Kitabı oku: «Die deutschen Auswanderer», sayfa 7

Yazı tipi:

Die Einstellung gegenüber Emigrationsfragen änderte sich erst, nachdem Adam Friedrich von Seinsheim 1755 zum Fürstbischof von Würzburg und 1757 auch zu dem von Bamberg gewählt worden war. Er untersagte jede Form des Anwerbens seiner Untergebenen durch preußische Werber und Werber aus anderen Ländern.

Mit Beginn der 60er Jahre des 18. Jahrhunderts begannen neben England, Österreich und Preußen, welche bereits aktiv um deutsche Bauern warben, auch Russland, Frankreich, Dänemark und Spanien mit dem Anwerben in Deutschland und damit, ebenfalls eine aktive Peuplierungspolitik durchzuführen. Diese Zeit wurde einerseits zum Höhepunkt der Werbetätigkeit zahlreicher Agenten dieser Länder auf dem Gebiet der deutschen Ländereien, andererseits bot sie den deutschen Kolonisten eine breite Auswahl möglicher Emigrationsrichtungen.

Das von Seinsheim eingeführte komplette Auswanderungsverbot rief Unzufriedenheit bei der staatlichen und kirchlichen Bürokratie hervor. Diese war mit den Populationsvorstellungen nicht einverstanden und betrachtete die Auswanderung der ärmsten Bevölkerungsschichten weiterhin als nützlich und notwendig für das Fürstentum Würzburg. Viele ihrer Vertreter unterstützten heimlich die illegale Auswanderung, die zu jener Zeit ohnehin weit verbreitet war.

Für die deutschen Bauern war es nicht einfach, eine endgültige Ausreiseerlaubnis zu erhalten, denn dafür mussten sie zahlreiche Steuern an den Staat und die Gemeinde zahlen, die ein Drittel der gesamten Vermögenswerte des Ausreisenden betragen konnten, zudem mussten allen Ämtern, der Kirche und Privatpersonen sämtliche Schulden zurückgezahlt werden. Daher ließen viele Bewohner, die über wenig Guthaben verfügten und Schulden angehäuft hatten, ihr gesamtes Vermögen zurück und kehrten ihren Siedlungen nachts heimlich den Rücken. Es kamen jedoch auch entgegengesetzte Fälle vor, in denen Gemeinschaften einzelner Siedlungen den Dorfbewohnern bei der Ausreise sogar noch Geld mit auf den Weg gaben, um diese loszuwerden und so die Anzahl ihrer Bewohner zu verringern. Trotz des Widerstandes seitens des einfachen Volkes, welches das eigene Vermögen und die eigenen Schulden zurückließ und das Fürstentum heimlich verließ, und der Tatsache, dass die Bürokratie eine solche Lage der Dinge zusätzlich beförderte, hielt Bischof Seinsheim an seiner Antiemigrationspolitik fest und bestrafte seine Beamten hart, wenn sie seine Anweisungen nicht befolgten. Als die Übersiedlung nach Russland zu Beginn des Jahres 1766 gewaltige Dimensionen annahm, erließ er trotz der bei den führenden Kreisen herrschenden Meinung, die Auswanderung sei infolge des Wachstums der Bevölkerung und fehlender Manufakturen, wo diese hätte beschäftigt werden können, eine nützliche Sache, am 28. April 1766 ein neues Emigrationsverbot. Daneben ergriff er auch entschiedene Maßnahmen gegen die heimliche Emigration. Einige Beispiele aus dem Buch Robert Seligs berichten etwa davon, wie am 06. Mai 1764 vier Familien mit 23 Menschen an der Zahl auf ihrem Weg zu einem russischen Werber in Saalmünster festgenommen und eingesperrt wurden. Im selben Jahr wurde am 17. Juli und 05. August eine russische, aus der Stadt Eltmann kommende Transportkolonne auf seine Anordnung hin angehalten. Sämtliche Untergebenen des Fürstentums Würzburg wurden von dieser getrennt und festgenommen.18

Im Juli 1768 erschien mit großer Verspätung der Erlass des Königs des Heiligen Römischen Reiches über das komplette Auswanderungsverbot, welcher die massenweise Ausreise aus deutschen Ländereien nur kurz anhalten konnte. In den ernteschwachen Jahren 1770 und 1771 nahmen die Dimensionen der Auswanderung erneut zu. Zu dieser Zeit versuchte Seinsheim mit allen Mitteln, der Ausreise seiner Untergebenen entgegenzuwirken, in seinen Befehlen forderte er die Beamten seiner Unterabteilungen dazu auf, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um die eigene Bevölkerung zu erhalten.

