Kitabı oku: «Die deutschen Auswanderer», sayfa 5
Auf die Bewertungen der ersten deutschen Kolonisten, die Züges Buch vornimmt, gehen wir etwas später ein, an dieser Stelle soll lediglich betont werden, dass es naiv wäre anzunehmen, die Elite der deutschen Bauernschaft sei auf die Überredungskünste der russischen Werber hereingefallen und habe sich nach Russland aufgemacht. Vielmehr handelte es sich dabei um verarmte Bauern, Handwerker und Händler, die hohe Schulden aufgenommen und ihr Gewerbe eingebüßt hatten, um gescheiterte Unternehmer und Friseure, ausgediente Soldaten erfolglose Künstler, Lehrer und Menschen ohne jeden Beruf. Unter ihnen befanden sich sogar ruinierte oder auf die schiefe Bahn gekommene Adlige. Im Buch wird von einem solchen Baron berichtet, der in Russland ankam, aus Feigheit eine Karriere im Militärdienst ablehnte und aufgrund seiner Faulheit keinen Pflug in die Hand nehmen und den Boden bearbeiten wollte. Schließlich verdingte er sich in seiner Siedlung als Viehhirte, passte auf die Kühe und Stiere auf und grüßte jeden freudig zurück, der ihm entgegenkam und ihn mit „Herr Baron“ ansprach.12
Allerdings hatte keiner der Menschen, die nichts mit der Landwirtschaft zu tun hatten, tatsächlich vor, Bauer zu werden. Sie alle suchten ihr Glück und waren weiterhin in verschiedenen russischen Städten und Siedlungen in ihrem Fachgebiet tätig. Eine solche Möglichkeit war ihnen im Manifest Katharinas II. und von den russischen Werbern versprochen worden. Es war nicht ihre Schuld, dass sie alle nach ihrer Ankunft in Russland unter Zwang in die Wolgaregion geschickt und zur Landarbeit verpflichtet wurden. Hierbei ist anzumerken, dass die russische Regierung später versuchte, eine Änderung der Dinge herbeizuführen, sie sandte ihren Kommissaren und Agenten in Deutschland verschlossene Formulare, in denen sie diese dazu verpflichtete, ausschließlich aus dem Kreis der Landarbeiter Leute anzuwerben. Allerdings war eine Verkündigung dieser neuen Anforderungen auf breiter Front nicht zulässig, da sie dem Wortlaut des Manifests widersprachen und die Werber sie auf ihrer Jagd nach schnellem Geld einfach ignorierten.
Autoren, die vom panslawischen Standpunkt aus die verfehlte Kolonisationspolitik Russlands zu beweisen versuchen, bewerten die Zusammensetzung der Kolonisten aus dem Buch des Kolonisten Züge häufig wenig schmeichelhaft. Unter diesem Gesichtspunkt bleibt festzuhalten, dass auch Züge selbst die Eigenschaften der angeworbenen Kolonisten nicht unbedingt schmeichelhaft beschreibt, wobei dieser seine Schlüsse aus der Bewertung einer einzigen Gruppe zieht, mit der er nach Russland angereist war.
