Kitabı oku: «Köder Null», sayfa 3

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KAPITEL ZWEI

Wie erwartet war die Bestattung des Saudi-Königs ziemlich opulent. Zumindest diese, die öffentliche Bestattung, welche die Welt auf den Nachrichtenkanälen zu sehen bekäme. Sie geschah, nachdem die traditionellen islamischen Bräuche eingehalten worden waren und die engste Familie sich im kleineren Rahmen versammelt hatte. Dieses jedoch war das Begräbnis, das vom Staatschef, dem saudischem Adel und den Anführern der Industrie besucht wurde. Man hielt es im Hof mit den vergoldeten Marmorsäulen des königlichen Palasts in Riad ab. Joanna musste sich daran erinnern, dass er nur einer der königlichen Paläste war, während sie feierlich unter den anwesenden Trauernden stand. Unter der hellen saudischen Sonne hielten sie ihre Köpfe ehrfürchtig gesenkt und Schweißtropfen standen ihnen auf der Stirn.

Sie war die Repräsentantin aus den Vereinigten Staaten, doch sie fühlte sich mit ihrem schwarzen Blazer, dem schwarzen Seidenhemd mit dem frisch gebügelten Kragen und dem schwarzen Bleistiftrock ein wenig fehl am Platz. Nicht nur waren es sechsundzwanzig Grad draußen, sondern die ganze Angelegenheit war selbst im Schatten einfach nur erdrückend. Sie gab ihr Bestes, es nicht zu zeigen.

Joanna Barkley war eine pragmatische Frau, was sich sowohl in ihrem Denken als auch an ihrer Kleidung zeigte. Sie war sich darüber ganz im Klaren, doch andere schienen das nicht immer zu erkennen. Als sie ein Teenager war, wurde ihre Vorstellung, eine Senatorin für den Staat Kalifornien zu werden, von ihren Lehrern, den Mitschülern und selbst ihrem Vater, der Staatsanwalt war, als ein Wunschtraum abgetan. Doch Joanna sah deutlich ihren Weg, eine logische Laufbahn, die sie an ihr Ziel brächte. Es musste einfach geschehen. Als sie zweiunddreißig war, erfüllte sie ihren Traum - für sie war es vielmehr eine Idee - und wurde vom Kongress der Vereinigten Staaten zur jüngsten weiblichen Senatorin der Geschichte gewählt.

Vier Jahre später, das lag jetzt kaum mehr als zwei Monate zurück, schrieb sie erneut Geschichte, als Präsident Jonathan Rutledge sie zu seiner Vizepräsidentin ernannte. Mit ihren sechsunddreißig Jahren war sie nicht nur die erste weibliche Vizepräsidentin der amerikanischen Politik, sondern zog auch mit John C. Breckinridge als die Jüngste gleich.

Obwohl sie eigentlich eher sachlich und praktisch war, konnte Joanna es nicht vermeiden, als eine blauäugige Träumerin charakterisiert zu werden. Ihre Strategien wurden genauso verspottet wie ihre Kindheitsbestrebungen - obwohl sie diese alle erreicht und sogar über das Ziel hinausgeschossen war. Sie sah es als überhaupt nicht unmöglich an, das Gesundheitswesen zu modernisieren, es brauchte einfach nur einen gründlichen und inkrementellen Plan, um das zu verwirklichen. Sich von Konflikten im Nahen Osten zurückzuziehen, Frieden zu erreichen, fairer Handel, sogar eines Tages selbst hinter dem Schreibtisch des Oval Office zu sitzen … nichts davon war unmöglich oder realitätsfern.

Zumindest nicht in ihren Augen. Ihre zahlreichen Kritiker und Gegner behaupteten etwas anderes.

Endlich fand die Prozession ein Ende. Sie wurde durch einen großen Mann mit einem grauen Bart und einer nach links gebogenen Hakennase abgeschlossen, der ein Gebet zuerst auf Arabisch und dann auf Englisch murmelte. Er war von oben bis unten in Weiß gekleidet. Ein Geistlicher, oder wie auch immer die sich nannten. Sie kannte sich in der islamischen Kultur nicht so gut aus wie sie es sollte, insbesondere jetzt, da diese Besuche und diplomatischen Missionen ihr bevorstanden. Doch zwei Monate waren kaum ausreichend Zeit, um sich vorzubereiten, und ihre Amtszeit war bisher ein Wirbelwind von Ereignissen gewesen.

