unparteiisch vorgeht, andererseits die Führer sich nicht selbst den Reisenden aufdrängen.“ Eine Ausnahme von der Kehrordnung gibt es aber: Verlangt ein Kunde ausdrücklich einen bestimmten Führer, „so muß er natürlich diesen erhalten“.

Wo ein Büro fehlt, treffen sich Angebot und Nachfrage beim „Bergführerbankl“, auf dem es sich all jene Führer gemütlich machen, die gerade kein Engagement haben, und dort von den Gästen unter die Lupe genommen werden können. Nur in Sulden handhabt man zu Beginn die Beziehungen zwischen Gast und Führer anders: Treffpunkt der Führer ist das Gasthaus Eller, das von der Familie des Suldner Pfarrers Johann Eller geführt wird. Der ist es auch, der die Anfragen der Gäste entgegennimmt und den Führern ihre (zeitweiligen) „Herren“ zuteilt. Später rückt das „Bankl“ dann vor das Hotel, der Segen von ganz oben bleibt aus.

Der Ortlerpionier
JOHANN PINGGERA

Etwa zur gleichen Zeit, als Paul Grohmann den Dolomiten aufs Dach steigt, ist der k. u. k. Offizier Julius Payer im Ortlergebiet unterwegs, um dieses zu kartografieren. Drei Sommer lang kraxelt er auf jeden erreichbaren Gipfel, immer im Schlepptau von Johann Pinggera aus Außersulden, der für Payer Wegweiser, Führer, Kletterpartner, Seilgefährte und Träger in einem ist. So lädt der Kartograf seinem Führer nicht nur Seil, Pickel und Proviant auf die Schultern, sondern auch Theodolit, Barometer und Zeichenmaterial. Gemeinsam unternehmen Pinggera und Payer mehr als 60 Touren, besteigen 50 Gipfel und kommen auf nicht weniger als 43 Erstbesteigungen. 1869 will Payer Pinggera sogar bei seiner Expedition in die Arktis dabeihaben, Heimweh macht dem Führerpionier aber einen dicken Strich durch die Rechnung. Schon in Bozen kehrt Pinggera wieder um. Trotzdem bilden die Erfahrungen, die Johann Pinggera mit Payer sammeln kann, den Grundstein für eine überaus erfolgreiche Bergführerkarriere. Und eine überaus beständige: 60 Jahre lang führt Pinggera, „der Schafhirte von der Schönleitenhütte“ (O-Ton Payer), Gäste auf die Gipfel seiner Heimat.


Typisch Bergführer: Auch wenn Julius Payer kaum einen Schritt ohne Johann Pinggera gemacht hat, kennt die Welt heute nur noch den k. u. k. Offizier.

Die Macht des Alpenvereins

In der zweiten Hälfte der 1870er-Jahre spielt sich ein neuer Player in der Welt der Bergführer immer vehementer in den Vordergrund: der Deutsche und Österreichische Alpenverein (DuOeAV). Nachdem sich die bis dahin eigenständigen Alpenvereine – der reichsdeutsche, der deutsch-österreichische und der deutsch-böhmische – 1873 zu einem Verein zusammengeschlossen haben, wächst die Macht des Alpenvereins unaufhaltsam. Und weil man im DuOeAV weiß, dass der Schlüssel zum Bergsteigen bei den Bergführern liegt, werden diese schon früh „eingemeindet“. So baut man das Führerwesen nach und nach zu einer der wichtigsten Säulen des neuen Vereins aus und bindet die Bergführer immer stärker an diesen, auch mit finanziellen Mitteln.


Unterm Edelweiß: Das Bergführerabzeichen, hier jenes von Karl Ausserhofer aus Luttach, wurde vom Deutschen und Österreichischen Alpenverein verliehen.

Der Grundstein dafür wird bei der Generalversammlung des DuOeAV 1878 gelegt. Bei dieser wird der Führer-Unterstützungsfonds aus der Taufe gehoben und dafür eigens ein Verein gegründet, dem die damals 66 Sektionen des Alpenvereins angehören. Neben einem Kapital-Grundstock aus dem Vereinsvermögen fließen jährliche Zahlungen der Sektionen in den Fonds, die je 20 Pfennig von jedem Mitgliedsbeitrag dafür bereitstellen. Der DuOeAV knüpft damit Ende der 1870er-Jahre erstmals ein soziales Unterstützungsnetz für „seine“ Bergführer, das in den kommenden Jahren noch bedeutend ausgeweitet wird. Bis zum Ersten Weltkrieg umfasst das soziale Netz des DuOeAV für Bergführer eine Altersrente ab dem 65. Lebensjahr, eine Rente im Falle einer berufsbedingten Invalidität, ein Krankengeld während der Saison sowie eine Jahresrente für Witwen und Waisen. Damit bilden die Führer eine Ausnahme in der Gesellschaft. Während alle anderen Berufsgruppen selbst für ihre soziale Absicherung zuständig sind, wissen sich die Bergführer und ihre Angehörigen im Falle der Fälle abgesichert, ohne dafür in die eigene Tasche greifen zu müssen. Auch diese Regelung zeigt, welche Stellung Bergführer Ende der 1870er-, Anfang der 1880er-Jahre gesellschaftlich innehatten. Der Bergführer war ein Privilegierter. Und ein Alpenvereinler.