Es gelang, ihn in den Aufzeichnungen der Übersiedler aus den Kolonisten Siedlungen ausfindig zu machen. Diese Aufzeichnungen wurden im Zuge einer Revision erstellt, die auf Anordnung der Vormundschaftskanzlei für Ausländer am Ende des Jahres 1767 erstellt wurde. An zehnter Stelle ist er neben weiteren Übersiedlern der Kolonie „Potschinnaja“ registriert, deren deutsche Bezeichnung „Kratzke“ lautet. Die im Zensus angeführten Informationen „Züge Christian Gottlieb, 22, Schuhmacher aus Sachsen, ledig, Ankunft am 7.08.1766, hat von der Voevodsker Kanzlei in Saratow 150 Rubel erhalten, hat zum Jahr 1768 eine Deßjatine aufgepflügt, ist als Leiharbeiter tätig“,13 entsprechen voll und ganz seiner Erzählung über sich selbst. Letzteres dient auch als Beweis seiner Autorenschaft, die von einzelnen Historikern angezweifelt wird, wie sich den Fakten im Nachwort zu seinem Buch entnehmen lässt. Alle Übersiedler der Kolonie „Potschinnaja“ wurden der Anwerbemannschaft der Privatkolonie De Boffes zugerechnet. Deren Mitglieder wendeten im Bemühen, so viel Geld wie möglich zu verdienen, beliebige legale und illegale Vorgehensweisen an, machten auch vor offensichtlichem Betrug keinen Halt und warben alle und jeden an, unter anderem auch Kolonisten, die für die Landarbeit ungeeignet waren. Die damals unter den Anwerbemannschaften vorkommende „schmutzige“ Praxis beim Anwerben deutscher Kolonisten erwähnt auch Georgij Pisarevskij in seinem Buch: „... das allgemeine Niveau der Kronskolonisten war weitaus höher als das der Privatkolonisten, bei denen Vertreter des städtischen Proletariats keine Seltenheit waren – Menschen, die jeder Arbeit aus dem Wege gingen, Trinker und Vagabunden“.14
Die hier für die Kolonie „Potschinnaja“ durchgeführte Analyse des Übersiedlerverzeichnisses aus der Revision von 1767, in dem auch der Kolonist Züge geführt wird, zeigt, dass unter den 54 registrierten Übersiedlern 33 verheiratete und zehn verwitwete Personen (davon acht Männer), ein Waisenkind, zwei Stiefkinder und acht Junggesellen waren, und zu ihren Familien gehörten 32 Kinder. Bei elf registrierten Personen, von denen vier erwachsene Männer, zwei Witwen und fünf Stief- und Waisenkinder waren, war keine Berufsbezeichnung angegeben. Diese Daten lagen nur für 43 offiziell registrierte Kolonisten vor, von denen lediglich sechs Ackerbauern bzw. Personen waren, die über Erfahrung in der Landwirtschaft verfügten. Unter den Übrigen waren sechs Schuhmacher, fünf Weber, drei Schneider und jeweils zwei Gerber, Schmiede, Weinbrenner, Steinmetze, Soldaten und Tischler. Nur einmal waren folgende Berufe anzutreffen: Maler, Jäger, Instrumentenbauer, Schlosser und Schreiner. Je einmal waren auch so seltene Fachgebiete wie Salzsieder, Kupferschmied, Schiffbauer, Silberschmied, Sattler und Buchbinder vertreten.
Wir sehen also, dass lediglich 14% der in der Kolonie „Potschinnaja“ registrierten Kolonisten über Erfahrungen in der Landwirtschaft verfügten. Die Übrigen, die den Überredungskünsten und der Hartnäckigkeit der Beamten nachgegeben hatten, wurden gegen ihren Willen gezwungen, einer landwirtschaftlichen Beschäftigung nachzugehen, obwohl sie auf ganz andere Bereiche spezialisiert waren. Eine solche professionelle Zusammensetzung konnte auch Züge beobachten, und die daraufhin folgende Beschreibung in seinem Buch fiel nicht unbedingt positiv aus.
Nicht nur er, sondern auch andere Autoren übertrugen die negativen und subjektiven Einschätzungen hinsichtlich der professionellen Eignung der Übersiedler, die meist durch Agenten anwerbender Privatkolonien rekrutiert wurden, auf alle deutschen Kolonisten im Wolgagebiet, was bei weitem nicht immer den tatsächlichen Gegebenheiten entsprach. Um keine leeren Behauptungen aufzustellen, werden an dieser Stelle die Ergebnisse der bereits erwähnten Revision von 1767 angeführt. Diese lagen dem Rapport des Grafen Orlov vom 14. Februar 1769 zugrunde, der von ihm an Katharina II. gesendet wurde. Die einzigartigen Materialien dieses Rechenschaftsberichts sind in Anhang №38 der monumentalen Arbeit Grigorij Pisarevskijs aufgeführt. Der Anhang enthält eine zahlenmäßige Charakteristik der Kolonisten („(...) wie viele ausländische Familien in den bei Saratow gegründeten Kolonien zum Ackerbau in der Lage bzw. nicht in der Lage sind, und auch die Anzahl der Männer und Frauen...“) und gibt auch den Viehbestand, den Bestand an Saat- und Dreschgut und die Anzahl der gebauten Häuser und Anbauten an.15
Das vorliegende Buch beschäftigt sich später in den entsprechenden Abschnitten detaillierter mit der Bewertung dieser Daten, an dieser Stelle bewerten wir hingegen die Zusammensetzung der Kolonisten im Rahmen ihrer Fähigkeit und Eignung für den Ackerbau. Dabei werden die sogenannten „Kronskolonien“ und die „Privatkolonien“ getrennt voneinander behandelt. Insgesamt wurden im Wolgagebiet 41 Krons- und 61 Privatkolonien gegründet. Es soll daran erinnert werden, dass neben russischen Gesandten und Residenten auch von der Regierung ernannte spezielle Kommissare mit dem Anwerben der Kronskolonisten betraut waren. Deren Bezahlung hing nicht von der Anzahl der angeworbenen Personen ab. Die Bildung der Privatkolonien verlief hingegen anders. Deren Werber und ihre Agenten waren wenig um die qualitative Zusammensetzung besorgt, da ihre Bezahlung direkt von der Anzahl der angeworbenen Kolonisten abhing.