König Ghazi von Saudi-Arabien hatte seinen langen Kampf mit einer ungenannten Krankheit verloren. Die königliche Familie wollte die Welt nicht darüber informieren. Joanna nahm an, dass es sich um etwas handelte, dass seinem Namen Schande oder Schmach brachte. Sie wollte erst gar nicht anfangen zu raten, was es war. Nachdem die Gebete beendet waren, zog sich die Prozession von Anführern, Diplomaten und Magnaten zurück in den unantastbaren (und mit Klimaanlagen ausgestatteten) königlichen Palast, außerhalb der Reichweite der Presse und Kameras. Eine seltsame Veranstaltung, dachte Joanna, wenn man bedachte, wie reserviert die königliche Familie schien.

Doch bevor sie eintreten konnte, rief sie eine Stimme.

„Madam Vizepräsidentin.“

Sie hielt inne. Die Stimme war niemand anderes als Prinz Basheer - jetzt vielmehr König Basheer, der älteste der sieben Söhne des verstorbenen Königs. Er war groß und hatte breite Schultern, vielleicht drückte er sogar ein wenig die Brust hervor, zumindest kam es Joanna so vor. Genau wie der Geistliche war auch er ganz in Weiß gekleidet, abgesehen von seinem Kopftuch - wie nannte man das nur? rügte sie sich. Das hatte ein rot-weiß kariertes Muster, dass sie zugegebenermaßen an eine Picknickdecke erinnerte. Sein Bart war kurz geschnitten, das Ende zeigte wie ein Pfeil nach unten. Er war schwarz, doch hatte trotz seiner recht jungen neununddreißig Jahre graue Strähnen.

„König Basheer.“ Sie nickte ihm zu, während sie sich selbst dafür lobte, sich an den richtigen Titel erinnert zu haben. „Mein Beileid, Hoheit.“

Er lächelte mit seinen Augen, doch sein Mund blieb eine gerade Linie. „Ich muss zugeben, dass es mir schwerfallen wird, mich an den Titel zu gewöhnen.“ Basheer sprach hervorragend Englisch, doch Joanna bemerkte, dass er bei jedem harten Konsonanten mit den Lippen schnalzte. „Man hat mir gesagt, dass Sie uns nur kurz besuchen. Ich hoffte, dass wir unter vier Augen reden könnten.“

Es stimmte, der Flugplan war schon registriert. Sie wollte in einer Stunde zurück im Jet sein. Doch die Regeln der Diplomatie schrieben vor, dass sie ein Angebot des trauernden Sohnes, neugekrönten Königs und möglichen Verbündeten nicht ausschlagen konnte. Das galt besonders, weil die US-Regierung jetzt kaum wusste, wo König Basheers Loyalitäten liegen würden.

Joanna nickte liebenswürdig. „Natürlich.“

König Basheer machte eine Geste, ihm zu folgen. „Hier entlang.“

Sie zögerte, stand kurz davor „Jetzt?“ herauszuplatzen. Ihr Blick fiel zurück auf die endende Prozession. Basheer hatte gerade seinen Vater begraben. Sicherlich gäbe es Wichtigeres, als mit ihr zu sprechen.

Ein Knoten formte sich in ihrem Magen, während sie einige Schritte hinter Basheer folgte. Sie gingen in den Palast und durch einen Empfangsraum für Würdenträger, der so groß wie eine kleine Sporthalle war.

Bedienstete servierten den anderen Gästen Erfrischungen, doch Joanna umging sie und trat in ein kleines Vorzimmer ein. Sie bemerkte im Blickwinkel, dass sich dort jemand befand. Der große Geistliche in Weiß folgte ihr still. Mehr als ein Geistlicher, dachte sie, vielleicht ein Berater? Doch in ihrer Kultur könnte das ein und dasselbe sein. Sie versuchte, sich an den Ausdruck für diese Art Person zu erinnern - war das ein Imam?

Wer immer er war, der große Geistliche (sie hatte sich nun daran gewöhnt, ihn so zu nennen) schloss die dicken Doppeltüren zum Vorraum hinter sich. Sie waren nur zu dritt in diesem Raum. Überraschenderweise war kein einziger Bediensteter oder Wächter anwesend. Diwane und bauschige Kissen in schwindelerregenden Farben waren in einer Mischung aus Feng-Shui und Nahoststil arrangiert und selbst die Fenster hatten schwere Samtvorhänge.

Dies war ein Raum, in dem man Geheimnisse besprach, ein Raum ohne Ohren. Sie wusste zwar nicht, was gleich besprochen würde, doch Joanna Barkley war sich sicher, dass dies der genaue Grund war, aus dem sie gehofft hatte, schnell nach Washington zurückzukehren.