Ein solches Vorgehen des Bischofs zum Schutze der eigenen Bevölkerung war letztendlich von Erfolg gekrönt, insbesondere im Vergleich zu anderen deutschen Ländern. Unter den deutschen Staatsangehörigen, die sich für die Auswanderung nach Russland entschieden, waren gerade einmal wenige Dutzend Bewohner des Fürstentums Würzburg. So gelang es dem Bischof durch seine konsequente und unnachgiebige Politik, die dem Erhalt des eigenen Volkes diente, einen wesentlichen Teil seiner Bevölkerung zu schützen. Die im Hinblick darauf verhinderten Kolonisten auf fremdem Land und ihre Nachfahren, zu denen auch die heute Lebenden gehören, konnten dank seiner Migrationspolitik im Allgemeinen dem bedauerlichen Schicksal vieler Generationen der Russlanddeutschen entgehen.

Mit dem Ende der Hungerjahre ging auch die Auswanderung zurück, wozu sowohl die Einstellung des Anwerbens von Kolonisten durch Österreich und Russland als auch der in Amerika ausgebrochene Unabhängigkeitskrieg beitrugen, der die Übersiedlung in jenseits des Ozeans gelegene Gebiete vorübergehend zum Erliegen brachte.

Nach dem Tod von Adam Friedrich von Seinsheim am 18. Februar 1779 kehrte die Emigrationspolitik des Fürstentums Würzburg im Großen und Ganzen zurück zu ihren Ursprüngen und verhinderte die Ausreise armer Bevölkerungsschichten nicht. Leider verfolgten bei weitem nicht alle Herrscher deutscher Ländereien eine konsequente und eigenständige Politik zum Erhalt der eigenen Bevölkerung. Es ist bekannt, dass die Behörden Ansbachs 1747 und 1774 und die Behörden Bambergs 1750 ihre verarmten Untergebenen massenweise aus dem Staatsgebiet auswiesen. 1771 wandten sich die Behörden Ansbachs an den König des Heiligen Römischen Reiches mit der Bitte, er möge ihre überschüssige Bevölkerung doch bitte nach Frankreich, Ungarn, Preußen und Russland umsiedeln.19

Die angeführten Beispiele ermöglichen es, eine erste Schlussfolgerung über die globalen Ursachen der Massenemigration zu ziehen, deren Wesen im Fehlen eines einheitlichen Staates in Deutschland im 18. Jahrhundert und der in diesem Zusammenhang fehlenden Möglichkeiten, die eigene Bevölkerung tatsächlich vor den Kolonisationsinteressen anderer Länder zu schützen, begründet liegt. Die zahlreichen deutschen Fürstentümer verfügten weder über eine einheitliche Gesetzgebung noch über gemeinsame, geschützte Außengrenzen und verfolgten eine eigenständige Emigrationspolitik, die vollkommen vom regionalen Herrscher und dessen Beamten abhing, welche bei weitem nicht immer ihre Untergebenen verteidigten. Das Heilige Römische Reich, zu welchem sie gehörten, war infolge der Reformation, des Augsburger Religionsfriedens, des Dreißigjährigen Krieges, der großen französischen Revolution und der Napoleonischen Kriege geschwächt. Die Kaiser des Reiches, die gleichzeitig die Könige Österreichs waren und in Wien residierten, konnten die deutschen Ländereien damals nicht nur nicht vor der Zerstreuung ihrer Bewohner bewahren, sondern verfolgten auch eigene Ziele. Sie nutzten ihre Macht dazu aus, die deutschen Staatsangehörigen aktiv nach Ungarn umzusiedeln, wo sie die Kolonisierung ihrer eigenen Ländereien vorantreiben wollten.