Laut den im Rapport des Grafen Orlov gemachten Angaben lebten 2.946 Kolonisten Familien in den Kronkolonien. Von diesen waren 2.747 oder 93% zum Ackerbau fähig, bei 199 war dies nicht der Fall. Dabei waren in Kolonien wie Panovka, Elshanka, Jagodnaja Poljana, Talovka und Bujdakov Bujarak alle 100% der Familien für die Arbeit in der Landwirtschaft geeignet. Im Falle der Privatkolonien wurden folgende Zahlen genannt: Bei De Beauregard waren 1.357 von 1.523 oder 89% der Familien für den Ackerbau geeignet, bei De Boffe 403 von 434 oder 92,8% der Familien. Ein wenig niedriger war der Anteil der für den Ackerbau geeigneten Familien in den Privatkolonien Lerois' und Pitets., der bei 1.347 von 1.530 Familien lag (88%). Von allen 6.433 Familien der Krons- und Privatkolonien wurden 5.854 oder etwa 91% als für den Ackerbau geeignet geführt.
Wie wir also sehen, wird im Rapport Orlovs eine recht hohe Eignung der Kolonisten Familien für die landwirtschaftliche Produktion genannt, die sich in keinster Weise mit den existierenden negativen Bewertungen einzelner Autoren vereinbaren lässt. Dabei ist anzumerken, dass die Bewertung der Eignung eines Kolonisten für den Ackerbau ohne Angabe seines vormaligen Fachgebiets erfolgt. Man kann davon ausgehen, dass ein bestimmter Anteil der Übersiedler nichts mit der Landwirtschaft zu tun hatte, sich gegen den eigenen Willen zum Erlernen des Ackerbaus gezwungen sah und sich erst später daran gewöhnte und Fortschritte in dieser Tätigkeit machte.
Ganz anders entwickelten sich die Dinge beim Anwerben von Kolonisten, die in anderen Staaten, in denen Russland ebenfalls Kolonisten anzulocken versuchte, für den Umzug dorthin gewonnen werden sollten. Die russische Regierung forderte 1763 ihre diplomatischen Gesandten und Agenten dazu auf, das Manifest Katharinas II. in vielen Ländern Europas zu veröffentlichen und zu verteilen und in diesen aktiven Kolonisten anzuwerben. Allerdings blieb ihre Tätigkeit in diesen Ländern beinahe ergebnislos. Dies hatte mit einer ganzen Reihe von Ursachen und insbesondere damit zu tun, dass die bedeutenden europäischen Staaten selbst Interesse an einem Zustrom fremder Staatsangehöriger hatten, die Einwanderung auf jede erdenkliche Art und Weise zu stimulieren versuchten und die Auswanderung aus ihren Ländern untersagten. Im Hinblick darauf ergriffen viele von ihnen alle möglichen Maßnahmen gegen Versuche, ihre Staatsangehörigen über die großzügigen Vergünstigungen und Privilegien für Übersiedler nach Russland, die im Manifest verkündet worden waren, zu informieren. Eine Reihe von Ländern sah sich zudem dazu gezwungen, äußerst hart gegen die Tätigkeit der russischen Werber vorzugehen.