„Bitte“, sagte Basheer und zeigte auf die Sitzgelegenheiten im Zimmer. „Setzen Sie sich.“

Sie ließ sich auf einem cremefarbenen Diwan nieder, doch lehnte sich nicht zurück und machte keine Anstalten, es sich bequem zu machen. Joanna saß mit geradem Rücken auf dem Rand eines Kissens und legte die Hände in den Schoß. „Womit habe ich eine solche Audienz verdient?“, wagte sie zu fragen und übersprang damit jegliche Formalitäten, die vielleicht zu erwarten gewesen wären.

Basheer genehmigte sich ein seltenes Lächeln.

Es war kein Geheimnis, dass die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Saudi-Arabien sich seit König Ghazis Krankheit verschlechtert hatten. Ghazi war ein Verbündeter gewesen, doch als er krank wurde und aus dem Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit verschwand, blieben jene, die für ihn sprechen sollten, seltsam still. Die Monarchie von Saudi-Arabien war der absolute Machthaber und herrschte über alle Regierungsgewalten, weshalb die USA es für umsichtig hielt, sich im Geheimen über die Aktivitäten des Kronprinzen Basheer zu informieren.

Was sie herausfanden, gefiel ihnen nicht besonders.

Um die Dinge noch zu verschlimmern, war sich Joanna außerdem nur zu bewusst, dass der ehemalige Prinz sich streng an die Gesetze der Scharia hielt und ihm Frauen in Machtpositionen gar nicht gefielen. Seiner Meinung nach waren und würden sie niemals gleichberechtigt sein. Sie war ihm nicht ebenbürtig, ganz einfach.

„Ich möchte mich gerne kurz über die Zukunft der Beziehungen zwischen unseren Ländern unterhalten“, begann der König.

Joanna lächelte zurück. „Bevor Sie weitersprechen, Hoheit, möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich nicht über die Autorität verfüge, um Genehmigungen im Namen meines Landes zu autorisieren.“

„Ja“, stimmte ihr der König zu. „Doch Sie können alles, was wir bei diesem Treffen besprechen, an den Präsidenten weiterleiten.“

Joanna ließ sich ihre Empörung über die Andeutung, sie wäre eine Botin, nicht anmerken, stattdessen schwieg sie.

„Ich habe gehört, dass die USA den Ajatollah des Iran diese Woche willkommen heißen“, fuhr Basheer fort.

„Das stimmt.“ Joanna hatte den Besuch selbst organisiert. Ein wichtiger Teil von Präsident Rutledges Bemühungen, Frieden zwischen den USA und dem Nahen Osten zu schließen, war ein strategisches Bündnis mit dem Iran. Sie zielten hoch, doch wie bei den meisten Dingen ihres Lebens näherte sich Joanna dem Problem diplomatisch und unvoreingenommen an. So fand sie heraus, dass eine Lösung durchaus möglich wäre. „Unsere Länder versöhnen sich. Ein Abkommen wird derzeit von den Vereinten Nationen entworfen.“

Der weißgekleidete Geistliche blies seine Nasenflügel auf. Es war eine kaum merkbare Bewegung, hätte er nicht wie eine Statue neben den Doppeltüren gestanden. So stocksteif wie er da stand, hätte die winzige Geste auch ein lautes Knurren sein können.

„Ich glaube, dass Sie vielleicht noch nicht ganz, äh, wie soll ich es nennen - informiert sind“, entgegnete ihr Basheer hochmütig. „Sie sind ja schließlich noch neu -“

„Ich bin neu in diesem Amt“, unterbrach ihn Joanna. „Ich kann Ihnen versichern, dass ich kein Neuling bin.“

Was mache ich da? rügte sie sich. Normalerweise reagierte sie nicht auf eine herablassende Haltung oder sogar offenen Spott. Doch etwas an diesem jungen König und seinem denkmalhaften Berater reizte sie auf eine Weise, die sie noch nie zuvor gespürt hatte. Es war nicht nur eine Geringschätzung ihrer selbst, es war eine Geringschätzung ihres Geschlechts, eine generelle Annahme, dass alle Frauen ihnen unterlegen wären. Sie wusste jedoch, dass sie sich beherrschen musste. Dies war ihre erste wichtige diplomatische Mission, seit sie das Amt der Vizepräsidentin angetreten hatte, und sie würde nicht zulassen, dass sie schiefging.