Eine weitere Besonderheit und globale Ursache der Massenemigration stellen die fehlenden kolonialen Besitztümer Deutschlands zu jener Zeit dar, während andere europäische Staaten solche besaßen. So ging beispielsweise das Aufblühen eines derart bedeutenden Kolonialreiches wie des britischen Imperiums wesentlich auf dessen Kolonien in Nordamerika zurück, in denen die Zahl der Kolonisten rasch anstieg. Was das Bevölkerungswachstum betrifft, so übertrafen die amerikanischen Kolonien ihr Mutterland. In den Kolonien wurden in der Regel dörfliche Siedlungen gegründet, und ihre Bewohner wurden zu freien und eigenständigen Bauern, die landwirtschaftliche Güter produzierten und auf die britischen Inseln lieferten. Dadurch gelang es der im Mutterland überschüssigen ländlichen Bevölkerung, die in die amerikanischen Kolonien übersiedelte, sich an ihrem neuen Wohnort schnell und problemlos zu integrieren. Zudem war genügend Land für alle Neuankömmlinge vorhanden, die Preise dafür waren erschwinglich, und der Lebensstandard der Kolonisten stieg trotz des schnellen Bevölkerungswachstums in den Kolonien ständig an. Wie wir bereits wissen, warb England sogar aktiv Kolonisten auf deutschen Ländereien an, um sie in seine Kolonien umzusiedeln. In Deutschland selbst wurde eine aktive Kolonisationspolitik erst zum Ende des 19. Jahrhunderts und damit wesentlich später aufgenommen und war nicht mehr dazu in der Lage, auf die Prozesse der massenweisen Emigration aus dem Land einzuwirken.

Die dritte, äußerst wichtige globale Ursache der Massenemigration in Deutschland besteht darin, dass sich die industrielle Revolution wesentlich später entwickelte als in einer Reihe europäischer Staaten, was eine Beschäftigung der schnell wachsenden Bevölkerung im industriellen Sektor unmöglich machte. Die Industrialisierungsprozesse setzten in Deutschland viele Jahrzehnte später ein als in England, Frankreich und Belgien. England hatte dem Feudalismus am Ende des 17. Jahrhunderts nach der Revolution ein Ende bereitet, war zu einem bürgerlich-demokratischen Staat geworden und hatte sich nach den Kolonialsiegen über die Niederlande und Frankreich in eine Weltmacht verwandelt. Ab dem Jahr 1740 beginnt dort der Übergang von einer Agrarwirtschaft mit Handarbeit und handwerklicher Produktion zu einer Industriegesellschaft, in der bereits die maschinelle Herstellung überwiegt. Im Zeitraum von 1760 bis 1790 kommt es dank einer ganzen Reihe von Erfindungen zu grundlegenden Änderungen in der Textilherstellung, eine neue Technik der Eisenerzeugung, der Dampfmotor und die ersten Dampfschiffe entstehen, der Gütertransport mit der Eisenbahn nimmt seinen Anfang und 1829 wird auch die erste Passagiereisenbahn gebaut. Die handwerkliche Herstellung und die Produktion in Manufakturen werden durch die Fabrikproduktion ersetzt, bei der industrielle Maschinen und die Energie von Dampfmotoren zum Einsatz kommen. Der Übergang von einer natürlichen landwirtschaftlichen Erzeugung zur Warenproduktion ging mit der Auflösung kleiner bäuerlicher Betriebe, der Konzentration der Ländereien in den Händen der Großgrundbesitzer und dem Erscheinen von Pächtern einher, die Leiharbeiter beschäftigten. Die ruinierten Bauern, die ihre Ländereien verloren hatten, zogen in die Städte um, wo sie sich ihren Lebensunterhalt durch die Arbeit in Werken und Fabriken verdienten. 1850 waren gerade einmal 30% der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig, und gegen Ende des 19. Jahrhunderts lebten bereits ungefähr 75% aller Einwohner Englands in Städten.

Alle dargestellten Prozesse auf dem Weg zu einer kapitalistischen Entwicklung und zur Industrialisierung der Wirtschaft begannen in Deutschland wesentlich später und konnten daher nicht zur Lösung des Emigrationsproblems im 18. Jahrhundert beitragen. Die industrielle Revolution erreichte Deutschland erst in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts und damit beinahe ein ganzes Jahrhundert später als England. Die Hauptursache einer solchen Rückständigkeit liegt einmal mehr in der territorialen und politischen Zersplitterung der deutschen Ländereien. So gehörten 1815 39 Staaten zum Deutschen Bund unabhängiger deutscher Staaten und freier Städte. Diese verfügten über jeweils eigene Geldscheine, Steuersysteme, Zollgrenzen, eine eigene Gesetzgebung und Politik. Diese zersplitterten Staaten wiesen hinsichtlich ihrer ökonomischen Entwicklung wesentliche Unterschiede auf, verfügten weder über einen allgemeinen Binnenmarkt noch über technologischen Austausch, und waren über das bestehende Wegenetz unzureichend miteinander verbunden, was hohe Transportkosten zur Folge hatte. Letztendlich waren die in ihnen produzierten Güter teuer und von minderer Qualität, was die Möglichkeit, sie auf dem Weltmarkt anzubieten, einschränkte. Die handwerkliche Herstellung stellte keine Konkurrenz für die Werk- und Fabrikproduktion in England und Frankreich dar, daher war der Binnenmarkt mit Waren aus diesen Ländern überfrachtet. Im Grunde genommen war Deutschland bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein landwirtschaftliches Anhängsel dieser industriell fortschrittlichen Länder.