So untersagte die österreichische Königin Maria Theresia durch ihren Erlass vom 16.11.1763 nicht nur die Verbreitung des Manifests von Katharina II., sondern auch die Auswanderung aus ihrem Land. Die erstmalige Zuwiderhandlung wurde mit fünf Jahren Gefängnis und Zwangsarbeit bestraft, die erneute Zuwiderhandlung mit zehn Jahren Gefängnis und Zwangsarbeit und die dritte Zuwiderhandlung mit der Todesstrafe durch Erhängen. Dabei drohten dieselben Strafen bis hin zur Todesstrafe auch den ausländischen Werbern und eigenen Staatsangehörigen, die sie in ihrer Arbeit unterstützten. Mit Zwangsarbeit
und Gefängnis wurde die Aufnahme angeworbener Personen im eigenen Haus und die Unterlassung von Auskünften darüber geahndet. Wer den Staatsbehörden beliebige Informationen über Anwerbevorfälle mitteilte, hatte Anspruch auf eine finanzielle Belohnung. Mit Arrest wurden auch diejenigen bestraft, die aus verschiedenen Gründen zurückkehrten, wenn sie das Land zuvor ohne die benötigte Genehmigung verlassen hatten.
Erhebliche Schwierigkeiten hatten die russischen Gesandten bei der Verbreitung des Manifests und der Ausübung ihrer Tätigkeit als Werber in Spanien, welches aufgrund der hohen Anzahl an Übersiedlern nach Amerika ebenfalls ein Ausreiseverbot erlassen hatte.
Noch weniger Erfolgschancen hatte die Werbekampagne, die sich um Übersiedler aus England und den Niederlanden bemühte. Die Bevölkerung dieser Länder war relativ wohlhabend, zudem besaßen die Länder eigene reiche Kolonien. England hatte seine Kolonien in Nordamerika, wohin ein Teil seiner Staatsangehörigen, die auf der Suche nach Abenteuern oder einem neuen und noch besseren Leben waren, übersiedeln konnte und wohin das Land auch selbst aktiv deutsche Kolonisten zu locken versuchte. Zudem hatte gegen Mitte des 18. Jahrhunderts in England bereits die industrielle Revolution begonnen, und die Städte mit einer entwickelten Industrie, welche die überschüssige ländliche Bevölkerung aufzunehmen vermochte, wuchsen an – ganz anders in Deutschland, wo dieser Prozess erst Jahrzehnte später begann.
Aus diesen Gründen waren die Möglichkeiten Russlands, in England Kolonisten anzuwerben, äußerst gering. Pisarevskij geht in seinem Buch näher auf die Tätigkeit des russischen Botschafters A. P. Voronzov in London ein, dem es nur mit großer Mühe gelang, 200-300 Menschen anzuwerben. Sie erhielten Verpflegungsgeld, und dem Schiffskapitän wurde eine entsprechende Vorauszahlung für ihre Überfahrt nach Russland ausbezahlt. Ein großer Teil der Übersiedler trat die Überfahrt nicht an, da sie ein weiteres Mal von englischen Agenten für deren Kolonien in Amerika angeworben wurden. Das Schiff, auf dem die restlichen Übersiedler sich auf den Weg machten, geriet in einen heftigen Sturm und musste an der Küste der Niederlande anlegen. Beim
Warten auf ein Ende des Unwetters an Bord des Schiffes brach nach einem Trinkgelage ein Streit zwischen der Mannschaft und den Kolonisten aus, woraufhin diese an Land gingen. Zwar gelang es dem Kapitän, sie zur Fortsetzung der Schifffahrt zu überreden, doch das Schiff geriet erneut in einen Sturm und wurde schwer beschädigt. Daraufhin kam es unter den Kolonisten zu einer Meuterei, in deren Folge sie sich entschieden weigerten, die Reise auf dem Seeweg fortzusetzen. Letzten Endes gestattete man ihnen, ihren weiteren Weg selbst auszuwählen.