Basheer nickte. „Natürlich. Ich wollte eigentlich sagen, dass Sie sich der Geschichte zwischen unseren Ländern vielleicht nicht bewusst sind. Damit meine ich Saudi-Arabien und Iran. Wir sind Erzfeinde und als solche können wir ein solches Abkommen nicht gutheißen. Es gibt da ein Sprichwort: ,Der Feind meines Feindes ist mein Freund.‘ Dieselbe Logik führt uns zu: ,Der Freund meines Feindes ist mein Feind.‘“

Joanna biss sich auf die Zunge und schluckte hinunter, was sie dem eigenwilligen König nur zu gern gesagt hätte. Statt Löcher in die falsche Logik zu stechen, antwortete sie: „Darf ich dann fragen, welch weisen Rat Sie vorschlagen, Sir?“

„Eine Entscheidung, Madam Vizepräsidentin“, erwiderte Basheer. „Ein Bündnis mit dem Iran ist eine Beleidigung für mein Land, mein Volk und meine Familie.“

„Eine Entscheidung“, wiederholte Joanna. Basheers Forderung, dass die Vereinigten Staaten sich entscheiden müssten, nur mit einem der beiden Frieden zu schließen, war lächerlich - falls, entschied sie, er sie nicht auf die Probe stellte. „Ich hoffe, Sie verstehen, dass es unser Ziel ist, Frieden mit allen Nahost-Nationen zu schließen. Nicht nur mit dem Iran und nicht nur mit Saudi-Arabien. Dies ist nicht persönlich, es ist Diplomatie.“

„Ich muss es aber persönlich nehmen“, erwiderte der König sofort. „In meiner neuen Rolle als Monarch erwartet man von mir, dass ich Stärke zeige -“

„Das können Sie ja immer noch“, unterbrach ihn Joanna, „indem Sie mitmachen. Friede ist keine Schwäche.“

„Friede ist nicht möglich“, verbesserte Basheer. „Die Geschichte der Spannungen zwischen unseren Nationen geht weiter als das, was Sie vielleicht aus Büchern oder Reportagen erfahren haben -“

Wut brodelte in ihr auf. „Bei allem Respekt -“

„Doch Sie bestehen darauf, mich zu unterbrechen!“, ärgerte sich der König.

Joanna zuckte zurück. Anscheinend war Basheer es nicht gewöhnt, dass ihn jemand unterbrach, und schon gar keine Frau. „Hoheit“, sagte sie mit gemäßigtem Tonfall, „Ich glaube nicht, dass dies der beste Zeitpunkt ist, um darüber zu sprechen. Ganz davon abgesehen, dass es mir gar nicht möglich ist, einfach zu gewähren, worum Sie bitten.“

„Was man mir schuldet“, verbesserte Basheer sie.

„Ich würde das auch gar nicht tun“, sagte sie mit lauterer Stimme, „selbst wenn ich könnte.“ Ein Feuer entfachte in ihr, das sie nicht ignorieren oder löschen konnte. „Nun, wir wissen alle Bescheid über Ihre … Verbindungen, König Basheer. Ihre persönlichen Bündnisse mit einigen eher anstößigen Fraktionen.“

Sobald Basheer seine Augen zusammenkniff und sie musterte, bereute sie es. Nicht nur hatte sie indirekt zugegeben, dass die USA ihn überwacht hatte, sondern auch, dass sie informiert waren über die zunehmenden Verbindungen zwischen dem Saudi-Königshaus und aggressiven Gruppen von Aufständischen, sowohl innerhalb als auch außerhalb ihrer Grenzen.

„Gehen Sie“, knurrte Basheer.

Das war die ganze Zeit der Plan, dachte Joanna sarkastisch, während sie aufstand. Sie sparte sich alle weiteren Worte und brachte nur ein kurzes „Danke für Ihre Gastfreundschaft” hervor. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und schritt auf die Tür zu.

„Ich glaube, Sie verstehen mich nicht“, sagte Basheer laut. „Ich bitte nicht Sie darum, zu gehen. Ich befehle den Vereinigten Staaten, mein Land zu verlassen. Die Botschaften sind mit sofortiger Wirkung geschlossen. Und alle amerikanischen Soldaten, amerikanischen Bürger und amerikanischen Diplomaten werden hiermit deportiert. Wir kappen alle Verbindungen, bis ihre Regierung zu Sinnen kommt und bereit ist, ernsthaft darüber zu sprechen.“

Joanna Barkley fiel der Mund ein wenig auf, während sie versuchte einzuschätzen, ob Basheer das ernst meinte oder nur bluffte. Alle Anzeichen wiesen darauf hin, dass es ihm todernst war. „Sie würden sich uns zum Feind machen, aus reiner Boshaftigkeit dem Iran gegenüber?“

„Sie haben mich zuerst zu Ihrem Feind gemacht.“ Basheer zeigte auf die Tür, ohne aufzustehen. „Gehen Sie jetzt und richten Sie das Ihrem Präsidenten aus.“

Es gab nichts mehr zu sagen. Vizepräsidentin Joanna Barkley zog die Tür zum Vorzimmer auf, ohne den stoischen Geistigen, der daneben stand, auch nur eines Blickes zu würdigen. Sofort schlug ihr der Lärm des allgemeinen Geredes entgegen. Sie hatte fast vergessen, dass die Bestattungsfeier weiterging. Doch sie kümmerte sich nicht darum, während sie zur anderen Seite des breiten Saales ging, wo ihre zwei Secret-Service-Agenten warteten.