Die Lage der Dinge in der deutschen Wirtschaft änderte sich nach 1830, als trotz der Armut, unter der ein großer Teil der Bevölkerung litt, einzelne Unternehmer- und Händlergruppen auftauchten, die ein größeres Vermögen angehäuft hatten, welches sie nun in den Bau der Eisenbahn zu investieren begannen. Gerade der Bau der Eisenbahn spielte eine entscheidende Rolle für die rasante Entwicklung der deutschen Industrie zwischen 1840 und 1870. Gab es in Deutschland 1835 eine Eisenbahnstrecke von gerade einmal sechs Kilometern, so hatte das Eisenbahnnetz gegen 1859 bereits eine Länge von 10.648 Kilometern.20

Die Konzentration von Arbeit und Kapital auf den Bau der Eisenbahn wurde zum Antrieb der darauffolgenden Entwicklung in der Eisenerz- und Kohleförderung, der Metallerzeugung und dem gesamten Maschinenbau. Die Herstellung von Lokomotiven, Waggons, Eisenbahnschienen, -achsen und -rädern, der Bau von Wohnungen, Verwaltungs- und Industriegebäuden und Reparaturzentren und das Schmelzen des Metalls für die Schienenherstellung nahmen ihren Anfang. Schon bald begannen sich auch die chemische Industrie, der Bankensektor und andere Wirtschaftszweige aktiv zu entwickeln.

Die industrielle Revolution in Deutschland basierte im Wesentlichen auf dem inländischen Maschinenbau, bei dem eigene technische Lösungen und Ingenieurslösungen zum Einsatz kamen, und auf dem Bau riesiger Unternehmen und Maschinenbaufabriken, die über die modernste Ausstattung verfügten. Zur Geschwindigkeit und Dimension der ökonomischen Entwicklung Deutschlands trug in vielerlei Hinsicht die Gründung der Zollunion im Jahr 1867 und des vereinigten deutschen Reiches im Jahr 1871 bei. Im darauffolgenden Zeitraum von 1870 bis 1913 beschleunigte die deutsche Wirtschaft ihre Entwicklung auf das mehr als Zweifache im Vergleich zur ersten Etappe, überholte hinsichtlich der Entwicklung des Nationalproduktes England, Frankreich, die Niederlande und Japan ein und wurde nur noch von den USA übertroffen. Während dieser Zeit kam infolge der Prozesse der industriellen Revolution und der ökonomischen Entwicklung Deutschlands auch die massenweise Auswanderung aus dem Land zum Erliegen.

Kurz zusammengefasst lassen sich folgende wesentliche globale Ursachen, auf welche die Prozesse der massenweisen Emigration deutscher Kolonisten in fremde Länder zurückzuführen sind, nennen:

 politische und ökonomische Schwäche der zahlreichen voneinander getrennten deutschen Staaten und Fürstentümer, Fehlen eines vereinigten Staates mit gemeinschaftlich organisierter Sicherung der Außengrenzen und einheitlichen Emigrations- und Zollgesetzen;

 fehlende koloniale Besitztümer aufseiten Deutschlands zu jener Zeit (während mehrerer anderen europäischen Staaten solche besaßen) und damit fehlende Möglichkeiten, diese für die Umsiedlung der eigenen überschüssigen Bevölkerung zu nutzen;

 späterer Beginn der industriellen Revolution im Land. Infolgedessen war die Möglichkeit, der schnell wachsenden ländlichen Bevölkerung eine Anstellung in den verschiedenen Industriebranchen zu bieten, nicht gegeben.