Größere Hoffnungen setzte man auf Frankreich, wo eine bedeutende Anzahl russischer Werber ihre Tätigkeit aufgenommen hatte. Allerdings wurde auch hier in den Jahren 1682 und 1685 die Flucht der Hugenotten verboten. Wer sie bei der Flucht unterstützte, wurde mit einer Strafe von 3.000 Livres belegt, und bei wiederholtem Vergehen wurde der Verbrecher eingesperrt. Schon bald wurden noch härtere Strafen eingeführt, durch die für Beihilfe oder Absicht zur Auswanderung die Todesstrafe drohte, während denjenigen, die ihren Verdacht einer Ausreise bestimmter Personen aus dem Land rechtzeitig mitteilten, die Hälfte des Vermögens des Emigranten versprochen wurde.16 Letzten Endes gelang es den russischen Werbern lediglich, 235 französische Familien hinter die Grenze zu schaffen. Eine weitere Ursache dieses Misserfolges bestand im entschiedenen Vorgehen des französischen Geheimdienstes, der die russischen Werber rasch und ohne große Worte festnahm und in der Bastille einsperrte.
Aus heutiger Sicht kann man nur bedauern, dass Deutschland damals aufgrund des Fehlens eines einheitlichen Staates und entsprechender einheitlicher Dienstvorschriften und Gesetze nicht in der Lage war, seine eigene Bevölkerung zu schützen, welche in fremde Länder zerstreut wurde. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, welch tragisches Schicksal Generationen deutscher Kolonisten Hunderte von Jahren nach der Auswanderung ihrer Vorfahren erleiden mussten. Bedauerlicherweise kennt die Geschichte bekanntermaßen keinen Konjunktiv.
Kapitel 4.
Wesentliche Ursachen und Motive
der Massenemigration
Die wesentlichen Ursachen, die im 18. Jahrhundert Hunderttausende und im 19. Jahrhundert bereits Millionen Bewohner der voneinander getrennten deutschen Fürstentümer zur massenweisen Emigration veranlassten, werden in zahlreichen Publikationen zu diesem Thema genannt und mehrfach wiederholt, häufig ohne Angabe von Quellen. Heute ist es äußerst schwierig festzustellen, wer sie zuerst formuliert hat und wann dies geschah. Der hier vorliegenden Schilderung liegt die besonders weit verbreitete und logische Systematisierung der Emigrationsursachen zugrunde, die Karl Stumpp in seinem Buch „Die Auswanderung aus Deutschland nach Rußland in den Jahren 1763 bis 1862“ anführt.1 Darin schlägt er völlig zurecht vor, die Ursachen, welche die einladenden Länder zum Anwerben und Ansiedeln von Kolonisten auf ihren Ländereien und die deutschen Kolonisten zum Verlassen ihrer Heimat und zur Suche ihres Glücks in fernen und fremden Gegenden veranlassten, müssten getrennt voneinander untersucht werden.
In den vorhergehenden Kapiteln wurden die wesentlichen Ziele, die Preußen, Österreich und Russland verfolgten, bereits dargestellt. Dabei setzten sie ihre Peuplierungspolitik und die von ihnen angewandten Annahmen und Methoden beim Anwerben deutscher Übersiedler in die Tat um. Wir kommen an späterer Stelle dieses Kapitels noch einmal auf dieses Thema zurück und versuchen, einige allgemeine und kennzeichnende Merkmale dieser Politik in den genannten Ländern zu formulieren. Den Anfang bildet die Darstellung der wesentlichen Motive und Ursachen der Massenemigration, die von Karl Stumpp in vier Gruppen zusammengefasst wurden: in politische, ökonomische, religiöse und persönliche Ursachen.
4.1. Politische Ursachen
Zu den politischen Emigrationsursachen müssen die zwangsweise Rekrutierung von Soldaten, die zahlreichen Abgaben und Steuern zu Kriegszeiten und die Raubzüge und Kontributionszahlungen gezählt werden, die Teil der schrecklichen Folgen der vielen Kriege waren, welche auf den Gebieten der voneinander getrennten deutschen Staaten und kleinen Fürstentümer gewütet hatten. Schon die alleinige Aufzählung aller Kriege des 17. und 18. Jahrhunderts – der Dreißigjährige Krieg (1618-1648); der Holländische Krieg (1672-1679); der pfälzische Erbfolgekrieg (1688-1697); der Spanische Erbfolgekrieg (1701-1714); der Polnische Thronfolgekrieg (1733-1738). Im Anschluss daran: der Siebenjährige Krieg (1756-1763) und der damit eng verbundene Englisch-Französische Krieg um die Vorherrschaft in Nordamerika (1755-1762); die französische Besatzung am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Und nicht zuletzt die zwangsweise Teilnahme an den napoleonischen Feldzügen im Jahre 1806 gegen Preußen, 1807 gegen Österreich, 1812 gegen Russland und daraufhin 1812 gegen Preußen, Russland und Österreich – gibt dem Leser heute eine Vorstellung des extremen Elends, von dem die Bewohner der deutschen Ländereien heimgesucht wurden.