„Lasst uns aufbrechen“, sagte sie ihnen kurz angebunden. „Und holt mir Präsident Rutledge ans Telefon, bevor wir abheben.“

Sie befürchtete, dass sie bei ihrer ersten diplomatischen Aufgabe als Vizepräsidentin versagt hatte. Es sollte eigentlich alles einfach und routinemäßig ablaufen. Doch sie befürchtete noch viel mehr, dass Frieden mit einem Land des Nahen Ostens Krieg mit einem anderen bedeuten würde.

*

„So eine Unverschämtheit!“ knurrte Basheer auf Arabisch, während er im Vorzimmer auf und ab ging. „Die hat einen Mut! Deshalb versagt Amerika. Genau deswegen werden sie versagen. Rutledge ist schwach. Die Frau ist unausstehlich. Wäre sie eine Saudi, dann würde ich sie öffentlich hinrichten lassen!“

Der Scheich hatte sich mehrere Minuten lang nicht bewegt, obwohl er wirklich Lust hatte, das dünne Messer zu ziehen, das er im Ärmel versteckt hatte, um damit der amerikanischen Politikerin die Kehle aufzuschneiden.

Er trat zwei lange Schritte hinein ins Zimmer. Seine schlaksigen Beine trugen ihn mehrere Meter auf seinen König zu. „Geduld, Hoheit. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, um die Haltung zu verlieren. Sie müssen jetzt Disziplin und Takt an den Tag legen.“

Basheer nickte, doch seine Lippen presste er immer noch verbissen zusammen. „Ja“, stimmte er zu. „Sie haben Recht. Selbstverständlich.“

Unter normalen Umständen wäre ein Stammesscheich wie Salman niemals die rechte Hand des Königs. Doch während andere sich bei Ghazi eingeschmeichelt hatten, blickte Salman in die Zukunft und widmete seine Aufmerksamkeit dem ältesten Sohn, Basheer, der eines Tages König würde. Seitdem der Prinz sechzehn war, hatte Salman jede Gelegenheit genutzt, um den Jungen zu manipulieren. Er erinnerte ihn an seine Erhabenheit. Spornte ihn an, ein stärkerer König als sein Vater es je war zu werden. Redete ihm ein, dass der Westen gestürzt und das Saudi-Königreich gleichzeitig erweitert werden müsste. Salman wäre niemals König - doch er könnte an der Seite des Königs stehen. So spräche man seinen Namen auf der ganzen Welt im gleichen Atemzug aus.

„Ich fürchte, dass wir vorschnell gehandelt haben“, murmelte Basheer. „Das ist kein gutes Zeichen für uns.“

„Ganz im Gegenteil“, versicherte Salman ihm. „Sie haben gezeigt, dass Sie einen starken Willen haben. Als Nächstes müssen wir beweisen, dass Ihr Handeln genauso schlagkräftig ist.“

„Wie? Sagen Sie mir wie“, flehte Basheer ihn an. „Wenn die ein erfolgreiches Abkommen mit dem Iran treffen, dann haben wir keine Verbündeten. Die Welt wird uns für Idioten halten. Wir können uns gegen keine US-Armee wehren. Wir können uns keinen Krieg mit denen leisten.“

„Nein“, stimmte Salman ihm zu und legte eine dürre Hand auf die Schulter des jungen Königs. „Das können wir nicht. Aber vielleicht brauchen wir das auch gar nicht. Es gibt einen Plan, Hoheit, der wurde schon in Bewegung gesetzt. Wenn wir ihn durchziehen, dann wird die westliche Welt eine schmerzhafte Lektion erhalten - und die Welt wird zum Zeugen unseres Aufstiegs.“

KAPITEL DREI

Don’t worry

About a thing,

’Cause every little thing…

’Cause every little thing…

„Verdammt“, murmelte Null. „Das weißt du.“ Er hatte das Lied gepfiffen und dabei den Text im Kopf aufgesagt - die Mädchen hatten ihn mehrmals darum gebeten, mit dem Singen aufzuhören - aber er hatte noch nie die Zeile vergessen. „Wie war das noch?“

„Redest du mit dir selbst?“ fragte Sara, als sie in die kleine Küche seiner Wohnung in Bethesda, Maryland, kam. Sie trug Jogginghosen, ihr blondes Haar war zerzaust und den dunklen Ringen unter ihren Augen nach zu urteilen hatte sie vergessen (oder keine Lust gehabt), sich am Abend zuvor abzuschminken.