Diese globalen Ursachen waren in erheblichem Umfang für das Wirken und die Bedeutung der übrigen, zuvor betrachteten politischen, religiösen, wirtschaftlichen und persönlichen Auswanderungsmotive verantwortlich, die zu verschiedenen Zeiten der massenweisen Emigration eine unterschiedliche Rolle spielten. Diese Annahme soll an dieser Stelle am Beispiel der Emigration in jenseits des Ozeans gelegene Gebiete betrachtet werden.

Die überwältigende Mehrheit der Autoren hebt drei wesentliche Perioden der 150-jährigen massenweisen Auswanderung deutscher Staatsangehöriger nach Amerika hervor. Während der ersten Periode, die von Beginn des 17. Jahrhunderts bis 1815 dauerte, verließen zahlreiche religiöse Gruppen das Land, die so ihre Religionsfreiheit zu wahren versuchten. Während der zweiten Periode, die bis 1914 dauerte, kehrte der liberale Teil der Gesellschaft seiner Heimat den Rücken und brachte somit seinen Protest gegen das herrschende reaktionäre politische System zum Ausdruck. Während der dritten Periode, die mit dem Ersten Weltkrieg beginnt und sich, wenn auch in wesentlich geringerem Umfang, auch nach dem Zweiten Weltkrieg fortsetzt, wanderten Menschen aus dem Land aus, die zu Hause keine Perspektive für die Verbesserung ihrer Lebensumstände sehen konnten. Natürlich waren für jede dieser Perioden auch zahlreiche weitere ökonomische und soziale Ursachen von zusätzlicher Bedeutung.

Eine besondere Rolle in der Ausweitung der Emigration wurde der Entwicklung der technischen Möglichkeiten und der finanziellen Bezahlsysteme für den Transport der Übersiedler ans andere Ufer des Ozeans zuteil. So wurde 1720 ein System geschaffen, welches die Übersiedler gegen Kredit transportierte, was dem Ziel diente, die Erträge der Transportunternehmen, Kapitäne und Schiffsinhaber zu mehren. Dabei mussten die Übersiedler die Ticketpreise anschließend als Arbeiter auf Bauernhöfen oder in Fabriken in Amerika abarbeiten. Dieses Finanz- und Logistiksystem erhielt die Bezeichnung „Redemptioner-System“ und wurde von einem wesentlichen Teil der deutschen Übersiedler, von denen bis zu 50% nicht über ausreichende eigene Mittel zur Bezahlung der Überfahrt nach Amerika verfügten, in Anspruch genommen. In der Literatur lassen sich unterschiedliche Bewertungen dieses Systems finden. Die einen halten es für unmenschlich, da es die unbarmherzige Ausbeutung der Übersiedler ermöglichte. Andere Autoren merken an, dass dieses System einer riesigen Anzahl deutscher Staatsangehöriger die Übersiedlung nach Amerika und damit die Verwirklichung eines Traumes ermöglichte, während die Vertragsbedingungen, welche das Abarbeiten der Kosten für die Überfahrt vorsahen, durchaus akzeptabel waren. Nach 1815 hörte das Kreditsystem, bei dem die Übersiedler einen Vertrag über die Abarbeitung der Kosten im Anschluss an die Überfahrt unterschrieben, auf zu existieren. Die Kosten für die Überfahrt wurden immer häufiger von Gemeinschaften, Verwandten und Bekannten übernommen, die in Deutschland zurückgeblieben oder bereits zuvor nach Amerika ausgereist waren.

Eine immer wichtigere Rolle nahmen Faktoren wie die Entwicklung der Infrastruktur, die wachsende Gesamtzahl deutscher Übersiedler, die nach Amerika aufbrachen, und die zunehmende Anzahl ihrer Briefe ein, in welchen sie ihr Leben in den schillerndsten Farben beschrieben. Dies bestärkte weitere Hunderttausende deutsche Staatsangehörige in ihrer Hoffnung auf ein besseres und sorgenfreies Leben. Besonders aktiv verlief der Prozess der Familienzusammenführung, wobei einem zuvor ausgereisten Übersiedler die zunächst zurückgebliebenen Brüder, Schwestern, Eltern oder einfach Nachbarn und Freunde nachreisten. Die Dorfgemeinschaften übernahmen zunehmend die Finanzierung der Überfahrt ihrer Dorfbewohner, unterstützten sie sogar während der Anfangszeit und versuchten so, der sich zuspitzenden Überbevölkerung und wachsenden Bodenknappheit entgegenzuwirken.