Nach dem Siebenjährigen Krieg, die zahlreichen negativen ökonomischen Folgen in Form überzogener Abgaben und Steuern hatte, kam es infolge abnehmender Ernteerträge zu einem Preisanstieg bei den Grundnahrungsmitteln. Die völlig unangemessenen Abgaben an die Herrscher, welche durch Raub an ihren Untergebenen ihren ausschweifenden Lebenswandel finanzierten, führten lediglich zu einer Verschärfung der nach dem Krieg entstandenen Depression der Bevölkerung. Weit bekannt ist etwa die auch in Stumpps Buch aufgeführte Tatsache, dass der hessische Landgraf Friedrich II. 17.000 seiner Staatsangehörigen an die englische Armee verkaufte, die sich mit den Franzosen um die Vorherrschaft in Nordamerika im Krieg befand. Wir sehen also, dass die Bevölkerung der deutschen Ländereien nicht nur unter den politischen Folgen der ausländischen Besatzung litt, sondern auch unter der Rechtlosigkeit, die mit den ungerechten Entscheidungen ihrer Herrscher in Zusammenhang stand. Daher ist es wenig verwunderlich, dass viele Bewohner der deutschen Ländereien, die unter den militärischen Konflikten der zahlreichen Kriege gelitten hatten, einen Ausweg aus dieser Lage in der Auswanderung sahen.
Zu den politischen Ursachen gehört auch die Auswanderung der Mennoniten aus Westpreußen, die begonnen hatte, nachdem der preußische König Friedrich Wilhelm II. 1787 die Privilegien der Mennoniten, die diesen von seinem Vorgänger Friedrich II. (dem Großen) gewährt wurden, trotz seiner Bestätigung dieser Privilegien dahingehend eingeschränkt hatte, dass diese keine neuen Grundstücke mehr kaufen konnten. Damit machte er den Erwerb neuer Höfe und Grundstücke für die zahlreichen Kinder der Mennoniten unmöglich. Diese waren größtenteils durchaus vermögend und hätten eine solche Möglichkeit wahrnehmen können. Die eingeführten Einschränkungen hinsichtlich einer Ausweitung der genutzten Ländereien führten zu einer steigenden Zahl von Höfen der Mennoniten, welche vom Kriegsdienst befreit waren. Dies wiederum hatte eine abnehmende Anzahl von Rekruten für die auf einem Kantonsystem basierende preußische Armee zur Folge.
4.2. Ökonomische Ursachen
Die ökonomischen Ursachen der Massenemigration gehen insbesondere auf die Zeit des langfristigen Bevölkerungswachstums zurück, welches in Deutschland das gesamte 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts andauerte. Wie bereits zuvor erwähnt, erreichte die Bevölkerung nach einer signifikanten Abnahme infolge zahlreicher Kriege und Epidemien bereits gegen Mitte des 18. Jahrhunderts wieder das Niveau der Anfangszeit des 17. Jahrhunderts und betrug 1750 23 Millionen Menschen, stieg bis 1790 auf 25 Millionen und bis 1816 bereits auf 29,6 Millionen Menschen an. Das Bevölkerungswachstum ging mit einem Mangel an landwirtschaftlicher Nutzfläche, einer ständig wachsenden Zahl an Betrieben und einer abnehmenden Größe ihrer Flächen einher. Die Bauern, deren Grundbesitz fortwährend abnahm, waren nicht dazu in der Lage, landwirtschaftliche Güter im für die Ernährung ihrer Familien nötigen Umfang zu produzieren, geschweige denn einen Anteil davon zu verkaufen, um dadurch die für die Bezahlung der zahlreichen und unangemessenen Abgaben und Steuern nötigen Gelder zu erhalten.
Werfen wir am Beispiel des Bistums Würzburg einen genaueren Blick auf das Problem, das sich damals durch den steigenden Druck der schnell anwachsenden Bevölkerung auf die zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Nutzflächen und die in diesem Zusammenhang entstandenen Emigrationsprozesse ergeben hatte.