„Na klar.“ Null küsste sie auf den Kopf, während sie den Kühlschrank öffnete. „Guten Morgen, Liebes.“

„Hm“, antwortete Sara darauf und zog den Krug Orangensaft hervor. Seit Thanksgiving wohnte sie bei Null - seit sie aus der Rehabilitationsanstalt, zu der er sie geschickt hatte, abgehauen war und fast unter einem Pier gekidnappt worden wäre. Sie war sechzehn, jetzt fast siebzehn, erinnerte er sich, doch ihre Gesichtszüge waren so reif, dass man sie leicht für mindestens zwei Jahre älter halten könnte. Es war so schon schmerzhaft, dass seine Mädchen erwachsen wurden. Doch es war noch schlimmer, dass sie durch das Trauma schneller gereift war, und am schlimmsten, dass sie jeden Tag ihrer verstorbenen Mutter ähnlicher sah.

„Was machst du da?“, fragte sie und reckte ihren Hals über seine Schulter, um in die Pfanne zu spähen.

„Oh, das hier? Das, meine Liebe, ist eine Frittata.“ Null hob die Bratpfanne an, schüttelte sie zwei Mal und wendete die Frittata gekonnt in der Luft.

Sara rümpfte ihre Nase. „Sieht aus wie ein Omelette.“

„Ist auch so ähnlich. Die Nachbarin des Omelettes könnte man sagen. So, als ob ein Omelette und eine Pizza ein Baby hätten. Eine Frittata.“

„Bitte sag nicht mehr -“

„Frittata.“

Sara rollte mit den Augen und trank einen großen Schluck Orangensaft. „Du bist komisch.“

„Hallo Mäuschen“, verkündete Maya, als sie in die Küche kam. „Gib mir auch was davon ab.“ Sie trug Shorts und einen Kapuzenpulli, Turnschuhe und ein Schweißband über der Stirn. Ihr dunkles Haar war kurz geschnitten, ähnlich wie ein Bob - die Mädchen nannten es einen „Pixie-Schnitt“. Während die Züge ihrer jüngeren Schwester eher ihrer Mutter ähnlich waren, glich Mayas jugendliches Gesicht viel mehr Null.

Auch Maya wohnte bei ihm, was die Zwei-Zimmerwohnung zwar sehr gemütlich, aber auch gleichzeitig ein wenig eng machte. Seine zwei Töchter, fast siebzehn und neunzehn, teilten sich ein Zimmer, aber hatten sich kein Mal darüber beschwert. Null dachte, dass das daran lag, dass sie so viel Zeit getrennt verbracht hatten, als Sara in Florida gelebt und Maya in West Point studiert hatte. Doch seine Älteste hatte den Rest des Wintersemesters ausgesetzt und blieb jetzt auch noch das Sommersemester bei ihm. Er hatte das Thema zwar noch nicht angesprochen, doch er hoffte, dass sie letztendlich zurückkehren und ihre Ausbildung abschließen würde.

Sara gab Maya den Orangensaft, die einen ordentlichen Schluck davon trank. „Maya, findest du Dad in letzter Zeit nicht komisch?“

„Du meinst komischer als normal? Ja. Absolut.“

„Erstens“, sagte Null, „holt euch Gläser. Wir sind hier nicht bei den Hottentotten. Zweitens, inwiefern bin ich komisch?“

„Du singst viel“, bemerkte Maya.

„Ich habe damit aufgehört, als ihr mich darum gebeten habt.“

„Jetzt pfeifst du die ganze Zeit“, erwiderte Sara.

„Und wo liegt da das Problem?“

„Machst du eine Frittata?“, fragte Maya.

„Er kocht viel“, sagte Sara, als ob er gar nicht im Zimmer wäre.

„Ja, das ist schon komisch“, stimmte Maya zu. „Irgendwie scheint er … glücklicher.“

„Warum ist das komisch?“, wehrte sich Null.

„In dieser Familie?“ Sara schnaubte. „Das ist komisch.“

„Aua.“ Null hielt sich eine Hand über sein Herz und spielte einen Herzinfarkt vor. „Tut mir so leid, dass ich versuche, das Leben jener zu bereichern, die ich liebe.“

„Ich traue dem Ganzen nicht“, flüsterte Sara ihrer Schwester zu.