Von besonderer Bedeutung für die steigende Zahl der Emigranten waren die Entwicklung von Transporttechnologien, der Ausbau des Eisenbahnnetzes und der Austausch von Segelschiffen durch Schiffe mit Dampfantrieb nach den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts. Danach wird die Auswanderung nach Amerika tatsächlich zur Massenerscheinung, da sich ein großer Teil der Bevölkerung nun unabhängig vom Wohnort in Deutschland schnell innerhalb des Landes fortbewegen konnte und die Überquerung des Ozeans immer weniger Zeit und Mittel erforderte. Zudem kam es auch zu einer deutlichen Verbesserung der Aufenthaltsbedingungen auf den Schiffen, was die Sterblichkeitsrate der Übersiedler während der Reise stark sinken ließ. Die Möglichkeit, schneller, günstiger und zuverlässiger auch mit Hilfe der damals bereits existierenden deutschen Diaspora nach Amerika überzusiedeln, führte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dazu, dass ein großer Teil der Übersiedler aus ökonomischen Gründen auswanderte. Dabei handelte es sich um Bauern, die ihr Land verloren hatten, um Handwerker, die dem Konkurrenzkampf gegen die Fabrikproduktion nicht gewachsen waren und um Vertreter vieler weiterer Fachgebiete, die jenseits des Ozeans auf der Suche nach einem besseren Schicksal waren.

Ebenso waren die Emigrationsursachen nach Russland, Österreich, Preußen und in andere Länder vom Faktor Zeit und daneben auch von weiteren, sehr unterschiedlichen Motiven abhängig. Dabei stellten trotz des unterschiedlichen Zusammenwirkens zahlreicher Faktoren wirtschaftliche Gründe die Hauptursache der massenweisen Emigration deutscher Kolonisten dar. Diese hatten mit dem rasanten Bevölkerungsanstieg und dem akuten Mangel an Grund und Boden zu tun. Gerade das übermäßige Schrumpfen oder der völlige Verlust des eigenen Grundbesitzes und die fehlende Möglichkeit, sich und die eigene Familie zu ernähren oder eine eigene Familie zu gründen, wie es vielfach vorkam, waren für eine riesige Anzahl deutscher Staatsangehöriger die Hauptursache für die Auswanderung in fremde Staaten, welche sie durch die Münder ihrer Monarchen und zahlreicher Werber mit zahlreichen Vergünstigungen und Privilegien lockten.

Genau aus diesem Grund kam es auch zur späteren Übersiedlung deutscher Kolonisten innerhalb ihrer neuen Länder. Wie dies in Russland ablief, als ein starkes Bevölkerungswachstum einsetzte und die Ländereien in den Kolonien am Ufer des Schwarzen Meeres und im Wolgagebiet nicht mehr ausreichten, wurde zunächst durch ihre Umsiedlung in Tochterkolonien und später in den Kaukasus, nach Sibirien, Mittelasien und Kasachstan bestimmt. In ihrem Bemühen, Ländereien in ausreichender Größe zugeteilt zu bekommen, ließen sich die deutschen Kolonisten weder von fremden, ihnen unbekannten Sprachen noch von völlig fremden Religionen, Traditionen und Kulturen der ansässigen Völker aufhalten.

Kapitel 5.

Wege der deutschen Kolonisten in die Fremde

5.1. In die Länder Ost - und Südosteuropas

Den deutschen Kolonisten, die die schwere Entscheidung getroffen hatten, in ein fremdes und unbekanntes Land auszuwandern, stand ein sehr langer und beschwerlicher Weg bis zu ihren Siedlungsorten bevor. Reisen war im 18. Jahrhundert mit großen Schwierigkeiten und Gefahren verbunden. Die Straßen waren nicht asphaltiert und in schrecklichem Zustand, vielerorts mussten Wälder, Flussarme und Sumpfgebiete überwunden werden. Dies hatte zahlreiche Unfälle zur Folge, Achs- und Radbrüche der überladenen und von Pferden gezogenen Wagen waren keine Seltenheit. Unterwegs oder während der Nachtlager konnten ganze Kolonnen oder einzelne Übersiedlerfamilien jederzeit von einer der vielen Räuberbanden überfallen werden. Nicht weniger beschwerlich und gefahrvoll war die Reise auf dem Wasserweg über Flüsse, deren Strömung nicht reguliert war und auf denen Wasserabfälle und Wasserstrudel an der Tagesordnung waren, oder über das unruhige und stürmische Wasser der Meere und Ozeane.