Würzburg war damals das Zentrum eines Bistums, welches Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war und von einem Fürstbischof regiert wurde, der nicht nur priesterliche Funktionen ausübte, sondern auch die säkulare Macht über das von ihm verwaltete Gebiet innehatte. Das Bistum Würzburg stellte ein besonderes und wichtiges geistliches Zentrum des Heiligen Römischen Reiches dar. Laut historischen Quellen lebten 1600 135.000 Staatsangehörige im Fürstentum, zu welchem 29 Städte, 575 Dörfer und 59 einzelne Höfe und Mühlen gehörten. Ihre Zahl stieg 1704 auf 170.100 und in den letzten 50 Jahren vor der 1803 in Bayern durchgeführten Säkularisierung auf 250.000 - 280.000 Menschen an. Die Fläche des Bistums betrug 1802 5.290 Quadratkilometer.2 Ähnliche Daten über das Bevölkerungswachstum gehen auch aus einer anderen Quelle hervor, der zufolge 1700 30 Bewohner auf einem Quadratkilometer lebten, 1750 47 Bewohner und 1812 bereits 60 Bewohner.3
Wie wir also sehen, kam es im Fürstentum zu einem sprunghaften Bevölkerungsanstieg, in welchem die wesentliche Ursache für die übermäßige Teilung und Verkleinerung des Grundbesitzes einzelner Familien und die sich in der Bevölkerung ausbreitende Armut und Hungersnot zu sehen ist. In Tabelle 2 werden Berechnungen angeführt, die eine solche negative Tendenz eindrucksvoll belegen. Als Grundlage dienen die Fläche der bearbeiteten Ländereien (Ackerland, Wiese und Weingärten), die 235.708 Hektar betrug, die Bevölkerungsdynamik und die durchschnittliche Familiengröße von 4,5 Menschen.4
In der Region Würzburg musste eine Familie fünf bis acht Hektar Land mit qualitativ hochwertigen Böden bearbeiten, um sich ernähren und die zahlreichen Steuern und Abgaben bezahlen zu können.3
Таbelle 2
Änderung der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Fürstentum Würzburg
Jahr | 1680 | 1700 | 1730 | 1750 | 1790 | 1812 |
Einwohner | 140.000 | 160.000 | 210.000 | 250.000 | 290.000 | 310.000* |
Hektar pro Einwohner | 1,44 | 1,27 | 0,96 | 0,80 | 0,72 | 0,66 |
Hektar pro Familie | 6,48 | 5,71 | 4,32 | 3,60 | 3,24 | 2,97 |
*Anmerkung. 1812 lag die Bevölkerung im Großherzogtum Würzburg bei 353.775 Menschen, die Fläche betrug 6.183 Km2. Die in der Tabelle angegebenen Einwohnerzahlen stellen Näherungswerte innerhalb der alten Grenzen des Herzogtums vor der Säkularisierung und dem Anschluss an Bayern dar.4
Wie aus der Tabelle hervorgeht, verfügten die deutschen Bauern im Fürstentum bereits 1730 nicht über genügend Nutzfläche, um ihren Familien eine normale Existenz zu ermöglichen. In den Folgeperioden verschlimmerte sich ihre Lage weiterhin dramatisch. Die ihnen zur Verfügung stehenden Ländereien hatten in der Mitte des 18. Jahrhunderts nur die Hälfte der Fläche, die sie für ein Leben ohne Hunger benötigten, zu Beginn des 19. Jahrhunderts war es sogar noch weniger. Dabei verbergen sich hinter den angeführten Durchschnittswerten sowohl Teile der Bauernschaft, die über Land im Überfluss verfügten, als auch eine noch wesentlich größere Anzahl von Dorfbewohnern, deren Nutzflächen zu klein waren oder die überhaupt keine Nutzflächen besaßen. Zudem mussten sich die Bauern mit den Folgen der Jagdlust ihres Bischofs und seiner Entourage anfreunden – diese konnte nämlich dazu führen, dass Hunderte Wildschweine und Hirsche über ihre Wiesen getrieben wurden. Der Kampf mit dem herrschaftlichen Wild, welches über ihre landwirtschaftlichen Nutzflächen lief und diese als Weide nutzte, war Teil des Alltags. Dabei war den Bauern der Kampf mit dem Wild, welches ihre Felder zerstörte, untersagt, galt doch die Jagd als alleiniges Recht und vornehmster Zeitvertreib des Herrschers. Wie auch in anderen Ländern waren die Bauern zur Bezahlung zahlreicher Steuern für den Unterhalt des Bischofs und seines Hofes und zur Abgabe eines Zehntels ihrer Feldfrüchte, ihres Weins, ihrer Kartoffeln, ihres Heus, Tabaks, Fleisches, ihrer Milch und weiterer Nahrungsmittel verpflichtet, außerdem mussten sie acht bis 156 Tage im Jahr umsonst für ihren Gutsherren arbeiten. Zum bäuerlichen Frondienst gehörten Arbeiten wie die Bestellung und Ernte der Felder, der Hausbau, die Teilnahme am Treiben des Wildes während der Jagd und viele weitere Aufgaben. Die schwere und oftmals ausweglose Situation wurde durch die in regelmäßigen Abständen wiederkehrenden ertragsschwachen Jahre und das Viehsterben weiter verschärft. All das zwang die Bauern dazu, in hoffnungsloser Armut zu leben, Hunger zu leiden und führte zu einem ständigen Anstieg der Verschuldung und letztendlich zum Verlust der eigenen Höfe.