Sichtbar wird dies spätestens 1882, als der Zentralausschuss des DuOeAV „zur Abstellung mannigfacher Klagen, sowie zur Bequemlichkeit und größeren Sicherheit des touristischen Publicums und zur Wahrung der Interessen der autorisierten Bergführer“ ein eigenes Bergführerabzeichen einführt, das die Führer am Hut oder Rock zu tragen haben.

Im Zeichen des Edelweißes

„Das Zeichen besteht aus einem aus festem Metall gefertigten silberweißen Edelweiß mit goldener Krone, um welches ein breiter Reifen mit der Inschrift ‚Behördlich autorisierter Bergführer‘, für Deutschland bloß ‚Autorisierter Bergführer‘ herumläuft. Am unteren Ende des Zeichens befindet sich um die Stiele zweier Pickel geschlungen ein silberglänzendes Band zur Aufnahme des Namens.“

„Bote für Tirol und Vorarlberg“, 5. Juni 1882

Der Praktiker
JOHANN NIEDERWIESER, STABELER

Dass Bergführer im goldenen Zeitalter Praktiker waren, beweist Johann Niederwieser vulgo Stabeler. 1853 in Sand in Taufers geboren, tritt er 1877 zur Bergführerprüfung an, die er problemlos besteht. Dabei konnte der Stabeler weder lesen noch schreiben. Einer großen Führerkarriere steht dieses Manko allerdings nicht im Weg, wohl auch, weil Niederwieser ein begnadeter Kletterer und zudem ein Berserker ist, der auch Gewalttouren nicht scheut. Es sind diese Eigenschaften, die so manch einen großen Namen auf den Stabeler aufmerksam machen. Emil Zsigmondy kennt und schätzt ihn, der Wiener Geologe und Paläontologe Carl Diener wählt ihn als Bergführer, ebenso der deutsche Chemiker Ludwig Darmstaedter und mit Hans Helversen, Arzt aus Wien, gelingt ihm 1892 die Erstbegehung von gleich drei Vajolettürmen. Anders als so oft zuvor trägt einer der Türme heute nicht den Namen des Gastes, sondern des Führers bzw. seinen Herkunftsnamen: “Stabeler“.

Dass Johann Niederwieser Analphabet ist, ist auch kein Hindernis, weit über den Horizont des Tauferer Ahrntals hinauszublicken. Als Bergführer begleitet er Kunden in die Westalpen, besteigt den Montblanc und das Matterhorn und ist auch in der Hohen Tatra unterwegs. Dabei ist er durchaus erfolgreich: So eröffnet er mit Darmstaedter eine neue Route auf den höchsten Berg der Kette. Das alles muss Niederwieser in ein relativ kurzes Leben pressen. 1902 stürzt er, noch nicht einmal 50-jährig, am Schaflahnernock tödlich ab. Sein alpinistisches Curriculum ist trotzdem beeindruckend. Allein in den Dolomiten gehen 25 Erstbegehungen auf das Konto des Stabelers, darunter die erste Durchsteigung der Hochgall-Südwand. Und in der war eines sicher nicht gefragt: Lesen und Schreiben.


Er hat bleibende Spuren hinterlassen: Johann Niederwieser, genannt „Stabeler“, aus Sand in Taufers.

Das Abzeichen macht deutlich, wie eng Behörden und Alpenverein mittlerweile verbunden sind, wenn es um die Bergführer in Tirol (und nicht nur dort) geht. Schließlich ist es der Alpenverein, der das Bergführerabzeichen einführt, und er ist es auch, bei dem die Führer ansuchen müssen, wenn sie das Abzeichen bekommen wollen. Übermittelt wird es aber von den k. k. Bezirkshauptmannschaften, die dem Alpenvereinszeichen damit eine offizielle Stellung einräumen. Diese Verquickung von Alpenverein und Behörden stößt allerdings dem Österreichischen Alpenclub sauer auf. Er geht im k. u. k. Innenministerium gegen das Bergführerabzeichen-Monopol des Alpenvereins vor und ist 1885 erfolgreich. So verbietet das Ministerium den Bezirksbehörden unter Verweis auf den Grundsatz der Gleichbehandlung, sich an der Verteilung des Alpenvereinszeichens zu beteiligen. Man betont zudem, dass einzig und allein das Bergführerbuch behördlichen Charakter habe und die Abzeichen nur zum Verein gehörten. „Die autorisierten Bergführer haben keine Verpflichtung, irgend ein solches besonderes Führerzeichen zu tragen“, heißt es in der Verfügung des Ministeriums, „es steht denselben jedoch frei, gleichzeitig auch mehrere, von verschiedenen alpinen Vereinen erhaltene derartige Zeichen anzulegen.“ De jure werden damit konkurrierende Alpenvereine dem DuOeAV gleichgestellt, de facto bleibt die Macht des Letzteren aber ungebrochen.

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