Während der gesamten Zeit der Massenemigration kehrten die deutschen Kolonisten Deutschland in verschiedenen Richtungen den Rücken. Zu den Hauptrichtungen gehörten der Landweg nach Preußen, die Übersiedlung nach Südosteuropa ins damalige Ungarn und weiter ans Schwarze Meer nach Russland (auf dem Landweg), und daneben auch der Weg über den Ozean nach Nord- und Südamerika.

Einzelne größere und kleinere Gruppen deutscher Übersiedler, die sich für die südöstliche Richtung entschieden hatten, erreichten ihre künftigen Siedlungsorte, indem sie sich in Deutschland zu Fuß an eine Anlegestelle am Fluss aufmachten, anschließend dem Flusslauf der Donau folgten und ihre Zielorte schließlich erneut auf dem Landweg erreichten. Die Strecke war insgesamt mindestens 2.000 Kilometer lang, überaus beschwerlich, anstrengend und konnte je nach Jahreszeit, Wetterbedingungen und sonstigen Umständen zwei bis sechs Monate dauern. In der Regel erreichten die aus verschiedenen deutschen Ländereien stammenden Übersiedler, die sich nach Ungarn oder Russland aufgemacht hatten, zunächst die Stadt Ulm, in der sich eine Anlegestelle an der Donau befand. Später war es auch möglich, von den Anlegestellen in Donauwörth und Regensburg dem Flusslauf der Donau zu folgen.

Die erwachsenen Kolonisten liefen meist zu Fuß hinter den Wagen her, vor die zwei und manchmal auch vier Pferde gespannt waren. Die Wagen waren mit den mitgenommenen Dingen beladen, mit Lebensmitteln, Wasser und sonstigem Hausrat, außerdem saßen dort Kinder, Alte und Übersiedler, die auf dem Weg erkrankt waren. Neben Hausgeräten nahmen die Übersiedler wichtiges Handwerkszeug wie Sensen, Äxte, Sägen, Kupfergeschirr und sonstiges Geschirr, Holzfässer und ein Arsenal an Leinenstoffen mit. Einzelne Übersiedler hatten zerlegte Pflüge und andere landwirtschaftliche Gerätschaften dabei. Um Ladung und Menschen vor Unwetter und der sengenden Sonne zu schützen, waren die Wagen mit grobem Leinenstoff bezogen, welcher über die Metallbogen gespannt wurde. Diese Fuhrwagen wurden von den Kolonisten meistens zusammen mit den Kutschern zur Beförderung ihrer Ladung an die nächstgelegenen Anlegestellen an der Donau angemietet. Es gab jedoch auch Fälle, in denen einzelne Kolonisten ihre Ladung auf eigenen Wagen bis zur Anlegestelle transportierten. Dort verscherbelten sie alles oder fuhren auf den Wagen auf dem Landweg bis zum Zielort weiter. Im Laufe einer vollen Tageslichtphase legten die Übersiedler kaum mehr als 20 Km zurück und übernachteten außerhalb von Siedlungsorten unter freiem Himmel, um gefährlichen Begegnungen und möglichen Geldstrafen aus dem Weg zu gehen.

Einzelne Kolonistengruppen transportierten ihr mitgenommenes Hab und Gut auf Wagen, vor die Ochsen gespannt waren. Diese bewegten sich noch langsamer fort. So dauerte zum Beispiel ihre Reise aus der Pfalz über Frankfurt, Würzburg und Nürnberg nach Augsburg, wo man ebenfalls ein Schiff besteigen, über den Lech zur Donau und von dort weiter nach Ungarn fahren konnte, 19 Tage lang.

Die Kolonisten, die auf dem Weg nach Russland waren, erhielten in Ulm russische Pässe, die übrigen Übersiedler, das Österreich-Ungarn als Siedlungsort gewählt hatten, durchliefen dieses Verfahren nach ihrer Ankunft in Wien. In Ulm konnten alle Kolonisten Flussschiffe besteigen, auf denen sie je nach Reiseziel bis Wien, Budapest oder bis zur Mündung ins Schwarze Meer weiterfuhren.