„Wo warst du letzte Woche?“

Die Frage kam so plötzlich, dass es Null fast aus den Socken riss. Seine Älteste starrte ihn mit einer fragend hochgezogenen Augenbraue an und wartete.

„Ich habe dir doch gesagt, dass ich in Kalifornien war…“

„Klar“, erwiderte Maya, „du hattest einen Termin mit einem Spezialisten für deine Hand.”

„Genau.“

„Ich habe unsere Krankenversicherung angerufen und die sagten mir, dass keine Papiere eingereicht wurden“, sagte Maya gelassen. „Es wurde keine Selbstbeteiligung bezahlt. Also … wo warst du letzte Woche?“

Ich ortete einen desertierten CIA-Ingenieur, um herauszufinden, ob er mir sagen könnte, warum mein eigenes Gehirn versucht, mich umzubringen. Das war die Wahrheit, doch er würde sie ihnen nicht sagen - schließlich wusste man nie, ob seine Wohnung verwanzt war. Allerdings hatten die Mädchen auch keine Ahnung von seinen verlorenen Erinnerungen, den Problemen, die ihn kürzlich heimsuchten, oder der finsteren Warnung, die Guyer ausgesprochen hatte.

Stattdessen zwang er sich zu einem schüchternen Lächeln und entgegnete: „Vielleicht geht dich das gar nichts an.“

Maya imitierte sein falsches Lächeln perfekt. „Vielleicht solltest du deine Töchter nicht anlügen.“

„Vielleicht versuche ich so, auf sie aufzupassen.“

„Vielleicht brauchen sie das gar nicht.“

„Vielleicht -“

Ein lautes Klopfen an der Tür unterbrach ihn. Zu Nulls Leidwesen griff er immer noch sofort instinktiv zur Glock, die in der Besteckschublade versteckt war. Trotz der vielen Male, die man schon in sein Zuhause eingebrochen hatte, musste er sich immer wieder daran erinnern, dass Terroristen nicht anklopften. Er zwang seine Muskeln dazu, sich zu entspannen, und erholte sich von dem Schreck, während Maya rief: „Es ist offen!“

Die Wohnungstür ging auf und eine Frau trat ein. Sie war zwei Jahre jünger als Null, noch nicht vierzig, doch man könnte sie auch leicht zehn Jahre jünger schätzen. Wenn sie nicht auf einem Einsatz waren, trug sie ihr volles, blondes Haar offen. Die Art, wie es ihr um die Schultern fiel, umrahmte perfekt ihr Gesicht und ihre schiefergrauen Augen. Sie trug enge Jeans, schwarze Stiefel und einen schwarzen Daunenmantel. Null hatte sie in ihren schönsten Momenten in Abendkleidung und Kleidern gesehen, aber auch in den schlimmsten, als ihr Gesicht blutverschmiert war und sie eine Waffe in der Hand hielt. Trotzdem schlug sein Herz jedes Mal, wenn er sie sah, etwas höher.

Maria ging zur Küche, küsste Null auf die Wange und legte eine weiße Schachtel auf die Theke. „Guten Morgen zusammen! Ich habe Croissants mitgebracht.“

„Genial.“ Maya nahm eins und biss hinein. „Ich kann vor dem Joggen Kohlenhydrate gut gebrauchen.“

„Aber die Frittata“, murmelte Null.

„Maria, sag du doch mal“, meldete sich Sara zu Wort. „Ist Dad in letzter Zeit komisch?“

Maria runzelte die Stirn. „Komisch? Ich weiß nicht, ob ich es komisch nennen würde. Aber schon anders. Vielleicht glücklicher?“

„Sag ich doch.“ Sara nahm ein Croissant.

„Bleibst du?“, fragte Null sie, während er sein unbeliebtes Omelette-ähnliches Gericht auf einen Teller schob.

„Wollte nur kurz auf dem Weg vorbeischauen“, erwiderte Maria. „Ich muss nach Langley.“

„An einem Samstag?“ Null hob eine Augenbraue an.

Sie zuckte mit einer Schulter. „Papierkram.“

„Papierkram“, wiederholte er. Er wusste ganz genau, dass es keinen Papierkram gab. „Papierkram“ war die Ausrede, die sie einander erzählten, wenn sie nicht die Wahrheit sagen konnten, doch nicht lügen wollten - natürlich war es ironisch, dass „Papierkram“ eine komplette Lüge war.

„Und wo warst du letzte Woche?“, fragte Maria mit einer gefälschten Unschuld.