Zu einer solchen Lage der Dinge trug in vielerlei Hinsicht auch das damals in Deutschland geltende Erbrecht der Bauernhöfe bei, welches die Erbfolge nach dem in östlichen und nördlichen Regionen geltenden „Anerbrecht“ oder der in den südlichen und westlichen Landesteilen verbreiteten „Realerbteilung“ vorsah.
Die Erbfolge nach dem Prinzip der “Realerbteilung“ sah die Aufteilung des Landes und Vermögens eines Bauernhofes auf alle gesetzlichen Erben vor. Dies führte zu einer ständig wachsenden Zahl bäuerlicher Betriebe und zu deren Verkleinerung. Je kleiner jedoch der Betrieb wurde, umso stärker wurde jede flächenmäßige Einheit mit verschiedenen Steuern, Zahlungen und Dienstleistungen belastet, was die Wirtschaft und deren Stabilität zerstörte. In Regionen, in denen das „Anerbrecht“ verbreitet war, gab es nur einen Haupterben, der den Bauernhof samt den dazugehörenden Ländereien erbte. Dies ermöglichte es, die Größe eines Hofes zu erhalten und seine Nutzfläche nicht aufzuteilen. Der Haupterbe musste seinen Brüdern und Schwestern ihren Erbteil ausbezahlen, was in der Regel in Teilen und über viele Jahre hinweg geschah, und seinen Eltern eine Unterkunft bereitstellen. Die Erben, die keine Ländereien erhielten, konnten auf den Kauf eines neuen Bauernhofes hoffen, wenn die Familie ein gutes Auskommen besaß, durch Eheschließung in einen fremden Bauernhof einziehen oder in Gegenden umziehen, in denen Ländereien neu erschlossen wurden. Dies war allerdings aufgrund des Mangels an freien und fruchtbaren Ländereien äußerst selten der Fall. Daher mussten sie sich meistens als Knecht oder Magd bei vermögenden Bauern verdingen oder versuchen, Arbeit als Geselle zu finden und trugen so zur steigenden Anzahl verarmter Dorfbewohner ohne Grundbesitz bei.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts waren schon etwa zwei Drittel der Dorfbevölkerung nicht mehr in der Lage, durch ihren landwirtschaftlichen Grundbesitz ihre Ernährung und Existenz zu sichern. Die steigenden Lebensmittelpreise und der damit verbundene Hunger verschärften die Armut breiter Bevölkerungsmassen weiter. Diese sah in der Auswanderung nach Russland und in andere Länder einen möglichen Ausweg aus der entstandenen Situation.
Unter diesem Aspekt waren die geschönten Versprechungen der Werber Friedrichs II., der österreichischen Könige und Katharinas II., allen Übersiedlern große, fruchtbare Ländereien zuzuteilen und ihnen darüber hinaus eine ganze Reihe von Privilegien zu gewähren, für die deutschen Kolonisten durchaus attraktiv. Sie verlockten sie und riefen sie dazu auf, sich in diese fernen Länder aufzumachen.