Wenden wir uns an dieser Stelle etwas ausführlicher der Beschreibung dieser Flussschiffe zu, die die Bezeichnung „Ulmer Schachtel“ erhielten, da sie es waren, die während der Zeit der massenweisen Emigration mehrere Hunderttausend deutsche Kolonisten in südöstlicher Richtung nach Österreich-Ungarn und weiter nach Russland beförderten. Diese Schiffe wurden in Ulm gebaut, wiesen eine sehr einfache Konstruktion auf und kamen nur in einer Richtung für den Transport von Waren und Menschen zum Einsatz – die Donau flussabwärts. Nach der Ankunft am Zielort wurden sie günstig verkauft und als Brenn- oder Baumaterial verwendet. Zu Beginn waren sie 22 Meter lang und drei Meter breit, später, gegen Ende des 19. Jahrhunderts, hatten sich ihre Maße auf 30 Meter in der Länge und 7,5 Meter in der Breite vergrößert. Die Höhe der Seitenwände betrug eineinhalb Meter, und in der Mitte des Schiffes ragte ein recht großer und überdachter Aufbau empor, in dem die Passagiere bei Unwetter Unterschlupf fanden. An den Aufbau grenzte eine überdachte Holztoilette an. Während das Schiff flussabwärts fuhr, wurde es mithilfe langer Stangen gesteuert, an deren Ende Ruderblätter angebracht waren. Von diesen befanden sich jeweils zwei am Achterdeck und am Bug. An Bord des Schiffes waren 60, 80 und später bis zu 200 Passagiere und die gesamte von ihnen mitgeführte Ladung untergebracht. Die einen Übersiedler hatten sehr wenig dabei, andere nahmen so viel mit, wie sie transportieren und aufs Schiff verladen konnten. Dabei konnte es sich um zerlegte Wagen, Pflüge und andere Arbeitsgeräte handeln, für deren Transport sie zusätzlich bezahlten. Die gesamte Ladung wurde gleichmäßig entlang der Seitenwände verteilt und gut befestigt. Am Bug und am Achterdeck befand sich ein aus Steinen gemauerter Herd, auf dem unterwegs je nach Windrichtung das Essen zubereitet wurde. Die Passagiere nahmen Plätze ein, die sich auf dem vorderen und hinteren Teil des Decks befanden, das überdachte Häuschen betraten sie nur bei Regenwetter oder Sturm.

Weiter flussabwärts befand sich nach der deutschen Festung Ingolstadt eine weitere Anlegestelle in der Stadt Kelheim, von der aus vor allem Kolonisten aus Franken, Hessen und Bayern auf der Donau flussabwärts fuhren. Hier verwendeten die Kolonisten einen zweiten Schiffstyp, welcher die Bezeichnung „Kelheimer Plätten“ erhielt. Dieser stellte im Grunde genommen ein großes Floß mit kleiner Behausung dar, welches mit vier langen Rudern gesteuert wurde, die sich am Bug und am Achterdeck befanden. Diese Flöße waren weniger zuverlässig und boten weniger Passagieren Platz als die „Ulmer Schachteln“, in die die Kolonisten großes Vertrauen hatten.

Die Reise über den Fluss war mit zahlreichen Gefahren verbunden. Schon vor der Stadt Passau, die am Zusammenfluss von Donau, Inn und Ilz liegt, befanden sich ein großer Felsen, eine Reihe von Klippen und mehrere Sandbänke, deren Lage sich ständig änderte. Der Schiffsmannschaft wurde großes Können und viel Aufmerksamkeit abverlangt, um diese Stelle ohne Schäden und Unfälle passieren zu können. Solche für die Durchfahrt der Schiffe gefährlichen Stellen mit wirbelnden Wasserstrudeln und abfallenden Passagen waren mehrfach auf dem Weg zu treffen. Die Passagiere und Schiffsmannschaften gingen zeitweise wochenlang nicht an Land.

Nachdem die Kolonisten nach der Ankunft in Wien vom Schiff ans Ufer gegangen waren, wurden sie von österreichischen Beamten in Empfang genommen. Diese überprüften die Pässe und registrierten die Neuankömmlinge. Die Reichspässe der Übersiedler, die sich in Ungarn niederlassen wollten, wurden durch Ansiedlerpässe ersetzt, zudem erhielt jeder Übersiedler Transportgeld für die Zeit der Weiterreise an den jeweiligen Siedlungsort. In Wien selbst und in den umliegenden Siedlungen konnten die Übersiedler nur mit Mühe in den überfüllten Hotels und Gästehäusern untergebracht werden, in denen nicht selten Diebstahl und Totschlag vorkamen.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

₺225,80