Null grinste. „Papierkram.“

„Touché.“

Maria wusste nicht, dass Null Bixby ausfindig gemacht hatte, und er wollte, dass dies so blieb.

Er wechselte schnell das Thema. „Sehen wir uns heute Abend?“

„Ganz bestimmt.“ Sie lächelte und nahm ein Croissant aus der Schachtel. „Jetzt muss ich aber los. Ich nehme eins mit. Wir sprechen uns später.“

„Ich muss auch los“, fügte Maya hinzu.

„Ich gehe duschen“, verkündete Sara.

„Heee, wartet!“, rief Null, als sie versuchten, alle gleichzeitig aus der Küche zu stürmen. „Wartet doch mal einen Moment.“ Drei erwartungsvolle Gesichter wandten sich zu ihm um. „Äh, ich meine … in ein paar Tagen ist Valentinstag. Also macht da bitte noch keine Pläne.“

Sie blickten einander an. „Wer?“, wollte Maya wissen.

„Ihr alle. Jeder von euch. Ich möchte ihn mit allen drei Frauen in meinem Leben verbringen.“

„Na … in Ordnung. Klar.“ Maya nickte.

„Klingt toll“, stimmte Maria zu.

„Wie ich schon sagte“, murmelte Sara. „Komisch.“

Und dann waren sie weg, die Haus- und Badezimmertüren schlossen sich fast gleichzeitig hinter ihnen.

Null sah seine Frittata an und seufzte. „Jetzt sind wir nur noch zu zweit, meine Liebe.“ Er nahm den Teller und setzte sich an die kleine Küchentheke.

Nach außen schien alles wunderbar in seinem Leben. Er und Maria waren offiziell wieder zusammen und während der letzten zwei Monate fühlte es sich so an, als ob ihre Beziehung wieder ganz von vorne begänne. Er behielt die Wohnung in Bethesda und sie lebte immer noch in dem kleinen Bungalow, den sie einst gemeinsam bewohnt hatten. Aber wer konnte es schon sagen? Vielleicht würden sie bald wieder zusammenleben. Beide seiner Mädchen wohnten bei ihm, was ihm gefiel. Er gab sich große Mühe, ihnen Freiraum zu gewähren und sie ihre eigenen Entscheidungen treffen zu lassen - schließlich war eine jetzt erwachsen und die andere technisch gesehen emanzipiert. Egal wie komisch sie ihn fanden, sie hatten ganz bestimmt die positive Veränderung in seinem Verhalten bemerkt.

Er hatte sich auch wirklich verändert. Null bemühte sich ernsthaft darum, sich zu bessern. Dazu gehörten seine Kochkünste, mehr Zeit mit den Mädchen zu verbringen, lustige Familienaktivitäten zu organisieren und Maria so viel wie möglich miteinzubeziehen. Er wollte das Leben voll auskosten … weil er keine Ahnung hatte, wie lange er noch leben würde.

Guyer wusste es nicht. Bixby auch nicht. Und wenn die zwei schlausten Köpfe, die er jemals getroffen hatte, ihm keine Antworten geben konnte, dann bezweifelte er, dass es sonst jemand auf dem Planeten könnte. Er würde weiter Erinnerungen vergessen. Neue kämen hin und wieder herauf, wie die Erinnerungen an die Attentate, die er während seiner ersten Jahre als inoffizieller Agent der CIA ausübte. Doch er hatte sich dazu entschieden, nach vorn zu blicken, nicht zurück. Seine Vergangenheit lag hinter ihm, seine Zukunft war fraglich.

Er wusste, was er tun musste: Er musste den Agenten finden, von dem ihm Bixby erzählt hatte. Dieser Mann namens Connor, dem der Gedächtnishemmer implantiert worden war. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Mann noch lebte, war gering. Die Wahrscheinlichkeit, dass Null ihn finden würde, noch viel geringer.

Er musste es trotzdem versuchen. Und gleichzeitig musste er weiter versuchen, das meiste aus der Zeit zu machen, die ihm noch blieb. Er wollte einen positiven Einfluss auf die Leben seiner geliebten Menschen haben. Er musste wissen, dass sie sich nach seinem Tod an diese Zeit erinnern würden. Dies war die Version von ihm, an die sie sich gerne erinnern würden.

Denn letztendlich würde sein Gehirn ihn umbringen - falls es der Schmerz, so viele Geheimnisse für sich zu behalten, wo er doch Aufrichtigkeit versprochen hatte, das nicht zuerst schaffte.

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Yaş sınırı:
18+
Litres'teki yayın tarihi:
04 ocak 2021
Hacim:
374 s. 7 illüstrasyon
ISBN:
9781094305011
İndirme biçimi:
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